Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Wunden heilen
von P. Alois Mühlbachler, Stift
Kremsmünster, OÖ
Sonntag, den 7. März 2010
Vor 28 Jahren habe ich mit
Jugendlichen des Dekanates Pettenbach einen Kreuzweg aus Holzkreuzen
errichtet und eine Kreuzwegmeditation gestaltet. Wir wollten damals
mit Menschen unserer Tage ihren Kreuzweg gehen: Mit den Verfolgten,
den Gefolterten, den Behinderten, den Kranken, den Überforderten und
den Menschen ohne „Vitamin B“, den Einsamen, den Unverstandenen, den
Arbeitslosen, den Lebensmüden, den Trauernden, den Süchtigen, den
Prostituierten, den Gastarbeitern, den Minderheiten und den
Menschen, für die Gott tot ist.
Nach vielen Jahren erinnere ich mich
nun an den Kreuzweg mit den Jugendlichen und schaue mir die Themen
von damals an. Einige von diesen möchte ich in dieser Woche in den
„Morgengedanken“ zur Sprache bringen.
Ich habe festgestellt: In diesen 28
Jahren hat sich viel Leid in Normalität oder gar Freude verwandelt.
So fallen mir aus einem rhythmischen Lied die Worte ein: „Wunden
heilen!“
Montag, den 8. März 2010
Jesus leidet nicht mehr wie am
Karfreitag des Jahres 33! Jesus ist selber Licht und Herrlichkeit.
Dieser Gedanke war für mich Anlass, - ich male gerne mit
Fingerfarben – einen Kreuzweg in den Farben „gelb“ und „rot“ und
ohne Jesus zu malen. Er ist selber das Licht.
Das Kreuz und die Personen, die Jesus
begleitet haben, sind in Rot. Jesus schaut auf den Kreuzweg zurück,
und es schmerzt nichts mehr. Er sieht das Kreuz, die guten Menschen
am Kreuzweg, sein Kleid und das Grab in der Farbe der Liebe und von
Licht umflutet.
Ich lade Sie heute ein, nach geraumer
Zeit auf ihr vergangenes Leid mit einem Blick der Liebe zurück zu
schauen und alles in Seinem Licht zu sehen.
Lassen wir Wunden heilen!
Dienstag, den 9. März 2010
Die Diagnose „Krebs“ löst eine tiefe
Krise beim Betroffenen und bei seiner Familie aus. Der oder die
Kranke muss die schwere Operation, Chemo- oder Strahlentherapie
ertragen. Ich durfte eine junge Mutter in ihrer schweren Krankheit
begleiten. Die Stammzellen-Therapie brachte ihr die Rettung!
Heute trägt einiges mehr zur Heilung
bei: Das einfühlsame Gespräch ist eine große Hilfe. Die Anästhesie
kann gut dosiert werden. Die Schmerzmittel werden gezielter
eingesetzt. Der allergrößte Schmerz kann im Tiefschlaf bewältigt
werden. Die Chemotherapie kann besser vertragen werden. Der Mensch
weiß über seine Krankheit Bescheid und kann dagegen kämpfen. Die
Erkrankten dürfen auf Heilung hoffen.
Oft kann ich diese Hoffnung auf die
Genesung mit meinem Gebet begleiten und erleben, dass Gott die
sehnlichste Bitte um Genesung erfüllt.
Wunden heilen!
Mittwoch, den 10. März 2010
Es gibt viele Überforderte in unserer
Zeit: Männer und Frauen und selbst Kinder. Der Beruf, die Familie,
die Karriere und die Schule verlangen dem Menschen heute alles ab.
Die Überforderten stehen manchmal vor dem Ausstieg aus ihrem Leben.
Simon von Cyrene ist Jesus in seiner leidvollen totalen
Überforderung mutig zur Seite getreten.
Wenn Menschen an die Grenze ihrer
Leistung stoßen und völlig überfordert sind, ist unsere Hilfe
gefragt. Wir helfen, indem wir uns zu einem Menschen bekennen und zu
ihm in der Öffentlichkeit stehen. Wir helfen, indem wir unseren
Einfluss geltend machen.
Manche Menschen sind durch ein
Bekenntnis, ein Wort, einen Handgriff und ein Zupacken am Leben
geblieben.
Wunden heilen!
Donnerstag, den 11. März 2010
„Ausziehen bis auf die Haut!“ steht
auch für totales finanzielles Ausnehmen. Das geschieht, wenn die
Güter von einem Menschen zu keinem gerechten Preis gekauft werden
oder seine Arbeit ungerecht entlohnt wird. Solches „Ausziehen bis
auf die Haut“ wird besonders Ländern der sogenannten Dritten Welt
gegenüber praktiziert.
Die Station „Jesus wird seiner Kleider
beraubt!“ erinnert mich an jede himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Dieses sich Erinnern, dieses Bewusstsein Bilden und auch das Beten
um eine Veränderung bewirken eine Wende zum Besseren. Herzen
verändern sich und werden weit, ja weltweit.
Die Katholische Aktion (Männer,
Frauen, Jugend und Kinder) hat mit ihrem Einsatz viel zu einer
gerechteren Welt beigetragen!
Wunden heilen!
Freitag, den 12. März 2010
Mit einer großen Gruppe Jugendlicher
und mir stand der verstorbene Erzbischof Alois Wagner bei der
Segnung des Kreuzweges am 2. April 1982 auch unter dem Friedenskreuz
am Oberkaibling in Pettenbach. Kreuz steht an sich für Friede. Mit
der Angst im Herzen, dass es einmal einen Weltkrieg zwischen den
West- und Ostmächten geben könnte, haben wir um Frieden gebetet.
Gekommen ist es ganz anders, als wir
befürchtet haben: Regime um Regime fiel einer sanften Revolution zum
Opfer. Der Stacheldraht des „Eisernen Vorhanges“ wurde zerschnitten,
und die Berliner Mauer ist gefallen. In der Tschechoslowakei wurde
der Dissident Vaclav Havel Staatspräsident.
Viele Menschen haben den Frieden
gelebt und um den Frieden gebetet. Der Frieden in den Familien und
zwischen den Nachbarn ist Baustein für den großen Frieden.
Wunden sind geheilt und Wunden heilen!
Samstag, den 13. März 2010
„Das eigene Leid umarmen!“ So
beschreibe ich die 13.Station des Kreuzweges. Maria hält ihren toten
Sohn im Schoß. Sie umarmt den noch einmal, der so viel gelitten hat,
und mit dem sie so mitgelitten hat. Sie hält den mit Wunden
übersäten Schmerzensmann in ihren Armen. Sie hält den Millionen
Müttern, die ihre erwachsenen und kleinen toten Kinder in den Armen
halten, ihren Sohn entgegen. Maria umarmt Jesus und somit ihren
großen Schmerz.
Trauer dauert oft sehr lange und darf
dauern.
Die Haltung Mariens ist ein Rezept für
Therapie und für Heilung: Das Leiden aufgreifen und die Erinnerung
an die Situationen des Leidens zulassen. Irgendwann einmal werden
wir es gut sein lassen. Irgendwann werden wir unsere
Leidenssituation umarmen.
Wunden heilen!
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