Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 


von
Jutta Henner, evangelische Theologin und Vorsitzende der Österreichischen Bibelgesellschaft

 

 

Sonntag, 8. Mai 2011

Immer wieder wird es beklagt: Die Zahl der Christinnen und Christen in Westeuropa ist alles andere als im Steigen begriffen; die religiöse Landschaft hat sich gewandelt in den letzten Jahrzehnten, aus dem sogenannten „christlichen Abendland“ ist eine multikulturelle Gesellschaft geworden.

Wie damit umgehen? Wie den christlichen Glauben einladend und glaubwürdig leben und bezeugen angesichts großer Herausforderungen?

Für mich ist ein großes Vorbild der Apostel Paulus. In der Bibel, und dort insbesondere in den Briefen, die er an frühe christliche Gemeinden geschrieben hat, erfahren wir einiges über ihn und sein Wirken im ersten christlichen Jahrhundert. Wie kaum ein Zweiter hat er das Christentum geprägt. Ihm und seinem leidenschaftlichen Einsatz ist es entscheidend zu verdanken, dass die frohe Botschaft aus einem Winkel des römischen Reiches in die Welt hinausgetragen wurde. Die frohe Botschaft, das Herzstück des christlichen Glaubens, „dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift....“, wie es im 1. Korintherbrief heißt.. Diese österliche Botschaft hat Paulus geprägt, sie bestimmt sein Reden und Wirken! (1. Kor 15, 3f.)

 

 

 

Montag, 9. Mai 2011

Paulus, der große Apostel der Völker, der nur wenige Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung seine Berufung vor Damaskus erlebte, hat von da an sein ganzes Leben in den Dienst der Sache Jesu Christi gestellt. Im Neuen Testament können wir in der Apostelgeschichte und in den von Paulus selbst verfassten Briefen einiges erfahren über sein Leben und Wirken. Von Damaskus nach Rom - so könnte man es kurz fassen. Paulus ist unermüdlich unterwegs, um die frohe Botschaft zu den Menschen zu bringen. Für seine Missionsreisen ist er bekannt geworden: Innerhalb weniger Jahre reist er von Ort zu Ort im östlichen Mittelmeerraum, sucht die Begegnung mit Menschen, legt ihnen die Bibel aus und lädt sie zum Glauben ein an Jesus Christus. Allen Widrigkeiten zum Trotz bleibt Paulus seinem Auftrag treu! Widerstand und Spott, Verfolgung und Haft, Gefahren auf seinen Reisen, ja selbst mehrfacher Schiffbruch, aber auch die Sorge und Ärger mit den von ihm gegründeten Gemeinden können ihn nicht von seinem Auftrag abhalten. Er schreibt „...Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte..:“ (1. Kor 9,16),  Apostel aus Leidenschaft - und voller ansteckender Freude. So ermutigt Paulus die Gemeinde in Philippi: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet Euch“ (Phil 4,4)

 

 

 

Dienstag, 10. Mai 2011

Dem Apostel Paulus verdankt die Christenheit ihre entscheidende Prägung. Er, Paulus, hat es wie kein anderer verstanden, die frohe Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus hinauszutragen in die Metropolen des römischen Imperiums. Jerusalem, Ephesus, Thessaloniki, Athen, Korinth, Rom .... Paulus ist davon überzeugt, dass die frohe Botschaft vom Gottes Reich sich nicht zu verstecken braucht, dass sie die Antwort auch auf die Fragen von erfolgreichen Menschen in verantwortungsvollen Positionen ist. Strategisch wendet er sich auf seinen Reisen den großen Städten zu. Mutig und überzeugend stellt sich Paulus den Fragen und auch der Kritik, der Gleichgültigkeit und auch dem Spott. Ausführlich wird sein Auftreten in Athen in der Apostelgeschichte beschrieben. In Athen ist es besonders interessant: Paulus sei dort täglich auf den Marktplatz gegangen, so wird es berichtet, und habe dort mit den Philosophen diskutiert. Paulus hat sich im Vorfeld kundig gemacht, hat sich umgesehen und kann in seiner Predigt auf die Lebenswelt seiner Zuhörer Bezug nehmen. An anderer Stelle wird er selbst schreiben: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.“  (1. Kor 9,22). Er holt seine Zuhörer dort ab, wo sie sind – aber er bleibt nicht dort stehen!

 

 

 

Mittwoch, 11. Mai 2011

Der Apostel Paulus hat nicht immer ein gutes Image. Gerade Frauen haben oft Schwierigkeiten mit ihm. Vorurteile werden Paulus entgegengebracht. Da lohnt es sich, hineinzuschauen in die Briefe, die Paulus geschrieben hat! Überraschende Entdeckungen lassen sich dort machen: Paulus schätzt Männer und Frauen gleichermaßen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als Mitchristen und als persönliche Freunde und Freundinnen! In seinem Brief an die Gemeinden in Galatien schreibt Paulus: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. .. .Hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Ga. 3,26+28) Ja, diese partnerschaftliche und gleichwertige Sicht von Männern und Frauen spiegelt sich auch in anderen Briefen, wo Paulus selbstverständlich davon ausgeht, dass Frauen in christlichen Gemeinden mitarbeiten und auch leitende Funktionen ausüben! Prisca und Phöbe, Junia und Maria, sie und viele andere hat Paulus geschätzt. In dieses Bild passt der Bericht aus der Apostelgeschichte: Der erste Mensch, der in Europa, in Philippi, zum Glauben kommt, ist eine Frau: Lydia. Sie, selbst erfolgreich im Textilhandel tätig, war offen für die Predigt des Paulus.

 

 

 

Donnerstag, 12. Mai 2011

Was würde Paulus dazu sagen, dass er, der sich doch selbst als ganz unwichtig betrachtet hat, zum großen Apostel geworden ist? Er, der ursprünglich die Christen verfolgte, hat nach seiner Lebenswende vor Damaskus ganz entscheidend zur Ausbreitung des Christentums in seiner Anfangszeit beigetragen! Doch Paulus selbst ist bescheiden geblieben. Er hat jeglichen Kult um seine Person abgelehnt. Vielleicht auch deshalb, weil er wusste, dass für seine missionarische Tätigkeit ein Faktor ganz entscheidend war: Paulus hat sich immer als Teil eines Teams verstanden. Keine Mission des Paulus ohne seine Mitarbeiter, die ihn auf seinen Reisen begleitet haben, die mit ihm die Briefe an die Gemeinden verfassten, die ihn vertraten, wenn er nicht überall gleichzeitig sein konnte. Barnabas, Johannes, Silas und Timotheus, Prisca und Aquila und viele andere.... Paulus schätzt seine Mitarbeiter. Er weiß um die verschiedenen Begabungen und Aufträge, die jeder hat. So schreibt er an die Gemeinde in Korinth „Wir sind Gottes Mitarbeiter, ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen anderen Grund kann niemand legen als den der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1.Kor 3,9-11)

 

 

 

Freitag, 13. Mai 2011

Was machte und macht eigentlich die Anziehungskraft des Apostels Paulus, seine Ausstrahlung, seine nachhaltige Wirksamkeit aus? Wenn ich in den Briefen des Paulus im Neuen Testament lese, frage ich mich das oft. Ich denke, seine Begeisterung, sein leidenschaftlicher und selbstloser Einsatz an sich waren schon überzeugend. Paulus war zeit seines Wirkens stolz darauf, dass er sich nicht für seinen missionarischen Dienst hat bezahlen lassen. Ganz im Gegenteil: Mit seiner Hände Arbeit in seinem erlernten Beruf als „Zeltmacher“ finanziert der studierte Theologe seinen Dienst! Das schafft Unabhängigkeit! Das schafft auch Glaubwürdigkeit! Paulus ruft es der Gemeinde in Korinth in Erinnerung: „Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht unseren Herrn Jesus gesehen?“ (1. Kor 9,19) Er weiß sich berufen zu seinem Dienst als Apostel, weiß sich gerufen, sein Leben in die Sache Jesu Christi zu stellen. Menschen, die ihm begegnen, spüren, dass es ihm ernst ist, dass er bereit ist, für die lebensverwandelnde Botschaft Kopf und Kragen zu riskieren! Dazu passt, dass Paulus dem Bericht der Apostelgeschichte zufolge, mutig und selbstbewusst auch vor römischen Statthaltern und Königen das bezeugt, was ihn ausmacht!

 

 

 

Samstag, 14. Mai 2011

Paulus – der große Apostel. Als solcher ist er bekannt geworden, als einer, der in der Heiligen Schrift zuhause ist, und die Verheißungen der Propheten in Jesus erfüllt weiß. Paulus, der große Prediger. Allein die Apostelgeschichte schildert sechs Predigten des Paulus. Und was sind seine Briefe an die Gemeinden in Thessaloniki und Korinth, in Rom und andernorts, anderes als Predigten? Paulus weiß sich „berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes“ (Röm 1,1). Doch Paulus ist mehr als nur ein großer Prediger. Paulus wirkte auch im Stillen und Verborgenen: Er war keiner, der große Reden geschwungen hat und danach die Sache sich selbst überließ. Im persönlichen Gespräch mit Menschen ging er auf Fragen und Probleme ein. Mit den von ihm gegründeten Gemeinden bleibt er in Beziehung, verschweigt Probleme nicht und begleitet sie so auf dem Weg. Paulus knüpft Beziehungen und pflegt sie auch; er ist im guten Sinne ein Netzwerker. Ein Netzwerker für den Glauben an Jesus Christus: Der Gemeinde in Rom ruft er in Erinnerung: „Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus.. und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist...“.(Röm 12,4f.).