Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Katharina Jordan

           

 

So, 6. März 2011

„Ein kluger Mann baut sein Haus auf Fels“, heißt es im heutigen Sonntagsevangelium (Mt 7,24).

 

Ich frag mich oft, wenn ich die Welt, die Gesellschaft und die Politik betrachte, was dieser Fels ist, auf den wir Menschen unser Lebenshaus bauen sollen, worauf ich mein Leben bauen soll? Wie soll ich, und besonders auch Jugendliche, wissen, was eine gute Basis ist?

 

Ich glaube, dass Menschen ein gutes Gespür dafür haben, was kein gutes Fundament ist, wie gerade tausende von Menschen in Tunesien, Ägypten und Libyen, die wissen, dass ihre derzeitige Landesführung nicht die Basis ist, worauf sie ihr Leben aufbauen wollen. Diese Menschen zeigen Mut und kämpfen für ein neues Lebensfundament.

 

Uns fehlt oft dieser Mut, gegen das Herkömmliche zu protestieren, das uns scheinbar Halt gibt. Ich wünsche mir, dass viele Menschen den Mut haben, scheinbare Sicherheiten aufzugeben und nachzuspüren, was wirklich eine gute Basis für das eigene Leben und Handeln ist – welche Werte, welche Beziehungen und dadurch auch Gott finden.

 

 

 

Mo, 7. März 2011

Die Faschingszeit hat in diesen Tagen ihren Höhepunkt. Eine Zeit, in der man sich verstellen darf, sich verkleiden darf, jemand anderer sein darf und lustig sein darf, lustig sein muss oder soll. Und das auf Knopfdruck – bei Faschingspartys, Faschingssitzungen und ähnlichen Festen.

 

Ich bin kein Faschingsfan und wenn ich dieses bunte Treiben betrachte, erscheint es mir so oft aufgesetzt. Kann man über die, oft so geschmacklosen Witze bei Faschingssitzungen, wirklich herzhaft lachen? Ist das echte Freude, was in dieser Zeit aufkommt?

Vielleicht braucht es solche Zeiten, wie den Fasching, um Dampf ablassen zu können, um zu parodieren, um sich unbestraft über etwas lustig machen zu können. Vielleicht auch, um endlich die Wahrheit, die oft sehr hart ist, in einen Witz packen zu können und so Kritik an Situationen und Menschen zu üben. Vielleicht braucht es diese Zeit auch, damit wir Menschen uns nicht so ernst und wichtig nehmen, dass wir uns einmal in eine andere Rolle hinein begeben, um zu merken, wie sich das anfühlt.

Vielleicht können gerade dadurch, dass wir unsere Alltagsmaske ablegen, neue Begegnungen entstehen.

 

 

 

Di, 8. März 2011

Heute ist Faschingsdienstag und es gibt im ganzen Land Faschingspartys und Umzüge. Dabei setzen Menschen – alt und jung, sich selbst Masken auf und verkleiden sich. Oft setzen wir uns in unserem Leben selbst Masken auf.  Noch öfters werden sie uns aufgedrückt. Wir beurteilen und verurteilen oft – nach dem Aussehen, nach der Herkunft, nach der Sprache und der sozialen Schicht. Es gibt viele, die darunter leiden, die nicht herauskommen aus den vorgefertigten Masken, Bildern und Schubladen, die vergessen, wer sie wirklich sind, die so werden, wie die Mehrheit sie haben möchte.

 

In meiner Arbeit mit Jugendlichen merke ich das oft z.B. im Jugendzentrum, wo die Jugendlichen sich auf Facebook gegenseitig bewerten und Kommentare zu Fotos oder Statements schreiben, die alles andere als sensibel sind. Oder auch bei Orientierungstagen für Schulklassen, wo sehr oft Konflikte besprochen werden, die auf Mobbing und Exklusion zurückzuführen sind.

 

Ich wünsche mir, dass wir uns immer öfter gegenseitig darin bestärken, solche Masken abzulegen und ganz wir selbst zu werden – so, wie Gott uns gemeint hat, ganz Mensch, ganz menschlich und einander liebend.

 

 

 

Mi, 9. März 2011

Am Aschermittwoch bekommt man im Gottesdienst ein Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet mit den Worten „Bekehre dich und glaub an das Evangelium“. Gleich am Anfang der Fastenzeit die Aufforderung: Glaub an das Evangelium! Glaub an die frohe Botschaft! Glaub an das, was gelingen kann, was werden kann und nicht daran, was tot ist, was nicht funktioniert.

 

Ich habe ein Jahr in Indien in einem Straßenkinderprojekt der Salesianer Don Boscos mitgearbeitet. Dort bin ich einem Jugendlichen begegnet, der aufgrund einer Krankheit nicht gehen kann, weil seine Beine gelähmt sind. Er hat sich jahrelang selbst aufgegeben, war nur darauf fokussiert, dass er sich nicht gut fortbewegen kann und ist nur im Krankenraum des Projekts gelegen. Mit 19 hat er ein handbetriebenes Fahrrad von der Regierung geschenkt bekommen. Das war für ihn die Motivation aufzustehen und neu zu beginnen. Dieses Fahrrad hat er zu einem kleinen Geschäft umgebaut, von dem aus er Sachen verkauft und sich so selbst erhalten kann.

 

Der Aschermittwoch fordert auch uns auf aufzustehen und vorzublicken auf das, was wachsen und blühen kann. Erst so ist Auferstehung möglich.

 

 

 

Do, 10. März 2011

Die Fastenzeit motiviert viele, sich Fastenvorsätze zu nehmen – auch Menschen, die nicht christlich sozialisiert sind. Meistens sind diese Vorsätze der Verzicht auf Alkohol, Süßigkeiten oder Fleisch. Ich stell mir oft die Frage, warum Menschen das überhaupt machen. Wenn wir die Osterbotschaft, die Botschaft der Auferstehung - des Siegs des Lebens über den Tod, wirklich ernst nehmen, sind die meisten Fastenvorsätze nicht wirklich eine angemessene Vorbereitung.

 

Für mich ist die Fastenzeit eine Zeit, um mich rückzubesinnen darauf, was ich kann und was mir geschenkt wurde, um in meinem Umfeld Gutes zu tun.

 

Ein bisschen nach dem Vorbild von einem jungen Mädchen, das ich während meines Aufenthaltes in einem Straßenkinderheim in Indien kennen gelernt habe. Padma, so heißt das Mädchen, kann, wie die meisten Kinder im Heim, kein englisch sprechen, ist aber trotzdem jeden Abend zu mir ins Zimmer gekommen und hat gesagt: „Good night! I love you, Akka!“ – „Gute Nacht, ich hab dich gern, große Schwester.“

Padma ist für mich ein Vorbild. Das Wenige, das sie da gesagt hat, hat so viel in mir bewirkt.

 

Ich wünsche mir, dass die Fastenzeit für viele so eine Zeit des Rückbesinnens auf die eigenen Fähigkeiten wird, mit denen man einander Gutes tun kann.

 

 

 

Fr, 11. März 2011

40 Tage lang dauert die Fastenzeit. Eine Zeit, in der man sich einüben kann, einen neuen Blick auf Dinge, auf Situationen, auf Menschen zu bekommen. Oft braucht es einen Perspektivenwechsel, um den eigenen Fokus wieder auf das Wesentliche richten zu können.

 

Als ich vor fünf Jahren in Indien in einem Straßenkinderprojekt mitgearbeitet habe, bin ich mit den jugendlichen Mädchen am Abend öfters vor dem Haus gesessen und hab mit ihnen geredet. An einem dieser Abende habe ich die Sterne beobachtet. Als die Mädchen das gesehen haben, hat Durga mich auf einmal gefragt, ob die Sterne in Österreich die gleichen seien, wie hier in Indien. Als ich es bejahte, habe ich gemerkt, dass sich Durgas Weltsicht verändert, geweitet hat: Wenn die Sterne in Indien und in Österreich die gleichen sind, dann kann es gar nicht so weit voneinander entfernt sein und somit bin ich auch nicht so weit entfernt von ihr, als sie gedacht hat.

 

Ich wünsche mir, dass uns die Fastenzeit Raum und Zeit bietet, alte Sichtweisen aufzugeben, neue auszuprobieren und unseren Blick darauf zu richten, was uns trägt, Kraft gibt, was uns zu uns selber, zu den anderen und zu Gott führt.

 

 

 

Sa, 12. März 2011

„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ (Lk 5,31). Mit diesem Satz weist Jesus im heutigen Tagesevangelium die Pharisäer zurecht. Und deshalb gehen er und seine Jünger zu den Ausgestoßenen der damaligen Gesellschaft.

 

In unserer Gesellschaft, die nach außen hin so perfekt und reich ausschaut, ist es oft schwer zu sagen, wer eigentlich krank ist und Hilfe braucht und wo Handlungsbedarf ist.

 

In meiner Arbeit mit Jugendlichen bekomme ich von ihnen immer wieder gesagt, was sie glauben, das in unserer Gesellschaft nicht funktioniert.

 

Von der Katholischen Jugend Kärnten aus, planen wir ab Ostern eine Jugendsynode, bei der Jugendliche zu verschiedensten Themen aus Gesellschaft, Politik, Kirche und Ethik, ihre Meinung sagen können. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt, wie Jugendliche zu diesen Themen denken.

 

Für mich ist es aber eine große Frage, ob Erwachsene überhaupt hören wollen, was Jugendliche zu sagen haben. Wollen wir überhaupt darüber Bescheid wissen, wo es Probleme gibt, oder verschließen wir lieber unsere Augen und Ohren vor Leid und Ungerechtigkeit? Einander zuhören ist wohl einer der wichtigsten ersten Schritte, um Krankes heil werden zu lassen. Ich wünsche mir, dass die Fastenzeit eine Zeit ist, in der wir wieder ganz bewusst einander zuhören.