Von Pfarrer Dietmar Stipsits, Bad
Tatzmannsdorf, Burgenland
Sonntag, 05. Dez. 2010:
Die Winterzeit ist für mich persönlich
eine eher ungeliebte Zeit, weil der Tag kurz ist und die Nacht einen
Großteil des 24-Stunden-Tages einnimmt. Der Advent ist ein
„Lichtblick“ in diesen dunklen Nächten, weil er mir sagt: Dein Leben
endet nicht im Dunkeln, sondern ist ein Weg hin zum Licht, zu Gott.
Nicht nur durch die von Jahr zu Jahr verstärkt advent-weihnachtlich
beleuchteten Häuser und Wohnungen in unseren Gemeinden und Städten
bringen wir dies zum Ausdruck, sondern auch durch die vier Kerzen am
Adventkranz.
„Zünd an ein Licht!“, flüstert mir der
Advent mit seiner leisen Stimme zu. Ich möchte Sie in dieser Woche
motivieren, dieser Einladung zu folgen, um lebensfördernde Kräfte zu
entdecken und sich der Verwandlungskraft Gottes anzuvertrauen.
Helmut Gollwitzer schreibt dazu: „Die Nacht wird nicht ewig dauern.
Es wird nicht finster bleiben. Die Tage, von denen wir sagen, sie
gefallen uns nicht, werden nicht die letzten Tage sein. Wir schauen
durch sie hindurch vorwärts auf ein Licht, zu dem wir jetzt schon
gehören und das uns nicht loslassen wird“.
aus: Helmut Gollwitzer, Die Nacht wird
nicht ewig dauern. Hoffnungstexte, Gütersloher Verlagshaus,
Gütersloh 31990.
Montag, 06. Dez. 2010:
Vom Hl. Bischof Nikolaus von Myra ist
historisch nichts belegbar. Trotzdem ist seine Geschichte über
Jahrhunderte hindurch weitererzählt worden. Wohl deshalb, weil seine
Legende Wesentliches für unser Zusammenleben in Erinnerung ruft.
Die wohl bekannteste Geschichte ist
jene, dass in der Bischofsstadt eine große Hungersnot herrschte. Im
Hafen ankerte ein Schiff, das Getreide für den Kaiser in Byzanz
geladen hatte. Bischof Nikolaus bat die Seeleute, einen Teil des
Getreides auszuladen. Erst nachdem der Bischof den Seeleuten
versprochen hatte, dass sie für ihre Hilfe keinen Schaden befürchten
müssten, gaben sie Nikolaus vom Getreide. In Byzanz angekommen,
stellten die Seeleute bei der Entladung fest, dass trotz der
entnommenen Menge kein Getreide fehlte. Das in Myra gebliebene
Getreide reichte für die Menschen zwei Jahre lang und diente sogar
auch noch der Aussaat.
„Zünd an ein Licht!“ hat Nikolaus
verwirklicht, indem er sich von der Not anderer Menschen bewegen
ließ und Zeit, Zuwendung, Geld und Hoffnung teilte. Im Teilen
ereignet sich m. E. das tiefste Glück unseres Menschseins. Nikolaus
lädt auch uns zum „Lichtanzünden“ ein. Wo kann ich Menschen in Not
beistehen?
Dienstag, 07. Dez. 2010:
Nelson Mandela, der wohl bedeutendste
Anti-Apartheid-Kämpfer Südafrikas, hat bei seiner Antrittsrede als
südafrikanischer Präsident im Jahr 1994 zum Thema „Zünd an ein
Licht!“ folgendes festgehalten:
„Unsere tiefste Angst ist nicht die
vor unserer Unzulänglichkeit. Unsere tiefste Angst ist die Angst vor
unserer unermesslichen Kraft. Es ist das Licht in uns, nicht die
Dunkelheit, die uns am meisten ängstigt. … Du bist ein Kind Gottes.
Wenn du dich klein machst, hilft das der Welt nicht.
Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun,
wenn du glaubst, zusammenschrumpfen zu müssen, damit sich die Leute
um dich herum weniger unsicher fühlen. Wir sind geboren, um den
Glanz Gottes zu offenbaren, der in uns ist. Gottes Glanz ist nicht
nur in wenigen von uns, Gottes Glanz ist in jedem Menschen. Wenn wir
unser eigenes Licht scheinen lassen, so geben wir anderen ebenfalls
die Erlaubnis, ihr Licht scheinen zu lassen. Wenn wir uns von
unserer eigenen Angst befreien, befreien wir mit unserer Gegenwart
auch andere.“ – Zünd an dein Licht, dazu möchte ich Sie heute
einladen.
Mittwoch, 08. Dez. 2010:
Wer ist Maria für mich? Mit dieser
Frage konfrontiere ich mich am heutigen Marienfeiertag. Am Anfang
unserer Menschheitsgeschichte steht für mich Gottes Liebe, Gottes
„Ja“ zu uns Menschen: „Ja, ich mag dich, so wie du bist, auch mit
all deinen Schwächen und Fehlern! Ja, ich halte zu dir! Ja, ich
helfe dir, gerade in Schwierigkeiten, Krankheit und Zeiten der
Ohnmacht.“ Maria hatte für diese Zusage Gottes offene Ohren: Als der
Engel zu ihr kam und sie fragte, ob sie die Mutter Jesu werden
wolle, musste sie sich für eine Antwort entscheiden. Sie hatte keine
Ahnung, was das bedeuten, was da auf sie zukommen würde. Aber sie
hatte ein offenes Ohr und ein offenes Herz und wagte es, „Ja“ zu
sagen.
„Zünd an ein Licht!“ bedeutet heute
für mich: Maria ist für mich Vorbild für mein persönliches Leben,
damit ich auch in ausweglos scheinenden und ungewissen Situationen
nicht zerbreche, sondern auf Gott vertraue und nach meinen
Möglichkeiten etwas zum Positiven verändere, so dass durch mein Sein
Gott in Ansätzen erfahrbar wird.
Donnerstag, 09. Dez. 2010:
Auch Abraham ist für mich eine
Gestalt, die unser Wochenmotto „Zünd an ein Licht!“ gelebt hat. Von
Gott bekam er den Auftrag: „Zieh weg aus deinem Land, von deiner
Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir
zeigen werde“ (Gen 12,1). Eine höchst aktuelle Geschichte! Unsere
heutige Zeit ist geprägt von Rundum-Sorglos-Versicherungen. Wir
streben nach Sicherheit, nach einer möglichst genauen Planung
unseres Lebens. Nur kein Risiko - nichts Unvorhergesehenes soll uns
passieren.
Wo bleibt in einem derartig verplanten
Leben noch das Abenteuer und das Ungewohnte, wo bleibt die Lust zu
Experimenten? Auch im Leben einer Pfarrgemeinde bekommt man oft zur
Antwort: Das war schon immer so bei uns, Herr Pfarrer, bzw. das hat
es ja bei uns noch nie gegeben! - Was tut sich da auf an
Widerständen und wie viel Angst ist hier vorhanden, Neues zu
versuchen, Mitmenschen einfach anzusprechen, ungewohnte Wege zu
beschreiten.
„Zünd an ein Licht!“ bedeutet für
mich: Unsere Kirche muss lernen, Neues zu riskieren, mutig, offen
und authentisch, so wie es Abraham gewagt hat.
Freitag, 10. Dez. 2010:
Am 10. Dez. 1948 wurde die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der
Vereinten Nationen verabschiedet. Für mich ist Gott der erste
„Menschenrechts-Anwalt“, weil er sich unermüdlich und konsequent für
die Rechte des Menschen einsetzt.
„Zünd an ein Licht!“, heißt für mich
am heutigen Tag der Menschenrechts-Erklärung: Solidarisch mit den
Menschen leben, die derzeit benachteiligt, gekränkt, gedemütigt sind
oder ungerecht behandelt werden. In und außerhalb der Kirche für sie
und ihre Rechte entschlossen, engagiert und wirksam eintreten. In
überschaubaren Gemeinden dies beispielhaft vorleben. Und es bedeutet
für mich ebenso, unsere Kirchenleitung und die Öffentlichkeit mit
guten Argumenten auf die dringend notwendigen Änderungen in unserer
röm.-kath. Kirche aufmerksam zu machen. - Wenn wir authentische
Christinnen und Christen sein wollen, dann müssen wir alle
solidarisch und geschwisterlich miteinander und mit den Armen,
Arbeitslosen und Ausgegrenzten leben – über alle Grenzen hinweg.
Samstag, 11. Dez. 2010:
In dieser Woche wollte ich Sie zu
Hoffnungsschritten begeistern, zu Schritten, die mitten in der Nacht
ein Licht aufgehen lassen, die eine neue Botschaft bringen, die
sagen, dass Friede zwischen den Menschen möglich ist. Die uns
lehren, los zu lassen, was wir an Altem festhalten wollen, die uns
an Veränderung glauben lassen. Schritte, die uns ermuntern auf zu
stehen, den Weg zu wagen. In der Stille, lass Dein Herz zu Wort
kommen. So wirst Du in Deinem Innersten entdecken, dass neues Leben
möglich ist.
„Zünd an ein Licht!“ ist die
adventliche Einladung an mich, auf Jesus zu hören und zu schauen,
welche Grundhaltungen meinen Umgang mit mir selber, mit den anderen,
mit meiner Mitwelt und mit Gott prägen. Dieser adventliche Weg ist
ein alltägliches Hören auf die Worte des Lebens, der Hoffnung.
Dieser Weg zum Licht erspart mir nicht die Stürme des Lebens, aber
ich kann ihn wagen, weil ich darauf vertraue, dass ER, Gott, ihn mit
mir geht.