Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Landessuperintendent Thomas Hennefeld
Sonntag, 17.1.2010
Weltgebetswoche
Weltweit kommen in dieser Woche
Christinnen und Christen aus verschiedenen Konfessionsfamilien
zusammen, um gemeinsam zu beten, zu singen und auf das Wort Gottes
zu hören. Es ist eine Woche der Ökumene. Ökumene meint die
Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen. In einem weiteren
Verständnis beinhaltet der Begriff auch den Dialog der
Weltreligionen. Ökumene – das ist übersetzt der Erdkreis, die
bewohnte Erde. Auf dieser Erde leben wir alle.
Ein Mensch, der mit Kirche nichts zu
tun hat, denkt sich möglicherweise: Kirchen müssen Vorbilder sein,
sie wollen den Glauben vermitteln und damit doch auch ein
gottgefälliges Leben. Und doch wissen wir, dass es in Kirchen
ähnliche Streitigkeiten, Konflikte, Machtkämpfe und Intrigen gibt
wie in der Welt. Und auch zwischen den Kirchen gab es
jahrhundertelange Feindschaften und gegenseitige Verdammung. Das
haben wir überwunden. Und auch, wenn es noch genügend
Konfliktpotential zwischen einzelnen Kirchen gibt, so ist doch das
Streben nach Dialog und gemeinsamem Handeln stärker denn je. Und so
können Kirchen in ihrer ökumenischen Gesinnung doch auch Vorbilder
sein für andere Menschen und auch für die Gesellschaft.
Montag, 18.1.2010
Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit
In ökumenischen Gottesdiensten wird
gerne und oft der Geist der Einheit beschworen. Und manche
Christinnen und Christen stellen sich das so vor: Die Trennung der
christlichen Konfessionen muss ein Ende haben. Wir kommen alle in
Christus zusammen und damit erübrigen sich auch die einzelnen
Konfessionen. Das ist eine romantische Vorstellung, die nicht der
Realität entspricht. Die Rückkehr in die eine Urkirche funktioniert
nicht und ist auch nicht wünschenswert. Wir können nicht 2000 Jahre
Kirchengeschichte überspringen. Und ein Mischmasch aus allen
Traditionen zur Einheit weichgekocht, ist nicht gerade ein
schmackhaftes Gericht. Passender als der Eintopf ist das Bild eines
Fruchtsalates. Da ist jede einzelne Frucht herauszuschmecken und
ergibt dennoch eine Gesamtkomposition fürs Auge und für den Gaumen.
So brauchen wir auch in unserem Leben
Einheit, einen Weg, auf dem wir gehen können, ein gemeinsames Ziel,
eine geistige Heimat, einen Gott und gleichzeitig leben wir auf
unterschiedliche Arten und das ist gut so. Denn in der Vielfalt
liegt auch die Würze, die einem willkürlich zusammengemanschten
Eintopf fehlt.
Dienstag, 19.1.2010
Alles wirkliche Leben ist Begegnung
Dieser Satz des jüdischen
Religionsphilosophen Martin Buber gilt auch für die Ökumene, für die
vielfältigen Begegnungen, Dialoge, Auseinandersetzungen zwischen den
einzelnen Kirchen und Konfessionsfamilien. Wirkliche Begegnung
bedeutet nicht nur, physisch zusammen zu sein, in einem Raum, an
einem Tisch, sondern einander zuzuhören, einander wahrzunehmen, ohne
jeden Hintergedanken.
Wie oft treffen wir Menschen, die nur
mit sich selbst beschäftigt sind, nur Phrasen vor sich herbeten und
den anderen nicht wahrnehmen. Wie oft geht es uns selber so, dass
wir in unsere Gedanken vertieft sind und den anderen nur sehen und
hören, aber seine Worte, seine Blicke nicht unser Herz erreichen.
Aber nur dort, wo ich dem anderen wirklich begegne, dort kann auch
etwas entstehen, etwas wachsen.
In der Buntheit der Ökumene haben wir
ein großes Betätigungsfeld. Dazu ist es wichtig, uns auf andere
Gedanken, Traditionen, Geschichten einzulassen. Dort wo wir im
Austausch die Erfahrungen, Vorlieben und Bräuche der anderen
kennenlernen, dort pulsiert auch das Leben. Dort kann Neues
entstehen – eben wirkliche Begegnung ohne jeden Hintergedanken.
Mittwoch, 20.1.2010
Der größere Horizont
Wer liest, der gewinnt einen größeren
Horizont. Damit hat seit Jahren eine österreichische Tageszeitung
geworben. Aber nicht auf alles, was wir lesen, trifft das zu. Einen
größeren Horizont gewinnen wir auf jeden Fall, wenn wir offen sind,
offen fürs Neue, fürs Fremde, für die Welt und uns nicht einigeln
und Mauern um uns errichten. Die Ökumene ist eine offene Bewegung,
sie umfasst die ganze bewohnte Erde. Sie ist global gewesen, lange
bevor der Begriff Globalisierung erfunden wurde. Ökumenisch denken
heißt immer auch den anderen mitdenken, der in einem anderen Land
lebt, einer anderen Kirche angehört, eine andere Hautfarbe hat. Wer
einen größeren Horizont hat, wird die Kirche im Dorf lassen, aber
über den eigenen Tellerrand immer hinausschauen wollen. Ein größerer
Horizont kann mehr Wissen, mehr Weisheit, mehr Toleranz, mehr
Herzensbildung schaffen.
Dann denke ich nicht mehr in
Schubladen, in die jeder Eindruck eines anderen gleich eingeordnet
wird, damit mein Weltbild ja nicht durcheinanderkommt. Ein größerer
Horizont gibt neue Blicke frei, führt zu neuen Einsichten. Dann kann
ich auch einen Schritt zurücktreten und mich als Steinchen im Mosaik
der Schöpfung Gottes sehen. Ein Mosaik der ganzen bewohnten Erde.
Donnerstag, 21.1.2010
Gemeinsames Handeln für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der
Schöpfung
Ökumene ist mehr als ein Austausch
zwischen Kirchen und Konfessionsfamilien. So sehr es wichtig und gut
ist, einander besser kennenzulernen, so wichtig ist auch das
gemeinsame Handeln. Schließlich verbindet die Kirchen vieles
miteinander, vielleicht mehr als sie trennt. An vorderster Stelle
der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Wir haben einen Gott, eine Erde, eine von Gott geliehene Schöpfung,
die es gilt zu bewahren. Kirchen sind bestrebt, ihren Einfluss auf
die Gesellschaft geltend zu machen, wenn es um die Würde des
Menschen geht, um soziale Sicherheit, um ein menschengerechtes
Wirtschaften und um die Schaffung von Frieden, wo Krieg und Gewalt
herrscht. Kirchen haben in Österreich gemeinsam protestiert gegen
Herabwürdigung und Verhetzung einzelner Gruppen in der Gesellschaft.
Wie heißt es in der Bergpredigt: Seid Salz der Erde und Licht der
Welt. Genau diesen Auftrag versuchen Kirchen gemeinsam zu erfüllen,
wenn sie sich für eine gerechtere und friedlichere Welt einsetzen.
Und das tun sie nicht in Abgrenzung gegen andere, sondern mit allen,
die guten Willens sind, auf dass es auch noch morgen Leben in Fülle
gibt und die Erde bewohnbar bleibt.
Freitag, 22.1.2010
Miteinander statt gegeneinander, Kooperation statt Konkurrenz
Das Leben in der Wirtschaft, in der
Politik, aber oft auch im Privaten beruht in erster Linie auf dem
Prinzip der Konkurrenz und der Rivalität. Nun kann Wettbewerb in
manchen Bereichen nützlich sein und Früchte bringen. In vielen
Bereichen ist er aber destruktiv, und nicht wenige bleiben dabei auf
der Strecke. Der Stärkere, der Schlauere, der Schnellere setzt sich
häufig durch. Das macht auf die Dauer die Menschen krank. Dazu gibt
es Alternativen. Die ökumenische Gemeinschaft lebt das vor.
Ökumenische Beziehungen beruhen auf der Gleichwertigkeit der
Partner, auf Achtung und auf gegenseitiger Anerkennung. Bei allen
Differenzen kann so eine Grundhaltung auch konkrete Früchte
hervorbringen. Eine besonders schmackhafte Frucht gemeinsamer Arbeit
ist das Sozialwort, an dem alle im Ökumenischen Rat vertretenen
Kirchen zu wichtigen gesellschaftspolitischen Themen Stellung
bezogen haben.
Sollten wir nicht alle in unserem
Leben nach Möglichkeiten suchen, krank machende Konkurrenz zu
ersetzen durch Wege der Kooperation? Es ist schon klar, dass das in
vielen Bereichen nicht so einfach ist, aber sich einmal bewusst zu
werden, das es auch ganz anders gehen kann, das wäre schon ein
Anfang und die ökumenische Bewegung ist der beste Beweis dafür.
Samstag, 23.1.2010
Beten für eine bessere Welt
Eine Woche des Gebets neigt sich dem
Ende zu. Aber es wurde in dieser Woche nicht nur gebetet, sondern
auch gehandelt, es wurden Ideen ausgebrütet und neue Beziehungen
geknüpft. Beten und Handeln, das ist kein Widerspruch. Aus der Kraft
des Gebets kann eine Menge Gutes entstehen. Wir leben nicht aus uns
selbst heraus, sondern von Gott her, unserem Schöpfer. Das ist ein
starkes verbindendes Element zwischen den zahlreichen christlichen
Kirchen, aber auch zwischen den Religionen. Da wirkt etwas in uns,
das wir nicht manipulieren können. Wir haben das Leben nicht in
unserer Hand, sondern Gott hat uns in der Hand. Die ökumenische
Bewegung lebt vom Heiligen Geist, lässt sich bewegen, Es ist
tröstlich zu wissen, dass wir nicht selber alles bewerkstelligen,
dass wir aber auch nicht die Hände in den Schoß legen können und auf
Gottes Hilfe warten. Das Gebet kann uns stärken, kann uns Kraft
verleihen, uns anspornen, Dinge anzugehen, den großen
Herausforderungen unseres Lebens und den brennenden Fragen der Welt
mit Mut und Tatkraft zu begegnen. Das wünsche ich Ihnen auch für den
heutigen Tag und für Ihr weiteres Leben.
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