Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Pater Josef Garcia-Cascales (Wien)
Sonntag, 7.11.2010
Nach einer Erzählung vom hl.
Hieronymus soll Johannes der Apostel seinen Jüngern gesagt haben
(frei übersetzt): „Ja, ich werde euch immer von der Liebe sprechen,
auch wenn es euch langweilig werden sollte, denn die Liebe ist die
Fülle des christlichen Lebens.“ Die Bibel sagt: „Gott ist Liebe.“
Und Paulus: „Hätte ich die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“
Die Schlussfolgerung muss treffend
sein: Wenn die Kirche und die Christen Liebe sind, sind sie etwas!
Wenn sie nicht Liebe sind, sind sie nichts! Nachdenklich kann es
stimmen, dass in den Glaubensbekenntnissen der christlichen Kirchen
das Wort Liebe kein einziges Mal vorkommt. Natürlich sind unsere
Glaubensbekenntnisse in ihrem Inhalt voll und ganz Liebe. Aber ich
hätte mich schon sehr gefreut, wenn das Wort Liebe auch einen
würdigen Platz im Credo bekommen hätte.
Ich hab mir ein Credo der Liebe, von
der Bibel ausgehend, zusammengestellt. Darin heißt es unter anderem:
„Ich glaube an die Liebe!
Ich glaube an Gott, der die Liebe ist!
Ich glaube an die Menschen, die
lieben, und im Dienste der Liebe leben.
Montag, 8.11.2010
Ein schottischer Spruch lautet: „Ein
Lächeln kostet weniger als elektrischer Strom und gibt mehr Licht.“
Was hat das Lächeln, dass alle
Menschen es gern haben, dass es alle Menschen beglückt? Einem
Lächeln kann auf lange Sicht niemand widerstehen. Es ist
ausprobiert: Bei einer Reise in Indien begegnete ich einem Mann mit
einem kalten und sauren Gesicht. Ich lächelte ihm zu, er drehte den
Kopf weg, ich lächelte ihm zu, er drehte den Kopf weg, ich lächelte
ihm zu, er lächelte zurück.
Das ehrliche, liebevolle, warme
Lächeln ist nicht beschwerlich, nicht teuer, und wenn wir es
vergeuden, macht es die anderen glücklich - und am meisten uns
selbst.
Der Dichter Christian Morgenstern hat
recht, wenn er sagt: „Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch
die viel Gutes in den Menschen hinein huschen kann.“
Man darf das Lächeln aber nicht
verniedlichen. Lächeln kann wohl jeder, der Mensch ist, eine Kuh
kann nicht lächeln. Doch nicht jedes Lächeln ist gleich! Wie das
Herz, so das Lächeln. Das Lächeln ist die Widerspiegelung des
Herzens.
Dienstag, 9.11.2010
Das Lachen lässt die Dinge in eine
andere Atmosphäre hinein tauchen. Probleme und Spannungen können in
ein helles Licht eintauchen, wenn man in aller Natürlichkeit
herzlich zu lachen weiß. Wer mitten in den größten Schwierigkeiten
fähig eines entspannten Lachens ist, ist fähig, den meisten
Problemen ihr Gewicht zu vermindern und sogar verschwinden zu
lassen. Im Lachen verabsolutiert sich die Freude. Alles andere wird
relativiert, Gegnerschaft entspannt sich, Fremdheit und Distanz
weichen!
Der Theologe und Psychotherapeut
Alfred Kirchmayr schreibt in der Zeitschrift Quart: „Bei Kindern ist
das Lachen oft Ausdruck purer Lebensfreude. Deshalb lachen Kinder
etwa 400 Mal am Tag, und Erwachsene kaum noch 20 Mal.“
Die Philosophie, die Wahrheit, die
Realität, können grausam sein. Die Menschheit hat im Lachen (im
Humor, im Witz, im Kabarett) die Befreiung vom Unentrinnbaren
gesucht und gefunden. Das Lachen ist die magische Kraft, um Leib und
Seele gesund zu erhalten oder gesunden zu lassen.
Mittwoch, 10.11.2010
Carl Friedrich von Weizsäcker sagt von
der Freiheit, dass sie ein Gut ist, „das durch Gebrauch wächst,
durch Nichtgebrauch dahinschwindet“. Wie wahr! Alle Religionen sind
am Anfang angetreten, der Menschheit Freiheit und Frieden zu
bringen. Sehr bald haben die „Verantwortlichen“ - die Bosse - in den
Religionen so viel Macht erhalten oder sich selbst angeeignet, dass
sie - wie alle Mächtigen - in den Krieg gezogen sind. „Die Furchen
der Welt sind mit Blut getränkt, das man im Namen Gottes vergossen
hat“ (so hat ein bekannter Historiker, Taltavull, gesagt).
Wie eine notwendige Umstellung des
Religiösen hört sich das befreiende Wort Christi an: „Der Sabbat ist
für den Menschen da - und nicht der Mensch für den Sabbat“. Im
Klartext: Die Religion ist für den Menschen da - und nicht der
Mensch für die Religion. Ja! Sogar Gott ist für den Menschen da, und
nicht der Mensch für Gott - in der Hinsicht, dass Gott ohne den
Menschen auskommt, aber der Mensch ohne Gott nicht auskommt.
In Anlehnung an das Wort Christi über
den Sabbat können wir weiter formulieren:
Das Geld ist für den Menschen da – und
nicht der Mensch für das Geld. Die Kirche ist für den Menschen da –
und nicht der Mensch für die Kirche.
Donnerstag, 11.11.2010
Der große Philosoph und Theologe
Thomas von Aquin schreibt das treffende Wort: „Ein vernunftbegabtes
Wesen kann nicht nicht glücklich sein wollen“ (Contra Gent. Kap. 92)
Was ist vorzuziehen: Sich so von der
Wirklichkeit vereinnahmen zu lassen, dass man unglücklich wird oder
über der Wirklichkeit stehen und Glück erleben? Vielleicht können
folgende fünf Wegweiser eine gute Hilfe sein, um glücklich zu leben:
Lerne, bald „genug“ zu sagen! Maßlosigkeit im „Materiellen“
blockiert das Glück.
Lerne, zufrieden zu leben! Finde zum Frieden mit dir selbst und mit
der ganzen Welt! Bist du einmal „schuld“ geworden, bleib nicht in
der Schuld! Verwandle es in eine neue Geburt. Geburtstag feiern
macht glücklich. Hab immer etwas vor! Ziele etwas an! Langeweile
tötet jedes Glück. Das Leben im Glück ist das Leben der Liebe!
Lieben! Geliebt werden! Für die Liebe leben und arbeiten, das ist
die Quintessenz und die Fülle des Glücks
Freitag, 12.11.2010
Dem Geist kann es gelingen, aus dem
Schlechten etwas Gutes zu machen! Dass die Welt aber für den
Menschen auch zu dem wird, was er mit seinem Blick aus ihr macht,
ist eine edle Kunst. Warum eine negative Selektion? Wenn es tausend
schöne Seiten gibt, warum gerade die negative anschauen? Und wenn es
tausend schlechte Seiten gibt, warum nicht die einzige gute
anschauen? Leicht ist es nicht immer. Das Schlechte, das Böse, zieht
unsere Aufmerksamkeit an. Umso edler ist es, wenn wir unseren Blick
für das gute reservieren.
Der Mensch ist das, was er aus sich
selbst macht, aber auch, was die anderen aus ihm machen! Was der
Mensch beim Menschen erblickt, entdeckt, anerkennend hoch schätzt,
kann ein Leben verändern. Fast alle Menschen möchten im Tiefsten
ihrer Sehnsüchte gut sein und für gut gehalten werden. Ich habe
viele Unterhaltungen mit Kriminellen in den Gefängnissen gehabt, und
ich kann diese Tatsache aus eigener Erfahrung auch bei diesen
Menschen bestätigen.
Die Kraft des Positiven bei einem
Blick, der sieht und anerkennt, kann Wunder der Menschlichkeit
wirken.
Samstag, 13.11.2010
Die reife Freude erreicht ihre Fülle
und ihre Vollendung im Humor. Humor, das ist der Hochdruck in der
menschlichen Atmosphäre, der immer die Sonne der Freude scheinen
lässt.
Mit der Freude erklimmt man den Gipfel
des Humors. Mit dem Humor rettet man die Freude aus den Niederungen.
Nur der Mensch, der mit den Füßen der Großherzigkeit und
Großmütigkeit von Gipfel zu Gipfel zu wandern vermag, ist fähig des
letzten Humors.
Einmal habe ich Kohelet nachahmend
geschrieben:
„Schließlich gilt dir und allen
auch das Wort:
Nur eines ist notwendig!
Liebe,
liebe Gott,
liebe alle Menschen,
liebe die ganze Welt!
Achte auf das Edle
in Freundschaft und Gemeinschaft
und bewahre immer den Humor.
Gott hat seine Freude,
mit den Menschen zu spielen.
Und die Menschen, die mit ihm spielen, werden das Gericht verpassen,
denn für die, die mit ihm spielen, gibt es kein Gericht.“ Gerade,
weil Gott unendlich ist, ist er der Gott des Humors. Humor ist der
Vorgeschmack des Unendlichen.
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