Der Fasching setzt das liebste
Kinderspiel, sich verstecken und wieder gefunden und entdeckt werden
– als Spiel der Erwachsenen fort.
Zum Fasching gehören Masken,
wenigstens eine Augenmaske, die den oberen Teil des Gesichts
verbirgt. Das hilft schon, um sich bis Mitternacht verstecken zu
können. Das schöne Spiel vom sich Verstecken und entdeckt Werden,
das Ratespiel „Wer bin ich?“ und „Kennst du mich?“ kann beginnen.
Manche Religionen verlangen von den
Frauen eine Verschleierung des Gesichts. Es ist noch nicht lange
her, da trugen bei uns Nonnen ebenfalls einen Schleier, der nicht
bloß die Haare verbarg, sondern auch Stirn und Ohren. Dabei geht es
nun aber gerade nicht um ein neckisches Spiel für Erwachsene,
sondern die Verschleierung soll unkenntlich und unnahbar machen.
Manchmal tut es gut, sich verbergen zu
können, gleich ob hinter einer Maske oder einem Schleier oder
einfach nur hinter der Hand. Das Schönste aber ist, die Maske und
den Schleier wieder abzulegen, um einander – wie im Kinderspiel –
von Angesicht zu Angesicht ganz neu zu entdecken.
Montag, 14.2.2011
Auf meinem ersten Maskenball trug ich
ein ausgeliehenes Kostüm: Ich war eine Zigeunerin. Zu meiner Maske
gehörten damals sämtliche Klischees, die mir von Kindheit an
vertraut waren: Lange schwarze Haare, glänzende Ketten, große
Ohrringe und ein entsprechend weiter Ausschnitt bei der Bluse.
Selbstverständlich war auch mein Gehabe der Maske angepasst. Etliche
Jahre später wurde mir bewusst, dass die Bezeichnung „Zigeunerin“ in
der deutschen Sprache nicht mehr korrekt ist. Es gibt das Volk der
Roma und Sintis. In der Zeit des Nationalsozialismus zählten sie
unter dem Vermerk „Zigeuner“ zu den neben den Juden am meisten
verfolgten Menschen. Bis heute gibt es immer wieder diskriminierende
Vorfälle. Als zum Beispiel in St. Pantaleon, wo einst ein großes
Internierungslager für Roma war, eine Straße nach einem Kind, das im
Lager geboren wurde, benannt werden sollte, gab es dazu ein Nein im
Gemeinderat.
Aber es gibt auch Initiativen, die
eine neue Begegnung mit Roma und Sinti fördern und wo der
musikalische Reichtum und die Besonderheit dieser Menschen geschätzt
werden. So bemühen sich etwa in Rumänien Pfarrgemeinden aller
Konfessionen um die Schulbildung von Kindern aus Roma-Familien.
Die Maske von damals würde ich heute
nicht mehr tragen. Stattdessen möchte ich mithelfen, Roma und Sinti
als genuine Völker Europas zu respektieren und eine gute Zukunft zu
ermöglichen.
Dienstag, 15.2.2011
Alle vier Jahre gibt es in meiner
früheren Gemeinde einen großen Faschingsumzug. Unsere evangelische
Jugend hat sich vor Jahren auch mit einer kleinen Gruppe daran
beteiligt. Alle hatten Mikrofone in der Hand und Kameras umgehängt:
Als „Paparazzi“ waren sie unterwegs und bedrängten die Schaulustigen
rechts und links der Straße, freilich nur in Faschingslaune.
Paparazzi ist zum Inbegriff für
schlechten, indiskreten und bedrängenden Journalismus geworden. Als
Caroline von Monaco vor vielen Jahren ihre zweite Tochter im
Vöcklabrucker Krankenhaus zur Welt brachte, saßen die Reporter
einschlägiger Blätter wie Äffchen auf den Kastanienbäumen vor dem
Krankenhaus, um vielleicht doch durch die Fenster ein Bild von
Mutter und Kind herbeizoomen zu können. Schließlich ist so ein
erstes Foto auch ein tolles Geschäft. Nun ist es die Prinzessin von
Monaco gewöhnt, in der Öffentlichkeit zu stehen und fotografiert zu
werden. Aber selbst sogenannte öffentliche Personen haben ein
Anrecht auf Diskretion und Privatsphäre.
Paparazzis mögen beim Faschingsumzug
ihr Unwesen treiben, mit seriösem Journalismus und echtem Interesse
am Ergehen der Mitmenschen – wer immer es sei – haben sie nichts zu
tun.
Mittwoch, 16.2.2011
Die liebste Maske für unsere Kinder
war die des Clowns. Allein das Schminken war schon eine fröhliche
Zeremonie. Der mit einem Polster ausgestopfte dicke Bauch tat ein
Übriges. Endlich konnten sie all den Schabernack aus sich
herauslassen, der in ihnen steckte und keiner konnte und wollte
ihnen etwas ankreiden. Wenn wir mit unseren Kindern in den Zirkus
gingen, waren stets Clowns die besondere Attraktion. Seit geraumer
Zeit gibt es in jedem größerem Krankenhaus auch sogenannte
CliniClowns. Es sind psychologisch geschulte Ärzte, die besonders
Kindern helfen, trotz Krankheit, belastenden Behandlungen und
vielleicht auch Schmerzen, wieder zum Lachen zu kommen und sei es
nur über die witzige rote Nase mitten im Gesicht. Aber nicht nur die
Kinder, auch wir Erwachsenen brauchen ab und zu einen Clown, der uns
wiederum die Leichtigkeit des Lebens lehrt und vielleicht ein Lachen
ins Gesicht zaubert.
Allerdings: Auch die Clownmaske bleibt
eine Maske – Wie es einem Clown hinter seinem breit geschminkten
Lächeln wirklich geht, bleibt verborgen. Wirklich leicht wird das
Leben erst, wenn echte Fröhlichkeit aus dem Inneren kommt und keine
Maske – auch keine Clown-Maske – mehr benötigt wird.
Donnerstag, 17.2.2011
Masken werden nach ganz
unterschiedlichen Motiven ausgewählt. Meistens setzt sich ein Typus
durch. Vor ein paar Jahren war es die Figur des jungen Zauberers
Harry Potter. Es gab keinen Kinderfasching, wo nicht eine Meute
kleiner Zauberer auftanzte.
Wenn eine Romanfigur heranwachsende
Buben und Mädchen derart begeistern kann, dass sich diese – wie etwa
unser Sohn – durch 600 englische Seiten in Zaubersprache
hindurchkämpfen, nur um zu wissen, was weiter mit Harry Potter
geschah, dann scheinen dessen Zaubertalente schon eine wunderbare
Faszination zu haben.
Vielleicht liegt ja auch in der Maske
des Zauberers eine geheime Sehnsucht verborgen, die viele Menschen
in sich tragen: Wenn ich nur den richtigen Spruch weiß oder den
richtigen Trick anwende, dann gelingt mein Leben. Die Bibel hält
nichts von Zauberei. Dazu ist sie viel zu realistisch. Falsche
Hoffnungen und falsche Träume werden entlarvt, auch die Larve, die
Maske des Zauberers. Stattdessen ermuntert sie ihre Leserinnen und
Leser: „Verlasst euch nicht auf Zaubersprüche sondern vertraut den
guten Zusagen Gottes.“ Sie verändern meist nicht mit einem
Fingerschnipsen unser Leben, aber sie tragen durch gute und durch
schwere Zeiten.
Freitag, 18.2.2011
Masken verbergen und offenbaren
zugleich. Gar nicht so selten kommen durch die Maske, die ich wähle,
auch meine geheimen Wünsche zum Vorschein. „Zumindest für einen
Abend möchte ich einmal Mann sein, aber nicht irgendeiner sondern
gleich ein regelrechter Schurke, ein Mafiaboss“, hat mir neulich
eine sonst eher zurückhaltende junge Frau gestanden.
Einmal den großen Rollentausch
probieren, einmal zumindest in die Kleidung eines ganz anderen
schlüpfen zu können, dazu bietet der Fasching die Gelegenheit. Ich
frage mich: Warum eigentlich nur im Fasching? Kann es nicht auch
sonst manchmal sinnvoll sein, mich samt meinen Gefühlen in einen
anderen hineinzudenken, es muss ja nicht gleich ein Mafioso sein.
Kann es nicht auch sonst manchmal gut tun, alle anerzogene Bravheit
und Zurückhaltung für eine Zeit lang sein zu lassen und auch die
anderen, vielleicht dunkleren Seiten der Persönlichkeit zu zeigen?
Ich bin davon überzeugt, dass es jedem Menschen gut tut, zu dem zu
stehen, was er ist und wozu ihn seine Lebenserfahrungen gebracht
haben. Vielleicht fällt es dann auch leichter, den Menschen neben
mir so anzunehmen wie er eben ist.
Samstag, 19.2.2011
Kein Fasching ohne Faschingsprinzessin
und Faschingsprinz! Für die Wochen des Faschings, der dieses Jahr
ziemlich lange dauert, haben die beiden das Zepter in der Hand.
Obgleich so eine Regentschaft ziemlich anstrengend sein kann – wie
ich es mir sagen ließ – ist es doch eine große Ehre, zur
Faschingsprinzessin, bzw. –prinzen gekürt zu werden. Im Prinzenpaar
verbinden sich alte Märchen- und Traumbilder mit ganz bestimmten,
tradierten Regeln und Formen. Denn auch der Fasching braucht seinen
Rahmen. Unter dem Einfluss des Alkohols kann Fröhlichkeit in
Aggression umkippen. Raufhändel auf dem Tanzboden waren früher und
sind bis heute keine Seltenheit.
Da hat es schon seine Richtigkeit,
wenn das Prinzenpaar auf seine Bürgerinnen und Bürger schaut und
sich um diese kümmert. Noch ist der Fasching voll im Gang, aber
seine Zeit ist begrenzt. So schön es sein mag, ein paar Wochen
Prinzessin und Prinz zu spielen, so wohltuend ist es auch wieder,
alle Masken und Larven abzulegen und nur noch der oder die zu sein,
der/die ich eben bin.
Von Gott heißt es, dass er uns
Menschen sein Angesicht zuwendet – nicht bloß in der Faschingszeit
sondern Tag für Tag. Vor ihm braucht keiner eine Maske.