Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pater Dr. Karl Josef Wallner OCist, Stift Heiligenkreuz
 

 

Sonntag, 10.10.2010

Vielleicht haben Sie sich auch ein kleines Ritual für das Aufstehen zugelegt. Mein Ritual, wenn ich hier in meinem Kloster Stift Heiligenkreuz täglich um 4.30 austehe, schaut so aus: Ich gehe zum Fenster, öffne es - und atme tief durch. Es ist schön, die frische Morgenluft einzuatmen. In der Früh ist ja die Luft kühl und rein; das Durchatmen belebt mich und es hilft mir, wach zu werden.

Das „Atmen“ ist übrigens ein christliches Symbol: Ein Symbol für unsere Verbindung mit Gott. In der Schöpfungserzählung lesen wir, dass Gott den Menschen aus Ackerboden formt. Und dann haucht Er ihm den Lebens-Atem ein; und dadurch wird Adam zu einem lebendigen Wesen. Dieses Bild will sagen, dass der liebe Gott uns Menschen beleben will.

Wir atmen meist unbewusst. Ich lade Sie ein, jetzt gleich einmal bewusst kräftig durchzuatmen. Holen Sie Luft – und vielleicht denken Sie dabei auch an den lieben Gott, der Ihnen ja das Leben und jeden Tag darin schenkt. Das ist gut für Leib und Seele! Mit Gott hat man einfach einen längeren Atem. Darum wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag mit dem frischen Atem der Liebe Gottes.

 

 

Montag, 11.10.2010

Zu meinen morgendlichen Aufstehritualen hier im Kloster im Stift Heiligenkreuz um 4.30 Uhr gehört, dass ich mich mit kaltem Wasser wasche. Natürlich zuerst das Gesicht. Da bin ich gleich hellwach. Dann lasse ich den eiskalten Wasserstrahl über meine Hände laufen. Der Kreislauf wird angeregt, denn ich muss mich ja schon in der Früh konzentrieren, weil ich schon ab 5.15 Uhr gemeinsam mit meinen Mitbrüdern für Sie bete.

Das Wasser ist eines der wichtigsten christlichen Symbole: Ohne Wasser kein Leben. Darum ist Wasser auch ein Symbol für das göttliche Leben. Bei der Taufe bedeutet das Wasser Gott selbst: Gott schenkt dem Täufling ewiges Leben. Freilich: Beim Taufen verwende ich als Priester immer gut vorgewärmtes Wasser, damit sich das Baby nicht verkühlt. Aber die Bedeutung ist gleich: Gott möchte uns Leben schenken. Übrigens: Wenn wir eine Kirche betreten, bekreuzigen wir uns mit Weihwasser. Früher hatten viele  Christen das auch in ihren Wohnungen. Ich wünsche Ihnen für diesen Montag ganz viel Segen. Und wenn Sie heute mit Wasser zu tun haben, dann denken Sie vielleicht mal an den lieben Gott, der uns innerlich beleben, frisch und glücklich machen will.

 

 

Dienstag, 12.10.2010

Wenn mein Wecker jeden Tag um 4.30 läutet, ist es noch stockfinster. Da ich schon 28 Jahre hier im Kloster im Stift Heiligenkreuz bin, und täglich so früh für das Morgengebet aufstehe, wache ich schon automatisch auf, meist vor dem Weckergeläut. Dann kommt jedenfalls der Augenblick, wo ich das Licht einschalte. Auf die Dunkelheit der Nacht folgt das Licht des Tages.

Ohne Licht kein Leben. Darum ist Licht eines der stärksten Symbole für Gott. Als Kind habe ich mich am Abend gefürchtet, wenn meine Eltern das Licht ausgeschaltet haben. Meine Mutter hat mich beruhigt: „Der liebe Gott passt auf dich auf.“ Das Wissen, dass Gott da ist, hat meine Angst vertrieben. Gott vertreibt den Schrecken der Dunkelheit.

Für uns ist das Licht vielleicht viel zu selbstverständlich geworden. Wie hilflos wir ohne Licht sind, das sehen wir erst, wenn der Strom ausfällt. Oder die Nachtkästchenlampe kaputt ist. Wie schrecklich, wenn man auf den Schalter drückt und es doch finster bleibt. Darum möchte ich Sie einladen, heute bewusst daran zu denken, dass Gott das Licht unseres Lebens ist. Gott ist Licht, und er will unser Leben hell machen.

 

 

Mittwoch, 13.10.2010

Unser Stift Heiligenkreuz liegt mitten im Wienerwald. Auf einem Waldweg hat ein Mann in jeden Buchenstamm über hunderte Meter hinweg ein Herz geschnitzt. Der muss sehr verliebt gewesen sein. Das Herz ist ja auf der ganzen Welt das Symbol der Liebe. Besonders für uns Christen. Schon im Alten Testament lesen wir, dass Gott ein Herz für uns hat. In der Sprache der Bibel, auf Hebräisch, heißt Herz übrigens „Leb“. Darum nennen wir einen herz-förmigen Kuchen ja „Leb-Kuchen“, also „Herz-Kuchen“. Wenn man seiner Geliebten auf dem Kirtag ein Lebkuchenherz schenkt, ist das ein sympathisches Geständnis, dass man sie liebt.

Heute möchte ich Sie einladen, ein bisschen daran zu denken, dass Gott ein Herz für uns hat. Die Liebe von uns Menschen kann zerbrechen, - wie so manches Lebkuchenherz steinhart wird oder auf dem Müll landet. Hier im Stift Heiligenkreuz verehren wir ein Stück vom heiligen Kreuzesholz. Als Jesus am Kreuz gestorben ist, da hat er uns mehr geschenkt als bloß ein Lebkuchenherz – da hat er uns sein eigentliches, sein wirkliches Herz geschenkt. Deshalb denk daran: Gott hat ein Herz für Dich.

 

 

Donnerstag, 14.10.2010

Haben Sie heute schon Morgentoilette gemacht? Haben Sie bewusst in den Spiegel geschaut? Haben Sie sich selbst in die Augen geschaut? – Ich möchte heute nämlich über die Bedeutung der Augen sprechen.

Wenn ich Menschen die Hand gebe, dann bin ich enttäuscht, weil viele einem nicht mehr in die Augen schauen. Dabei sind die Augen doch das Tor zur Seele. - Bei der Vorbereitung von Brautleuten auf die Hochzeit empfehle ich immer, dass sich ein Ehepaar zumindest einmal am Tag bewusst in die Augen schauen sollte. Für jung Verliebte klingt „einmal am Tag“ nach lächerlich wenig. Aber Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal jemand bewusst tief in die Augen geschaut?

Das Auge ist sogar ein Symbol für Gott, weil Gott uns ja immerdar anschaut. Vor dem Blick Gottes brauchen wir uns nicht fürchten, - Er ist ja nicht der oberste Kontrolleur und Aufpasser der Welt. Er schaut uns vielmehr deshalb an, weil er uns lieb hat. Wenn wir heute anderen Menschen begegnen, dann sollten wir versuchen, ihnen bewusst in die Augen zu schauen. Ich bin sicher, dass wir dabei ein Stück der Seele des anderen entdecken werden.

 

 

Freitag, 15.10.2010

Der christliche Glaube lebt von Symbolen. Heute Morgen möchte ich Sie auf das Öl hinweisen. Ich wette, dass Sie am heutigen Tag in vielfältiger Weise mit Öl oder fetthaltiger Substanz zu tun haben werden. Vielleicht haben Sie heute schon bei der Morgentoilette eine Hautcreme verwendet oder ein Rasiergel. Und zum Frühstück werden Sie vermutlich Butter oder Margarine aufs Brot streichen, zu Mittag werden Sie dann mit Öl kochen oder den Salat bereiten…

Für uns Christen ist das Öl in seiner Vielfältigkeit ein Symbol für Gott! Gleich bei der Taufe wurden wir mit Chrisamöl am Kopf gesalbt; bei der Firmung wurde es in Kreuzesform auf unsere Stirn gestrichen. Und bei der Krankensalbung soll die Ölung unsere Seele stärken für den Heimgang zum himmlischen Vater. Öl ist deshalb ein Gottessymbol, weil es von unserer Haut absorbiert wird. Unsere Haut nimmt ja die Lipide, also die Ölsubstanzen wirklich in sich auf. Wir sagen deshalb auch: „Die Salbe zieht ein!“ So möchte auch Gott in unser Leben einziehen. Wenn wir heute mit Salben, Fetten, kosmetischen Cremen und Öl zu tun haben werden: denken wir dran, dass auch der liebe Gott in unser Leben einziehen will.

 

 

Samstag, 16.10.2010

Wie schade, dass die Tage wieder kürzer werden und die Sonne immer später aufgeht. Wir Mönche erleben das Hellwerden ja sehr bewusst, denn wir beten täglich ab 5.15 Uhr. Zuerst ist es ganz finster, dann wird es langsam heller: Die mittelalterlichen Glasfenster unserer Abteikirche Heiligenkreuz beginnen zu leuchten, wenn dann während der Heiligen Messe die Sonne aufgeht.

Die Sonne ist ein Symbol für Gott. Die Sonne spendet uns Energie, Kraft und Leben. Und Gott, der strömt mit seiner Gnade auch auf unsere Erde. Wir glauben, dass das vor allem in der Heiligen Messe geschieht: in der Eucharistie strömt göttliches Leben in unsere Seele. Darum sind unsere uralten Kirchen auch nach Osten hin ausgerichtet, weil dort die Sonne aufgeht. Darum sind die Hostien, die wir Christen bei der Messe verwenden, auch sonnenrund. Wenn der Priester den Leib Christi emporhebt, dann ist das wie ein Sonnenaufgang für die Seele.

Als Priester weiß ich, dass viele Menschen traurig und verzagt sind. Wenn ich frühmorgens die Heilige Messe feiere und den Leib Christi, die runde Hostie, emporhebe, dann bitte ich Gott immer: Lass Deine Freude wie die Sonne in alle Herzen scheinen.