„Mhm! Heute riecht es noch immer nach Weihnachten!“, freut sich
Angela und schaut erwartungsvoll ins Backrohr, wo die Weihnachtsgans
vor sich hinbrutzelt. „Wir feiern heute schon den dritten Tag
Weihnachten. Das heißt, eigentlich feiern wir schon den dritten Tag
Geburtstag, und zwar den vom Christkind!“ Anna ist begeistert.
„Außerdem kommen zu Mittag Omi, Oma und Opa zum Essen. Und das ist
immer ein besonderer Tag, wenn wir alle miteinander um einen Tisch
sitzen“, sagt Simon. „Ja, aber was hat unsere Weihnachtsgans mit dem
Christkind und mit unseren Großeltern zu tun?“, will Anna wissen.
„Das Christkind ist doch Jesus. Und Jesus hat oft mit seinen
Freundinnen und Freunden gegessen, weil es etwas ganz besonderes
ist, gemeinsam um einen Tisch zu sitzen, miteinander zu essen und
sich Geschichten zu erzählen“, erklärt Angela. „Ich freue mich schon
drauf, wenn der Opa wieder von den Kinderstreichen erzählt, die er
mit seinem Bruder in Thalgau aufgeführt hat“, sagt Simon. „Und ich
will noch einmal hören, wie die Omi in Berlin mit ihren Hasen
gespielt hat“, ruft Anna. Angela meint: „Und ich freue mich, wie
alle Jahre, auf die Gans! So, jetzt müssen wir aber Tisch decken und
uns noch schön anziehen!“ Gemeinsam laufen sie ins Wohnzimmer, um
alles für diesen besonderen Anlass mit lieben Gästen vorzubereiten.
Montag, 27. Dezember 2010
Du hast blaue Augen
„Du hast blaue Augen, Anna“, stellt Angela begeistert fest. „Ja, und
du hast blaue mit ein bisschen grün drin.“, antwortet Anna, „Und du,
Simon, hast blaugraue Augen.“ „Das stimmt. Wieso ist das wichtig?“,
fragt Simon. „Weil ich es gut finde, wenn man sich beim Reden in die
Augen schaut“, mische ich mich ein. „Mir ist nämlich aufgefallen,
dass die Leute sich oft überhaupt nicht anschauen, wenn sie etwas
zueinander sagen. Sie schauen in die Luft oder auf den Boden oder
irgendwohin, nur nicht auf ihr Gegenüber, mit dem sie gerade im
Gespräch sind. Manchmal haben sie auch so lange Haare, dass ihre
Augen komplett verdeckt sind. Und dann ist es schwer,
herauszufinden, wie sie meine Worte aufnehmen. Ein Gespräch ist eben
mehr als ein Austausch von Worten. Für mich ist es jedenfalls
spannend zu sehen, wie der andere auf mich reagiert – mit seinen
Händen, mit seiner Gestik und vor allem mit seinen Augen. Die
drücken am meisten aus – Freude, Angst, Besorgnis oder Begeisterung.
Genauso spannend ist es, die Augen desjenigen zu sehen, der mit mir
redet. So kann ich erkennen, ob er auch meint, was er sagt. Also,
zum Beispiel, wenn ich euch jetzt frage, ob ihr mich verstanden habt
und ihr schaut mich mit fragenden Augen an und antwortet mit ja,
dann weiß ich, dass ich es noch einmal probieren muss.“
Dienstag, 28. Dezember 2010
Bist du was du trägst?
„Wisst ihr, was ich echt anstrengend finde?“, fragt Angela, „dass
manche glauben, sie sind nur dann cool, wenn sie ein Kapperl von
dieser Marke oder eine Jacke oder Hose von jener Marke anhaben.“
„Das stimmt“, bestätigt Simon, „die sind überzeugt, dass sie etwas
Besseres sind und vor allem schauen sie einen schräg an, wenn du
solche Sachen nicht trägst.“ „Das sind ja wilde Geschichten, die ihr
da erzählt“, sage ich, „mir war bis jetzt gar nicht bewusst, dass
die Markensachen schon in eurem Alter mit 12, 10 und 7 so eine große
Rolle spielen.“ „Du hast ja keine Ahnung. Die sagen dann gleich,
dass du ein ‚Loser’ bist, wenn du solche Sachen nicht trägst.“, fügt
Anna hinzu. „Dabei schauen doch viele Kleidungsstücke cool aus. Egal
von welcher Marke sie sind.“, wage ich einzuwerfen. „Außerdem frage
ich mich“, setze ich fort, „ob es nicht mehr darauf ankommt, wer in
dem Gewand steckt. Ich stelle mir halt vor, dass es wichtiger ist,
einen guten Freund zu haben, mit dem man Spaß haben kann oder der
einen vor einem Blödsinn bewahrt. Da ist es doch egal, was der
anhat. Genauso ist es mit einer guten Freundin – besser die gleichen
Interessen haben als sich über die angeblich richtige Marke zu
streiten. So gesehen, sind die ganzen Marken eigentlich unwichtig.
Worauf es ankommt, sind die einzelnen Menschen, mit denen ihr zu tun
habt.“
Mittwoch, 29. Dezember 2010
Mehr Zeit miteinander verbringen
„Puh“, stöhnt Angela. „Ich finde solche Feiertage wie Weihnachten
ganz schön stressig.“ „Aber wieso denn?“, will Anna wissen. „Ja,
immer ist die ganze Familie beisammen und dann kommt Besuch auch
noch.“, jammert Angela. „Ich finde das toll, wenn bei uns so viel
los ist.“, begeistert sich Anna. „Mir taugt es, wenn einmal wieder
für mehrere Tage die ganze Familie zu Hause ist.“, sage ich. „Auch
wenn es dann oft wie in einem Taubenschlag zugeht und es schneller
zu irgendwelchen Reibereien kommt. Wir müssen uns halt nach der
langen Schulzeit wieder daran gewöhnen, unsere Zeit ein paar Tage
lang miteinander zu verbringen. Ich freue mich immer darauf, wenn
nicht alles Schlag auf Schlag gehen muss. Beim Frühstück können wir
gemütlich unseren Tagesablauf planen und wenn wir einmal für etwas
länger brauchen, ist auch nichts verhackt.“ „Außerdem müssen wir
nicht die ganze Zeit aufeinander kleben“, wirft Angela ein, „ich
kann mich auch zwischendurch mit der einen oder anderen Freundin
treffen, weil die ja in den Ferien auch mehr Zeit haben als sonst.“
„Ja, und wir können miteinander Bob Fahren gehen, ohne dass einer zu
Hause bleiben muss, um Hausaufgaben zu machen“, ruft Anna. „Und das
Beste dabei ist, dass Papa und Mama auch mitgehen können.“ So
gesehen freuen wir uns immer, die freie Zeit miteinander zu
verbringen.
Donnerstag, 30. Dezember 2010
Schenke ein Lächeln
„Wisst ihr, was mir in der Lokalbahn oft auffällt?“, fragt Simon,
„Die meisten Leute sitzen drin und schauen finster.“ „Ja, das habe
ich auch beobachtet.“, sagt Angela. „Viele starren auf den Boden
oder in die Zeitung oder aus dem Fenster raus.“ „Habt ihr schon
probiert, sie einmal einfach anzulächeln?“, will ich wissen.
„Manchmal habe ich das getan.“, antwortet Simon. „Die reagieren dann
ganz unterschiedlich. Die meisten lächeln zurück. Einige schauen weg
und manche glauben, dass man sich über sie lustig macht.“
„Vielleicht ist es auch so“, überlege ich, „dass viele Leute großen
Stress haben, sowohl in der Arbeit als auch zu Hause. Da schauen sie
dann ganz verbissen, weil sie ständig am Organisieren sind, um alles
auf die Reihe zu bekommen. Es ist wie bei euch. Wenn in der Schule
viel zu tun ist, habt ihr den Eindruck, dass das Leben nur aus
Lernen besteht. Dann werdet ihr auch grantig. Manchmal genügt es in
so einem Fall schon, wenn der Papa oder ich euch anlächeln, dass ihr
auf andere Gedanken kommt. Oder ihr habt euch über etwas geärgert,
vielleicht mit einem Freund oder einer Freundin gestritten und ihr
schaut euch böse an – bis einer lächelt: Die dicke Luft löst sich
auf.“ „Das ist, wie wenn du uns schimpfst.“, grinsen die drei.
„Sobald wir lächeln, ist alles wieder gut!“
Freitag, 31. Dezember 2010
Das Jahr im Rückblick
Heute ist schon wieder der letzte Tag des Jahres – Zeit, um
Rückschau zu halten. „Mama, was heißt Rückschau halten?“, will Anna
wissen. „Es heißt, auf das Vergangene zu schauen“, antworte ich.
„Wozu ist das wichtig?“, fragt meine jüngste Tochter. „Naja, bevor
was Neues anfängt, ist es ganz gut, sich einmal hinzusetzen und
drüber nachzudenken, was bisher alles los war“, sage ich. „Wir
könnten gemeinsam alle schwierigen und freudigen Ereignisse sowie
alle Abenteuer des letzten Jahres sammeln. Die schwierigen Dinge
werden uns wahrscheinlich schneller einfallen. Oft ist es so, dass
man sich an die traurigen und anstrengenden Erlebnisse besser
erinnert. Dafür geraten die freudigen Erlebnisse schnell in
Vergessenheit. Dabei sind gerade sie es, die für unser Leben wichtig
sind.“ „Wir könnten mit unseren Geburtstagen anfangen“, überlegt
Anna. „Die waren alle lustig. Und weißt du, was das Beste war? Dass
ich Rechnen gelernt habe. Das ist viel besser als Lesen. Ja, langsam
macht mir das Nachdenken Spaß. Es ist so, als ob man alles noch
einmal erlebt.“ „Anna, ich denke auch gern über die vergangenen
zwölf Monate nach“, sage ich, „manches möchte ich nicht noch einmal
erleben. Manches würde ich anders machen, wenn es noch einmal
vorkommen sollte. Vieles will ich noch einmal erleben. Insgesamt bin
ich dankbar für alles, was geschehen ist und freue mich auf das Neue
Jahr.“
Samstag, 1. Jänner 2011
Wir machen alles Stück für Stück
„Na, seid ihr gut im Neuen Jahr angekommen?“, fragt Simon. „Ja!“,
kommt es im Duett von Angela und Anna. „Das freut mich zu hören.“,
sage ich. „Ich wünsche euch allen nämlich auch noch einmal ein
gutes, neues Jahr. Hoffentlich wollt ihr heuer nicht euer ganzes
Leben umkrempeln. Manche Dinge lassen sich vielleicht besser
organisieren, weil sich doch oft vieles überschnitten hat.
Vielleicht könnt ihr euch mehr auf das konzentrieren, was ihr gerade
tut und nicht mehrere Sachen zur gleichen Zeit laufen zu lassen. Zum
Beispiel, dass ihr während des Essens nicht gleichzeitig lest oder
während des Aufgabe Machens nicht mehr Musik hört. Denn wenn ihr
immer alles auf einmal macht, wisst ihr am Schluss weder was ihr
gegessen noch was ihr gelesen habt. Also, macht zuerst das eine
fertig, bevor ihr mit etwas Neuem beginnt. Irgendwie ist es, glaube
ich, einen Versuch wert, die einzelnen Vorhaben Stück für Stück
anzugehen, weil man dann mehr davon hat. Ich erinnere mich da an
eine Stelle im Momo–Buch, wo der Straßenkehrer Beppo Momo erklärt,
wie er eine Straße kehrt. Er sagt so ungefähr: Wenn man an die ganze
Straße denkt ist es zu viel und wenn man sie Schritt für Schritt,
Besenstrich für Besenstrich kehrt, ist es leicht zu schaffen und
macht noch dazu Freude.“