Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

MASKERADE

von Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner (Wien)

 

 

Sonntag, 13.2.2011

Der Fasching setzt das liebste Kinderspiel, sich verstecken und wieder gefunden und entdeckt werden – als Spiel der Erwachsenen fort.

Zum Fasching gehören Masken, wenigstens eine Augenmaske, die den oberen Teil des Gesichts verbirgt. Das hilft schon, um sich bis Mitternacht verstecken zu können. Das schöne Spiel vom sich Verstecken und entdeckt Werden, das Ratespiel „Wer bin ich?“ und „Kennst du mich?“ kann beginnen.

Manche Religionen verlangen von den Frauen eine Verschleierung des Gesichts. Es ist noch nicht lange her, da trugen bei uns Nonnen ebenfalls einen Schleier, der nicht bloß die Haare verbarg, sondern auch Stirn und Ohren. Dabei geht es nun aber gerade nicht um ein neckisches Spiel für Erwachsene, sondern die Verschleierung soll unkenntlich und unnahbar machen.

Manchmal tut es gut, sich verbergen zu können, gleich ob hinter einer Maske oder einem Schleier oder einfach nur hinter der Hand. Das Schönste aber ist, die Maske und den Schleier wieder abzulegen, um einander – wie im Kinderspiel – von Angesicht zu Angesicht ganz neu zu entdecken.

 

 

 

Montag, 14.2.2011

Auf meinem ersten Maskenball trug ich ein ausgeliehenes Kostüm: Ich war eine Zigeunerin. Zu meiner Maske gehörten damals sämtliche Klischees, die mir von Kindheit an vertraut waren: Lange schwarze Haare, glänzende Ketten, große Ohrringe und ein entsprechend weiter Ausschnitt bei der Bluse. Selbstverständlich war auch mein Gehabe der Maske angepasst. Etliche Jahre später wurde mir bewusst, dass die Bezeichnung „Zigeunerin“ in der deutschen Sprache nicht mehr korrekt ist. Es gibt das Volk der Roma und Sintis. In der Zeit des Nationalsozialismus zählten sie unter dem Vermerk „Zigeuner“ zu den neben den Juden am meisten verfolgten Menschen. Bis heute gibt es immer wieder diskriminierende Vorfälle. Als zum Beispiel in St. Pantaleon, wo einst ein großes Internierungslager für Roma war, eine Straße nach einem Kind, das im Lager geboren wurde, benannt werden sollte, gab es dazu ein Nein im Gemeinderat.

Aber es gibt auch Initiativen, die eine neue Begegnung mit Roma und Sinti fördern und wo der musikalische Reichtum und die Besonderheit dieser Menschen geschätzt werden. So bemühen sich etwa in Rumänien Pfarrgemeinden aller Konfessionen um die Schulbildung von Kindern aus Roma-Familien.

Die Maske von damals würde ich heute nicht mehr tragen. Stattdessen möchte ich mithelfen, Roma und Sinti als genuine Völker Europas zu respektieren und eine gute Zukunft zu ermöglichen.

 

 

 

Dienstag, 15.2.2011

Alle vier Jahre gibt es in meiner früheren Gemeinde einen großen Faschingsumzug. Unsere evangelische Jugend hat sich vor Jahren auch mit einer kleinen Gruppe daran beteiligt. Alle hatten Mikrofone in der Hand und Kameras umgehängt: Als „Paparazzi“ waren sie unterwegs und bedrängten die Schaulustigen rechts und links der Straße, freilich nur in Faschingslaune.

Paparazzi ist zum Inbegriff für schlechten, indiskreten und bedrängenden Journalismus geworden. Als Caroline von Monaco vor vielen Jahren ihre zweite Tochter im Vöcklabrucker Krankenhaus zur Welt brachte, saßen die Reporter einschlägiger Blätter wie Äffchen auf den Kastanienbäumen vor dem Krankenhaus, um vielleicht doch durch die Fenster ein Bild von Mutter und Kind herbeizoomen zu können. Schließlich ist so ein erstes Foto auch ein tolles Geschäft. Nun ist es die Prinzessin von Monaco gewöhnt, in der Öffentlichkeit zu stehen und fotografiert zu werden. Aber selbst sogenannte öffentliche Personen haben ein Anrecht auf Diskretion und Privatsphäre.

Paparazzis mögen beim Faschingsumzug ihr Unwesen treiben, mit seriösem Journalismus und echtem Interesse am Ergehen der Mitmenschen – wer immer es sei – haben sie nichts zu tun.

 

 

 

 

Mittwoch, 16.2.2011

Die liebste Maske für unsere Kinder war die des Clowns. Allein das Schminken war schon eine fröhliche Zeremonie. Der mit einem Polster ausgestopfte dicke Bauch tat ein Übriges. Endlich konnten sie all den Schabernack aus sich herauslassen, der in ihnen steckte und keiner konnte und wollte ihnen etwas ankreiden. Wenn wir mit unseren Kindern in den Zirkus gingen, waren stets Clowns die besondere Attraktion. Seit geraumer Zeit gibt es in jedem größerem Krankenhaus auch sogenannte CliniClowns. Es sind psychologisch geschulte Ärzte, die besonders Kindern helfen, trotz Krankheit, belastenden Behandlungen und vielleicht auch Schmerzen, wieder zum Lachen zu kommen und sei es nur über die witzige rote Nase mitten im Gesicht. Aber nicht nur die Kinder, auch wir Erwachsenen brauchen ab und zu einen Clown, der uns wiederum die Leichtigkeit des Lebens lehrt und vielleicht ein Lachen ins Gesicht zaubert.

Allerdings: Auch die Clownmaske bleibt eine Maske – Wie es einem Clown hinter seinem breit geschminkten Lächeln wirklich geht, bleibt verborgen. Wirklich leicht wird das Leben erst, wenn echte Fröhlichkeit aus dem Inneren kommt und keine Maske – auch keine Clown-Maske – mehr benötigt wird.

 

 

 

Donnerstag, 17.2.2011

Masken werden nach ganz unterschiedlichen Motiven ausgewählt. Meistens setzt sich ein Typus durch. Vor ein paar Jahren war es die Figur des jungen Zauberers Harry Potter. Es gab keinen Kinderfasching, wo nicht eine Meute kleiner Zauberer auftanzte.

Wenn eine Romanfigur heranwachsende Buben und Mädchen derart begeistern kann, dass sich diese – wie etwa unser Sohn – durch 600 englische Seiten in Zaubersprache hindurchkämpfen, nur um zu wissen, was weiter mit Harry Potter geschah, dann scheinen dessen Zaubertalente schon eine wunderbare Faszination zu haben.

Vielleicht liegt ja auch in der Maske des Zauberers eine geheime Sehnsucht verborgen, die viele Menschen in sich tragen: Wenn ich nur den richtigen Spruch weiß oder den richtigen Trick anwende, dann gelingt mein Leben. Die Bibel hält nichts von Zauberei. Dazu ist sie viel zu realistisch. Falsche Hoffnungen und falsche Träume werden entlarvt, auch die Larve, die Maske des Zauberers. Stattdessen ermuntert sie ihre Leserinnen und Leser: „Verlasst euch nicht auf Zaubersprüche sondern vertraut den guten Zusagen Gottes.“ Sie verändern meist nicht mit einem Fingerschnipsen unser Leben, aber sie tragen durch gute und durch schwere Zeiten.

 

 

 

Freitag, 18.2.2011

Masken verbergen und offenbaren zugleich. Gar nicht so selten kommen durch die Maske, die ich wähle, auch meine geheimen Wünsche zum Vorschein. „Zumindest für einen Abend möchte ich einmal Mann sein, aber nicht irgendeiner sondern gleich ein regelrechter Schurke, ein Mafiaboss“, hat mir neulich eine sonst eher zurückhaltende junge Frau gestanden.

Einmal den großen Rollentausch probieren, einmal zumindest in die Kleidung eines ganz anderen schlüpfen zu können, dazu bietet der Fasching die Gelegenheit. Ich frage mich: Warum eigentlich nur im Fasching? Kann es nicht auch sonst manchmal sinnvoll sein, mich samt meinen Gefühlen in einen anderen hineinzudenken, es muss ja nicht gleich ein Mafioso sein. Kann es nicht auch sonst manchmal gut tun, alle anerzogene Bravheit und Zurückhaltung für eine Zeit lang sein zu lassen und auch die anderen, vielleicht dunkleren Seiten der Persönlichkeit zu zeigen? Ich bin davon überzeugt, dass es jedem Menschen gut tut, zu dem zu stehen, was er ist und wozu ihn seine Lebenserfahrungen gebracht haben. Vielleicht fällt es dann auch leichter, den Menschen neben mir so anzunehmen wie er eben ist.

 

 

 

Samstag, 19.2.2011

Kein Fasching ohne Faschingsprinzessin und Faschingsprinz! Für die Wochen des Faschings, der dieses Jahr ziemlich lange dauert, haben die beiden das Zepter in der Hand. Obgleich so eine Regentschaft ziemlich anstrengend sein kann – wie ich es mir sagen ließ – ist es doch eine große Ehre, zur Faschingsprinzessin, bzw. –prinzen gekürt zu werden. Im Prinzenpaar verbinden sich alte Märchen- und Traumbilder mit ganz bestimmten, tradierten Regeln und Formen. Denn auch der Fasching braucht seinen Rahmen. Unter dem Einfluss des Alkohols kann Fröhlichkeit in Aggression umkippen. Raufhändel auf dem Tanzboden waren früher und sind bis heute keine Seltenheit.

Da hat es schon seine Richtigkeit, wenn das Prinzenpaar auf seine Bürgerinnen und Bürger schaut und sich um diese kümmert. Noch ist der Fasching voll im Gang, aber seine Zeit ist begrenzt. So schön es sein mag, ein paar Wochen Prinzessin und Prinz zu spielen, so wohltuend ist es auch wieder, alle Masken und Larven abzulegen und nur noch der oder die zu sein, der/die ich eben bin.

Von Gott heißt es, dass er uns Menschen sein Angesicht zuwendet – nicht bloß in der Faschingszeit sondern Tag für Tag. Vor ihm braucht keiner eine Maske.