„Ein kluger Mann baut sein Haus auf
Fels“, heißt es im heutigen Sonntagsevangelium (Mt 7,24).
Ich frag mich oft, wenn ich die Welt,
die Gesellschaft und die Politik betrachte, was dieser Fels ist, auf
den wir Menschen unser Lebenshaus bauen sollen, worauf ich mein
Leben bauen soll? Wie soll ich, und besonders auch Jugendliche,
wissen, was eine gute Basis ist?
Ich glaube, dass Menschen ein gutes
Gespür dafür haben, was kein gutes Fundament ist, wie gerade
tausende von Menschen in Tunesien, Ägypten und Libyen, die wissen,
dass ihre derzeitige Landesführung nicht die Basis ist, worauf sie
ihr Leben aufbauen wollen. Diese Menschen zeigen Mut und kämpfen für
ein neues Lebensfundament.
Uns fehlt oft dieser Mut, gegen das
Herkömmliche zu protestieren, das uns scheinbar Halt gibt. Ich
wünsche mir, dass viele Menschen den Mut haben, scheinbare
Sicherheiten aufzugeben und nachzuspüren, was wirklich eine gute
Basis für das eigene Leben und Handeln ist – welche Werte, welche
Beziehungen und dadurch auch Gott finden.
Mo, 7. März 2011
Die Faschingszeit hat in diesen Tagen
ihren Höhepunkt. Eine Zeit, in der man sich verstellen darf, sich
verkleiden darf, jemand anderer sein darf und lustig sein darf,
lustig sein muss oder soll. Und das auf Knopfdruck – bei
Faschingspartys, Faschingssitzungen und ähnlichen Festen.
Ich bin kein Faschingsfan und wenn ich
dieses bunte Treiben betrachte, erscheint es mir so oft aufgesetzt.
Kann man über die, oft so geschmacklosen Witze bei
Faschingssitzungen, wirklich herzhaft lachen? Ist das echte Freude,
was in dieser Zeit aufkommt?
Vielleicht braucht es solche Zeiten,
wie den Fasching, um Dampf ablassen zu können, um zu parodieren, um
sich unbestraft über etwas lustig machen zu können. Vielleicht auch,
um endlich die Wahrheit, die oft sehr hart ist, in einen Witz packen
zu können und so Kritik an Situationen und Menschen zu üben.
Vielleicht braucht es diese Zeit auch, damit wir Menschen uns nicht
so ernst und wichtig nehmen, dass wir uns einmal in eine andere
Rolle hinein begeben, um zu merken, wie sich das anfühlt.
Vielleicht können gerade dadurch, dass
wir unsere Alltagsmaske ablegen, neue Begegnungen entstehen.
Di, 8. März 2011
Heute ist Faschingsdienstag und es
gibt im ganzen Land Faschingspartys und Umzüge. Dabei setzen
Menschen – alt und jung, sich selbst Masken auf und verkleiden sich.
Oft setzen wir uns in unserem Leben selbst Masken auf. Noch öfters
werden sie uns aufgedrückt. Wir beurteilen und verurteilen oft –
nach dem Aussehen, nach der Herkunft, nach der Sprache und der
sozialen Schicht. Es gibt viele, die darunter leiden, die nicht
herauskommen aus den vorgefertigten Masken, Bildern und Schubladen,
die vergessen, wer sie wirklich sind, die so werden, wie die
Mehrheit sie haben möchte.
In meiner Arbeit mit Jugendlichen
merke ich das oft z.B. im Jugendzentrum, wo die Jugendlichen sich
auf Facebook gegenseitig bewerten und Kommentare zu Fotos oder
Statements schreiben, die alles andere als sensibel sind. Oder auch
bei Orientierungstagen für Schulklassen, wo sehr oft Konflikte
besprochen werden, die auf Mobbing und Exklusion zurückzuführen
sind.
Ich wünsche mir, dass wir uns immer
öfter gegenseitig darin bestärken, solche Masken abzulegen und ganz
wir selbst zu werden – so, wie Gott uns gemeint hat, ganz Mensch,
ganz menschlich und einander liebend.
Mi, 9. März 2011
Am Aschermittwoch bekommt man im
Gottesdienst ein Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet mit den Worten
„Bekehre dich und glaub an das Evangelium“. Gleich am Anfang der
Fastenzeit die Aufforderung: Glaub an das Evangelium! Glaub an die
frohe Botschaft! Glaub an das, was gelingen kann, was werden kann
und nicht daran, was tot ist, was nicht funktioniert.
Ich habe ein Jahr in Indien in einem
Straßenkinderprojekt der Salesianer Don Boscos mitgearbeitet. Dort
bin ich einem Jugendlichen begegnet, der aufgrund einer Krankheit
nicht gehen kann, weil seine Beine gelähmt sind. Er hat sich
jahrelang selbst aufgegeben, war nur darauf fokussiert, dass er sich
nicht gut fortbewegen kann und ist nur im Krankenraum des Projekts
gelegen. Mit 19 hat er ein handbetriebenes Fahrrad von der Regierung
geschenkt bekommen. Das war für ihn die Motivation aufzustehen und
neu zu beginnen. Dieses Fahrrad hat er zu einem kleinen Geschäft
umgebaut, von dem aus er Sachen verkauft und sich so selbst erhalten
kann.
Der Aschermittwoch fordert auch uns
auf aufzustehen und vorzublicken auf das, was wachsen und blühen
kann. Erst so ist Auferstehung möglich.
Do, 10. März 2011
Die Fastenzeit motiviert viele, sich
Fastenvorsätze zu nehmen – auch Menschen, die nicht christlich
sozialisiert sind. Meistens sind diese Vorsätze der Verzicht auf
Alkohol, Süßigkeiten oder Fleisch. Ich stell mir oft die Frage,
warum Menschen das überhaupt machen. Wenn wir die Osterbotschaft,
die Botschaft der Auferstehung - des Siegs des Lebens über den Tod,
wirklich ernst nehmen, sind die meisten Fastenvorsätze nicht
wirklich eine angemessene Vorbereitung.
Für mich ist die Fastenzeit eine Zeit,
um mich rückzubesinnen darauf, was ich kann und was mir geschenkt
wurde, um in meinem Umfeld Gutes zu tun.
Ein bisschen nach dem Vorbild von
einem jungen Mädchen, das ich während meines Aufenthaltes in einem
Straßenkinderheim in Indien kennen gelernt habe. Padma, so heißt das
Mädchen, kann, wie die meisten Kinder im Heim, kein englisch
sprechen, ist aber trotzdem jeden Abend zu mir ins Zimmer gekommen
und hat gesagt: „Good night! I love you, Akka!“ – „Gute Nacht, ich
hab dich gern, große Schwester.“
Padma ist für mich ein Vorbild. Das
Wenige, das sie da gesagt hat, hat so viel in mir bewirkt.
Ich wünsche mir, dass die Fastenzeit
für viele so eine Zeit des Rückbesinnens auf die eigenen Fähigkeiten
wird, mit denen man einander Gutes tun kann.
Fr, 11. März 2011
40 Tage lang dauert die Fastenzeit.
Eine Zeit, in der man sich einüben kann, einen neuen Blick auf
Dinge, auf Situationen, auf Menschen zu bekommen. Oft braucht es
einen Perspektivenwechsel, um den eigenen Fokus wieder auf das
Wesentliche richten zu können.
Als ich vor fünf Jahren in Indien in
einem Straßenkinderprojekt mitgearbeitet habe, bin ich mit den
jugendlichen Mädchen am Abend öfters vor dem Haus gesessen und hab
mit ihnen geredet. An einem dieser Abende habe ich die Sterne
beobachtet. Als die Mädchen das gesehen haben, hat Durga mich auf
einmal gefragt, ob die Sterne in Österreich die gleichen seien, wie
hier in Indien. Als ich es bejahte, habe ich gemerkt, dass sich
Durgas Weltsicht verändert, geweitet hat: Wenn die Sterne in Indien
und in Österreich die gleichen sind, dann kann es gar nicht so weit
voneinander entfernt sein und somit bin ich auch nicht so weit
entfernt von ihr, als sie gedacht hat.
Ich wünsche mir, dass uns die
Fastenzeit Raum und Zeit bietet, alte Sichtweisen aufzugeben, neue
auszuprobieren und unseren Blick darauf zu richten, was uns trägt,
Kraft gibt, was uns zu uns selber, zu den anderen und zu Gott führt.
Sa, 12. März 2011
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt,
sondern die Kranken.“ (Lk 5,31). Mit diesem Satz weist Jesus im
heutigen Tagesevangelium die Pharisäer zurecht. Und deshalb gehen er
und seine Jünger zu den Ausgestoßenen der damaligen Gesellschaft.
In unserer Gesellschaft, die nach
außen hin so perfekt und reich ausschaut, ist es oft schwer zu
sagen, wer eigentlich krank ist und Hilfe braucht und wo
Handlungsbedarf ist.
In meiner Arbeit mit Jugendlichen
bekomme ich von ihnen immer wieder gesagt, was sie glauben, das in
unserer Gesellschaft nicht funktioniert.
Von der Katholischen Jugend Kärnten
aus, planen wir ab Ostern eine Jugendsynode, bei der Jugendliche zu
verschiedensten Themen aus Gesellschaft, Politik, Kirche und Ethik,
ihre Meinung sagen können. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt,
wie Jugendliche zu diesen Themen denken.
Für mich ist es aber eine große Frage,
ob Erwachsene überhaupt hören wollen, was Jugendliche zu sagen
haben. Wollen wir überhaupt darüber Bescheid wissen, wo es Probleme
gibt, oder verschließen wir lieber unsere Augen und Ohren vor Leid
und Ungerechtigkeit? Einander zuhören ist wohl einer der wichtigsten
ersten Schritte, um Krankes heil werden zu lassen. Ich wünsche mir,
dass die Fastenzeit eine Zeit ist, in der wir wieder ganz bewusst
einander zuhören.