Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Schwester Maria Schlackl (Wien)
Sonntag, 28.2.2010
Heute ist der 2.
Fastensonntag. Das Leben in seiner Vielfalt mit Freud und Leid,
Höhen und Tiefen, mit Talenten und Begrenzungen entdecken, darum
geht es für mich ganz besonders in dieser Zeit. Und so ist dieser
heutige Tag eine Einladung, eine Einladung heute das eigene Leben in
den Blick zu nehmen. Denn ich bin überzeugt, wer darauf verzichtet,
das eigene Leben immer wieder neu in den Blick zu nehmen, läuft
Gefahr, im Strudel aufgezwungener oder vorgegaukelter Lebensinhalte
unterzugehen. Besinnen heißt für mich, die Sinne zu gebrauchen, um
den Sinn zu entdecken.
Ich persönlich lege es nicht darauf an, in der Fastenzeit
gewichtsmäßig abzuspecken, sondern, die Sinne zu schulen, um dem
Sinn des Lebens wieder mehr Gewicht zu geben. Ich will die Zeit
nutzen, Körper, Geist und Seele ein Stück weit zur Ruhe kommen zu
lassen und einem inneren Reinigungsprozess Aufmerksamkeit und Zeit
zu schenken.
Die Fastenzeit in diesem Jahr ist für mich eine Einladung. Sie gilt
für mich ganz persönlich. Sie ist aber gleichzeitig eine Einladung
für jeden Mann, jede Frau, aufzubrechen und sich mit den Gedanken
über die Vielfalt des Lebens auf den eigenen Weg zu machen.
Montag,1.3.2010
Es ist Montag Morgen.
Ein neuer Tag, eine neue Arbeitswoche. Ich atme durch und frage
mich: Bin ich gut gerüstet für diese neue Woche? Habe ich den
gestrigen Sonntag als Kraftquellentag für mich genutzt? Was wird
mich erwarten? Gehe ich mit Freude ans Werk? Oder - habe ich Angst
vor dem Berg der Erwartungen, der angestauten Arbeit, die ich
vielleicht auch in dieser Woche nicht abarbeiten kann?
Von immer weniger Personen wird immer mehr verlangt. Kosten müssen
eingespart, Prozesse optimiert und Abläufe beschleunigt werden. Wie
kann trotz aller Anforderung und manchmal wohl auch Überforderung
ein menschliches Klima in Unternehmen gepflegt werden, wie können
menschenwürdige Zustände gesichert werden? Ich bin überzeugt, da
kommt es auf jede und jeden an.
Was kann in diesen Herausforderungen der Arbeitswelt helfen, nicht
unter die Räder zu kommen? Mir hilft es, manchmal einfach tief
durchzuatmen, innerlich auf Distanz zu gehen, mir Luft zu machen und
darauf zu vertrauen, dass es einen Gott gibt, der mich trägt - durch
das Leben und durch jeden neuen Tag. Meine Erfahrung gibt mir Recht.
Die Einladung heute lautet: Worauf will ich heute vertrauen und
meine Aufmerksamkeit richten?
Dienstag, 2.3.2010
Haben Sie
sich für diese Fastenzeit ein Ziel gesetzt? Im Laufe eines Lebens
ändern sich die Ziele. Kinder und Jugendliche arbeiten auf einen
positiven Schulabschluss hin, Verliebte auf eine Lebensentscheidung.
Beruflich gilt es, sich zu etablieren, entsprechende Leistung zu
erbringen, vorgegebene oder selbst gesteckte Ziele zu erreichen.
Finanzielle Absicherung bedeutet harte Arbeit und Erfolg haben.
Erfolg im Leben – was bedeutet das? Was kann als Erfolg, als
gelungen bezeichnet werden? Wächst mit dem Erfolg auch die
Erfüllung?
Voller Erfolg – volles Leben, was heißt das? Ich meine, es tut gut,
sich in einem vollen Leben Zeit zu nehmen, dieses volle Leben auf
Erfüllung hin zu überprüfen. Mein Ziel ist es, in alldem, was mein
Leben ausmacht, auch Erfüllung zu finden.
Ich wurde einmal gefragt: Bist du glücklich? Nach einer kurzen
Denkpause kam die Antwort: Ich habe ein erfülltes Leben und das ist
mein Glück! Aber ich habe es eben nicht wie einen Besitz, ich muss
es regelmäßig pflegen.
Diese Hoffnung teile ich heute mit Ihnen, wenn Sie beim
Tagesrückblick am Abend sagen können: Da war etwas, das hat mich
heute erfüllt und mein Herz erfreut!
Mittwoch, 3.3.2010
Fastenzeit –
das ist für mich auch eine Einladung zur Beziehungspflege – zur
Beziehungspflege zu mir selbst.
Ich beginne mit einigen Fragen: In welcher Beziehung stehe ich zu
mir selbst? Kann ich mich leiden? Mag ich mich, wie ich bin? Nörgle
ich an mir selbst herum? Zu viele Falten, zu dick, zu wenig
intelligent, zu krank und überhaupt, meine ganze Biografie…
Wie wäre es mit einem positiven Check? Was kann ich gut? Was mag ich
an mir?
Was schätze ich an mir? Was ist mir in meinem Alter, in meiner
Lebensphase möglich?
Meine Erfahrung ist: Stelle ich mich selbst dieser persönlichen
Beziehungspflege, dann gehe ich auch anders auf andere Menschen zu.
Die Fastenzeit wird damit zur Einladung, mit mir, mit Menschen in
meinem Lebens- und Arbeitsumfeld Kommunikation und Beziehung neu zu
pflegen und zu beleben. Jedes Leben steht und fällt mit Beziehungen.
Wie schön und wie schwer ist es, sie oft zu leben und zu gestalten!
Für tragfähige Beziehungen braucht es ein Fundament. Mein Fundament
ist die Bibel. Mein Tag beginnt in der Regel mit einer Meditation
zum Tagesevangelium. Das Wort der Bibel vertieft und belebt meine
Beziehung zum schöpferischen und lebendigen Gott und dadurch auch zu
den Mitmenschen. Das Wort Gottes gibt mir Mut und innere Spannkraft,
die Beziehung zu mir selbst und auch zu anderen Menschen neu zu
beleben.
Donnerstag, 4.3.2010
In der
christlichen Fastenzeit steht das Leben Jesu im Mittelpunkt der
Geschichte. Er, der Zimmermann aus Nazareth, hat den Menschen nicht
nur ein Dach über dem Kopf gebaut, sondern auch ein Dach über der
Seele. Er lebte unter den Menschen, beobachtete, spürte und hörte,
wie sie mit ihrem Leben zurechtkamen oder daran zerbrachen. Er war
mit Leib und Seele für die Menschen da – bedingungslos! Wer mit ihm
in Berührung kam, wurde mit sich selbst konfrontiert, musste sich
für einen Weg entscheiden. Wer es mit Jesus zu tun bekam, konnte ihm
ausweichen oder ihm begegnen, konnte sich aufrichten und sich neu
dem Leben stellen. Der Glaube bewirkte Wunder.
Was meine Seele berührt, richtet auch mich auf, belebt, ja beflügelt
mich. Unzählige Male habe ich das in meinem Leben erfahren. Und dann
frag ich mich: Was war es eigentlich, das mich existentiell berührt
und belebt hat? Meist sind es Begegnungen, Gespräche, eine
Erkenntnis, die mir geschenkt wird, oder etwas Schönes, das ich für
mich entdecke. Es ist das wenige Kostbare, das mir viel bedeutet und
mein Leben bereichert.
Ich habe erlebt: Mit Jesus lebt sich’s leichter und anspruchsvoller!
In Ihm sehe ich ein zeitlos gültiges und gelungenes Lebensmodell.
Und durch ihn weiß ich, Glaubens–Wunder sind ein Geschenk. Meine
geöffneten Hände, mein offenes Herz, mein offenes Ohr, meine offenen
Augen sind bereit für dieses Geschenk. Jeden Tag gibt es die Chance,
im Leben neu aufzubrechen.
Freitag, 5.3.2010
Endlich Zeit
zum Leben, ob es der Schritt in die Pension ist, ein Urlaub, oder
ein Wochenende, endlich Zeit zum Leben, wer hat sich das nicht schon
selbst gesagt? Endlich Zeit zum Leben – aber: Endlich und nicht
unendlich. Unsere Lebenszeit hier ist endlich, ist begrenzt.
In der Biografie Jesu waren die letzten Lebenstage von Verfolgung,
Angst, Verleumdung und Verrat geprägt. Er ist den Weg gegangen, den
jeder Mensch zu gehen hat, von der Geburt bis zum Tod, nichts hat er
ausgespart und nichts ist ihm erspart geblieben.
Wie geht es mir mit dem Gedanken an die Begrenztheit meines Lebens?
Macht Begrenztheit mir Angst oder bedeutet sie Erlösung? Fragen, die
sich immer wieder neu stellen, denen jeder und jede sich auch immer
wieder neu stellen muss.
Vor wenigen Wochen habe
ich zusammen mit meiner Familie unseren Vater beerdigt. Er ist
seinen Weg ganz bewusst gegangen, bis zuletzt, zusammen mit unserer
Mutter. Was haben sie beide in dieser Zeit miteinander besprochen,
miteinander geweint, gebetet, gehofft, dass es ein gangbarer Weg
sein wird. Sie haben sich die Frage gestellt, wie es für sie sein
wird – für sie, die bleibt, für ihn, der geht?
Mir drängt sich jetzt immer wieder die Frage auf: Wo bist du jetzt,
Vater? Es sagt sich so leicht: Bei Gott, im Himmel, auferstanden, …
Das glaube ich und dennoch bleibt die Frage…
Im Blick auf die Endlichkeit des Lebens bekommen Dinge, Ereignisse,
Wünsche, bekommt selbst der Alltag ein anderes Gewicht, eine
veränderte Bedeutung. Endlich Zeit zum Leben – heute und begrenzt!
Samstag, 6.3.2010
Fastenzeit –
für mich ist diese Zeit eine Zeit für strahlende Gesichter. Denn das
wurde uns am Aschermittwoch in den Texten aus dem Matthäusevangelium
zugesagt, dort heißt es: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres
Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübes Aussehen, damit
die Leute merken, dass sie fasten.“ Fasten ist somit eine
ernsthafte, aber keine ernste Angelegenheit.
Ich schaue gerne in ein strahlendes Gesicht! Es verändert mich
schlagartig. Aber, damit stellt sich mir die Frage: Was sehen
andere, wenn sie in mein Gesicht schauen? Es gibt Tage, da fühle ich
meine Strahlkraft und es gibt Tage, da kommt sie mir abhanden, da
ist sie verschüttet.
Trauer, Überlastung, Anspannung spiegeln sich ebenso in meinem
Gesicht, wie innere Ausgeglichenheit, Freude, Gelassenheit,
Vertrauen. Für alles gibt es eben eine Zeit und ich weiß und bin
davon überzeugt, es ist notwendig, auch der Trauer, dem Abschied
Nehmen Zeit zu geben. Kann ich dann trotzdem strahlen? Ich glaube,
es ist ein anderes Strahlen. Denn, das Strahlen von innen hat eine
Quelle. Wenn sie vertrocknet ist, dann fühle ich mich ausgetrocknet.
Die Fastenzeit – für mich ist sie in diesem Jahr wieder eine
besondere Zeit an die Quelle zu gehen, an der Quelle zu verweilen.
Ich spüre meinen Lebensquellen nach. Und ich weiß, hier finde ich
den Raum, in dem ich sein darf, den Ruheplatz am Wasser -
Entspannung und neue Kraft für Körper, Geist und Seele.
Fastenzeit – eine Zeit für strahlende Gesichter. Eine Einladung,
nicht nur für mich, daran glaube ich.
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