Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

                               

von Superintendent Paul Weiland

  

 

Sonntag, 16.1.2011

Die eine endet heute und die andere beginnt am kommenden Dienstag. Ich meine die Gebetswochen für die Einheit der Christen. Ja, Christen unterschiedlicher Konfession beten für ein besseres Verstehen und mehr Miteinander. Und das nicht erst seit kurzem, sondern schon viele Jahrzehnte lang und von unterschiedlichen Gruppen organisiert.

Seit genau 165 Jahren rufen die in der weltweiten evangelischen Allianz zusammengeschlossenen Christen meist evangelikaler Prägung zum weltweiten Gebet der Christen auf. „Gemeinsam beten und dienen“, das war das Thema der diesjährigen Gebetstreffen vom 9. bis 16. Jänner.

Auch schon auf eine Geschichte von mehr als hundert Jahren zurückblicken kann die Gebetswoche für die Einheit der Christen, wobei sie in ihrer heutigen Form als Veranstaltung des Ökumenischen Rates der Kirchen und des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen fast ein halbes Jahrhundert bereits gefeiert wird.

Dass die Kirchen diese sensible Thematik der Einheit vor allem unter das Gebet stellen, halte ich für gut. Ist doch das Gebet eines der Herzstücke christlichen Lebens. Mag sein, dass manchen von Ihnen alle diese Initiativen zu langsam erscheinen. Aber, so meine ich, das kann man in Kauf nehmen, wenn sie dafür  umso nachhaltiger wirken.  

 

 

 

Montag, 17.1.2011

 

Wenn es um die Beziehung der christlichen Kirchen geht, dann spricht man von Ökumene. Aber auch zu den anderen Religionen gibt es Kontakte, Begegnungen und sogenannte interreligiöse Dialoge. Sie sind wichtig zum Kennenlernen und zum Abbau von Vorurteilen.

 

Eine besondere Stellung nimmt das Verhältnis der christlichen Kirchen zum Judentum ein. Heute am Vortag der Gebetswoche für die Einheit der Christen, ist diesem Verhältnis ein eigener Tag gewidmet, der Tag des Judentums.

 

Er wird seit dem Jahr 2000 von den christlichen Kirchen in Österreich begangen und geht zurück auf eine Initiative der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, die 1997 in Graz abgehalten worden ist.

 

Der Termin vor der Gebetswoche  ist bewusst gewählt. Bei aller Verschiedenheit der christlichen Kirchen ist ihnen ihre Herkunft aus dem Judentum gemeinsam. Das Motto des Tages ist dem 11. Kapitel des Römerbriefs entnommen, in dem der Apostel Paulus feststellt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“

 

Beim Tag des Judentums geht es in erster Linie nicht darum, das Judentum besser kennenzulernen oder Feiern mit jüdischen Elementen zu gestalten, sondern dass sich Kirchen und Christen dieser Wurzel bewusst werden und sie positiv in die eigene Tradition aufnehmen.

 

 

 

Dienstag, 18.1.2011

Heute beginnt sie, die Gebetswoche für die Einheit der Christen als sichtbarer Ausdruck der weltweiten, die Konfessionen überschreitenden Verbundenheit, aber auch als Hinweis auf die Sehnsucht nach mehr Gemeinschaft der Christen.

 

Schon die Auswahl des Themas und die Texte der Gottesdienste oder der Gebetsabende verbinden die Christen weltweit. Jedes Jahr sind dafür die Kirchen eines bestimmten Landes zuständig. 2011 sind es die Christen in Alt-Jerusalem.  

 

Mit den Kirchen in Alt-Jerusalem und mit dem Thema wird die Gebetswoche gleichsam an die Anfänge des Christentums geführt. Das Motto lautet: „Zusammen glauben, feiern, beten“. Es ist der Apostelgeschichte entnommen, in der im 2. Kapitel als Kennzeichen der ersten Gemeinde in Jerusalem genannt ist: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“

 

Bis heute gehören diese Elemente zu den wichtigen Lebensvollzügen der christlichen Kirchen: Die Treue zur Lehre der Apostel, die solidarische Gemeinschaft, das Brechen des Brotes, also Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier, und das Gebet. Freilich, auch in diesen Punkten sind die Kirchen, was ihre Beziehungen zueinander betrifft, noch auf dem Weg und bedürfen dringend des Gebets.  

 

 

 

 

Mittwoch, 19.1.2011

Ich finde es großartig, dass in diesen Tagen weltweit Menschen aus verschiedenen Kirchen zusammenkommen aus Anlass der Gebetswoche für die Einheit der Christen, um gemeinsam zu beten: Für mehr Gemeinschaft, für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt, für mehr Solidarität, für einen verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung.

 

Ein Blick in die Geschichte sagt, dass dies nicht selbstverständlich ist. Und dabei denke ich nicht nur an die großen Trennungen der christlichen Kirchen. Für die westliche Kirche war das vor 500 Jahren. Der Versuch, die damalige Kirche zu reformieren und wieder an der Bibel auszurichten, hat zur Spaltung in die römisch-katholische Kirche und in die evangelische Kirche geführt. Das Amts- und das Kirchenverständnis, die Zuordnung von Mensch, Kirche und Gott, waren und sind trennende Positionen.

 

Aber im Lauf der Jahrhunderte sind weitere Entwicklungen dazu gekommen, die die Kirchen auseinandergeführt haben. Die Unfehlbarkeit des Papstes, endgültig festgeschrieben im Jahr 1870 und Anlass für die Gründung der Altkatholischen Kirche, oder die Aufnahme Mariens in den Himmel, 1950 zum Dogma erhoben, sind Beispiele aus der römisch-katholischen Kirche.

Für die Evangelische Kirche kann hier die Frauenordination genannt werden, die von den meisten protestantischen Kirchen im 20. Jahrhundert eingeführt worden ist. Und trotzdem, beim Auseinandergehen ist es nicht geblieben.

 

 

 

Donnerstag, 20.1.2011

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen ist für mich Anlass, über die Beziehung der christlichen Kirchen nachzudenken. Für den westlichen Bereich kann man sagen, dass nach 1500 Jahren gemeinsamer Geschichte, 500 Jahre der Trennung folgten.

 

Und dennoch konstatiere ich, dass in den letzten hundert Jahren zumindest als Bewegung wieder ein Aufeinander-Zugehen der Kirchen zu bemerken ist. Es gibt seit dieser Zeit zunehmend  ökumenische Begegnungen und Gottesdienste, gemeinsame Feiern, Freundschaften über die Konfessionen hinweg, gemeinsame Aktivitäten im diakonischen und gesellschaftlichen Bereich.

 

Für die Beziehung der Kirchen in Österreich wichtig war die Einrichtung der sogenannten Gemischten katholisch/evangelischen Kommission im Jahr 1968. Sie versucht ökumenische Initiativen auf eine tragfähige Basis zu stellen, wie z.B. mit der Ordnung für Trauungen gemischt-konfessioneller Ehepaare, und sie behandelt Konfliktfälle zwischen den Kirchen.  

Einen wichtigen Beitrag zu diesem Miteinander leisten seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Jugendbewegungen und die Frauen. So wird seit mehr als 100 Jahren jeweils am 1. Freitag im März unter dem Motto „Informiertes Beten – betendes Handeln“ zum Weltgebetstag der Frauen eingeladen.

 

 

 

Freitag, 21.1.2011

Ökumene heißt bekanntlich im eigentlichen Wortsinn „die ganze bewohnte Erde, der Erdkreis“, das heißt, alles im Blick haben. Die weltweite Gebetswoche für die Einheit der Christen ist ein gutes Symbol dafür. In Bezug auf die Kirchen und das Miteinander der Kirchen, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit Ökumene eigentlich gemeint sei.

 

Was sich mit Ökumene heute nicht verträgt, ist ein Ausschließlichkeitsanspruch und die Idee der Einheit im Sinn der Rückkehr der einen Kirche zur anderen. Positiv gesagt, braucht es die Bereitschaft, die jeweils andere Kirche in ihrem Selbstverständnis ernst zu nehmen, und es braucht eine Dialogfähigkeit und -bereitschaft. 

 

In der Tat ist eine entscheidende Frage, ob man unter Einheit tatsächlich nur eine uniforme, in allen Bereichen gleich ausgerichtete Gemeinschaft sehen muss, oder ob auf einem gemeinsamen Fundament eine Vielfalt in Einheit möglich ist.

 

Nach evangelischer Auffassung können die Kirchen dann in vollkommener Gemeinschaft stehen, wenn sie in der Gemeinschaft mit Jesus Christus stehen. Der einzige legitime Absolutheitsanspruch in der Kirche Jesu Christi ist Jesus Christus selbst, der ausdrücklich im Johannesevangelium sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.

 

 

 

Samstag, 22.1.2011

Theologische Gespräche sind wichtig. Schön, dass bei wichtigen Themen wie der Rechtfertigung des Menschen oder der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier zu Annäherungen und manchmal auch zu Übereinstimmungen kommt.

 

Natürlich ist es schade, dass die Ergebnisse dieser Dialoge so wenig Eingang finden in das Leben der Gemeinden. Aber für mich ist die Bedeutung der Ökumene heute nicht daran zu messen, ob und wie stark der theologische Diskurs in den Gemeinden rezipiert wird oder nicht.

 

Gerade im Zusammenhang mit der Ökumene als der Wahrnehmung der Verantwortung für die Menschen der Erde, dürfen sich die Kirchen nicht als solche präsentieren, die die Glaubenskriege des 16. Jahrhunderts und danach führen, wenn auch mit der Absicht sie beizulegen, sondern sie müssen die Menschen heute ernst nehmen und sie bei ihren Herausforderungen begleiten.

 

Der Wert und die Würde eines jeden Menschen in allen Lebenslagen, eine Kultur des Sonn- und Feiertages, eine Werteorientierung in einer Welt zunehmender Beliebigkeit und ein sachgemäßer Umgang mit den Rohstoffen und der Natur, sind nur einige der relevanten Themen. Das Wort Gottes als gemeinsame Grundlage der Kirchen ist Anlass genug, diese Themen ökumenisch anzugehen, und damit ein eindrückliches und glaubwürdiges  Zeugnis von der Liebe Gottes der Welt zu geben.