Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 
von Pfarrer Martin Müller (Waiern, Kärnten)

 

 

Sonntag, 09. Mai 2010

Eigentlich wäre sie gern Krankenschwester geworden. Das war ihr Herzenswunsch seit Kindertagen. Aber weil die Ausbildung viel Geld gekostet hätte, und weil in einer großen Familie damals die Mädchen zugunsten der Buben zurückstehen mussten, konnte sie ihren Berufswunsch leider nicht erfüllen. Ein großer Schmerz für sie. Und als sie dann erwachsen war und selber Familie hatte, wurde ihr Beruf Hausfrau, und an eine Ausbildung war nicht mehr zu denken.

 

Mit ganzem Einsatz war sie da für ihre Familie. Dass sie zu Hause mit bescheidenen Mitteln eine Atmosphäre der Geborgenheit geschaffen hat, wo ihre Kinder alle einen guten Weg gefunden haben, liegt daran, dass sie mit Herz und Liebe einfach da war für sie.

 

Und dann kam es, dass ihre pflegebedürftigen Großeltern versorgt werden mussten, Später auch noch ihre Eltern, als sie alt und schwach wurden. Und zuletzt noch ihr Mann, der durch Krankheit bis zum Sterben Fürsorge und Betreuung gebraucht hat. Sie war es, die diese Aufgaben fast wie selbstverständlich übernommen hat.

 

Seltsam, wie das Leben manchmal so spielt: Über Umwege ist ihr der Beruf doch noch zugewachsen – oder die Berufung. Denn für ihre Familienangehörigen war sie sicher die beste Krankenschwester, die man sich vorstellen kann.

Erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche – Gottes Führung weist manchmal unvermutete Wege.

Allen Müttern heute einen schönen Muttertag.

 

 

Montag, 10. Mai 2010

Ihre Arbeit ist so ziemlich die gleiche: Mit Hammer und Meißel bearbeiten sie Steine. Ihr Werkzeug unterscheidet sich auch nicht: Wenn es abgenutzt ist, muss es geschliffen oder ausgetauscht werden. Und auch ihr Ziel ist das gleiche: Sie arbeiten am selben Bauwerk, und wenn die Arbeit gut vorankommt, freuen sie sich. Aber eines unterscheidet sie: Ihre Einstellung zu dem, was sie tun.

 

Als man die Stephanskirche in Wien gebaut hat, soll jemand drei Steinmetze nach ihrer Arbeit befragt haben.

„Was machst du da?“ wird der eine befragt. „Ich behaue Steine“, sagt er. Eine ganz nüchterne, handwerkliche Antwort.

Und der andere sagt: „Ich verdiene Geld für mich und die Meinen.“ Ihm war wichtig zu sagen, wozu er seine Arbeit braucht.

Und der dritte hat geantwortet: „Ich baue einen Dom.“ Was doch so viel heißt wie: Stör mich nicht, ich bin grad an etwas Wichtigem dran, und woran ich baue, bedeutet mir viel, und ich bin voller Erwartung, was daraus entsteht.

Und tatsächlich: Ein Dom ist es geworden, den Generationen bestaunen, in dem gebetet und gefeiert wird.

 

„Ich baue einen Dom“ sagt der Steinmetz. Schön und beeindruckend, wenn jemand in seinem Tun Freude und Leidenschaft empfindet und das Gefühl hat, in seiner Arbeit am rechten Platz zu sein. Kann man es Berufung nennen, wenn das so ist?

 

 

Dienstag, 11. Mai 2010

Martin Luther King war Pfarrer mit Herz. Wenn er Ungerechtigkeit wahrgenommen hat, konnte er nicht schweigen. Sondern er hat im Geist Jesu seine Stimme erhoben, ist auf die Straße gegangen und hat protestiert, hat gebetet und gesungen und hat viele Menschen begeistern können, sich gewaltlos für das Recht der anderen einzusetzen.

 

Dass die schwarzen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Amerika heute gleichberechtigt sind und dass sogar ein schwarzer Präsident dem Land vorsteht, ist ohne den beherzten Einsatz des Pfarrers Martin Luther King nicht denkbar.

Ein echtes Vorbild an leidenschaftlichem Tun, das verändert und bewegt.

 

Aber es braucht nicht nur Pfarrer oder Personen an besonderer Stelle, um in der Welt etwas zu bewegen. Ob Putzfrau oder Krankenpfleger, ob Staatsmann oder Managerin. Jeder und jede von uns kann im Kleinen Schritte setzen, die im Geist Jesu Dinge bewegen und Kreise ziehen, wenn es mit Herz und Leidenschaft geschieht. M. L. King sagt es so:„Wenn einer ein Straßenfeger ist, wische er seine Straße so, wie Beethoven seine Musik komponiert hat, wie Michelangelo seinen Marmor meißelte.

Dann wische er seine Straße so, dass jeder, der vorbei kommt, sagt: Da war ein großer Straßenfeger am Werk.

Kannst du nicht Sonne sein, sei Mond, kannst du nicht Straße sein, sei Pfad.

Sei doch jeder das, was er ist, aber sei er es ganz.“

 

 

Mittwoch, 12. Mai 2010

Am Anfang hat Vivien nicht einmal plus und minus rechnen können. Aber jetzt multipliziert sie schon bis zu einer Million. Das 11-jährige Mädchen hat bis vor Kurzem im Kinderheim gewohnt, hatte große Lernprobleme und ist nur widerwillig zur Schule gegangen. Jetzt ist Vivien bei Pflegeeltern untergebracht, und dass sie Mathematik nicht mehr hasst, liegt daran, dass es Lavinia gibt. Lavinia ist Studentin der Politikwissenschaft und erteilt der kleinen Vivien Nachhilfeunterricht. Woche für Woche besucht sie Vivien und hilft ihr in Mathematik, Deutsch und Englisch. „Zeig mir doch mal, was ihr diese Woche auf habt!“ sagt Lavinia und Vivien packt eifrig ihre Schultasche aus.

 

Lavinia macht mit bei einer „Studenteninitiative“, die Nachhilfe organisiert für Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen, etwa in Kinder- oder Flüchtlingsheimen. Ehrenamtlich tut sie das. Sie wollte sich immer schon für was Gutes engagieren. „Aber auf der Uni nur Petitionen unterschreiben und am Ende das Gefühl haben, nicht wirklich was verändern zu können“, war ihr zu wenig.

Jetzt hat sie gefunden, was sie erfüllt. Und die Freundschaft zu der kleinen Vivien ist auch für sie schön. Nach dem Lernen spielen sie oft miteinander, und wie sie Lavinia mal auf die Uni mitgenommen hat, war Vivien begeistert und hat gesagt: „So wie du studieren, das möchte ich auch einmal!“

 

„Helft euch gegenseitig und seid füreinander da“, heißt es bei Paulus in der Bibel. „Das ist nämlich genau das, was Jesus von euch will“.

 

 

Donnerstag, 13. Mai 2010

Vorschrift ist Vorschrift – so kann man seinen Beruf auch ausführen. Und damit zum Ausdruck bringen, dass man nicht viel nachdenken will über die Sinnhaftigkeit eigenen Tuns und über die Konsequenzen.

Vorschrift ist Vorschrift – so wurde schon viel Unrecht getan und die eigene Verantwortung geschickt beiseite geschoben.

 

Vorschrift ist Vorschrift, war das Motto der Hebammen in Ägypten, die den grausamen Befehl des Pharao ausführen mussten, alle männlichen Babies zu töten und so das israelitische Volk zu dezimieren. Vorschrift ist Vorschrift, hieß es, und so wurden Geburtshelferinnen zu Todeshelferinnen. Nachzulesen in der Bibel.

 

Aber für Schifra und Pua, zwei couragierte israelitische Hebammen, war „Vorschrift ist Vorschrift“ kein Lebensmotto. Sie haben sich dem höchsten Befehl mutig widersetzt. Und als man sie zur Rechenschaft ziehen wollte, haben sie gesagt: Die hebräischen Frauen sind mündige Frauen – noch ehe wir Hebammen zu ihnen kommen, haben sie die Kinder schon geboren. Mutig, klug und beherzt, eine Haltung, die Leben schützt, egal, was von oben angeordnet wird.

 

Es wird nicht immer um Leben und Tod gehen, wenn uns im Beruf Anweisungen treffen, die auszuführen wir nicht für recht empfinden. Aber wenn wir dabei auf unser Gewissen und auf Gottes Gebot achten, kann das nur gut sein.

 

 

Freitag, 14. Mai 2010

Eine alte Kirche in Braunschweig wird nach Jahren der Baufälligkeit aufwändig renoviert. Mit ihren beeindruckenden Deckengewölben ein Kleinod mittelalterlicher Baukunst. Seit Jahrhunderten war die Kirche nicht mehr in Verwendung, aber jetzt musste sie vor dem endgültigen Verfall gerettet werden.

 

Woher das Geld für die Renovierung kam, hat man uns bei einer Führung erzählt. Die Geschichte hat mich nicht nur überrascht, sondern mich auch gelehrt, was weise Entscheidungen weiser Regierungsleute bewirken können.

Die Geschichte geht ungefähr so:

Durch die Einführung der Reformation im 16. Jahrhundert sind die klösterlichen Güter auf einen Schlag dem Staat zugefallen – immense Werte an Landwirtschaft und Immobilien. Die der weise Regent Herzog Julius aber nicht einfach verkauft und ins staatliche Budget übergeführt hat, was schnelles Geld gebracht hätte. Sondern, die er als Stiftungsvermögen angelegt hat, deren Gewinn drei Zwecken dienen sollte: Der kirchlichen Erneuerung, der Bildung und für soziale Projekte.

Die Idee ist aufgegangen:

Über Jahrzehnte und Jahrhunderte konnten so bis in unsere Zeit herauf unzählige Projekte für die Allgemeinheit verwirklicht werden. So auch die Renovierung der mittelalterlichen Kirche – man stelle sich vor: 500 Jahre später. Weil ein weiser Regent in christlicher Verantwortung weise entschieden hat – vorausblickend und nachhaltig für Generationen.

Ob sich Politiker und Verantwortungsträger unserer Tage davon ein Beispiel nehmen wollen?

 

 

Samstag, 15. Mai 2010

Dass er politisches Geschick mit Glaube und Gottvertrauen verbunden hat, hat Joseph zu einem anerkannten und beliebten Kanzler Ägyptens gemacht. Und das, obwohl er ein Zugewanderter war, mit fremder Herkunft und fremder Religion. Seine Tüchtigkeit war sprichwörtlich und seine Erfolge für das Wohlergehen der Menschen haben den Pharao dazu veranlasst, ihm als Kanzler des Landes viel Verantwortung zu übertragen.

 

Aber am Hof des Pharao war nicht nur Rechtschaffenheit zu finden, sondern auch Untreue und Verantwortungslosigkeit. Die Frau des Pharao etwa hatte ein Auge auf Joseph geworfen. Mit dem erfolgreichen Kanzler eine Affäre zu haben, das wäre sexy und die Lust am Spiel mit der Untreue reizvoll, hatte sie gedacht. Und als sie mit ihm allein ist, sucht sie ihn zu verführen in den Amtsräumen ihres Mannes – eine Story wie in den Gazetten unserer Tage.

Aber es kommt anders als geplant:

Verärgert ist sie und bitterböse, als Joseph ihren Reizen widersteht, sie einfach sitzen lässt und sagt: „Wie sollte ich ein so großes Übel tun und gegen Gott sündigen?“

Es zeugt von Größe und innerer Stärke, wenn jemand nicht dem kurzlebigen Reiz und dem Kick der Versuchung erliegt, sondern aus Liebe zu Gott und den Menschen seine Gebote ernst nimmt und Verantwortung lebt.