Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

NETZWERK DES FRIEDENS

von Mag. Rudolf Rappel, Pfarrer im Pfarrverband Knittelfeld

 

 

Sonntag, 23. Jänner 2011: Die Kraft für Wesentliches verwenden

Zeit ist täglich ein kostbares Geschenk und niemals Besitz. Zeit habe ich nicht in erster Linie, ich bekomme sie täglich neu anvertraut. Diese Zeit möchte ich gut nützen. In den Augenblicken eines Tages muss ich oft entscheiden, was wirklich vorrangig zu tun ist.

Eine Entscheidungshilfe ist für mich dabei dieses Gebet: Gott, schenke mir Mut, zu ändern, was ich ändern kann, schenke mir Geduld, zu tragen, was ich nicht ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Diese Weisheit hilft mir, meine Kraft für Wesentliches zu verwenden. Mich nicht in Nebensächlichkeiten und Spitzfindigkeiten zu verlieren. Mich für das zu entscheiden, was den Frieden in mir, zwischen den Menschen und dem Schöpfer fördert. Es bedeutet konkret, den Menschen, der mir begegnet, ernst zu nehmen und ihm zur Seite zu stehen.

 

 

 

Montag, 24. Jänner 2011: Das staunende Danken

Staunen ist der Anfang der Philosophie, der Liebe zur Weisheit. Wer staunend unterwegs ist, weiß sich eingebettet in das große Ganze der Schöpfung. Das fördert die persönliche Zufriedenheit. Zufriedenheit bedeutet für mich immer die Zustimmung zum Ganzen und die Gewissheit im Herzen zu tragen: Trotz all meiner Fehler bin ich ein geliebtes Kind Gottes!

Als Kind hatte ich einmal dieses Erlebnis: Wie so oft stand ich auf einer Wiese. Und ich erinnere mich genau: Es kam auf einmal der Gedanke: „Dass ich da bin und lebe, ist so wunderbar, ich begreife es nicht!“ Dieser Augenblick ist für mich unvergesslich. Bis heute begleitet mich das Staunen über das Schöne, Kleine und Unscheinbare und der Dank für die kostbaren Augenblicke.

Das staunende Danken hilft meinem Herzensfrieden. Denn ich weiß: Die wesentlichen Dinge und Aufmerksamkeiten kann ich mir nicht selber schaffen, ich bekomme sie geschenkt.

 

 

 

Dienstag, 25. Jänner 2011: Das Unvollkommene in Einheit tun

Heute, am Ende der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, möchte ich Ihnen diese Gedanken ans Herz legen: „Besser das Unvollkommene in Einheit tun, als das Vollkommene in Uneinigkeit bzw. Zerstrittenheit!“

In der Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen mit ihrer einzigartigen Lebensgeschichte und besonderen Begabungen ist für mich eines wichtig: Nichts muss vollkommen und fehlerlos sein, aber alles menschenfreundlich und gemeinschaftstauglich. D.h., jede und jeder bekommt Raum und Platz, sich zu entfalten. Wo die Latte zu hoch gelegt wird, wo der Einzelne sich über die Gemeinschaft erhebt, ist Friede gefährdet bis unmöglich.

In manchen Begegnungen habe ich den Eindruck, dass Fehler scharf kritisiert werden und bewusst und unbewusst Ausgrenzung passiert. Ich möchte nicht dort meine Kraft einsetzen, wo es heißt: „Du gehörst nicht zu uns!“, „Ich brauche deine Hilfe nicht!“, „Das wirst du nie lernen!“

Dort wo Fehler Fehler sein dürfen, wird der Friede wachsen. Dort wo wir bereit sind, aus ihnen zu lernen, ist ein neuer Anfang möglich.

 

 

 

Mittwoch, 26. Jänner 2011: Die entkrampfende Vergesslichkeit

Zu meinen Hobbies gehört das kreative Kochen. Da kann ich mich entspannen und so richtig ins Zeug legen. Gerne verwende ich frische Kräuter und entsprechende Gewürze. Mein Grundsatz lautet: „Das Essen wird so gut, wie die Verbindung zu den Menschen, für die ich kochen darf.“ Nicht immer gelingt alles, wie auch in unseren Beziehungen.

Manche Speisen schmecken nach dem zweiten und dritten Aufwärmen sogar besser.

Ganz anders verhält es sich mit unseren Fehlern, Schwächen und bedenklichen Haltungen in unseren Beziehungsgeflechten. Werden diese ständig aufgewärmt, nachgetragen und vorgeworfen, ist ein gemeinsamer Weg beinahe unmöglich.

Menschen leiden sehr darunter, wenn zwar vergeben, aber nicht auch vergessen wurde. Vergebung ist Voraussetzung für den Frieden. Vergessen kann manches entkrampfen und den gemeinsamen Blick nach vorne beflügeln und dem Frieden einen Raum geben.

 

 

 

Donnerstag, 27. Jänner 2011: Friedensfähig sein

Einer der Kerntexte des Evangeliums ist für mich der Zuspruch Jesu aus seiner Bergpredigt: „Ihr seid das Salz der Erde“. Salz sein und nicht die „zuckersüße“ Nachspeise, ist der Ansporn Jesu.

Salz zu sein hat für mich etwas mit Charakterstärke zu tun. Den Menschen annehmen wie er ist und ihm wertschätzend begegnen. „Charakter ist der Weg vom Wissen zum Tun“, hat unser Klassenvorstand immer gesagt. Diese Brücke zum Tun erweist sich oft als schwankend. Gerade was den Frieden im Zusammenleben betrifft, ist die Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht der bessere und zugleich schwierigere Weg.

Friedensfähig zu sein ist eine Herausforderung unserer Zeit: Es beinhaltet für mich den achtsamen und aufmerksamen Umgang mit mir selber und den Menschen, denen ich begegnen darf, muss und soll. Ihnen so zu begegnen: „Ich achte und ehre dich, weil DU von Gott bewohnt bist, auch wenn wir verschiedener Meinung sind.“ Dadurch wird der Friede in unserem Miteinander mehr Wohnung und Raum bekommen.

 

 

 

Freitag, 28. Jänner 2011: Wie geht’s mit der Kirche weiter?

In den vergangenen Monaten stand die Kirche negativ im Mittelpunkt der Medien und der Öffentlichkeit. Bei all den Anschuldigungen bin ich froh, dass dieses schwerwiegende Geschehen von der Kirche gründlich aufgearbeitet und für die Zukunft geklärt wird. Die hohen Austrittszahlen erschüttern mich, waren aber nicht ganz unerwartet.

In dieser Situation möchte ich Ihnen aus tiefster Überzeugung sagen: Trotz aller Einwände, die es immer geben wird, gehören für mich Glaube und Kirche wie ein Paar Schuhe zusammen. Unser Glaube lebt vom Glauben der gesamten Kirche, vom Glauben aller Getauften. Es geht um den Menschen und um sein Heil. Um Gottesdienst und Dienst am Menschen. Die Kirche ist auf diese Weise eine große Kraft des Friedens.

Ich wünsche mir, dass die Kirche gut hinhört auf das, was Menschen in ihr konkret denken, empfinden und leben und dass die Kirche daraus Konsequenzen zieht. Ich wünsche mir, dass Menschen weiterhin die Heilsbotschaft des menschgewordenen Gottes inmitten unserer Gesellschaft mittragen, dass sie in der Kirche mehr sehen als nur einen Verein, aus dem man jederzeit austreten kann.

 

 

 

Samstag, 29. Jänner 2011: Die Verantwortungsfreude leben

Unser Leben ist eine große Aufgabe mit einer nicht immer leichten Verantwortung. Verantwortung bedeutet für mich: Mit meinen Fähigkeiten Antwort auf die Herausforderungen zu geben im Hier und Jetzt, mit meinem Gewissen und dem Erfahrungsschatz der bisherigen Lebensgeschichte. Mit Freude Verantwortung leben. Entscheidungen mit dem Herzen und nicht nur mit der Vernunft zu treffen.

Ein Gespräch mit einer Frau hat mir die Augen des Herzens neu geöffnet. Sie sagte mir: „Wir sehen zu viel mit unseren Augen, hören zu viel mit unseren Ohren und zu wenig sehen und hören wir auf unser Herz“.

Schon im antiken Griechenland war der Bauchbereich, das „Sonnengeflecht“, Sitz des Denkens. Auf das innere Herz und den „Bauch“ zu hören ist mindestens so wichtig wie den Verstand einzusetzen. Auf das Sein zu achten und sich vom Schein nicht blenden zu lassen. Da braucht es zumeist einen zweiten und dritten Blick mit dem Herzen. Auch damit wächst der Friede, der wie der Apostel Paulus sagt, eine Frucht des Heiligen Geistes ist.