Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Urlaubsziele“
von Pfarrer Michael Max (Salzburg)
Sonntag, 11.7.2010
Endlich ist es wieder soweit: Die
Ferienzeit ist angebrochen. Ferienzeit ist Urlaubszeit. Und Urlaub
bedeutet: Die Arbeit und den Alltag unterbrechen, die andere Seite
des Lebens zur Geltung kommen lassen. Jene Seite des Lebens, die
ohne geregelten Tagesablauf und normierte Vorgaben auskommt. Im
Urlaub habe ich endlich Zeit. Im Urlaub kann ich endlich einmal ich
selber sein. Aber ist es wirklich so einfach, von einem Tag auf den
anderen den Hebel umzulegen, um dann ein ganz anderer oder eine ganz
andere zu sein? Findet Menschsein wirklich nur im Urlaub statt? Und
wenn es so wäre, wie ist es dann um unsere Arbeitswelt bestellt?
Gehören Arbeit und Beruf nicht zum Menschsein wesentlich dazu?
Gerade der Sonntag als die kleinste Einheit zur Unterbrechung der
Arbeit macht uns jede Woche darauf aufmerksam: Arbeite so, dass Du
Freude hast an der Freizeit, und mache so Urlaub, dass du Freude
hast an der Arbeit.
Montag, 12.7.2010
Für viele Menschen ist wohl das Meer
das beliebteste Urlaubsziel. Das gilt nicht nur für die Einwohner
jener Länder, die im Sommer auch einmal mit längeren Regenphasen
rechnen müssen. Auch die Südländer zieht es im Urlaub an die Küsten
und an die Strände. Welch große Anziehungskraft das Meer hat, sieht
man daran, dass sowohl die einen, wie die anderen bei der Anreise
lange Staus in Kauf nehmen. Strände und Küsten sind besondere Orte.
In ihnen wohnt die Sehnsucht nach der Weite und dem Unbekannten. Wer
am Strand steht und hinausblickt auf den Horizont, der möchte auch
hinter diese Linie, an der sich Himmel und Erde berühren, sehen
können. Wer dort am Abend den rot leuchtenden Untergang der Sonne in
sich aufnimmt, der ahnt auch, dass die gleiche Sonne am anderen Ende
der Welt verheißungsvoll aus dem Meer emporsteigt. Urlaub am Meer
ist Urlaub an der Sehnsucht. Dem Leben Weite geben und dem Verlangen
nachgehen, diese Weite auch zu erkunden.
Dienstag, 13.7.2010
In der langen Liste möglicher
Urlaubsziele liegen Seen weit oben. Unsere Heimat ist damit wahrlich
gesegnet. Vom kleinen, eiskalten Bergsee bis hin zum großen nicht
mehr überschaubaren, ganze Staaten verbindenden Gewässer, reicht
dabei die Palette. Seen laden ein zur Abkühlung und zu allen
möglichen Arten von Wassersport. Sie sind ein Paradies für Angler
und für Menschen, die die Beschaulichkeit eines Naturschutzgebietes
nützen, um seltene Tiere und Pflanzen zu beobachten. Seen erzählen
uns aber vor allem vom Leben, weil sie uns von der Oberfläche
wegholen und uns neugierig machen auf die Tiefe. Wer will schon auf
Dauer nur oberflächlich leben und sich von den Wellenschlägen des
Daseins hin und her schaukeln lassen? Wer wagt es aber auch, in die
Tiefe zu gehen, die dunkel ist, abgründig und Mut fordert. Aber, wer
die Tiefe wagt, der wird am Grund mit einer ganz neuen Welt belohnt.
Urlaub am See ist Urlaub an der Quelle des Lebens, die in der Tiefe
der Grund ist für die Ruhe des Wassers.
Mittwoch, 14.7.2010
Ausgerechnet in der Wüste Urlaub zu
machen, wird wohl auch auf weitere Sicht ein Minderheitenprogramm
bleiben. Zu unwirtlich erscheint den meisten diese Landschaftsform,
zu aufwendig Planung und Durchführung einer solchen Reise, die ja
auch eher kostspielig ist, und darüber hinaus nicht ganz
ungefährlich. Wer aber dieses Wagnis einmal unternommen hat, der
wird nicht müde, von der Wüste in den höchsten Tönen zu schwärmen.
Die Wüste wirft den Menschen ganz auf sich zurück; dort kommt der
Mensch wirklich zu sich selber; dort, wo sich die Frage, was brauche
ich zum Leben und worauf kann ich verzichten, noch einmal ganz
anders stellt, wird der Mensch wesentlich – und angesichts der Weite
und der Größe der Natur auch demütig. Urlaub in der Wüste ist Urlaub
bei sich selbst und bei dem, was wesentlich ist. Das ist für viele
das größte Wagnis, das tatsächlich kostspielig werden kann, wenn mir
aufgeht, was mir alles lieb und teuer ist, ich es aber nicht
wirklich brauche. Aber so werde ich auch frei, das Leben auf eine
Art und Weise zu sehen, wie ich es noch nie gesehen habe.
Donnerstag, 15.7.2010
Ob Paris, Rom, London oder New York:
Städtereisen sind und bleiben ein fixer Bestandteil im
Urlaubsangebot. Für Kurzurlaube, lange Wochenenden und spontane
Reiseeinfälle zieht es die Menschen in die Metropolen dieser Welt.
Wo sonst gibt es Museen und Opernhäuser von Weltrang, wo ist das
Angebot an ausgefallenen und exklusiven Einkaufsmöglichkeiten
größer, wo sonst sind es nur wenige Schritte vom Hauch der
Geschichte hin zum Pulsschlag der Zeit? Obwohl auch die Weltstädte
den grauen Alltag kennen: In ihren Hinterhöfen, den weniger grell
ausgeleuchteten Straßen und Gassen oder den Mietskasernen ihrer
Vororte. Sie geben doch Jahr für Jahr Millionen von Besuchern das
Gefühl, Teil zu haben am Modernen und Berühmten. Urlaub in der Stadt
ist Urlaub am großen Atem dieser Welt, der davor bewahrt, dass einem
die zu klein karierte Decke auf den Kopf fällt. Urlaub in der Stadt
ist Urlaub an der Bereitschaft zu lernen, um nicht zu früh fertig zu
sein mit sich und der Welt.
Freitag, 16.7.2010
Viele Wege führen in den
wohlverdienten Urlaub. Einer davon ganz sicher über die Berge. Der
Berg als Urlaubs- und Erholungsziel für den Menschen ist eher eine
Entdeckung jüngeren Datums. Früher waren Berge unnahbar, weil sie
als Wohnsitz der Götter galten. Oder sie waren aufgrund ihrer
äußeren Erscheinung schon Respekt einflößend und nicht wirklich
attraktiv. Heute gibt es viele Gipfel und Bergregionen, die über
Seilbahnen und Wanderwege für ein breites, Erholung suchendes
Publikum gut und ungefährlich erschlossen sind. Allerdings sind so
Einsamkeit und unberührte Natur auf den Bergen keine
Selbstverständlichkeiten mehr, wer diese sucht, muss sich seine
Wanderziele schon sehr bewusst auswählen. Der Blick vom Berg
verändert die Sicht auf Raum und Zeit. Klein ist der Mensch und sein
Treiben unten im Tal, ewig ist der Berg. Urlaub am Berg ist Urlaub
am Himmel, dort, wo die Erde hineinwächst in eine Welt ohne Grenzen.
Samstag, 17.7.2010
Wer an Urlaub denkt, denkt meist auch
an wegfahren. Die eigenen vier Wände einmal gut versorgt hinter sich
lassen, um einmal etwas anderes zu erleben, als die allzu vertraute
Einrichtung jener Wohnung, die jenseits der Urlaubswochen den Rest
des Jahres prägen darf. Dabei sind es gar nicht wenige, die
ausgerechnet das vertraute Heim als Ort der Erholung entdecken. All
das, was Urlaub in fremden Domizilen anstrengend macht, fällt von
vorne herein weg: Kein Stau, keine ungewohnten Temperaturen und
Mahlzeiten, keine unliebsamen Überraschungen an Mitreisenden oder
verlockenden Versprechungen, die der Reiseanbieter doch nicht halten
konnte. Andererseits gilt es das eigene Heim als „Balkonien“ neu zu
entdecken: Mit einem Buch im Liegestuhl im Garten, bei einem
ausgedehnten Frühstück oder mit einem abendlichen Glas Rotwein und
ein paar Freunden auf dem Balkon. Wenn Urlaub gelingen soll, dann
ist er kein Weglaufen, sondern immer Urlaub bei sich selber, egal,
wo man ihn verbringt.
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