Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Margit
Hauft, Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich und
Vorsitzende der katholischen Frauenbewegung Österreichs
Sonntag, 22.8.2010
Schauen und staunen – dazu lädt uns
jede der vier Jahreszeiten alljährlich wieder ein. In dieser letzten
Augustwoche will ich unsere Aufmerksamkeit auf den Sommer lenken,
den Sommer, der bei einer kürzlich durchgeführten Umfrage haushoch
den Titel „Lieblingsjahreszeit“ gewonnen hat. 82% der Befragten
gaben ihm den Vorzug im jährlichen Jahreszeitenreigen.
Der Sommer ist die Jahreszeit, in der
die Sonne am höchsten steht. Im Sommer verschwinden die Grenzen
zwischen drinnen und draußen. Sommerzeit ist vielfach
gleichbedeutend mit Urlaubszeit, Zeit für vieles, was sonst zu kurz
kommt, Zeit für Herz und Sinne. Die Natur macht es uns vor in all
ihrer Üppigkeit und Farbenvielfalt. Zeit für Wärme, Fülle, Leben
genießen, Langsamkeit und Muße, dafür steht der Sommer.
Der Sommer ist aber auch die
Jahreszeit der Gegensätze: Die Jahreszeit der Aktivität und der
Müdigkeit, die Jahreszeit des Spiels und Nichtstuns, die Jahreszeit
des Reisens und Ruhens. Er erfreut unsere Sinne mit den Düften der
Kräuter, mit dem Genuss leichter Speisen und knackiger Salate. Was
für ein Reservoir an Schönem, das wir bestmöglich nützen wollen,
aber vielleicht ist gerade das eines der Schnippchen, die uns der
Sommer schlägt.
Montag, 23.8.2010
„Sommer ist die Zeit, da die Tage
wegtropfen wie der Honig vom Löffel.“
Wegtropfende Zeit, was löst diese
Vorstellung bei mir aus? Ist das Zeit, über die ich keine Verfügung
habe? – kein erfreulicher Gedanke! Ist es ein Aufruf, ja jede Minute
zu nützen, gut zu planen, damit der Sommer nicht etwa um ist, und
ich habe seine Möglichkeiten nicht ausgiebig genützt? Und über noch
etwas stolpere ich: Da der Sommer ja mit dem längsten Tag des Jahres
beginnt, läutet er damit zwangsläufig das kürzer Werden der Tage
ein.
Mir fällt eine Freundin ein, die beim
Geräusch von Mähdreschern regelmäßig in fast panische Aktivität
verfällt, weil sie es mit einem nahen Sommerende verbindet, und das
Gefühl nicht loswird, nicht alles ausgekostet zu haben.
Wegtropfen wie der Honig vom Löffel,
kann das aber nicht auch heißen: Geh auch du es langsamer an, nimm
dir das, was möglich ist und schau nicht nur auf das, was du
„eigentlich“ tun könntest oder solltest. Horch auf das, wonach DIR
ist, jenseits von noch so wohlgemeinten Ideen anderer. Karl Valentin
meinte einmal: „Heute geh ich zu mir selber auf Besuch“ und
vollendete den Satz mit: „Hoffentlich bin ich daheim!“ Sommerliche
Muße ist doch ideal für solche Visiten!
Dienstag, 24.8.2010
„Wann wird’s mal wieder richtig
Sommer?“, trällerte vor Jahrzehnten der niederländische Entertainer
Rudi Carell und landete mit seinem Liedchen über das leidige
Sommerwetter, das „früher“ viel besser war, einen Hit, der auch
heute noch zu hören ist.
Als mein Mann und ich nach der
Hitzewelle im Juli unsere jährliche Wolfgangseeurlaubswoche
antraten, kippte, erstmals in zwölf Jahren, das Wetter. Nächtliche
Regengüsse kühlten den See ab, und untertags machten permanent
drohende Wolkenbrüche die Planung üblicher Aktivitäten mühsam. Für
den Dienstag der Woche hatten zwei unserer Töchter geplant, uns mit
den Enkelsöhnen (2 Jahre und 1 Jahr) zu besuchen. Sandspiel und
Wasserplanschen, Spielplatz und Picknick am See standen auf der
Wunschliste. Das Wetter wollte es anders, sodass wir den Vormittag
in der großen Kinderspielhalle unserer Unterkunft verbrachten und
nur die 3 regenfreien Nachmittagsstunden im Freien. Die Begeisterung
der Kleinen, die ja nichts von einem „Ersatzprogramm“ wussten, rief
mir die Wettereinteilung unserer eigenen Töchter in Erinnerung,
denen der Begriff „Schlechtwetter“ fremd war, für sie gab es im
Sommer Badewetter, Tierparkwetter oder Stiefelwetter, und all das
war „richtig Sommer.“
Mittwoch, 25.8.2010
Bei meinen Überlegungen zur Sommerzeit
bin ich auf ein Inserat eines großen Reiseanbieters gestoßen:
„Machen Sie mit uns Urlaub, damit Sie wenigstens einmal im Jahr das
Leben spüren!“
Die Vorstellung, mein Leben auf den
Urlaub zu reduzieren, jagte mir kalte Schauer über den Rücken!
Aussagen wie diese, bringen einerseits unseren Alltag einmal mehr in
Misskredit und überfrachten andererseits den Urlaub mit nicht zu
erfüllenden Erwartungen.
Der Alltag, unsere bekannteste,
vertrauteste Zeit hat doch neben seinen wiederkehrenden Abläufen
immer auch etwas von Sonntag, Feiertag und Urlaub in sich, wenn ich
es zulasse. Er ist das große Lernfeld unseres Lebens und gibt uns in
der fast unendlichen Fülle von Möglichkeiten die nötige Eingrenzung,
er ist ein vertrautes Stückchen Land, dem wir unser eigenes Gepräge
gebe können.
Urlaub, Freizeit als einzige „echte“
Möglichkeit zu leben, bedeutet Stress für alle Beteiligte, braucht
es doch schon den guten Willen aller, die ungewohnt verlängerte Zeit
des täglichen Zusammenseins erfreulich zu gestalten.
Das zugesagte „Leben in Fülle“ ist
weder ein Versprechen für das Jenseits noch ein „Leckerbissen“ für
Urlaubstage, wir sehen es immer wieder im Alltag aufblitzen, wenn
wir unseren Blick dafür schulen.
Donnerstag, 26.8.2010
„Der Sommer macht den Menschen zum
Träumer.“
Ich denke, dass viele von uns diesem
Zitat nickend etwas abgewinnen können. Wer hat nicht schon, wohlig
in einer duftenden Sommerwiese liegend, den Wolken nachgesehen,
vielleicht auch versucht, in ihnen Gestalten zu erkennen und
sinniert, wie denn alles sein könnte, wenn….“Wiesionen“ habe ich das
einmal für mich genannt, mit WIE geschrieben, eben wie die Wiese, in
der sie so gut sprießen können.
Visionen, auch die mit VI haben nicht
bei allen einen guten Ruf. Einer unserer Bundeskanzler hat einmal
gespöttelt: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“. Mit dieser
Ansicht ist er nicht allein, immer wieder meinen Menschen, andere
von Visionen „heilen“ zu müssen, auf den Boden der Tatsachen bringen
zu müssen, weil Träume ja doch nur Schäume sind.
Wahrscheinlich wäre so eine „Heilung“
sogar ein „Gewinn“, weil dadurch Menschen funktionieren, Abläufe
optimiert werden. Ungleich größer wäre aber der Verlust, würden wir
doch auch „geheilt“ von Werten wie Glaube, Hoffnung und Liebe. Alle
drei leben ja nicht von Mess-, Zähl- und Beweisbarem sondern von
„der Kunst, unsichtbare Dinge zu sehen“, wie Jonathan Swift es
formuliert.
Freitag, 27.8.2010
Mit Sommer sind untrennbar Begriffe
wie Freizeit und Freiheit verbunden, Worte die gut klingen in
unseren Ohren, die aber auch aufrufen, ja fast mahnen, die
herbeigesehnte Jahreszeit auch gut zu nützen. In unserer Zeit des
fast lückenlosen Expertentums, wissen natürlich auch viele
Fachleute, wie wir das machen sollen. Es gibt Tests, die uns als
einen bestimmten Freizeittyp erkennen und in der Auflösung auch
gleich Rezepte mitliefern, was wir unternehmen sollten, um ja nichts
zu versäumen. Animation als Zugabe in Clubs oder Erlebnishotels
entbindet uns von unprofessionellen eigenen Überlegungen zur aktiven
Freizeitgestaltung.
Sich zu einfachem Spazierengehen oder
Wandern, schlichtem Radeln mit Landschaftsgenuss inbegriffen oder
Baden und Schwimmen ohne sportlichen Ehrgeiz zu bekennen, erfordert
fast schon mehr Mut als Rafting und Bungee-Jumping.
Vielleicht klingt das etwas überzogen,
ich will damit aber nur ermutigen, zur je eigenen Art der
Entspannung und Freizeitgestaltung, die genau so typisch ist für
jede Person wie die Handschrift oder die Stimmfärbung.
Freiheit VON inneren und äußeren
BesserwisserInnen, Freiheit UM ZU tun, wonach mir ist, auch das ist
Sommer.
Samstag, 28.8.2010
Der letzte Morgen meiner Sommerwoche
ist dem Sommer des Lebens gewidmet. Wie der kalendarische Sommer
steht er für Fülle, im Lebenssommer wächst all das, was wir im
Frühling gesät und gepflanzt haben. Er ist die Zeit der Besorgnis,
dass alles gedeiht, er bringt Arbeit und Pflege, aber auch schon
erste Ernte. Die Sommergeneration prägt das Gesicht ihrer Zeit, sie
ist die „Sandwichgeneration“ zwischen denen, die erst kommen werden
und denen, die Recht auf Ruhe und Schonung haben. Im Sommer unseres
Lebens, spüren wir so richtig dessen Fülle und Wärme, und deswegen
fällt es wohl besonders schwer, daran zu denken, dass auch er ein
Ende haben wird.
Und doch kann es nicht um das
Konservieren des sommerlichen Lebensabschnittes gehen sondern um
nachhaltiges Bewahren für die kommenden Jahreszeiten.
„Lebenskünstler ist, wer seinen Sommer so erlebt, dass er ihm noch
den Winter wärmt.“ Diese Weisheit will unsere Aufmerksamkeit auf all
das lenken, was uns heute, aber auch noch morgen geschenkt wird. Sie
erinnert uns daran, dass es auch auf uns ankommt beim Gestalten
unserer Lebensjahreszeiten. Wie die Trapezkünstler, die im richtigen
Augenblick loslassen müssen, um das nächste Trapez zu ergreifen,
müssen auch wir das Loslassen wagen.
Gott sei Dank gibt es da einen der sagt: Ich bin da.
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