Immer wieder beeindruckt mich das
Gemälde Pieter Brueghels, das den „Turmbau zu Babel“ darstellt. Ein
fantastisches Bild, das die biblische Geschichte der
Sprachverwirrung in unglaublich farblicher Virtuosität schildert.
Viele Gestalten sind emsig damit beschäftigt, das höchste Bauwerk
der Welt zu errichten. Sie sind so sehr von ihren Tätigkeiten in
Beschlag genommen, dass sie gar nicht merken, wie sie sich
menschlich immer weiter voneinander entfernen. Das Ende der
Geschichte kennen wir. Einer versteht den anderen nicht mehr und die
Baustelle Turm zu Babel wird zu einem Sprachenchaos. Nur eine
Geschichte? Je mehr ich darüber nachdenke, umso realistischer
scheint mir dieses Bild. Wir alle sind mit dem Bau unserer eigenen
Turmlandschaft beschäftigt, basteln an unserer Karriere, sind damit
ausgelastet, Macht und Einfluss zu gewinnen und andere
auszutricksen, wenn es darum geht, als erster ans Ziel zu gelangen.
Obwohl wir in einer aufgeklärten Welt leben, die von der
vielgerühmten Kommunikationsgesellschaft bevölkert wird, merken wir
mitunter nicht, dass wir sprachlos geworden sind. Beziehungen
spielen sich im schlimmsten Fall nur mehr über den Bildschirm des
Computers ab. Über all dem Fluss an Information verkümmert die
Sprache, weil sie sich auf Wortfetzen reduziert. Um diese Sprache
des Herzens zu sprechen, sollte man täglich ihr Vokabular
trainieren, damit wir andere Menschen verstehen und nicht in einer
Welt der Urlaute zu versinken.
Montag, 13. Dezember 2010
Daheim sein
Ich bin außer mir! Wie oft erleben wie
das täglich, dass uns etwas gegen den Strich geht, dass wir uns über
Nichtigkeiten ärgern und meist den Ärger über uns selbst auf andere
projizieren?
Und dann ist plötzlich alles
schlecht. Das Negative überwiegt so, dass mein Blick auf alles Gute
getrübt und schließlich unmöglich wird. Karl Valentin meinte einmal:
Ich werde mich am Nachmittag besuchen, hoffentlich bin ich daheim.
Dieses bei sich Zuhausesein ist gar nicht so einfach, wie man sich
das vielleicht vorstellen möchte. Denn es muss bewusst geschehen: Im
sich Zeit nehmen, im Reduziert sein auf sich selbst; in der
Auseinandersetzung mit den eigenen Talenten und Fähigkeiten aber
auch in der offenen Konfrontation mit den eigenen Ecken und Kanten.
Wer zu Hause ist, der beschäftigt sich unweigerlich mit dem eigenen
Leben. Das kann schmerzhaft aber zugleich sehr heilsam sein. Bei
sich wohnen ist vor allem mit einer kompromisslosen Ehrlichkeit
sich selbst gegenüber verbunden. Sich nichts vorzugaukeln, um den
Schein zu wahren und sich dadurch selbst zu beruhigen, sondern sich
den Fragen, die das Leben aufwirft, aktiv und ohne Scheu vor die
Ergebnisse zu stellen. Und bekanntlich findet, der sucht. Außer sich
sein sollte öfter durch ein in mir sein ersetzt werden, dann können
wir uns selber getrost die Frage stellen: Was, wenn ich mich heute
besuche? Bin ich daheim?
Dienstag, 14. Dezember 2010
Burnout
Ausgebrannt. Kein Licht mehr am Ende
des Tunnels. Viele Menschen sind in einer Sackgasse ihres Lebens
angelangt und fragen sich, wieso gerade ihnen das passiert. Immer
öfter hört man davon auch im eigenen Umfeld. Guter Rat ist teuer.
Vielleicht sollte man helfen, wenn man spürt, dass jemand mit der
aufgeladenen Bürde des Alltags nicht mehr zurechtkommt! Vielleicht
ein Kollege am Arbeitsplatz, der den Druck nicht mehr aushält, der
von allen Seiten auf ihn einwirkt, oder die Nachbarin, die den
Zahlungen nicht mehr nachkommen kann, weil sie schon über einen
längeren Zeitraum arbeitslos ist, oder jener so erfolgreiche
Manager, den alle beneideten, der aber bei allem Streben nach Mehr
immer einsamer wurde.
Aber warum passiert das in einer Zeit
wie unserer? Wo doch alles so gut organisiert ist. Ist vielleicht
der Verlust des miteinander Redens die Schuld am todbringenden
Schweigen? Reden schafft Vertrauen und Vertrauen schafft das Gefühl
des Verstandenseins. Vielleicht ist da ein Licht am Ende des
Tunnels, das Gefühl, nicht einsam zu sein, sondern gemeinsam etwas
zu tun, wofür es sich lohnt.
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Angst
Angst ist ein ständiger Begleiter
unseres Lebens. Die Angst vor der Finsternis, die Angst vor dem
Alleinsein aber auch vor Partnerschaften, die Angst vor Prüfungen,
die Angst, nicht bestehen zu können und nicht zuletzt die Angst vor
der Angst. Immer mehr Menschen nehmen psychologische Hilfe in
Anspruch, weil sie mit ihren Lebensängsten nicht mehr allein
zurechtkommen. Vielleicht auch deshalb, weil sie Angst haben,
Menschen in ihrem Umfeld ihre Ängste mitzuteilen und dadurch
glauben, verwundbar zu werden. Und das will schließlich niemand.
Es wird aber immer schwieriger,
zwischen Ängsten, die einer überzogenen Hysterie entspringen und
solchen, die ernst zu nehmen sind, zu unterscheiden. Wie in Grimms
Märchen, von einem der auszog, um das Fürchten zu lernen, lassen wir
uns das künstliche Gruseln etwas kosten. Die Filmindustrie boomt,
die Grausamkeiten sind kaum zu überbieten und die Medien überfluten
uns mit schrecklichen Bildern. Wer sollte da nicht Angst bekommen?
Oder stumpfen wir ab? Plötzlich wird das, was uns noch vor kurzem
amüsiert und unterhalten hat, zu echter Furcht. Die beste Art, allen
Ängsten zu begegnen, ist die Hoffnung. Wo die Hoffnung nicht stirbt,
sondern wachsen kann und neue Wege aufzeigt, hat die Angst keinen
Nährboden mehr.
Donnerstag, 16. Dezember 2010
Heilig?
Was ist uns eigentlich heilig? Jeder
hat so das eine oder andere, das ihm heilig ist. Vielen ist noch der
Sonntag heilig. Anderen der Kegelabend oder der Abend im Wirtshaus.
Idole sind vielen heilig: Sie verehren ihre Stars und richten fast
ihr ganzes Leben nach ihnen aus. Vielen ist ausschließlich das
eigene ICH heilig. Das DU bleibt auf der Strecke.
Grundsätzlich aber sollte der Respekt
voreinander gelten, auch wenn die Meinungen und Überzeugungen weit
auseinanderdriften. Toleranz verhindert den Fundamentalismus und
damit die Gewalt. Wo Standpunkte aufeinanderprallen, da braucht es
menschliche Größe, um Lösungen zu finden. Wo sich diese Positionen
verhärten, ist ein Dialog nicht mehr möglich. Wenn ich ganz bewusst
versuche, an Menschen, die ich nicht mag, einen positiven Aspekt zu
finden, werde ich entdecken, dass er mir plötzlich nicht mehr
unsympathisch ist. Wenn ich nicht nach dem Splitter im Auge des
Bruders suche, der schließlich zur Keule Kains anwächst, die den
Bruder erschlägt, dann wird mein Blick auf das Positive frei. Das
Gute zu suchen kann ein spannendes Unterfangen sein, weil sich
plötzlich völlig neue Perspektiven erschließen, die noch vorher
undenkbar waren. Vielleicht ist mein Nachbar gar nicht so, wie alle
sagen - wie wärs mit dem Versuch eines Gesprächs - ein „Guten
Morgen“ kann schon ein guter Anfang sein.
Freitag, 17. Dezember 2010
Ein neuer Tag
Dieses Gefühl ist keinem von uns
fremd. Der Wecker klingelt und wir haben einfach keine Lust auf
diesen Tag. Unweigerlich fällt mir dabei die Geschichte der beiden
Straßenkehrer ein, die damit beschäftigt sind, eine lange, fast
endlos scheinende Straße zu fegen. Der eine flucht und jammert über
die scheinbar unbewältigbare Arbeit und versinkt in Selbstmitleid
und Resignation, während der andere fröhlich pfeifend seinen Besen
schwingt. Ein Passant kommt vorbei. Da fragt er den ersten, warum er
denn so zornig sei. Dieser sagt mürrisch: Diese lange Straße ... Ein
schrecklicher, grausamer Job. Ich hasse mein Leben.
Da fragt der Passant den pfeifenden
Straßenarbeiter nach dem Grund seiner Fröhlichkeit und dieser
antwortet mit einem Lächeln: Ich sehe nur das Stück, das ich gerade
kehre und freue mich, dass es sauber ist, dann schaue ich zurück und
bin überrascht, was ich schon alles geschafft habe.
Die Straße des Lebens ist oft
unüberschaubar – nie enden wollend – und die Aufgabe, sie sauber zu
halten, scheint aussichtslos. Wir haben die Wahl: Entweder mürrisch
und lustlos in Lebensüberdruss zu zerfließen, oder pfeifend Stück
für Stück zu bewältigen, auch wenn es mitunter harte Arbeit ist.
Alle großen Dinge haben alle im Kleinen begonnen oder wie es Laotse
ausdrückte: Wenn du daran gehst, die Welt zu verändern, geh zuerst
fünf Mal durch dein eigenes Haus.
Samstag, 18. Dezember 2010
Krisen
Wirtschaftskrise, Eurokrise,
Bankenkrise und nicht zuletzt die Kirchenkrise. Es scheint alles aus
den Fugen zu geraten.
Wie der Ursprung des Wortes im
Griechischen verrät, handelt es sich bei der Krise aber um den
entscheidenden Punkt der Wende. Es ist noch nicht zu spät, sondern
es entscheidet sich, wohin die Reise geht. Wenn ein Wendepunkt
ansteht, dann ist eine Entscheidung gefordert, ein Entweder-oder.
Klar verlangt ist, dass Reden allein nicht reicht, sondern Taten
folgen müssen. Ein Mönch war einst in einer einschneidenden
Lebenskrise und unzählige Fragen taten sich in seinem Leben auf. Im
Traum wurde ihm gesagt, dass er den Sinn seines Daseins am Ende der
Welt hinter einer Türe finden würde. Er machte sich auf und wanderte
und wanderte, bestand viele Abenteuer, aber den Sinn des Lebens fand
er nicht. Als er schließlich am Ende seiner Kräfte völlig ermattet
war, kam er an eine Türe, von der er glaubte, dass sie am Ende der
Welt sein müsste. Er klopfte. Die Tür ging auf. Als er um sich
blickte, fand er sich in seinem eigenen Kloster wieder. Jetzt
verstand er, worum es eigentlich ging. In Krisen sollte man nicht in
die Weite schweifen, sondern Veränderungen dort schaffen, wo man
gerade steht, in seinem ganz persönlichen Lebensumfeld. Vielleicht
sollten wir uns auf die Reise nach dem Sinn und auf die Suche nach
dem Wesentlichen begeben. Ob wir am Ende wohl an unsere eigene Türe
klopfen?