Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Veronika Prüller-Jagenteufel (Wien)

 

 

Sonntag, 23.5.2010

Das ist seine Mission, sagen wir, wenn sich jemand für etwas besonders einsetzt und begeistert. Firmen und Institutionen formulieren ein „Mission-Statement“, um der Öffentlichkeit prägnant mitzuteilen, wofür sie stehen. Jede und jeder kann sich das auch selbst fragen: Was ist meine Mission in diesem Leben? Wofür stehe ich? Wofür trete ich begeistert ein?

Zu Pfingsten feiert die Kirche, dass der Heilige Geist Menschen erfasst und belebt und bewegt. Nach der Überlieferung der Bibel ist es diese göttliche Kraft, die die ersten Christinnen und Christen ermutigt und befähigt hat, anderen von ihrem Glauben an Jesus Christus zu erzählen und so ihre Mission als Jüngerinnen und Jünger Jesu Christi zu erfüllen.

Anderen von dem zu erzählen, was ganz tief mir selber wichtig ist, was mein Lebensgrund ist, mir am Herzen liegt, das ist nicht immer leicht. Immer wieder habe ich Angst, dass andere nicht verstehen, warum mir diese Überzeugung, jene Erfahrung, diese Hoffnung, warum mir mein Glaube so wichtig ist. Wenn ich davon erzähle, gewähre ich einem anderen Menschen Zugang zu meinem Herzen.

Die ersten Christinnen und Christen hatten auch Angst vor der Reaktion ihrer Umwelt. Der Heilige Geist gab ihnen Mut. Diese lebensspendende Macht Gottes ist noch heute am Werk, wenn Menschen mit anderen teilen, was sie in ihrem Herz bewegt und wo sie von Gott berührt wurden.

 

 

Montag, 24.5.2010

In manchen Kirchen gab es früher ein Heilig-Geist-Loch in der Decke, durch das zu Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, eine Taube aus Holz in das Kircheninnere hinuntergelassen wurde. So wurde bildlich dargestellt, dass die Kraft Gottes, die Christen den Heiligen Geist nennen, zu uns Menschen gekommen ist, um uns zu beleben.

Ich wünsch mir manchmal so ein Heilig-Geist-Loch nicht nur in Kirchen, sondern in Besprechungsräumen und Büros und Wohnzimmern. Überall dort, wo das Gespräch stockt, wo das Geschehen geistlos wird, wo es kein Verständnis füreinander gibt. Wäre das nicht wunderbar, wenn in solchen toten Momenten eine Taube von der Decke schweben und daran erinnern würde, dass Gott uns Menschen und unser Zusammensein lebendig und beweglich und geistvoll machen will und dass es in jeder und jedem von uns einen Landeplatz für diesen belebenden Geist Gottes gibt? Nach biblischem Bericht ist es diese Geistkraft, die Menschen hilft, einander gut zu verstehen.

Christinnen und Christen glauben, dass Heiliger Geist sozusagen ihr inneres göttliches Prinzip, ihr Lebensatem ist. Von daher könnten eigentlich sie selbst so etwas wie Heilig-Geist-Löcher in unserem Alltag sein: Menschen, durch die diese lebensspendende Kraft Gottes in unserem Alltag wirksam wird und die sich und anderen diese Kraft bewusst machen. Vielleicht könnte manches totgelaufene Gespräch und manche verfahrene Situation so wieder neu belebt werden. Auch das wäre Mission.

 

 

Dienstag, 25.5.2010

Eine Freundin kommt zu mir. Sie hat Probleme mit ihrem Mann. Ein Kollege plagt sich mit der Frage, ob er in diesem Job bleiben soll. Meine Nichte überlegt, welche Ausbildung für sie die Richtige ist. Immer wieder werde ich gefragt: Was sagst Du dazu? Was soll ich machen?

Gut zu beraten, ist nicht immer einfach. Die Versuchung ist groß, dem anderen das überzustülpen, was mir gerade einfällt. Oder mich darauf zurückzuziehen, dass ich doch nicht wissen kann, was für sie gut ist. Gewiss, die Entscheidung bleibt dem oder der Betroffenen selbst, doch als Mitmensch und erst recht als Christin kann ich Rat geben.

Gut zu raten bedeutet, mich einzufühlen, innerlich mit dem anderen mitzugehen und zugleich das als Richtschnur zur Verfügung zu stellen, was mich in meinem Leben leitet. Die Frage ist, ob ich mir dessen eigentlich bewusst bin: Wonach richte ich mich aus? Was gibt mir Orientierung?

Die christliche Tradition nennt die Fähigkeit, einen guten Rat geben zu können, eine Wirkung des Heiligen Geistes. Wer sich von dieser Kraft Gottes durchdringen lässt, wird sie auch anderen weitergeben. Das nimmt ihnen nichts von der Freiheit, selbst zu entscheiden, aber es bedeutet, ihnen mehr zu sagen als das, was nur aus mir selber kommt. Mein Glaube, der mein Leben leitet, kann so auch für meine Freundin, meinen Kollegen, meine Nichte zur Hilfe werden. Ich muss nur davon reden, wenn ich um Rat gefragt werde.

 

 

Mittwoch, 26.5.2010

Vor kurzem bin ich einem Mann begegnet, dessen Glaubenszeugnis mich beeindruckt hat. Bischof Luis Cappio aus Brasilien ist ein bescheidener Mann. Auf die üblichen Machtinsignien verzichtet er. Seit Jahren setzt er sich leidenschaftlich für die armen Menschen seiner Diözese ein und verteidigt ihr tägliches Bemühen ums Überleben gegen die Interessen der Großindustrie und ihrer internationalen Partner. Bischof Cappio muss nicht prunken, er hat auch mit seiner leisen eindringlichen Art eine große Autorität. Es ist die Autorität dessen, der sich radikal in den Dienst von Menschen gestellt hat, die Not leiden. Demut ist das alte Wort für diesen Willen, sich ganz für andere einzusetzen. Wenn Bischof Cappio von der Nachfolge Jesu Christi spricht und von der Kraft, die ihm seine Freundschaft mit Jesus gibt, hat das Gewicht und ist glaubwürdig.

Solche glaubwürdigen Christinnen und Christen gibt es auch hierzulande. Manchmal wohnen sie nebenan. Kümmern sich um den alten Nachbarn. Gründen eine Eine-Welt-Initiative. Engagieren sich im Arbeitslosenprojekt. Laden die neu Zugewanderten trotz Sprachbarrieren zum Abendessen ein. Haben für die Bettlerin nicht nur einen Euro, sondern ein paar gute Worte und streiten mit dem Bürgermeister, der das Betteln verbieten will.

Die Stärke dieser Menschen ist der Heilige Geist Gottes, an den sie glauben. Ihr Leben, ihr Handeln ist Mission, ihre Sendung aus dem Glauben.

 

 

Donnerstag, 27.5.2010

Menschen sind neugierig. Wer ist der neue Mieter im dritten Stock? Wie war das mit diesem Unfall in der Siedlung? Wie funktioniert das neue Handy? Was liegt eigentlich in den Genen der Menschen? Wie kann die Welt erklärt werden? Gibt es Gott?

Wir wollen nicht nur Faktenwissen anhäufen, wir wollen verstehen, um handeln und leben zu können und unsere Ziele zu erreichen. Wir wollen Erkenntnis.

Christinnen und Christen erkennen die Welt aus der Perspektive ihres Glaubens. Sie bauen auf Gottes Gegenwart. Sie sehen nicht nur Naturgesetze, sondern Gottes Liebe als Urgrund der Schöpfung. Sie sehen in einem Menschen nicht nur den Zellhaufen, sondern das Geheimnis einer Person. Sie schätzen am Handy die Möglichkeit, auf andere zu hören. Sie fragen nach, um denen Mitgefühl zeigen zu können, die unter Schicksalsschlägen leiden. Sie wollen den neuen Mieter zum Kaffee einladen.

Im liebevollen Interesse an den Menschen und an der Welt erleben wir, dass uns selbst das Herz aufgeht. Gottes Geist wird dadurch in uns immer mehr lebendig. Und wenn wir auch den Mut haben, gelegentlich von diesem Gott zu erzählen, können wir auch erfahren, dass es Menschen gibt, die neugierig sind auf genau diese weite Perspektive des Glaubens.

 

 

Freitag, 28.5.2010

Eine Freundin aus der Katholischen Frauenbewegung hat mir neulich erzählt, dass sie bei einer beruflichen Weiterbildung, wo es darum ging, vor einer Videokamera eine Redeübung zu machen, als Thema ihre Begeisterung für ihren Glauben gewählt hat. Er erfüllt sie so, dass es ihr ganz selbstverständlich war, genau darüber zu sprechen. Erst als manche Kollegen sie belächeln, andere nachfragen und mehr von dem wissen wollen, was sie da so begeistert, und als eine Kollegin erzählt, dass sie auch gläubig ist und sie für ihren Mut bewundert, da erst realisierte meine Freundin, dass es ungewöhnlich ist, in so einem Kontext vom eigenen Glauben zu reden.

Mich hat die Geschichte beschämt – zu gut erinnere ich mich zum Beispiel daran, dass es mir im Sportverein auf die Frage, wo ich arbeite, kaum über die Lippen kam, ich sei katholische Theologin und für die Kirche tätig.

Warum ist das so? Woher diese Scheu – wovor habe ich Angst? Wieso ist meine Begeisterung für Christus und meine Treue zu Gott nicht stärker?

Vielleicht, wenn ich mich öfter der Gegenwart Gottes, die ich als Christin Heiliger Geist nennen darf, ganz öffne im Gebet, im Bibel Lesen, im Gutes Tun, im Gottesdienst, und öfter eine heilige Scheu vor der wunderbaren Größe der Liebe Gottes spüre – vielleicht wird es dann auch für mich immer selbstverständlicher, auch außerhalb kirchlicher Räume meinen Glauben zu zeigen und zu bekennen.

 

 

Samstag, 29.5.2010

Eine der großen Alternativen des Lebens lautet für mich: Vereinzelt oder verbunden. In meiner Tätigkeit in der Hospizarbeit und Sterbebegleitung erlebe ich, wie es sich gerade am Ende eines Lebens drastisch auswirkt, für welche Seite dieser Alternative sich jemand im Laufe seines Lebens entschieden hat. Manche sterben allein, obwohl es Familienmitglieder gibt. Andere haben alle ihre Angehörigen schon verloren und sind dennoch von lieben Menschen umgeben. Es kommt nicht so sehr darauf an, wie viele Brüche oder Windungen es in einem Leben gegeben hat, sondern ob es gelungen ist, immer wieder neu für andere Menschen offen zu sein und sich mit ihnen gut zu verbinden.

Und auch, ob jemand den Trost des Glaubens im Sterben hat, hat vor allem damit zu tun, wie tief die Verbindung mit Gott im Leben hat greifen können und wie alltäglich selbstverständlich sie geworden ist. Wenn die großen Fragen nach dem Warum kommen, kann sich die Verbindung – auch durch Zweifel hindurch – dann trotz allem bewähren.

In der christlichen Gottesvorstellung ist es vor allem der Heilige Geist, dem die Kraft des Verbindens zugeschrieben wird: Sie schafft Verbundenheit zwischen Menschen und mit Gott. Und sie bewirkt den Wunsch, andere in diese Verbindung mit hineinzunehmen. Christen nennen diesen Wunsch Sendung und Mission.