Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Gedanken zu den Wochentagen“

von Gerald Gump, Pfarrer & Dechant in Schwechat, sowie Bundespräses von Kolping Österreich

 

 

Sonntag, 18. Juli 2010:

Sonntag – der wöchentliche Feiertag hat begonnen, der älteste Feiertag der Christen.

Bald schon bekam dieser Tag in der Kulturgeschichte Namen, die an DAS besonderes Ereignis erinnern: „Dominica dies“ heißt er im Lateinischen: Tag des Herrn – Ähnliche Bezeichnungen gibt’s im Französischen oder Spanischen!

Am 3. Tag nach dem Karfreitag, eben am Ostersonntag, begann die Erfahrung, dass Jesus auferstanden ist und lebt – dies machte diesen Tag zu DEM Tag der Christen!

Eigentlich sind für die Christen von Beginn an spannende Ansätze mit diesem Tag verbunden.

Einmal in der Woche gemeinsam feiern, einmal den Alltag gemeinsam unterbrechen – eine Freiheit, die für alle – unabhängig von Stand und Wirtschaftskräftigkeit – gilt.

Schade, dass diese so große, soziale Errungenschaft heute neu in Frage gestellt wird. Natürlich könnte jeder seinen persönlichen Sonntag feiern – aber wann ist dann Raum für Gemeinsames, wenn z. B. jedes Familienmitglied einen anderen „Sonntag“ hat? Es ist ein schöner Gedanke: 1 Mal in der Woche gemeinsam auszurasten und durchzuatmen, genießen und zu – „leben“!

 

 

Montag, 19. Juli 2010:

Montag – der „Tag des Mondes“.

Zumeist ist er nicht gerade der Lieblingstag der Menschen: Der Arbeitsalltag beginnt wieder, die übliche Hetzerei am Morgen – oft ist die Stimmung in der U-Bahn von besonderer Gereiztheit getragen.

Die Tradition, dass in manchen Betrieben an diesem Tag bewusst etwas weniger Arbeit vorgesehen war, um einen langsamen Start zu ermöglichen, lässt die heutige Leistungsgesellschaft nicht mehr zu.

Dies führt heute zu mancher sogenannter „Montagsarbeit“, besonders ausgeprägtem Verkehrs-  und auch Unfallaufkommen oder sonstigen Stressfolgen.

Montag – der Name stammt vom Himmelsgestirn.

Der Mond leuchtet nicht aus sich heraus, er spiegelt das Licht der Sonne wider.

Vielleicht wäre es ein anderer Zugang, nicht das Alltagsgrau als Horrorvision diesen Tag trüben zu lassen, sondern ihn dafür zu nützen, manches aus dem Genuss des Sonn-Tages hier hineinleuchten zu lassen.

Wenn es am Montag glückt, ein bisschen von der Leuchtkraft des Sonntages widerzuspiegeln, vielleicht ein Stück anders den Alltag wieder aufzunehmen… - es wäre doch ein anregender Start in neue Herausforderungen dieser Woche.

 

 

Dienstag, 20. Juli 2010:

Dienstag – ein „schwarzer Dienstag“ ist in die Geschichte eingegangen: Am 29. Oktober 1929, vier Tage nach dem „black friday“, der den Zusammenbruch der Börsenkurse signalisierte, versuchten Investoren in Panikreaktionen ihre Aktien zu verkaufen – der „black tuesday“ war der Start in eine Weltwirtschaftskrise, an die heutige Umstände stark erinnern.

Solche Mechanismen zeigen, welch große Macht Angst und Sorge, es werde alles schiefgehen, haben – in wenigen Tagen können sie weltwirtschaftliche Zusammenhänge erschüttern – mit katastrophalen Folgen. Ob auch aufbauende Kräfte von Zuversicht und Lebensbejahung ebenso viel in Bewegung setzen können?

Bleiben wir beim heutigen Tag – und bei unserer eigenen Lebenswelt. Manches davon liegt in unserer Hand – manches davon liegt an unserer Grundeinstellung, ob es ein „black tuesday“ oder ein Tag des Aufblühens wird.

Und ich traue Gott aus ganzem Herzen zu, dass er einen Tag des Aufblühens für mich entworfen hat…

 

 

Mittwoch, 21. Juli 2010:

Mittwoch – die Mitte der Woche. Schon das die Finger abzählende Kind stockt, wenn es beim Montag zu zählen beginnt und der 3. Tag dann schon als „Mitte“ zählen soll…

Nein – natürlich kommt man heute nur dann zur korrekten Wochen-Mitte, wenn die Woche mit dem Sonntag beginnt.

Es war von Beginn an ein spannender Zugang der Christen: Das gewohnte Leben beginnt nicht mit den Mühen des Alltags, sondern mit dem gemeinsamen Tag des Feierns, Genießens und Durchatmens – mit Gottesdienst und Fest!

Ein für heute heilsamer Gedanke, dass nicht Arbeit und Leistung, sondern Freiheit und Lebenserfüllung an erster Stelle stehen…

 

 

Donnerstag, 22. Juli 2010:

Donnerstag – im christlichen Kontext ist er der Tag des Letzten Abendmahles Jesu.

Im Angesicht des Todes, in steigender Lebensbrisanz und sich zum Höhepunkt aufladender Krisenstimmung kommt Jesus mit seinen Freunden zusammen, um gemeinsam zu essen und zu trinken, zu beten und feiern, das alte Pessach, das jüdische Fest der Befreiung zu erleben…

Mir ist’s ein kostbarer Gedanke, dass Jesus wesentliche Aussagen seiner Botschaft immer wieder mit dem Bild des Mahles verknüpft hat: Gemeinsam Essen und Trinken schafft Gemeinschaft.

Der tägliche Mittagstisch meiner Großmutter ließ die Großfamilie zusammen kommen, heute ist mir das tägliche gemeinsame Mittagessen in meiner Pfarre kostbar: Angestellte und bei uns Wohnende, manche Gäste – seien sie bewusst eingeladen, am Jakobsweg pausierend oder von der Caritas-Sprechstunde spontan mitgenommen - alle sitzen am gleichen, runden Tisch.

Gemeinsam Essen und Trinken: Das Leben teilen mit Alltag, Freud und Leid.

Gerade in Zeiten schneller Zwischendurchmahlzeiten im Büro, kurzem Werksküchenbesuch oder Fastfood ist ein zumindest manchmal gemeinsames Essen in Ruhe besonders heilsam.

… und ein stiller Hinweis auf den, wie auch charmant stiller Begegnungsort mit dem, der am Brotbrechen erkannt wurde!

 

 

Freitag, 23. Juli 2010:

Freitag – der Tag der Katastrophe: Jesus, der vielen einen grundneuen Zugang zu Gott eröffnet hat, stirbt zu Tode gefoltert am Kreuz. So tief konnten wir durchatmen, wenn er von einem Gott des Lebens und Liebens erzählt hat, heilsam waren seine Worte: Er hat aufgerichtet an Seele und Leib. In ihm spiegelte sich Gottes liebevolles Antlitz wider - und dann das: Zerfleischt am Kreuz wie ein Gottverfluchter!

Der Schock saß wohl tief – die Erinnerung daran hat diesen Tag zum Tag der Stille, des Nachdenkens und des Fastens gemacht – im Blick auf einen Gott, der voll ins menschliche Schicksal einsteigt, bis in seinen Tiefpunkt, bis in den Tod.

Freitag – ein guter Tag, auf das eigene Menschliche zu schauen, mich meiner eigenen Wirklichkeit zu stellen: Was ist in meinem Leben wirklich bedeutungsvoll – und was unnötiges Beiwerk, das letztlich den freien Lebensatem nimmt?

Freitag – ein guter Tag solidarisch an die zu denken, die nicht freiwillige Fastenkuren, sondern armutsbedingtes Hungern durchleben, deren Lebensgeister zerbrochen oder Lebensfreude verdunkelt ist.

Freitag – ein besonderer Impuls, sich auf die Seite all derer zu stellen – im Glauben, dass dort auch Jesus steht…

 

 

Samstag, 24. Juli 2010:

Samstag – der letzte Tag der Woche, die am Sonntag beginnt und am Mittwoch „Halbzeit“ erfährt.

Am 7. Tag, dem Sabbat, ruhte Gott in den biblischen Schöpfungsgedichten – und macht diese Ruhe auch den Seinen zur Aufgabe.

Hier können wir viel von den Juden, unseren – wie Johannes Paul II. sie nannte – „älteren Brüdern im Glauben“ lernen:

Kein Tag für den Freizeitstress, sondern einmal des wirklich Ruhe Gebens! Am Sabbat wird gegessen & getrunken, genossen und gefeiert, gebetet und geplaudert – das Leben kann sich ausbreiten.

Das biblische Sabbatgebot umfasst alle gesellschaftlichen Schichten, die Einheimischen und die Fremden, selbst Vieh und Ackerboden sind erwähnt: Vielleicht ist es das älteste Sozialgesetz: Ruhe und damit verbundene Gleichheit für alle!

Vieles haben wir Christen in den Sonntag, den uns noch wichtigeren Tag der Auferstehung Jesu übernommen, manches steht in Gefahr, in der Überlastung des prägungslosen sogenannten „Wochenendes“ unterzugehen…

Aber die Herausforderung bleibt: Das Recht auf Ruhe & Fest, auf lebenswürdiges Einkommen und Lebensgenuss steht allen zu – und unser Auftrag als Christen ist’s, dies für alle möglich zu machen!