Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 


von Dr. Elisabeth Dörler (Batschuns, Vorarlberg)

 

 

Sonntag, 3.4.2011

 "Man sieht nur mit dem Herzen gut" sagt der kleine Prinz.

Diesen Satz habe ich in der heutigen Lesung wieder erkannt. In der Geschichte, wie David zum König berufen wird, sagt Gott zu Samuel: "Gott sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht: 'Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz'."

Der Prophet Samuel sucht den neuen König nach äußerlichen Merkmalen. Er wird nicht fündig, weil mit einer Schablone sucht, die Menschen außerhalb dieser Norm ausblendet.

Wie oft passiert es mir wie Samuel, dass ich besonders wertvolle Züge an einem Menschen erst bei näherem Kennenlernen entdecke; dass mir förmlich erst die Augen geöffnet werden müssen, damit ich die tiefere Qualität eines Menschen schätzen lerne.

Diese stillen Entdeckungen schenken Freude und bestätigen mir die Hoffnung, dass es Wert ist immer wieder einen neuen Blick auf Altbekanntes zu legen, um mehr im und vom Leben zu erfahren.

 

 

 

Montag, 4.4.2011

Wenn ich die Krisengebiete der Erde vor mir liegen sehe, die Katastrophe in Japan oder auch die Entwicklungen in der arabischen Welt; dann denke ich an das laute Klagen und Weinen, von dem der Prophet Jesaja spricht.

Die Katastrophe in Japan löst Betroffenheit aus: das Mitleid mit den Betroffenen und die Frage nach den Grenzen verantwortbarer Technik auch bei uns. Bewahrung der Schöpfung ist mehr als Worte.

Die Unruhen in der arabischen Welt machen zu schaffen: Ein großes Konfliktpotential direkt an Europas Grenzen. Es ist nicht nur bei mir die Bewunderung für die friedliche Revolution in Ägypten da, sondern zugleich die Sorge, wie die Konflikte in diesen Ländern ausgetragen werden und was zu einer friedlichen Entwicklung beiträgt. Gerechtigkeit und Friede sind keine leeren Worte, sondern das ganz konkrete Ziel für die Menschen.

Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, wo die Schöpfung bewahrt wird und Friede und Gerechtigkeit für alle Menschen gilt, sollte uns den Weg weisen.

 

 

 

Dienstag, 5.4.2011

Fließendes Wasser ist besonders in Gebieten, in denen genügend Wasser nicht selbstverständlich ist, Zeichen von Leben. Quellen sind daher besonders wertvoll. Vergiftete Brunnen und Gewässer gehören zum schlimmsten, was Menschen geschehen kann.

So ist ein hoffnungsvolles Bild beim Propheten Ezechiel besonders intensiv:
Unter der Schwelle des Tempels in Jerusalem strömt Wasser hervor.
Es ist so viel von diesem guten Wasser da, dass es für alle reicht, dass alle davon gesund werden können, dass Pflanzen und Tiere wachsen können.
Es ist nicht nur Wasser in Hülle und Fülle da, es ist auch eine daraus wachsende bunte Vielfalt an Leben.

Das Bild der Tempelschwelle weist uns auf Gott hin: Gott geht aus sich heraus und schenkt uns Menschen diese Fülle an Leben, die ans Paradies erinnert.

Hoffnung auf ein erfülltes Leben, ein Leben in Fülle, ist Gottes Wunsch für uns.

 

 

 

Mittwoch, 6.4.2011

Einer der schönsten Vergleiche für Gott ist in der heutigen Lesung angedeutet: "Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn?" Es ist ein wunderbares Bild für die Beziehung zwischen Gott und Mensch, für die Zukunft der Menschen.

Eltern und besonders Mütter nehmen viel für die Zukunft ihrer Kinder auf sich. Sie riskieren viel, denn wer weiß, was in zehn, zwanzig Jahren sein wird. Sie nehmen sich zugunsten ihrer Kinder oft zurück. Dies ist in einer Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung zu den höchsten Werten gehört, eine riesige Herausforderung, die auch an die Grenzen gehen kann.

Doch genau diese Mütter und Väter geben uns allen eine Zukunft. Die Kinder machen es uns möglich an die Zukunft zu glauben und fordern uns alle heraus, uns immer wieder für eine bessere, gerechtere Zukunft für alle einzusetzen.

 

 

 

Donnerstag, 7.4.2011

Das goldene Kalb ist das wohl berühmteste Symbol dafür, was es heißt falschen Visionen nachzulaufen, auf falsche Lösungen die Hoffnung zu setzen. Das Volk Israel wird von Gott "störrisch" genannt. Denn sie setzen auf das goldene Kalb gegen die Erfahrung von Rettung und gegen die große Vision von einem freien Volk.

Es gibt viele goldene Kälber, manche sind vielleicht anderes angemalt oder benannt. Und so ein goldenes Kälbchen kann sich auch bei mir selber finden. Ich habe zwar Träume von dem, wie es sein soll, aber keine Geduld zur leider etwas komplizierten Lösung. Dann ist die Versuchung groß, sich schnell ein goldenes Kalb zu machen oder eines zu nehmen, das eben nur auf tönernen Füssen steht und nicht hält, was es verspricht.

In einer schnelllebigen Zeit ist diese Versuchung groß. Vielleicht ist die Fastenzeit auch eine Zeit der Entschleunigung in der Richtung, dass ich mir die Zeit nehme, gute Lösungen zu suchen. Ich wünsche Ihnen die Geduld, große Fragen auch in der Tiefe auszuloten, damit sie ihre Kraft nicht in falsche Hoffnungen setzen.

 

 

 

Freitag, 8.4.2011

Wir sehnen uns nach glaubwürdigen, authentischen Menschen. Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass mancher einfach darum abgelehnt wird, weil er die ungeliebte Wahrheit zur Sprache bringt, mit seiner Ehrlichkeit jemandem auf die Zehen tritt.

So ist es vielen Propheten Israels gegangen, die auf die Botschaft oder Gebote Gottes hingewiesen haben. Das führte nicht nur damals bis dahin, dass der "Gerechte", wie ihn die Bibel nennt, ins Lächerliche gezogen oder verfolgt wurde. Dies war auch der Weg Jesu.

Ohne "Aufdecker" würde vieles nicht ans Licht kommen, Gerechtigkeit nicht eingefordert werden. Prophetische Menschen sind unbequem und umstritten, bis heute. Doch sie sind Vorbilder für Zivilcourage und schenken gerade denen, die sich selber nicht wehren können, Hoffnung.

 

 

 

Samstag, 9.4.2011

Auf Herz und Nieren geprüft werden, klingt zunächst nicht gerade ermutigend. Eher ist das Gefühl da: Auch das, was ich nicht so gerne zeige, muss öffentlich gemacht werden.

Auf der anderen Seite bin ich froh, wenn in schwierigen Entscheidungsprozessen alles gründlich angeschaut wird. Es gibt mir die Sicherheit, das Abschätzbare angeschaut zu haben, Hintergründe ausgelotet zu haben und mich nicht ins absolute Risiko zu stürzen. Ich werde fähig, mich nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden.

Zuversicht kommt dann aus der Bestätigung, dass der eingeschlagene Weg auch nach der Prüfung durch das Leben der richtige ist. Die Hoffnung auf das Gelingen eines solchen Prozesses ist der Beginn des Weges.