von Mag. Rudolf Rappel, Pfarrer im
Pfarrverband Knittelfeld
Sonntag, 23. Jänner 2011: Die Kraft für Wesentliches verwenden
Zeit ist täglich ein kostbares
Geschenk und niemals Besitz. Zeit habe ich nicht in erster Linie,
ich bekomme sie täglich neu anvertraut. Diese Zeit möchte ich gut
nützen. In den Augenblicken eines Tages muss ich oft entscheiden,
was wirklich vorrangig zu tun ist.
Eine Entscheidungshilfe ist für mich
dabei dieses Gebet: Gott, schenke mir Mut, zu ändern, was ich ändern
kann, schenke mir Geduld, zu tragen, was ich nicht ändern kann und
die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Diese Weisheit
hilft mir, meine Kraft für Wesentliches zu verwenden. Mich nicht in
Nebensächlichkeiten und Spitzfindigkeiten zu verlieren. Mich für das
zu entscheiden, was den Frieden in mir, zwischen den Menschen und
dem Schöpfer fördert. Es bedeutet konkret, den Menschen, der mir
begegnet, ernst zu nehmen und ihm zur Seite zu stehen.
Montag, 24. Jänner 2011: Das staunende Danken
Staunen ist der Anfang der
Philosophie, der Liebe zur Weisheit. Wer staunend unterwegs ist,
weiß sich eingebettet in das große Ganze der Schöpfung. Das fördert
die persönliche Zufriedenheit. Zufriedenheit bedeutet für mich immer
die Zustimmung zum Ganzen und die Gewissheit im Herzen zu tragen:
Trotz all meiner Fehler bin ich ein geliebtes Kind Gottes!
Als Kind hatte ich einmal dieses
Erlebnis: Wie so oft stand ich auf einer Wiese. Und ich erinnere
mich genau: Es kam auf einmal der Gedanke: „Dass ich da bin und
lebe, ist so wunderbar, ich begreife es nicht!“ Dieser Augenblick
ist für mich unvergesslich. Bis heute begleitet mich das Staunen
über das Schöne, Kleine und Unscheinbare und der Dank für die
kostbaren Augenblicke.
Das staunende Danken hilft meinem
Herzensfrieden. Denn ich weiß: Die wesentlichen Dinge und
Aufmerksamkeiten kann ich mir nicht selber schaffen, ich bekomme sie
geschenkt.
Dienstag, 25. Jänner 2011: Das Unvollkommene in Einheit tun
Heute, am Ende der Weltgebetswoche für
die Einheit der Christen, möchte ich Ihnen diese Gedanken ans Herz
legen: „Besser das Unvollkommene in Einheit tun, als das Vollkommene
in Uneinigkeit bzw. Zerstrittenheit!“
In der Zusammenarbeit mit
verschiedenen Menschen mit ihrer einzigartigen Lebensgeschichte und
besonderen Begabungen ist für mich eines wichtig: Nichts muss
vollkommen und fehlerlos sein, aber alles menschenfreundlich und
gemeinschaftstauglich. D.h., jede und jeder bekommt Raum und Platz,
sich zu entfalten. Wo die Latte zu hoch gelegt wird, wo der Einzelne
sich über die Gemeinschaft erhebt, ist Friede gefährdet bis
unmöglich.
In manchen Begegnungen habe ich den
Eindruck, dass Fehler scharf kritisiert werden und bewusst und
unbewusst Ausgrenzung passiert. Ich möchte nicht dort meine Kraft
einsetzen, wo es heißt: „Du gehörst nicht zu uns!“, „Ich brauche
deine Hilfe nicht!“, „Das wirst du nie lernen!“
Dort wo Fehler Fehler sein dürfen,
wird der Friede wachsen. Dort wo wir bereit sind, aus ihnen zu
lernen, ist ein neuer Anfang möglich.
Mittwoch, 26. Jänner 2011: Die entkrampfende Vergesslichkeit
Zu meinen Hobbies gehört das kreative
Kochen. Da kann ich mich entspannen und so richtig ins Zeug legen.
Gerne verwende ich frische Kräuter und entsprechende Gewürze. Mein
Grundsatz lautet: „Das Essen wird so gut, wie die Verbindung zu den
Menschen, für die ich kochen darf.“ Nicht immer gelingt alles, wie
auch in unseren Beziehungen.
Manche Speisen schmecken nach dem
zweiten und dritten Aufwärmen sogar besser.
Ganz anders verhält es sich mit
unseren Fehlern, Schwächen und bedenklichen Haltungen in unseren
Beziehungsgeflechten. Werden diese ständig aufgewärmt, nachgetragen
und vorgeworfen, ist ein gemeinsamer Weg beinahe unmöglich.
Menschen leiden sehr darunter, wenn
zwar vergeben, aber nicht auch vergessen wurde. Vergebung ist
Voraussetzung für den Frieden. Vergessen kann manches entkrampfen
und den gemeinsamen Blick nach vorne beflügeln und dem Frieden einen
Raum geben.
Donnerstag, 27. Jänner 2011: Friedensfähig sein
Einer der Kerntexte des Evangeliums
ist für mich der Zuspruch Jesu aus seiner Bergpredigt: „Ihr seid das
Salz der Erde“. Salz sein und nicht die „zuckersüße“ Nachspeise, ist
der Ansporn Jesu.
Salz zu sein hat für mich etwas mit
Charakterstärke zu tun. Den Menschen annehmen wie er ist und ihm
wertschätzend begegnen. „Charakter ist der Weg vom Wissen zum Tun“,
hat unser Klassenvorstand immer gesagt. Diese Brücke zum Tun erweist
sich oft als schwankend. Gerade was den Frieden im Zusammenleben
betrifft, ist die Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht der
bessere und zugleich schwierigere Weg.
Friedensfähig zu sein ist eine
Herausforderung unserer Zeit: Es beinhaltet für mich den achtsamen
und aufmerksamen Umgang mit mir selber und den Menschen, denen ich
begegnen darf, muss und soll. Ihnen so zu begegnen: „Ich achte und
ehre dich, weil DU von Gott bewohnt bist, auch wenn wir
verschiedener Meinung sind.“ Dadurch wird der Friede in unserem
Miteinander mehr Wohnung und Raum bekommen.
Freitag, 28. Jänner 2011: Wie geht’s mit der Kirche weiter?
In den vergangenen Monaten stand die
Kirche negativ im Mittelpunkt der Medien und der Öffentlichkeit. Bei
all den Anschuldigungen bin ich froh, dass dieses schwerwiegende
Geschehen von der Kirche gründlich aufgearbeitet und für die Zukunft
geklärt wird. Die hohen Austrittszahlen erschüttern mich, waren aber
nicht ganz unerwartet.
In dieser Situation möchte ich Ihnen
aus tiefster Überzeugung sagen: Trotz aller Einwände, die es immer
geben wird, gehören für mich Glaube und Kirche wie ein Paar Schuhe
zusammen. Unser Glaube lebt vom Glauben der gesamten Kirche, vom
Glauben aller Getauften. Es geht um den Menschen und um sein Heil.
Um Gottesdienst und Dienst am Menschen. Die Kirche ist auf diese
Weise eine große Kraft des Friedens.
Ich wünsche mir, dass die Kirche gut
hinhört auf das, was Menschen in ihr konkret denken, empfinden und
leben und dass die Kirche daraus Konsequenzen zieht. Ich wünsche
mir, dass Menschen weiterhin die Heilsbotschaft des menschgewordenen
Gottes inmitten unserer Gesellschaft mittragen, dass sie in der
Kirche mehr sehen als nur einen Verein, aus dem man jederzeit
austreten kann.
Samstag, 29. Jänner 2011: Die Verantwortungsfreude leben
Unser Leben ist eine große Aufgabe mit
einer nicht immer leichten Verantwortung. Verantwortung bedeutet für
mich: Mit meinen Fähigkeiten Antwort auf die Herausforderungen zu
geben im Hier und Jetzt, mit meinem Gewissen und dem
Erfahrungsschatz der bisherigen Lebensgeschichte. Mit Freude
Verantwortung leben. Entscheidungen mit dem Herzen und nicht nur mit
der Vernunft zu treffen.
Ein Gespräch mit einer Frau hat mir
die Augen des Herzens neu geöffnet. Sie sagte mir: „Wir sehen zu
viel mit unseren Augen, hören zu viel mit unseren Ohren und zu wenig
sehen und hören wir auf unser Herz“.
Schon im antiken Griechenland war der
Bauchbereich, das „Sonnengeflecht“, Sitz des Denkens. Auf das innere
Herz und den „Bauch“ zu hören ist mindestens so wichtig wie den
Verstand einzusetzen. Auf das Sein zu achten und sich vom Schein
nicht blenden zu lassen. Da braucht es zumeist einen zweiten und
dritten Blick mit dem Herzen. Auch damit wächst der Friede, der wie
der Apostel Paulus sagt, eine Frucht des Heiligen Geistes ist.