Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Oberkirchenrat Karl Schiefermair (Wien)

 

 

Sonntag, 13.3.2011

Schneeglöckchen, Krokusse, Primeln, Veilchen, Gänseblümchen, Löwenzahn erfreuen unsere Herzen und Sinne in den ersten warmen Frühlingstagen.

Einer der ersten Frühlingsboten ist das Schneeglöckchen. Im Feuchten und Schattigen wächst oft noch aus dem Schnee diese zarte Pflanze mit ihren drei weißen Blütenblättern. Sie nicken uns zu, als wollten sie sagen: Wir läuten den Frühling ein!

Aus England kommt eine Legende:  Ein Engel verwandelte nach der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies Schneeflocken in Blumen, um anzukündigen, dass der Frühling bald käme.

Das Schneeglöckchen ist uns ein echter Trost in einer noch dunklen kalten Zeit.

Zeigt es doch, dass auch ein kurzes zartes Bemühen gegen eine scheinbar übermächtige Umgebung nicht vergebens ist. Da schickt uns eine zierliche Blume aus Eis und Kälte die Botschaft von Licht und Leben.

Gerne singen wir die Lieder der Starken und Harten mit, aber mit den ersten Frühlingsblumen ertönt uns eine andere Melodie, ein weichherziger, anmutiger, sehnsuchtsvoller Gesang nach Blühen und Leben ertönt in uns durch die schweigende Kraft des Schneeglöckchens.

 

 

 

Montag, 14.3.2011

Der Krokus ist ein Schwertliliengewächs, der wie alle frühen Frühlingsboten seine Kraft aus seiner Knolle unter der Erde bezieht, seiner Kraftkammer. Gepflanzt in Parks und in Vorgärten erfreuen uns die Krokusse in vielen Farben: Lila, hellviolett, gelb, weiß.

Aus einer Art des Krokus gewinnt man den Safran – allerdings blüht dieser Krokus erst im Herbst. Dieses blühende Gold ist auch wieder an die Donau zurückgekehrt, und wird in der Wachau kultiviert. Salz, Schokolade, Essig und Honig verleiht der Safran nicht nur seine gelbe Farbe, sondern auch seine typische Geschmacksnote.

Von dieser wirtschaftlichen Bedeutung sind unsere Frühlingskrokusse nicht nur jahreszeitlich weit entfernt. Mit ihren offenen Blütenkelchen erfreuen sie ohne geschäftlichen Gedanken unser Auge und unser Herz.

Der Dichter spricht vom Frühling als einem „Hauch der Gottheit“, von seiner „Allmachtsspur“. Die Erneuerung der Natur lässt – je älter man wird – dank dem Schöpfer sagen und fragen: Woher beziehen wir das Licht, wo ist unsere Kraftkammer, aus der wir Verjüngung, Frische, Erneuerung zusammenbringen?

 

 

 

Dienstag, 15.3.2011

„Liebliche Blume, bist du schon so früh – wiedergekommen? Sei mir gegrüßt, Primula veris!“, ruft Nikolaus Lenau der Schlüsselblume zu. Manche sagen zu ihr auch: Primeln – wohl vom lateinischen „Primus“ – der erste. Sie blüht bei uns als eine der ersten Frühlingsblumen.

Die dottergelbe Blumenkrone hat eine schlüsselähnliche Gestalt. Der Sage nach soll dem Petrus aus Versehen der Himmelsschlüssel aus der Hand gefallen sein und zur Erde hinuntergefallen. Der Abdruck ließ die Schlüsselblumen wachsen. Den Schlüssel hat sich Petrus wieder bringen lassen, die Blumen sind dageblieben. Daher der Volksname: Himmelsschlüssel.

Ihre Blüten und Wurzeln sind in der Heilkräuterkunde begehrte Mittel gegen Herzschwäche, Schwindel, Gicht und Husten und anderes mehr.

Ist diese beliebte Pflanze wirklich eine Türöffnerin zum Himmel? Logischerweise wird die Mutter Jesu, Maria, mit dieser Blume in Verbindung gebrach, denn die Geburt des Erlösers öffnete den Himmel.

Himmelsschlüsseltee und Tinkturen können wir in der Apotheke kaufen. Den Schlüssel zum Himmel nicht. Der ist schon teuer erkauft worden – in der Passionszeit denken wir daran.

 

 

 

Mittwoch, 16.3.2011

Wer hat das erste Veilchen gefunden? In meiner Kindheit suchten die Geschwister aufmerksam den Garten ab. Die Literatur belehrt mich, dass auch schon in der Zeit Leopolds VI., im 13. Jahrhundert, in den Donauauen nach dem ersten Veilchen gesucht wurde. Nachdem die Nachricht vom Fund bei Hof eingetroffen war, zog der Herzog mitsamt Gefolge aus, um das Veilchen zu begrüßen.

Was tut man mit dem ersten Veilchen? Natürlich – man riecht daran. So haben wir uns unseren Babenberger Leopold auch vorzustellen: Dass er an der dunkelvioletten Blüte den köstlichen Duft genoss.

Während ich diese Zeilen geschrieben habe, hörte ich dazu Mozarts: „An ein Veilchen“. Wie viele Musikstücke, Gedichte, Bilder sind dem Veilchen gewidmet!

Es ist Symbol für Bescheidenheit, Demut, Frühling, Treue und Liebe. Interessant ist, dass seine botanischen Eigenschaften eher gegenteilig sind, denn das Veilchen ist sehr zäh und setzt sich sogar im verdichteten Rasen durch.

Ist es dadurch  zum  Liebesboten geworden? Ein kleiner Veilchenstrauß als Mitbringsel von jemanden, der sich nicht "unverblümt" zu erkennen geben will.

Wohl riechend, bescheiden, treu und lieb, aber auch unverwüstlich: Was wünschen wir uns mehr?

Freuen wir uns auf das erste Veilchen und auf seinen Wohlgeruch!

 

 

 

Donnerstag, 17.3.2011

„Sonne von Süden schien auf die Felsen,

und dem Grund entgrünte grüner Lauch.“

Der wilde Lauch, der da in der nordischen Liedersammlung Edda besungen wird, ist der Bärlauch. Bald wird er den Boden der Laubwälder ergrünen lassen und der Wienerwald wird von Sammlern dieses Waldknoblauchs heimgesucht werden. Wer will sich diesen frischen Lauchgarten entgehen lassen? Von weitem schon macht der Bärlauch durch seinen starken Knoblauchduft auf sich aufmerksam, besonders an warmen Tagen; für manche ein Graus für ihre Nase!

Früher in Vergessenheit geraten, erlebt diese erste essbare Pflanze seit einigen Jahren eine Renaissance. Genutzt werden aber vorwiegend die Blätter, frisch als Gewürz oder Gemüse in der Frühjahrsküche.

Aufheben kann man den Bärlauch nicht, vertragen tun ihn auch nicht alle, und die Verwechslungsgefahr mit den giftigen Maiglöckchenblättern ist groß.

So sind bei allen positiven Wirkungen Nachteile und Gefahr gegeben. Aber wenn die Lebensgeister nach der langen Winterzeit nur langsam erwachen und wenn die kalte Jahreszeit noch in den Gliedern und im Gemüt sitzt, dann sei der Frühlingsbringer Bärlauch zu empfehlen.

Bärenkräfte und Energie gegen die Frühlingsmüdigkeit sind gut. Dass die Kraft aber in den Schwachen mächtig ist, lehrt uns der Apostel Paulus. (das ist mir jetzt etwas zu abrupt mit dem Paulus ...)

 

 

 

18.3.2011

„Er liebt mich – er liebt mich nicht – er liebt mich ...“ Wer kennt das Orakel nicht, das mit Hilfe des Gänseblümchens durchgeführt wird? Nicht nur die Frage nach der Liebe, auch andere kann man damit beantworten.

Keine andere Frühlingsblume kennt so viele Namen wie diese kleine, herzallerliebst anzusehende Pflanze: Die innere Scheibe schön gelb, die zarten, weißen Blätter wie Strahlen umher und die Spitzen leicht rosarot gefärbt. Auch wenn man sie zum Zwecke der Prophezeiung ausreißen muss...

Viele Legenden werden über diese Zeitlose erzählt. Eine Sage aus einem französischen Pflanzenbuch vor 150 Jahren erzählt: „Bei der Krippe des neugeborenen Heilands befanden sich die reichen drei Könige und die armen Hirten. Letztere schenkten dem Jesuskind das, was sie hatten: Feldblumen; die Könige aber bekanntlich Gold, Weihrauch, Myrrhe. Da wurden die Hirten traurig: Die reichen Männer lassen mit ihren Kostbarkeiten unsere Geschenke wertlos, ja peinlich erscheinen. Das Christkind aber stieß mit seinen Füßchen das Gold weg, nahm ein Gänseblümchen und küsste es. Seit diesem Tag bekam die zuvor ganz weiße Blume eine goldgelbe Scheibe in der Mitte.“

Nebenbei ist diese Pflanze göttlichen Ursprungs angenehme Salatzutat, Schönheitsmittel, Heilpflanze und für Harry Potters Zaubertränke unverzichtbar.

 

 

 

19.3.2011

500 verschiedene Bezeichnungen gibt es für das „Saubleaml“, für den Löwenzahn, so bekannt und verbreitet ist diese Frühlingspflanze. Für viele als Unkraut angesehen, das ab März ausgerissen werden muss, birgt der Löwenzahn aber bedeutende Heilkräfte in sich. 

Die ganze Pflanze ist für mich ein kleines Wunder und erzählt auch die Hauptfeste der Christen und Christinnen im Frühjahr auf seine Weise.

Auf einem runden röhrenförmigen Stängel, den man leicht zu Ringen zusammen biegen und Kettchen bilden kann, sitzt der goldene Blütenkopf.

Der schließt sich in den Nächten und wenn es ihm zu nass wird. Ein kluger Kopf. Nach der Blüte erscheinen die allen bekannten fallschirmartigen Samen, zu einer Kugel geordnet, die den Namen „Pusteblume“ beweisen wollen.

Die kurzen Blütentage kann man als Symbol der Sonne, christlich Christus  zuordnen, den Osterfeiertagen. Doch danach geht es weiter: Die Botschaft muss verkündet werden, in alle Welt hinaus: Pfingsten naht; der Samen ist aufgegangen.

So kann aus dem Unkraut eine anschauliche Erzählung der Heilsgeschichte werden.

Josef Weinheber beschreibt den Löwenzahn:

„Keine Vase will dich. Keine

Liebe wird durch dich erhellt.

Aber deines Samens reine

Weiße Kugel träumt wie eine

Wolke, wie der Keim der Welt.“