Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Maximilian Fritz (Klagenfurt)
Sonntag, 10.01.10
Was ist das, die Liebe? Zu
unterschiedlich sind die Bedeutungen des einfachen Wortes, wir
sprechen von Liebe zu den Eltern, den Kinder, von der Liebe zum
Vaterland, zu Gott, wir verwenden Liebe wenn wir Hobbys meinen, wenn
wir an Sex denken, wir lieben Tiere, die Natur, unsere Arbeit, wir
lieben das Nichtstun, gutes Essen, Single Malt Whiskys oder alte
Jazz-Vinylplatten. Und natürlich lieben wir gute Bücher und alte
Filme. Ein inflationäres Wort also, ein UNWORT vielleicht – es kommt
uns leicht, oftmals zu leicht, von den Lippen. Und doch ist es ein
Wort, ein Begriff, ein Zustand, nach dem wir uns sehnen, von dem wir
hoffen, ihn, den Zustand Liebe, zu erleben, es, das Wort Liebe,
nicht leichtfertig zu gebrauchen. Was also ist die Liebe?
Wie vielgestaltig und vielbesungen,
vielbeschrieben und vielbeschworen das Ereignis Liebe auch sein mag:
Unter jener Inflation von Verwendungsvariationen lauert er ja dann
doch, der Moment, in dem die Zeit anscheinend still steht, das Herz
aufgeht und alles gut ist. In dem die Worte fehlen, man jedoch
spürt, dass gerade das passiert, was man sich wünschen, aber nicht
erzwingen kann: Die Liebe.
Montag, 11.01.10
Die Liebe ist das Thema dieser Woche,
die vielgestalte, schwer fassbare, vom Menschen so erstrebte. Nun
wissen wir ja dank Goethe, „es irrt der Mensch, solang’ er strebt“.
Die menschliche Liebe ist also Irrungen unterworfen. Irrungen, die
den Menschen unkontrollierbar anfallen und ihn niederreißen.
Versuchen wir deshalb, Irrungen der
Liebe zu entgehen wie zum Beispiel der Eifersucht aus Eigensucht.
Wie ein anonymes Bonmot meint ist „Eifersucht jene Leidenschaft, die
mit Eifer sucht und doch Leiden schafft“. Eifersucht ist falsch
verstandene Liebe, sie entsteht aus Eigensucht. Sie entsteht, wenn
die Selbstliebe übermächtig wird, wenn aus dem Wunsch, dass es dem
Ziel der Liebe gut geht, der Wunsch wird, dass es mir anhand des
Zieles der Liebe selbst gut geht.
Doch Liebe braucht auch eine gewisse,
gesunde Form der Eigensucht, sagt der große Theologe Karl Rahner:
„In allen Formen der Liebe zu jemanden oder etwas anderem geht es
immer auch um uns selbst. Eine gesunde Selbstachtung und Selbstliebe
ist jedenfalls Basis einer reifen partnerschaftlichen Beziehung wie
umgekehrt deren Frucht“, so Rahner.
Oder, wie es im Neuen Testament heißt:
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Es ist also ebenso
gefährlich, den zweiten Teil dieses Satzes zu ignorieren wie den
Adressaten im ersten Teil.
Dienstag, 12.01.10
Sprechen wir über falsch verstandene
Liebe zum Vaterland. Es ist wohl klar und natürlich und menschlich,
zur Heimat, zum Vaterland, zur Muttersprache eine tiefe Beziehung zu
haben; schließlich bietet eben solch eine Beziehung das Gefühl von
Heimat, von Erdung, von Verwurzelung. Es ist daher auch natürlich,
will man den Ort dieser Verwurzelung, eben die Heimat, eben das
Vaterland bewahrt und beschützt zu wissen. Doch unnatürlich, gar
unmenschlich wird es, wenn aus der Vaterlandsliebe Ideologie wird,
wenn Gruppen zu definieren beginnen, was Liebe zum Vaterland zu sein
hat, wenn Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Dann werden
Begriffe wie Vaterland, Heimat instrumentalisiert, politisiert,
pervertiert. Pervertierte Vaterlandsliebe führte zu den Blutackern
der West- und Ostfront, brachte millionenfaches Leid in allen
Erdteilen zu allen Zeiten. Sie führte und verführte Menschen von den
Schlammfeldern bei Azincourt in die Gaswolken am Isonzo hin zu den
Gasduschen industriellen Massenmordens nach Treblinka, Auschwitz und
die anderen Vernichtungslager braunen Wahnsinns.
Die Liebe zum Vaterland muss ein
apolitisches Gefühl sein, sie müsste Tabu für politische Meldungen
sein. Liebe zur Herkunft, zur heimatlichen Erdung kann und soll im
Herzen empfunden werden – sie darf nicht Inhalt politischer
Agitation werden. Nie mehr wieder.
Mittwoch, 13.01.10
Liebe versus Erotik – es ist das
klassische Dilemma, Liebe mit sexueller Stimulans zu verwechseln.
Wie aber das eine vom anderen unterscheiden? Holen wir uns
Hilfestellung beim Philosophen Martin Buber.
„Liebe ist Verantwortung eines Ichs
für ein Du“, sagt Martin Buber. In seiner Dialogphilosophie sieht er
die Existenz des Menschen in zwei Beziehungsarten - der ICH- ES und
der ICH –Du –Beziehung.
Die Ich-Es Beziehung ist die
alltägliche des Menschen zu den Dingen, die ihn umgeben, aber auch
zu anderen Menschen. Sie trifft vielleicht genau das Phänomen, wenn
Erotik mit Liebe verwechselt wird. Der Mensch nimmt das ES wahr und
betrachtet es kühl und distanziert - wenn ein Mensch für einen
anderen nur ein ES ist, sind Dinge wie Aussehen, erotische
Ausstrahlung, erotischer Reiz wichtig. Ganz anders die Ich-Du
Beziehung, die in den inneren Kern des Gegenübers, des DU zielt und
eine ICH-DU Beziehung zwischen Menschen untereinander, aber auch
zwischen Mensch und Gott sein kann. Bei einer ICH-DU Beziehung wird
der Andere wird als GANZES wahrgenommen, viel mehr als die Summe
seiner Teile. Eine ICH-DU-Beziehung passiert, sie geschieht, sie
entsteht.
Ich wünsche Ihnen ein DU in ihrem
Leben.
Donnerstag, 14.01.10
Die Liebe ist für Christen DAS große
Thema, glauben wir doch an einen liebenden Gott. Dementsprechend
beschäftigte sich auch die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI.
mit der Liebe. „Gott ist die Liebe“ heißt dieses Schreiben. Im
ersten Teil der Enzyklika zeichnet Benedikt die Entwicklung des
Liebesbegriffes nach und schildert, dass die Liebe zwischen Gott und
den Menschen und die Liebe zwischen den Menschen gleich ist – beide
haben eine „begehrende“ und „schenkende“ Dimension, Eros und Agape.
Benedikt XVI. räumt mit dem Vorurteil
auf, dass das Christentum die Liebe als Eros verdammen würde. Das
Christentum erkennt den Eros als eine Art und Teil auch göttlicher
Liebe an – u.a. sichtbar werdend in der Liebe der Eheleute, es
verurteilt aber den zum Sex degradierten Eros: „Er betrachtet nun
den Leib und die Geschlechtlichkeit als das bloß Materielle an sich,
das er kalkulierend einsetzt und ausnützt“, meint Benedikt XVI.
Richtig verstandener Eros und Agape
sind beide Teile der christlichen Liebe. „Wenn Eros zunächst vor
allem verlangend, aufsteigend ist (...) wird er im Zugehen auf den
anderen immer weniger nach sich selber fragen(…). Das Moment der
Agape tritt in ihn ein“. Und auch umgekehrt „Wer Liebe schenken
will, muss selbst mit ihr beschenkt werden“(DCE 7), meint der Papst.
Freitag, 15.01.10
Im Jänner 2006 veröffentlichte Papst
Benedikt XVI. seine erste Enzyklika unter dem Titel „Deus Caritas
Est“ – Gott ist die Liebe. Im ersten Teil seines Schreibens hält der
Papst fest, dass Gott den Menschen liebt, weil er selbst Liebe ist.
Die Liebe Gottes zum Menschen zeigt sich in seiner Menschwerdung und
in seinem Opfer.
In der Eucharistie findet diese
Hingabe Gottes ihre bleibende Gegenwart. „Wir werden ein Leib, eine
ineinander verschmolzene Existenz. Gottesliebe und Nächstenliebe
sind nun wirklich vereint: Der fleischgewordene Gott zieht uns alle
an sich“ so Papst Benedikt. (DCE 14).
Die Gottesliebe ist keine von der
Beziehung zum Menschen losgelöste Liebe. In der gemeinsamen Feier
der Eucharistie nimmt der Mensch die Liebe Gottes gemeinsam an und
schenkt diese Liebe dann in seinem Lebenszeugnis wiederum weiter.
Der Papst zeigt im zweiten Teil der
Enzyklika dann, wie die von Gott geschenkte Liebe als tätige
Nächstenliebe von den Menschen angenommen und weitergegeben wird.
Der Grundtenor der Enzyklika Deus Caritas Est lautet also: Gott ist
ein den Menschen Liebender und wendet sich diesem liebevoll zu. Der
Mensch wiederum antwortet als Liebespartner Gottes in seiner Gottes-
und konkreten Nächstenliebe.
Samstag, 16.01.10
Liebe ist die Wurzel und Basis
christlichen Glaubens. So oft verwenden wir den Begriff von Liebe in
unserem Leben, so oft verwenden wir den Begriff auch in unserem
Glaubensleben. Dementsprechend wichtig ist es daher, das Reden über
die Liebe auch mit Inhalt zu füllen.
Für Christinnen und Christen eine
hehre und herausfordernde Aufgabe – denn reden allein macht noch
keine Liebe. Wenn ein zentraler Handlungssatz von Jesus Christus
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ lautet, dann klingt dieser
schön und klar und einfach– und ist doch so schwer. Jener Satz ist
eine radikale Forderung an uns alle; das Christentum ist keine
„Kuschelreligion“, es macht es sich nicht einfach indem es
behauptet, nur die Gleichgesinnten sind der Liebe würdig und wert.
Das Christentum gibt uns nicht die
Freiheit, zu wählen, wem wir liebevoll begegnen wollen, es gibt uns
nicht die Macht des Richters zu entscheiden, dieser ist, diese sind
liebenswert, jener, jene nicht. Wir reden so oft von Liebe. Das
Reden darüber ist schön – dem Reden jedoch müssen auch Taten folgen,
sichtbare Zeichen, erlebbares Erfahren. Liebe deinen Nächsten wie
dich selbst – ein Auftrag, dieses immer wieder, jeden Tag, zumindest
zu versuchen. Warum? Weil wir glauben, dass Gott die Liebe ist.
|