Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Stefan Ulz (Graz)
Palmsonntag, 17. April 2011
Auf den Palmsonntag freue ich mich jedes Jahr, als kleines Kind
damals genauso wie als Priester heute. Vor allem berührt mich der
Blick in die Augen der Kinder, die mit ihren Buschen in der Hand und
den Hosanna-Rufen auf den Lippen so viel an hoffnungsvoller Freude
ausstrahlen.
Selbst wenn sie diese nicht bewusst auf Jesus richten, spricht aus
ihnen doch etwas von der unauslöschlichen Sehnsucht nach Gott, nach
einem Leben in ungetrübter Freude.
Wie gerne lasse ich mich selber immer wieder neu von dieser Haltung
anstecken! Umso mehr in Zeiten, wo bei vielen Menschen – etwa in
Japan oder nordafrikanischen Ländern - die Hoffnung auf Heil zu
schwinden oder gar zu sterben droht. Und sicher kennen sie, wie ich,
Menschen im eigenen Umfeld, denen Hoffnung und Lebensfreude abhanden
gekommen sind. Solche Menschen sind dankbar für jeden Funken
Hoffnung und für jeden Menschen, der ihnen Mut und Zuversicht gibt.
Umso dankbarer dürfen wir sein für Jesus, der uns eine Hoffnung
gibt, die uns nichts und niemand mehr nehmen kann. Denn er ist Gott
und Mensch und kennt daher jede menschliche Not. Er ist der
Heilsbringer, der Sohn des lebendigen Gottes, dessen Einzug in
Jerusalem wir Christen heute feiern.
Montag, 18. April 2011
Was schwingt bei Ihnen mit, wenn sie das Wort „heilig“ hören? –
Denken sie an alte Heiligenfiguren, an ein etwas weltfremdes Leben?
Oder an etwas Faszinierendes, aber für Sie nicht Erreichbares? – Je
nach ihrer Geschichte und bisherigen Erfahrung wird es
unterschiedlich sein, und vielleicht werden sie auch denken „Das ist
nichts für mich“.
„Heil-ig“. Hören Sie das auch heraus, was dieses Wort vom Ursprung
her bedeutet? Es steckt das Wort „heil“ drinnen. Was tun Menschen
nicht alles, um körperlich oder psychisch Heilung zu bekommen! Wie
viel Gehirnschmalz, Energie und Einsatz werden investiert, um
Heilung zu erfahren. Und wie viel Dankbarkeit und Freude habe ich
bei Menschen schon erleben dürfen, wenn jemand nach schwerer
Krankheit wieder gesund werden konnte. Und dennoch gibt es
irgendwann einmal eine Grenze für dieses irdische Leben.
Wir Menschen haben aber auch eine Seele, und die ist unsterblich.
Wie viel müssen wir also erst recht dafür investieren, damit unsere
Seele Heilung und schließlich das ewige Heil erlangt!
Die Karwoche wird auch „Heilige Woche“ genannt. In der Feier dieser
Tage kommen wir in Berührung mit dem Heilsereignis Jesu Christi, von
dem es in der Apostelgeschichte heißt: „In keinem anderen ist das
Heil zu finden.“
Dienstag, 19. April 2011
Schon als Kind war ich fasziniert von Jesus und von den Heiligen. So
wollte ich auch sein. Aber im Laufe der Jahre schien mir dies immer
mehr unerreichbar. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, so fromm
und heroisch zu sein wie sie. Gleichzeitig sehnte ich mich immer
danach, heiligmäßigen Menschen persönlich zu begegnen.
Mittlerweile gibt es in meinem Leben Menschen, die für mich
heiligmäßig sind. Es sind Menschen, die mich durch ihr Leben mit
Gott in Berührung gebracht haben. Da ist die Frau, die ihren
schwerkranken Mann über Jahre hinweg in ungebrochener Geduld und
Liebe pflegt. Da ist der Mann, der sein Liebstes verloren hat, und
der trotz allem nicht am Leben verzweifelt und sogar im Leid noch an
die Güte Gottes glauben kann. Da ist die Jugendliche, die ihre
Krebskrankheit in einer Weise lebt, dass sie die Menschen in ihrer
Umgebung stärkt und vielen Jugendlichen einen Weg zum Glauben weist.
Und da sind all die Menschen, die ihre täglichen Herausforderungen
in aller Stille aus Liebe zu Gott und den Menschen bewältigen.
Solche Menschen kennen sie vermutlich auch.
Diese Menschen wecken in mir die Sehnsucht nach Heiligkeit in meinem
eigenen Leben.
In der Bibel steht dazu ein starkes Wort von Paulus. Er sagt: „Das
ist es, was Gott will: Eure Heiligung.“
Mittwoch, 20. April 2011
Heute und morgen werden in vielen Bischofskirchen die Heiligen Öle
geweiht. Dies geschieht in der so genannten Chrisammesse. Das ganze
Jahr über werden die geweihten Öle dann für die Spendung der
Sakramente in den jeweiligen Diözesen verwendet.
Diese Feier bewegt mich jedes Jahr, weil sie mich daran erinnert,
dass auch ich bei drei Sakramenten mit dem Chrisamöl gesalbt worden
bin: Bei der Taufe, bei der Firmung und bei meiner Priesterweihe.
Die Bezeichnung „Christen“ kommt von dieser Salbung mit dem Chrisam
bei der Taufe.
Öl wird auf vielfältige Weise auch in der Medizin verwendet, es hat
lindernde Funktion und dient der Heilung. Priester, Könige und
Propheten wurden zum Ausdruck besonderer Würde auch mit Öl gesalbt.
In den Sakramenten weisen die Öle hin auf Christus, den Gesalbten
Gottes. Er hat alle Verwundungen des Menschen durch seinen Tod und
seine Auferstehung geheilt. „Durch seine Wunden sind wir geheilt“,
sagt die Heilige Schrift.
Durch die Salbung bei der Taufe wird sinnfällig ausgedrückt, dass
wir Anteil haben an diesem Heil in Christus. Jedes Mal, wenn ich mir
dessen bewusst werde, steigt in mir Dankbarkeit über dieses
großartige Geschenk auf. Zur unantastbaren Menschenwürde haben wir
auch noch diese göttliche Würde erhalten!
Gründonnerstag, 21. April 2011
Der Mensch ist von Gott geschaffen nach seinem Ebenbild und dazu
berufen, ihm ähnlich zu werden. Gott ist die Liebe und will, dass
der Mensch diese göttliche Liebe in sich leben lässt und sie anderen
mitteilt.
Jesus, von dem wir Christen glauben, dass er ganz Gott und ganz
Mensch ist, hat uns den Weg gezeigt, wie wir dies tun können. Der
heutige Gründonnerstag erinnert mich daran.
In vielen Kirchen wird das Evangelium von der Fußwaschung verkündet.
Jesus, der Gott und Herr, wäscht den Jüngern die Füße. Damit zeigt
er als Mensch, was göttliche Liebe ist: Nämlich dienen und sich
nicht zu gut vorkommen, sich für die Mitmenschen die Hände schmutzig
machen. Allerdings darf diese dienende Liebe auf Dauer nicht
einseitig bleiben, sonst brennt der Mensch aus. Deshalb gibt Jesus
beim Letzten Abendmahl zu diesem Beispiel sein Neues Gebot dazu, in
dem er sagt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch
geliebt habe.“ Erst wo wir füreinander da sind, finden die Menschen
ihr Glück. „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine
Liebe ist in uns vollendet.“ Diese Verheißung aus der Bibel spornt
mich auf jeden Fall an, es immer neu zu versuchen.
Karfreitag, 22. April 2011
Was mache ich, wenn ich jemanden liebe? – Ich suche seine Nähe. Und
wenn es ihm oder ihr schlecht geht und das Leben verdunkelt ist?
Dann werde ich erst recht hingehen, damit er oder sie im Finstern
nicht allein ist.
Die Grundbotschaft des christlichen Glaubens lautet, dass Gott die
Liebe ist. Weil er die Menschen liebt, sucht er ihre Nähe und
Gemeinschaft. Genau deshalb wird er Mensch.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht, dass Menschen
Dunkelheit erleben, Situationen von Schmerz und Leid. Manche leiden
unter Einsamkeit, Krankheit, Ungerechtigkeiten, Katastrophen und
Kriegen. Und nicht wenige erleben eine dunkle Nacht der Gottesferne.
Es ist Karfreitag.
Weil Gott den Menschen liebt, geht auch er in den Karfreitag des
Menschen. Jesus am Kreuz hat jede Dunkelheit, ja sogar die Sünde und
den Tod durchlebt und seinem Vater im Himmel übergeben.
Jesus der Gekreuzigte ist die Liebe, über die hinaus es keine
größere gibt. Daran werde ich heute denken in der Liturgie, wenn ich
bei der Kreuzverehrung sage: „Wir beten dich an, Herr Jesus
Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du
die Welt erlöst.“
Karsamstag, 23. April 2011
Es ist Karsamstag. Tag der Grabesruhe. Nach den aufregenden letzten
Tagen und dem grausamen Sterben Jesu ist nun Stille angesagt. Dieser
Tag ist eine Einladung, bewusst Stille zu suchen und auszuhalten. In
den Kirchen erklingen keine Glocken, keine Orgel, wird keine Messe
gefeiert. Schweigen ist die angemessene Haltung angesichts des
letztlich unbegreiflichen Todes. Wer schon einmal am Totenbett eines
lieben Menschen gestanden ist, weiß das und weiß auch, dass es nicht
leicht ist, das auszuhalten.
Für glaubende Menschen wird es jedoch zum hoffenden Schweigen, das
die Seele öffnet für die unerhörte Botschaft, dass hier nicht das
endgültige Aus des Lebens ist, sondern der Anfang des neuen,
unzerstörbaren, ewigen Lebens.
Maria, die Mutter Jesu, die Frauen und der Apostel Johannes sind mit
Jesus bis unter das Kreuz mitgegangen. Sie haben um ihn geweint und
sind am dritten Tag zum Grab gegangen, weil sie Jesus so sehr
liebten. All das hat sie innerlich dafür bereit gemacht, dem
Auferstandenen begegnen zu können. Ihnen verdanken wir, dass auch
wir in der kommenden Osternacht wieder die frohe Botschaft unserer
Erlösung hören können: Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaft
auferstanden.
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