Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Superintendent Dr. Gerold Lehner

 

 

Sonntag, 13. Dezember

Advent und Weihnachten sind die stimmungsvollsten Feste im Jahr. Und wir empfinden es als ausgesprochen mühsam, wenn diese Stimmung nicht zustande kommt, oder verdorben wird. Wenn das Wetter zu warm ist, wenn es dauernd regnet, wenn es keinen Schnee gibt, ….

Und wir versuchen den Advent stimmungsvoll zu gestalten, versuchen Stimmung zu erzeugen. Wir haben unsere Adventkränze, Lichterketten werden überall aufgehängt, Weihnachtslieder werden rauf und runter gespielt.

Was interessant ist. Denn das Wort Stimmung hängt ganz ursprünglich mit dem Wort Stimme zusammen. Es ist die Stimme, die Stimmung ausdrückt und Stimmung hervorruft. Von dieser Stimme hängt es ab. Von dem, was sie sagt, von dem wie sie es sagt. Welche Stimme soll im Advent laut werden? Welche Stimme wollen wir hören?

Als Georg Friedrich Händel sein Weihnachtsoratorium, den Messias, komponierte, da stellte sich ihm dieselbe Frage: Welche Stimme sollte hier vernehmbar werden und welche Stimmung würde damit etabliert werden? Der Messias beginnt mit der Stimme des Propheten Jesaja: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat und ihre Schuld vergeben ist.“ (Jes.40,1)

Es ist die Stimme Gottes, die laut wird und diese Stimme spricht uns von Trost, von der befreienden und entlastenden Zuwendung Gottes. Und diese Stimme und mit ihr die Stimmung unseres Lebens verschwindet nicht nach dem Advent. Sie bleibt, sie durchdringt alles, sie vibriert als tiefer Grundton des Lebens. Gott tröstet, indem er die Knechtschaft beendet, Schuld vergibt, uns aufrichtet und uns beisteht in der Not des Lebens.

 

 

Montag, 14. Dezember

Die Stimmung des Advent hat viel damit zu tun, welche Stimmen in ihm laut werden. Wir alle wissen das. Darum wird auch hinauf und hinunter versucht in den verschiedenen Musikrichtungen Advents- und Weihnachtstimmung zu erzeugen. Allerdings verbleibt diese Stimmung oft an der Oberfläche. Sie hat wenig Kraft, weil die Stimmung nicht zu der Stimme durchdringt, die im Advent sich zu Gehör bringen will. Von dieser Stimme haben Christinnen und Christen immer wieder gesungen. Und es sind diese Adventlieder, welche in ihren alten und neuen Formen die Stimmung, die Stimme des Advent zu Gehör bringen.

Eines der bekannten neuen (und ökumenischen) Adventlieder ist: „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Was auf den ersten Blick wie ein Kinderlied wirkt ist mehr. Es ist ein Lied, das wunderbar die Gestimmtheit des Advent ausdrückt: „Wir sagen euch an den lieben Advent / sehet die erste Kerze brennt! Wir sagen euch an eine heilige Zeit / Machet dem Herrn die Wege bereit. Freut euch ihr Christen, freuet euch sehr, schon ist nahe der Herr.“

Advent ist die Zeit der Freude, weil Gott zu uns kommt. Seine Nähe, seine Anwesenheit, sein Kommen verbreitet nicht Angst und Panik, sondern ist Grund aufzustehen uns aufzumachen, ihm entgegen zu gehen: In seiner Nähe kommt mein Leben in Ordnung, seine Nähe gibt mir zugleich Geborgenheit und Mut zum Leben, Mut in die Zukunft zu gehen. Seine Nähe ist Befreiung aus allen Zwängen, ist Licht und Leben.

 

 

Dienstag, 15. Dezember

Eines der bekanntesten Adventlieder ist „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.“

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit / es kommt der Herr, der Herrlichkeit ein König aller Königreich / ein Heiland aller Welt zugleich der Heil und Leben mit sich bringt / derhalben jauchzt, mit Freuden singt. Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.“

Das Lied mag altertümlich klingen, aber es fasst gleichwohl alles zusammen, was den Advent ausmacht: Gott kommt zu den Menschen. Es ist nicht irgendwer, der da kommt. Es ist der Herrscher über alles Leben, die Macht des Lebens selbst. Und er kommt zu den Menschen, nicht um sie vom Antlitz seiner Erde zu tilgen, sondern er kommt um zu heilen: Die Krankheit unseres Egoismus, der in der Angst wurzelt, zu kurz zu kommen. Die Krankheit unserer vielfältigen Unfähigkeit lieben zu können. Er kommt, um uns eine Tür aufzutun in ein Leben, das nicht mehr der Begrenzung durch den Tod unterworfen ist, sondern ein Leben, das in seiner Gegenwart kein Ende mehr kennt.

Wenn Gott kommt, als Mensch unter Menschen, als Kind in der Krippe, wenn die Stimme des Advent uns sein Kommen ankündigt, dann ist die Frage, wie wir reagieren. Höre ich die Stimme, die sagt: Siehe, ich komme zu dir. Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an? Bin ich bereit, die Tür meines Lebens zu öffnen? Gott selbst in mein Leben einzulassen? Oder reagieren wir wie bei einem unerwünschten Besuch: Wir tun so als wäre niemand zuhause?

Ich möchte die Türe öffnen und sagen: Ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

 

 

Mittwoch, 16. Dezember

Jochen Klepper, Schriftsteller und Dichter hat im Jahr 1938 ein Adventgedicht und Lied geschrieben, das zu den dichtesten Texten für den Advent gehört:

„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen, dem hellen Morgenstern, auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein, der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.“

Er hat seine Zeit als dunkle Zeit erlebt, als Zeit der Not und der Bedrängnis, des Unheils und der Düsternis. Immer auswegloser schien alles zu werden, die Nacht alles zu verschlingen.

Und doch hat er in dieser Zeit von der Hoffnung gesungen, dass die Dunkelheit ein Ende haben wird. Noch ist es nicht abzusehen, aber es gibt den Morgenstern, der davon kündet, dass auch diese Nacht enden wird. Unsere Angst und Not steht gegen allen Augenschein unter der Hoffnung. In der Nacht der Welt, inmitten von Leid und Schuld kommt das Kind in der Krippe zur Welt. Gott wird Mensch, um den Menschen die Hoffnung zu bringen, einen Weg zu eröffnen inmitten der Ausweglosigkeit.

„Noch manche Nacht wird fallen, auf Menschenleid und Schuld

Doch wandert nun mit allen, der Stern der Gotteshuld.

Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr

von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“

 

 

Donnerstag, 17. Dezember

Es ist interessant, dass im Zuge der Wahl und auch der ersten Monate des Amtsantrittes des amerikanischen Präsidenten Barack Obama immer wieder das Bild des Messias auftauchte. Jenes Menschen, der das Heil bringen sollte, des Erlösers und Retters. Und heute wie damals vor 2000 Jahren ist es interessant zu sehen, dass die Erwartungen einander immer noch ähneln. Es soll jemand kommen. Der soll alles machen, alles zum Besseren wenden. Einer, von wir uns alles erwarten. Ein Satz der nicht ausgesprochen wird, aber der oft genug mitschwingt lautet aber: Nur kosten darf es uns nichts. Alles soll anders und besser werden, aber weh tun darf es nicht und wirklich ändern soll sich auch nichts. Das ist die Kehrseite der messianischen Medaille.

Wenn wir uns in der Adventzeit im Warten auf das Weihnachtsfest üben, im Warten auf die Ankunft Gottes in dem Menschen Jesus von Nazareth, dann sind unsere Erwartungen, so ferne sie überhaupt vorhanden sind, oftmals sehr ähnlich: Gott soll in unserem Leben alles zum Besseren ändern, aber möglichst nichts verändern, schon gar nicht uns selbst.

Zacharias, der Vater Johannes des Täufers hat in Bezug auf das Kommen des Messias gesagt, „er richte unsere Füße auf den Weg des Friedens (Lk.1,79)“. Ich finde das ein sehr schönes Bild. Der Messias, das ist der, der tatsächlich einen neuen Weg eröffnet. Einen Weg, der allerdings in Vielem anders aussieht als wir es erwartet haben. Er bahnt uns den Weg, er zeigt uns den Weg, ja, er richtet unsere Füße auf den Weg des Friedens, - aber gehen, den Weg beschreiten, Schritt für Schritt, das müssen wir immer noch selber. Der Messias eröffnet keine Rolltreppe, die uns ohne eigenes Zutun befördert. Er lehrt uns Schritte zu tun auf dem Weg des Friedens. Und gerade der Advent ist die Zeit des Übens, des Gehens, des sich darauf Besinnens: Der Weg ist frei, die Füße gerichtet, - lasst uns gehen. Auf dem Weg des Friedens in diesen neuen Tag hinein.

 

 

Freitag, 18. Dezember

Weihnachten, das ist das Fest der Familie, so sagt man uns. Weihnachten, da denken wir aneinander, da beschenken wir einander, da nehmen wir uns Zeit füreinander und spielen heile Familie. Die Realität schaut ein wenig anders aus. Resigniert hat Reinhard Fendrich schon vor Jahren gesungen: „Wir kaufen all´s, wir schenken gern, dann schau´n ma fern / und nur die Kinder warten heut´no auf an Stern“.

Diese Art, heile Familie zu spielen, und sei es nur für begrenzte Zeit, fällt uns einfach deshalb schwer, weil wir durchaus nicht heil sind. Wie viele Konflikte, wie viele böse Worte, wie viel Unverständnis und unerfüllte Sehnsucht liegen da unter der Oberfläche unseres Miteinanders.

Wie wäre es dem gegenüber, nicht auf den Weihnachtsabend zu warten, um dann etwas zu inszenieren, was nur bedingt stimmt? Wie wäre es stattdessen, heute Morgen, wenn alle aus dem Haus sind, auf dem Weg in die Arbeit, in die Schule, wo und wie auch immer,- an die Kinder, an die Frau, an den Mann, an die Eltern zu denken, ein Gebet für ihn, für sie zu sprechen? Sie Gottes Barmherzigkeit, seiner Fürsorge und seinem Schutz zu befehlen? Zu bitten, dass sie die Kraft haben zu bestehen in den Anforderungen und Aufgaben des Tages? Dafür danke zu sagen, dass es sie gibt? Und das mitten im Alltag, mitten im Trubel dieses Freitagmorgens?

Es wäre ein schönes Ritual, jeden Morgen, so wie die Tür am Adventkalender, diese Tür zu Gott hin zu öffnen, dass von ihm her Gnade und Barmherzigkeit in das Leben unserer Familien kommt.

 

 

Samstag, 19. Dezember

Endlich wieder Einkaufssamstag? Es scheint so, als würden die Menschen sich voller Vergnügen dem Kaufrausch anheim geben. Ich kenne jedoch keinen und keine, bei dem das wirklich so ist. Vielmehr stöhnen und ächzen viele unter dem Druck, dem wir mittlerweile beim Schenken ausgesetzt sind. Und dieser Druck wird noch verschärft durch so manche böse Werbung, die sich nicht entblödet, die Schenkenden auch noch lächerlich zu machen und ihre öffentliche Bloßstellung anzukündigen. Das ist nun wirklich die Perversion des Schenkens. Und überhaupt: Bei all der Geschenkeorgie hat man das Gefühl, dass jenes eine Geschenk, um das sich Weihnachten dreht, keiner zu brauchen scheint. Denn dieses Geschenk kurbelt keinen Umsatz an, lässt keine Kassen klingeln und sich in keiner Geschäftsbilanz ausweisen.

Und dennoch ist ohne dieses Geschenk alles andere ein sinnentleertes Wohlstandsspektakel.

Der allmächtige Gott gibt sich selbst. Er stellt sich selbst bloß, indem er seine Zuneigung, seine Liebe zu uns Menschen, in dem Kind in der Krippe sichtbar und handgreiflich werden lässt. Ja, Gott stellt sich selbst bloß. Und wir sehen einen liebenden Gott. Einen Gott, der nicht auf sicherer Distanz bleibt, sondern der uns nahe kommt.

„Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich, freue dich o Christenheit!“

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass an diesem Einkaufssamstag jedes schön verpackte Geschenk das sie sehen, jedes Geschenk, das sie für einen lieben Menschen kaufen, ihnen zum Hinweis wird, zum leuchtenden Zeichen wird für das eine Geschenk, das aus diesem Fest das Fest der Freude macht. Und dass sie von Herzen singen können:

„Stille Nacht, heilige Nacht!

Gottes Sohn, o wie lacht, Lieb aus deinem göttlichen Mund,

da uns schlägt die rettende Stund,

Christ in deiner Geburt, Christ in deiner Geburt.“