Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von Pfarrer Wilfried M. Blum

 

 

Sonntag, 17. Oktober 2010

Es war mühsam – der Aufstieg auf den Sinai. Ende Sommer war ich heuer mit einer Gruppe von Pilgerinnen und Pilgern in Israel. Der erste Weg führte uns in die Wüste Sinai und dort zum Sonnenuntergang auf den Moses-Berg. Zwei Wege gibt es – einer über einen Pfad, der andere direkt über rund 3000 Stufen. Wenn auch Schatten den Aufstieg über die Stufen erleichtert hat, so setzte doch die Wüstenhitze ordentlich zu und verlangte ständig nach Wasser. Schritt für Schritt ging es hinauf. Anfangs war die Energie noch vorhanden. Ab der Hälfte wurde es dann mühsam. Da kam der Moment, wo ich alles zu hinterfragen begann. Doch da waren die Anderen der Gruppe – Jüngere und Ältere, da war die Freude auf einen eindrucksvollen Sonnenuntergang, da war das selbst gesteckte Ziel vor Augen – und weiter ging ich Schritt für Schritt.

So ist es auch im Leben. Es braucht ein gestecktes Ziel, dazu gute Menschen, die mit gehen, und eine Sehnsucht – dann gehen die Kräfte für 3000 Stufen des Lebens nicht aus.

Es war mühsam – der Aufstieg auf den Sinai. Doch es hat sich gelohnt. Gott sei Dank!

 

 

Montag, 18. Oktober 2010

Es war eigenartig und beklemmend – die Geschichte rund um eine kleine Amsel. Dieser kleine Vogel wurde von einer Elster bereits so attackiert, dass er etwas verletzt auf einer befahrenen Straße zu liegen kam. Die Amselmutter versuchte mit aller Kraft und Lautstärke, ihr Kleines vor dem Raubvogel zu schützen. Doch sie war in der schwächeren Position. Verschiedene Leute gingen vorbei – ohne viel Augenmerk auf den bedrohten kleinen Vogel zu werfen. Eine junge Frau blieb als einzige stehen, holte etwas aus ihrer Tasche heraus, nahm das kleine Tier und legte es unter einen Gartenstrauch. Dann ging sie weiter.

Jetzt kann man sagen, was soll´s. Doch diese Begebenheit ist ein wenig für unsere Zeit symptomatisch. Das Wegschauen und Vorbeigehen geschehen auch bei Menschen, die bedroht sind und attackiert werden. Was geht das mich an?

Es ist eigenartig und beklemmend, wenn unsere Verantwortung dem Nächsten gegenüber manchmal so distanziert geworden ist. Umso erfreulicher sind jene, die couragiert und ohne Wenn und Aber eingreifen. Es gibt sie – Gott sei Dank!

 

 

Dienstag, 19. Oktober 2010

Es gibt sie – jene Orte, die Oasen sind und eine heilsame Ausstrahlung haben. Die Propstei St. Gerold im Großen Walsertal ist ein solcher Ort, der weit über Vorarlberg hinaus strahlt und durch den früheren Propst Nathanael seine Seele bekommen hat – als Ort, wo Himmel und Erde berühren.

Aber nicht vom Propst will ich erzählen, sondern von einer älteren Frau aus diesem Dorf. Sie führt seit Jahren Menschen durch dieses spirituelle Kleinod. Mit erdiger Sprache und spiritueller Tiefe vermittelt sie alt und jung, was die Botschaft dieses Ortes ist. Sie hat eher durch Zufall zu dieser Berufung gefunden. Doch sie macht es jetzt mit Freude. So ist sie zu einer Botschafterin geworden, die von der Geschichte des Ortes erzählt, von den Künstlern, die hier sichtbare Spuren gezogen haben, vom Hl. Gerold, von der Gastfreundschaft, von den Visionen, die stückweise verwirklicht wurden. Mit ihrer Art zu deuten und zu erklären, steckt sie Menschen an und öffnet eine tiefere Sichtweisen.

Es gibt jene besonderen Orte und jene einfachen Menschen, die in Stein und Bronze als auch mit Worten eine Verbindung zwischen Himmel und Erde eröffnen. Gott sei Dank!

 

 

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Es stimmt nachdenklich, wie heute unbedenklich auf Kosten der nächsten Generationen Entscheidungen gefällt werden. Vor zwei Jahren hat ein Jugendlicher bei einer Klima-Konferenz im Europäischen Parlament aufzurütteln versucht: "Wir können euch nicht für euer Nichthandeln zur Verantwortung ziehen, weil ihr tot sein werdet, wenn wir die Probleme lösen müssen, die ihr nicht angepackt habt." Er hat damit ausgesprochen, was sicher viele Kinder und Jugendliche beschäftigt.

Franz Fischler, der ehemalige EU-Kommissar, sprach in einem Zeitungsinterview* von einem Bruch des Generationen-Vertrags: „Wie soll ein junger Mensch Vertrauen in die Zukunft haben können angesichts einer Gesellschaft, die so stark wie nie zuvor auf Kosten eben dieser Zukunft lebt? Die derzeit eingegangene Staatsverschuldung wird noch auf den Schultern unserer Kinder lasten“.

Es ist mühsam und beschwerlich zukunftsorientierte Politik zu machen. Leider gibt es nur wenige Politikerinnen und Politiker in den Parteien, die aus ihrer christlichen Einstellung heraus über den morgigen Tag hinausblicken und dementsprechend handeln. Aber es gibt sie. Gott sei Dank!

 

 

* Franz Fischler, Generationen-Vertragsbruch, 04. September 2009,  Standard

 

 

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Es gibt sie – die besonderen Sprichwörter, die zum Nachdenken anregen - wie zum Beispiel jenes aus Griechenland:

Hast du etwas zwei Jahre auf gleiche Art erledigt, betrachte es sorgfältig. Hast du es fünf Jahre getan, betrachte es misstrauisch. Hast du es gar zehn Jahre getan, dann hör damit auf und mach es anders.*

Sich immer neu verändern, eingefahrene Gleise verlassen, Neues anfangen und so auf dem Weg der ständigen Veränderung bleiben, kann manchmal mehr als beschwerlich sein. Da regt sich innerer Widerstand und Trägheit tut das ihre dazu. Die wach werdenden Ängste hemmen die notwendigen Schritte zur Veränderung. Doch Leben ist Veränderung und ein ständiges Loslassen und Aufbrechen, ein Ringen um Neues, eine drängende Aufforderung, mit Bisherigem aufzuhören und es anders zu machen.

Was soll uns eigentlich daran hindern? Mit Vertrauen und Gottes Hilfe können wir  Ängste überwinden und Neues beginnen. In der Bibel sind uns unzählige Zeugnisse überliefert, die von der Zusage Gottes erzählen. Gott sei Dank!

 

 

Freitag, 22. Oktober 2010

Es gibt sie - die ganz besonderen Menschen und Christen, fernab von allen Schlagzeilen und Medienberichten. Ein solche war für mich Julius L. Einige Jahre habe ich ihm regelmäßig die Krankenkommunion gebracht. Mit großer Sehnsucht hat er stets darauf gewartet. Dann war er glücklich und zufrieden. Oft war seine Liebeserklärung an Jesus zu hören: Du bist mein größter Schatz! Danach küsste er sein ihm liebgewordenes Jesus-Bild. In Gesprächen kam Julius häufig auf seine Geschichte der Kindheit und Jugend. Und sie war grauenhaft. Von Anfang an wurde er physisch und psychisch gequält, musste jegliche Liebe vermissen und wurde bis zur Hochzeit auf alle mögliche Weise gemobbt und bedrängt. Er hätte alle Voraussetzungen gehabt, verbittert und böse zu werden. Doch die Liebe seiner Frau und der durch das harte Leben gereifte Glaube haben ihn so geprägt und verändert, dass er seiner Familie unendlich viel Liebe weiterschenken konnte. In der Beerdigungsansprache konnte ich mit Überzeugung sagen: "So viel Leid – und dann so viel Liebe! Das vermag nur, wer glaubt!"

Es gibt sie – diese stillen Heiligen des Alltags. Gott sei Dank!

 

 

Samstag, 23. Oktober 2010

Es war bewundernswert und bedrückend zugleich. Auf unserer Israelfahrt besuchten wir das Caritas-Baby-Hospital in Bethlehem. Dieses Kinderspital ist seit Jahren schon eine segensreiche Einrichtung, die vor allem den eineinhalb Millionen Palästinensern in der Westbank zu Gute kommt. Denn ihr Schicksal ist auf Grund der politischen Lage in Palästina besonders dramatisch. Da kümmern sich Ärzte und Schwestern um die Kleinsten und deren Eltern. Sie helfen so gut sie können und schulen Mütter in wichtigen Dingen des Lebens. Die Kinderhilfe Bethlehem und der Freundeskreis sorgen für die nötige finanzielle und ideelle Unterstützung. Besonders bedrückend finde ich die schreckliche Mauer der Ausgrenzung. Sie verläuft unmittelbar beim Babyhospital und erschwert den Müttern mit ihren kranken Kindern den Weg ins Spital und macht den Heimweg zum gefährlichen Abenteuer.

Wie so vieles in diesem Land ist die Mauer ein fürchterliches Ärgernis. Dennoch gibt es auf palästinensischer wie israelischer Seite Frauen und Männer, die allen Feindbildern zum Trotz sich gegenseitig helfen. Für die Zukunft eine Hoffnung gegen alle Hoffnung. Gott sei Dank!