Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

 

von Abt Raimund Schreier (Stift Wilten, Tirol)

 

 

Sonntag, 27. 12. 2009

Immer wieder verzeihen

Ein neugeweihter Priester machte sich sehr viele Gedanken um seine erste Hochzeitspredigt. Auf einem Spaziergang begegnete er einer alten Frau, der er seine Schwierigkeiten gestand: „Eigentlich weiß ich nicht, was ich den Brautleuten sagen soll!“

„Ach“, antwortete sie spontan, „sagen Sie ihnen doch, sie sollen einander immer wieder verzeihen.“ (Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 5, Nr.17).

 

Die katholische Kirche feiert heute das Fest der Heiligen Familie. Maria, Josef und das Jesuskind: In der Weihnachtszeit sehen wir sie in den Krippen dargestellt, meist in einer Höhle, Zeichen der Geborgenheit, der Einheit und der Harmonie. Die Heilige Familie ist das Vorbild für uns Christen, für unsere christlichen Familien. Denn die Mitte dieser Familie ist das göttliche Kind, ist Jesus von Nazareth. Er liegt in einer Krippe aus Holz und wird sich dann am Kreuzesholz töten lassen, um die Menschheit mit Gott zu versöhnen. Während seines öffentlichen Auftretens in Palästina wird er nicht müde, die Menschen immer wieder zur Versöhnung aufzurufen. „Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben“ (Mt 6, 14), so verheißt er es uns in seiner Bergpredigt.

Ich wünsche unseren Familien besonders an diesem heutigen Fest der Heiligen Familie, dass sie einander immer wieder verzeihen!

 

 

Montag, 28. 12. 2009

Das Wort Gottes

1960 in Moskau: Premiere des Schauspiels „Christus im Frack“; es soll Gott und Religion in den Augen der Zuschauer verspotten.

Der Schauspieler Alessandrow liest unter dem Gejohle der Zuschauer die Seligpreisungen der Bergpredigt. Plötzlich verlässt der Schauspieler die Regieanweisung, statt „das Buch in die Ecke zu werfen“, liest er immer weiter. Die Menge verstummt, beginnt zuzuhören. Schließlich sagt Alessandrow in das Schweigen hinein: „Gott sei mir gnädig.“

Die Vorstellung wird abgebrochen; eine weitere Aufführung fand nicht statt. Alessandrow trat nie wieder auf. (Friedrich Dietz, Zwei Minuten vor dem Tag, S.13).

 

Ein Mensch wird getroffen vom Wort Gottes. „Und das Wort ist Fleisch geworden“. Diesen Beginn des Johannesevangeliums, den so genannten Prolog hören wir jetzt immer wieder im Weihnachtsgottesdienst. Es geht hier nicht um viele Worte; es geht um das Wort. Damit meint der Evangelist Gott selbst, der durch seinen menschgewordenen Sohn, Jesus von Nazareth, zu uns spricht. Lassen wir uns in diesen Tagen vom Wort Gottes treffen, um Orientierung zu finden für unser Leben, um dann so mutig zu sein, wie dieser Mann in Moskau.

 

 

Dienstag, 29. 12. 2009

Der Weihnachtsfriede

Der Krieg schien unvermeidlich; so schickten die Feldherren von beiden Seiten Späher aus, um zu erkennen, wo man am leichtesten in das Nachbarland einfallen könnte. Die Kundschafter kehrten zurück, und auf beiden Seiten war man zum selben Ergebnis gekommen: Es fand sich nur eine Stelle an der Grenze, die dafür geeignet war. Aber, sagten die Kundschafter, dort wohnt ein Bauer in einem kleinen Haus mit seiner Frau und seinen Kindern. Man sagt, sie seien sehr glücklich und hätten einander lieb. Wenn wir nun in das feindliche Land einbrechen, müssen wir sein Haus und sein Feld zerstören, und wir zerstören sein Glück. Also kann es keinen Krieg geben. Das sahen die Feldherren ein, und der Krieg unterblieb – wie jeder Mensch begreifen kann. (Friedrich Dietz, Zwei Minuten vor dem Tag, S.75).

 

Ein Märchen aus dem alten China! Niemand glaubt, dass so etwas möglich wäre. Aber warum sollten wir es nicht möglich machen, wenigstens dort, wo wir leben? Unternehmen wir nichts, was das Glück des anderen zerstören würde. Wäre dies nicht ein Beitrag zu einer friedlicheren Welt? Ein Beitrag zum Weihnachtsfest, an dem die Engel über der Krippe singen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden?

 

 

Mittwoch, 30. 12. 2009

Ertragt einander!

Zwei Brüder lebten lange zusammen in der Wüste, aber sie hatten fortwährend Streit. Da sagte der eine: „Wie lange wollen wir so weitermachen?“ Darauf der andere: „Tu mir einen Gefallen: Ertrage mich, wenn ich dir auf die Nerven falle! Und wenn du mir auf die Nerven fällst, will ich dich auch ertragen.“ So taten sie und lebten den Rest ihres Lebens in Frieden. Soweit diese Geschichte aus den Sprüchen der Wüstenväter. (Reinhard Abeln, Das Leben einfädeln, S.142).

 

„Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,13), so schreibt der hl. Paulus an die Gemeinde von Kolossä. Die Gemeinde ist ziemlich zerstritten und Paulus erinnert sie an die Botschaft des Jesus von Nazareth, des Friedensfürsten.

Weihnachten ist ein Fest des Friedens, ein Fest der Liebe, ein Fest, das uns für den Alltag rüsten will: Ertragt euch gegenseitig! Das kann manchmal sehr schwer sein, eine richtige Last. So schwer, wie wenn ich einen anderen voll tragen müsste mit all seinen Problemen, seinen Nörgeleien, seiner ständigen Kritik, seiner Laune. Aber die Friedensbotschaft von Weihnachten lautet: Ertragt einander in Liebe!

 

 

Donnerstag, 31. 12. 2009

Der stille Silvester

Wir waren auf einer Reise durch Holland zu Gast bei einer Familie, deren Adresse uns durch Freunde vermittelt worden war: Junge Künstler, in sehr moderner, freizügiger Art. Als wir uns am Abend zu Tisch setzten und die Kinder mit hungrigen Augen schon zu Löffel und Gabel griffen, fragte uns die Hausfrau in Deutsch: „Brauchen Sie Stille?“ Erst waren wir fast sprachlos. Es war die schönste Frage nach einem Gebet, die wir jemals gehört hatten. Wir werden diese drei Worte nie vergessen. (Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 5, Nr.177).

 

Am heutigen Silvestertag wird es viel Lärm geben. Lärm ist Zeichen für dankbare Freude für das vergangene Jahr, ist Zeichen des Willkommens für das Neue Jahr. Aber es braucht auch Stille, die Zeit, in der ich ganz zu mir kommen kann, in der ich in meinem Herzen Rückschau halte und Gott danke für die vielen Geschenke des vergangenen Jahres. Stille Zeiten, in denen ich einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft werfe und nachdenke: Was möchte ich in diesem Jahr besser machen, vertiefen? Was ist das Wesentliche meines Lebens? Wohin gehe ich? Was ist das Ziel?

Ich wünsche uns allen neben dem Fest der Freude einige Minuten der Stille und des Gebetes!

 

 

Freitag, 01. 01. 2010

Gottes Segen

„Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis. Und Gott segnete sie.“ (Gen 1, 27 - 28). So lesen wir im ersten Buch der Bibel, in der Genesis. Wir Menschen sind von Anfang an Gesegnete.

 

Segen bedeutet: Ich empfange, was ich nicht erarbeitet habe. Ich muss mich nicht mit mir und meiner Leistung begnügen. Ich darf mehr erhoffen. Das schenkt Gelassenheit. Gesegnet sein heißt, aus der schöpferischen Kraft Gottes leben und diese Kraft wirksam werden zu lassen. Der Mensch darf also Mensch bleiben und sich von Gott segnen lassen. Und als Gesegneter kann er dann für andere zum Segen werden.

Immer wieder sollten wir einander segnen in diesem kommenden Neuen Jahr: Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Eltern, der Ehegatte die Gattin und umgekehrt, ein Freund den anderen.

Als Priester möchte ich Ihnen für das Jahr 2010 den großen Segen erteilen, den schon Aaron und seine Söhne den Israeliten gespendet haben:

Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil. (Num 6, 24 - 26).

Ich wünsche ein mit Segen erfülltes Neues Jahr!

 

 

Samstag, 02. 01. 2010

Das neue Jahr in der Hand Gottes

Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des Jahres stand: „Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegengehen kann!“ Aber er antwortete: „Geh nur in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes; das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.“ (Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 2, Nr. 16).

 

Wir Menschen brauchen Orientierungspunkte, Wegweiser, Licht, damit wir unseren Lebensweg gehen können. Die Frohbotschaft der Bibel sagt uns, dass der sicherste Kompass Gott selbst ist.

„Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben“, so beten wir bei der so genannten Complet, dem Nachtgebet der Kirche. Solches Gottvertrauen schenkt mir Kraft, in dieses neue Jahr hineinzugehen, immer weiter zu gehen, auch wenn es dunkel wird, wenn Hindernisse im Weg stehen. „Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben.“ Legen wir dieses kommende Jahr, legen wir unser Leben ganz in Gottes Hände. Er hat es uns versprochen, uns zu begleiten, uns zu tragen, immer bei uns zu sein.