Die eine endet heute und die andere beginnt am kommenden
Dienstag. Ich meine die Gebetswochen für die Einheit der
Christen. Ja, Christen unterschiedlicher Konfession beten für
ein besseres Verstehen und mehr Miteinander. Und das nicht erst
seit kurzem, sondern schon viele Jahrzehnte lang und von
unterschiedlichen Gruppen organisiert.
Seit genau 165 Jahren rufen die in der weltweiten evangelischen
Allianz zusammengeschlossenen Christen meist evangelikaler
Prägung zum weltweiten Gebet der Christen auf. „Gemeinsam beten
und dienen“, das war das Thema der diesjährigen Gebetstreffen
vom 9. bis 16. Jänner.
Auch schon auf eine Geschichte von mehr als hundert Jahren
zurückblicken kann die Gebetswoche für die Einheit der Christen,
wobei sie in ihrer heutigen Form als Veranstaltung des
Ökumenischen Rates der Kirchen und des Päpstlichen Rates für die
Förderung der Einheit der Christen fast ein halbes Jahrhundert
bereits gefeiert wird.
Dass die Kirchen diese sensible Thematik der Einheit vor allem
unter das Gebet stellen, halte ich für gut. Ist doch das Gebet
eines der Herzstücke christlichen Lebens. Mag sein, dass manchen
von Ihnen alle diese Initiativen zu langsam erscheinen. Aber, so
meine ich, das kann man in Kauf nehmen, wenn sie dafür umso
nachhaltiger wirken.
Montag, 17.1.2011
Wenn es um die Beziehung der christlichen Kirchen geht, dann
spricht man von Ökumene. Aber auch zu den anderen Religionen
gibt es Kontakte, Begegnungen und sogenannte interreligiöse
Dialoge. Sie sind wichtig zum Kennenlernen und zum Abbau von
Vorurteilen.
Eine besondere Stellung nimmt das Verhältnis der christlichen
Kirchen zum Judentum ein. Heute am Vortag der Gebetswoche für
die Einheit der Christen, ist diesem Verhältnis ein eigener Tag
gewidmet, der Tag des Judentums.
Er wird seit dem Jahr 2000 von den christlichen Kirchen in
Österreich begangen und geht zurück auf eine Initiative der
Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, die 1997 in Graz
abgehalten worden ist.
Der Termin vor der Gebetswoche ist bewusst gewählt. Bei aller
Verschiedenheit der christlichen Kirchen ist ihnen ihre Herkunft
aus dem Judentum gemeinsam. Das Motto des Tages ist dem 11.
Kapitel des Römerbriefs entnommen, in dem der Apostel Paulus
feststellt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel
trägt dich.“
Beim Tag des Judentums geht es in erster Linie nicht darum, das
Judentum besser kennenzulernen oder Feiern mit jüdischen
Elementen zu gestalten, sondern dass sich Kirchen und Christen
dieser Wurzel bewusst werden und sie positiv in die eigene
Tradition aufnehmen.
Dienstag, 18.1.2011
Heute beginnt sie, die Gebetswoche für
die Einheit der Christen als sichtbarer Ausdruck der weltweiten,
die Konfessionen überschreitenden Verbundenheit, aber auch als
Hinweis auf die Sehnsucht nach mehr Gemeinschaft der Christen.
Schon die Auswahl des Themas und die
Texte der Gottesdienste oder der Gebetsabende verbinden die
Christen weltweit. Jedes Jahr sind dafür die Kirchen eines
bestimmten Landes zuständig. 2011 sind es die Christen in
Alt-Jerusalem.
Mit den Kirchen in Alt-Jerusalem und
mit dem Thema wird die Gebetswoche gleichsam an die Anfänge des
Christentums geführt. Das Motto lautet: „Zusammen glauben,
feiern, beten“. Es ist der Apostelgeschichte entnommen, in der
im 2. Kapitel als Kennzeichen der ersten Gemeinde in Jerusalem
genannt ist: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der
Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im
Gebet.“
Bis heute gehören diese Elemente zu
den wichtigen Lebensvollzügen der christlichen Kirchen: Die
Treue zur Lehre der Apostel, die solidarische Gemeinschaft, das
Brechen des Brotes, also Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier, und
das Gebet. Freilich, auch in diesen Punkten sind die Kirchen,
was ihre Beziehungen zueinander betrifft, noch auf dem Weg und
bedürfen dringend des Gebets.
Mittwoch, 19.1.2011
Ich finde es großartig, dass in diesen
Tagen weltweit Menschen aus verschiedenen Kirchen zusammenkommen aus
Anlass der Gebetswoche für die Einheit der Christen, um gemeinsam zu
beten: Für mehr Gemeinschaft, für Gerechtigkeit und Frieden in der
Welt, für mehr Solidarität, für einen verantwortlichen Umgang mit
der Schöpfung.
Ein Blick in die Geschichte sagt, dass
dies nicht selbstverständlich ist. Und dabei denke ich nicht nur an
die großen Trennungen der christlichen Kirchen. Für die westliche
Kirche war das vor 500 Jahren. Der Versuch, die damalige Kirche zu
reformieren und wieder an der Bibel auszurichten, hat zur Spaltung
in die römisch-katholische Kirche und in die evangelische Kirche
geführt. Das Amts- und das Kirchenverständnis, die Zuordnung von
Mensch, Kirche und Gott, waren und sind trennende Positionen.
Aber im Lauf der Jahrhunderte sind
weitere Entwicklungen dazu gekommen, die die Kirchen
auseinandergeführt haben. Die Unfehlbarkeit des Papstes, endgültig
festgeschrieben im Jahr 1870 und Anlass für die Gründung der
Altkatholischen Kirche, oder die Aufnahme Mariens in den Himmel,
1950 zum Dogma erhoben, sind Beispiele aus der römisch-katholischen
Kirche.
Für die Evangelische Kirche kann hier
die Frauenordination genannt werden, die von den meisten
protestantischen Kirchen im 20. Jahrhundert eingeführt worden ist.
Und trotzdem, beim Auseinandergehen ist es nicht geblieben.
Donnerstag, 20.1.2011
Die Gebetswoche für die Einheit der Christen ist für mich Anlass,
über die Beziehung der christlichen Kirchen nachzudenken. Für den
westlichen Bereich kann man sagen, dass nach 1500 Jahren gemeinsamer
Geschichte, 500 Jahre der Trennung folgten.
Und dennoch konstatiere ich, dass in
den letzten hundert Jahren zumindest als Bewegung wieder ein
Aufeinander-Zugehen der Kirchen zu bemerken ist. Es gibt seit dieser
Zeit zunehmend ökumenische Begegnungen und Gottesdienste,
gemeinsame Feiern, Freundschaften über die Konfessionen hinweg,
gemeinsame Aktivitäten im diakonischen und gesellschaftlichen
Bereich.
Für die Beziehung der Kirchen in
Österreich wichtig war die Einrichtung der sogenannten Gemischten
katholisch/evangelischen Kommission im Jahr 1968. Sie versucht
ökumenische Initiativen auf eine tragfähige Basis zu stellen, wie
z.B. mit der Ordnung für Trauungen gemischt-konfessioneller
Ehepaare, und sie behandelt Konfliktfälle zwischen den Kirchen.
Einen wichtigen Beitrag zu diesem Miteinander leisten seit Beginn
des 20. Jahrhunderts die Jugendbewegungen und die Frauen. So wird
seit mehr als 100 Jahren jeweils am 1. Freitag im März unter dem
Motto „Informiertes Beten – betendes Handeln“ zum Weltgebetstag der
Frauen eingeladen.
Freitag, 21.1.2011
Ökumene heißt bekanntlich im
eigentlichen Wortsinn „die ganze bewohnte Erde, der Erdkreis“, das
heißt, alles im Blick haben. Die weltweite Gebetswoche für die
Einheit der Christen ist ein gutes Symbol dafür. In Bezug auf die
Kirchen und das Miteinander der Kirchen, gibt es sehr
unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit Ökumene eigentlich
gemeint sei.
Was sich mit Ökumene heute nicht
verträgt, ist ein Ausschließlichkeitsanspruch und die Idee der
Einheit im Sinn der Rückkehr der einen Kirche zur anderen. Positiv
gesagt, braucht es die Bereitschaft, die jeweils andere Kirche in
ihrem Selbstverständnis ernst zu nehmen, und es braucht eine
Dialogfähigkeit und -bereitschaft.
In der Tat ist eine entscheidende
Frage, ob man unter Einheit tatsächlich nur eine uniforme, in allen
Bereichen gleich ausgerichtete Gemeinschaft sehen muss, oder ob auf
einem gemeinsamen Fundament eine Vielfalt in Einheit möglich ist.
Nach evangelischer Auffassung können
die Kirchen dann in vollkommener Gemeinschaft stehen, wenn sie in
der Gemeinschaft mit Jesus Christus stehen. Der einzige legitime
Absolutheitsanspruch in der Kirche Jesu Christi ist Jesus Christus
selbst, der ausdrücklich im Johannesevangelium sagt: Ich bin der Weg
und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch
mich.
Samstag, 22.1.2011
Theologische Gespräche sind wichtig.
Schön, dass bei wichtigen Themen wie der Rechtfertigung des Menschen
oder der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier zu Annäherungen und
manchmal auch zu Übereinstimmungen kommt.
Natürlich ist es schade, dass die
Ergebnisse dieser Dialoge so wenig Eingang finden in das Leben der
Gemeinden. Aber für mich ist die Bedeutung der Ökumene heute nicht
daran zu messen, ob und wie stark der theologische Diskurs in den
Gemeinden rezipiert wird oder nicht.
Gerade im Zusammenhang mit der Ökumene
als der Wahrnehmung der Verantwortung für die Menschen der Erde,
dürfen sich die Kirchen nicht als solche präsentieren, die die
Glaubenskriege des 16. Jahrhunderts und danach führen, wenn auch mit
der Absicht sie beizulegen, sondern sie müssen die Menschen heute
ernst nehmen und sie bei ihren Herausforderungen begleiten.
Der Wert und die Würde eines jeden
Menschen in allen Lebenslagen, eine Kultur des Sonn- und Feiertages,
eine Werteorientierung in einer Welt zunehmender Beliebigkeit und
ein sachgemäßer Umgang mit den Rohstoffen und der Natur, sind nur
einige der relevanten Themen. Das Wort Gottes als gemeinsame
Grundlage der Kirchen ist Anlass genug, diese Themen ökumenisch
anzugehen, und damit ein eindrückliches und glaubwürdiges Zeugnis
von der Liebe Gottes der Welt zu geben.