Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Abt Raimund Schreier (Innsbruck)

 

 

Sonntag, 20. Februar 2011

Rühr mich nicht an!

Am Sonntag, am Tag des Herrn, ruhen wir uns aus. Wir verbringen viel Zeit mit unserer Familie, mit unseren Freunden. Und Christen feiern die Auferstehung des Jesus von Nazareth. Damit ist jeder Sonntag ein kleines Osterfest.

 

Sie kennen die berührende Ostergeschichte: Maria aus Magdala begegnet dem Auferstandenen. Zunächst meint sie, es sei der Gärtner. Und dann spricht er sie an: Maria! Wie Jesus ihren Namen ausspricht, erkennt sie ihn. Und Jesus sagt weiter: Halte mich nicht fest! (Joh 20,17).

 

Die kostbaren Dinge im Leben kann ich nicht festhalten: Liebe, Zuneigung, Intimität. Sie können uns nur geschenkt werden, wenn auch nur für ein paar Augenblicke. Aber gerade diese Erfahrungen sind es, die unser Leben hell und schön machen. Solche Erfahrungen hinterlassen Leuchtspuren in unserer Lebensgeschichte.

Auch der Glaube ist ein Geschenk. Ich kann Jesus nicht festhalten. Aber er hält mich. Er gibt mir Halt.

 

Lassen wir uns berühren, ergreifen vom Glauben, dass Gott unser Halt ist, unser Licht, der Kompass für unser Leben. Ich wünsche uns einen gesegneten Sonntag!

 

 

 

Montag, 21. Februar 2011

Zuhören

Vielleicht ist Ihnen heute Morgen schon der eine oder andere geliebte Mensch in den Sinn gekommen und dann die Frage: Wie kann ich dem oder der heute eine Freude bereiten? Viele Menschen erwarten heutzutage oft nicht so sehr Geschenke wie Geld, kostbare Wertgegenstände; sie erwarten, dass jemand für sie Zeit hat und ihnen zuhört.

Wenn Sie also Menschen eine Freude machen wollen, dann hören Sie einfach zu!

 

Ich höre oft die Bitte: Hast du etwas Zeit für mich? Ich bin so allein! Niemand hört mir zu. In der Hektik des modernen Lebens muss alles ganz schnell gehen. Krankenpfleger, Ärzte und Sozialarbeiter leiden darunter, dass sie kaum Zeit haben, um mit den einzelnen Patienten oder Hilfesuchenden länger zu reden. Es fehlt die Zeit, einem anderen zuzuhören. Zeit haben, zuhören können ist ein ganz wichtiges Werk der Barmherzigkeit – und das im Zeitalter hochmoderner Kommunikation.

 

Wenn sie am heutigen Tag jemandem helfen, jemandem eine Freude bereiten wollen: Nehmen Sie sich Zeit und hören Sie einfach zu. Auch ich danke Ihnen fürs Zuhören!

 

 

 

Dienstag, 22. Februar 2011

Ich rede gut über dich

Für den heutigen Tag empfehle ich Ihnen ein ganz wichtiges Werk der Barmherzigkeit, etwas, was uns oft gar nicht leicht fällt: Über andere gut zu reden.

 

Natürlich braucht es da und dort ein kritisches Wort, braucht es den Widerstand, das klare Wort zu einer wichtigen Sache. Aber unsere grundsätzliche Haltung muss wohlwollend sein für den Nächsten, Hochschätzung des anderen. Gut über den anderen reden! Die Stärken und positiven Charakterzüge des anderen lobend hervorheben durch ein Kompliment, durch eine Verstärkung. Reden wir gut übereinander, in unseren Familien, im Freundeskreis, über die Verantwortlichen und Kollegen in unserem Betrieb, im Staat und in der Gesellschaft!

 

Ein Freund von mir hatte sich einmal als Fastenvorsatz vorgenommen: „Ich verzichte auf das Weitersagen von schlechtmachenden Gerüchten und Geschichten.“ Und er gestand nachher, dass er es nicht geschafft hatte. „Es ist eine harte Übung, nur gut über andere zu reden“, meinte er. Vielleicht schaffen wir es wenigstens heute: Nur gut über andere zu reden.

 

 

 

Mittwoch, 23. Februar 2011

Ich bete für dich

Bei vielen offiziellen Empfängen oder sonstigen Begegnungen treffe ich immer wieder Menschen, die mir gegenüber die Bitte äußern: Denken Sie an mich, beten Sie für mich, schließen Sie mich ein in Ihr Gebet! Darunter sind oft auch Nichtchristen oder Menschen, die Gott fern stehen. Diese Zusage ist für viele Menschen sehr wichtig: Ich bete für dich. Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten.

 

Und falls wir nicht mehr beten können, zünden wir doch einfach eine Kerze an vor einem Kreuz, einer Heiligenstatue, in einer Kapelle, in einer Kirche, an einem Wallfahrtsort. Oder denken wir einfach an jemanden, der mich darum gebeten hat. Ich denke an dich! Tun wir das mit großer Andacht bei einem Spaziergang, an einem Ort der Stille, an einem sakralen Ort. An-dacht kommt von dran-denken. In dieser Andacht denken wir an bestimmte Menschen.

 

Ich bete für dich! Ich denke an dich! Das sind wunderbare Zusagen für Menschen, die unser Gebet, unser Drandenken brauchen.

 

 

 

Donnerstag, 24. Februar 2011

Grüß Gott!

Im Laufe eines Tages treffen wir viele Menschen. Wir grüßen sie meistens durch ein Kopfnicken, durch ein Lächeln, ein Winken oder einen Gruß wie „Grüß Gott!“

Im zwölften Jahrhundert entstehen viele Grußformeln, die mit Gott in Verbindung gebracht werden: Gott grüße dich! Gott segne dich! Gott bewahre dich! Gott befohlen! Gott behüte dich! In unserem Tiroler „Pfiadi“ oder „Pfiadi Gott“ steckt noch der Wunsch: Gott behüte dich!

 

Unser heute noch gebrauchtes „Grüß Gott“ heißt im Mittelhochdeutschen „Gott grueze dich“. Das bedeutet: Gott möge dich freundlich anreden. Es geht hier also um einen Segenswunsch: Gott möge dich ansprechen, er möge bei dir und mit dir sein. Auch das „Guten Morgen“ oder „Guten Tag“ heißt ursprünglich „Gott gebe dir guaten morgen oder guaten tac“ (Mittelhochdeutsch).

 

Sprechen wir heute ganz bewusst diesen Gruß: Grüß Gott! Ich wünsche, dass Gott dich behütet, dich begleitet, dich beschützt, immer bei dir sei. Das ist auch mein Wunsch an Sie! Grüß Gott!

 

 

 

Freitag, 25. Februar 2011

Je t’aime – ich liebe dich

In der großen Stadt Rom habe ich einmal eine Mauer gesehen, die über und über mit Graffiti bemalt war. Unter anderem fielen mir drei in französischen großen Lettern und in Farbe geschriebene Worte in die Augen: Je t’aime – ich liebe dich. Und unter dieser Liebeserklärung standen zwei Namen, die andeuteten, wer da wen liebt.

 

Jeder Mensch wird mit dem Urbedürfnis nach Liebe geboren, dem er nie entwächst. Daher suchen wir in allen Worten, die man uns sagt, im Grunde nur dieses eine Wort: Ich liebe dich. Und wenn wir es gefunden haben, dann leben wir auf.

 

Da gibt es aber auch die Erfahrung, dass es in unserer Seele Tiefen gibt, die auch durch die selbstloseste Liebe nicht auszufüllen sind. Und in diesen unzugänglichen Abgrund unserer Seele hinein hat Gott sein Wort gesprochen: Je t’aime – ich liebe dich! Ich liebe dich ohne wenn und aber. Ich liebe dich, so wie du bist!

 

Sollten Sie heute traurig aufgestanden sein, voller Sorgen, voller Ängste vor dem, was heute alles auf Sie zukommen wird: Denken Sie an diese Zusage Gottes: Je t’aime! Ich liebe dich!

 

 

 

Samstag, 26. Februar 2011

Unterbrechung im Alltag

Ab und zu bekomme ich Briefe oder E-Mails, in denen Menschen sich über das Läuten der Glocken beschweren. Sie würden sich gestört fühlen. Ich kenne aber auch Menschen, denen der Klang einer Glocke tiefe Geborgenheit und Heimat bedeutet. Glocken trauern mit denen, die Abschied nehmen müssen von einem lieben Menschen. Glocken lassen in unseren Ohren frohmachende Töne erklingen bei Ereignissen des Festes und der Freude.

 

In vielen Türmen erklingen die Glocken drei Mal am Tag: Bei Beginn der Arbeit, in der Mittagspause und am Feierabend. Mitten im Alltag sozusagen erinnert uns die Glocke: Mensch, bedenke! Das Wichtigste im Leben ist nicht die Arbeit, der Stress, die Leistung, das Immer-mehr-haben Wollen; das Wichtigste für uns ist Gott und seine Botschaft an uns Menschen. Und diese Botschaft heißt: Ich bin bei dir, und zwar immer! Lebe jeden Augenblick mit Gott und du wirst Glück und Sinn im Leben finden!

 

Lassen wir uns durch die Glocken im Laufe des Tages immer wieder unterbrechen und denken wir, dass wir unterwegs sind zu einem großen Ziel, an dem wir heute schon ankommen könnten: Bei Gott!