Morgengedanken
von Berufsschuldirektor Johannes Fenz (Eisenstadt)
Sonntag, 22. Mai 2011
Frieden leben
Gegenwärtig sehnt man sich an vielen Orten der Welt nach Frieden.
Ich stelle mir aber die Frage: „Wie kann man Frieden lernen?“ Ich
meine, am ehesten in den Familien, denn dort, wo mehrere Menschen in
mehreren Generationen zusammenleben, gibt es fast schon von Natur
aus Konflikte. Es sind die Konflikte, so sich junge Menschen gegen
die Eltern auflehnen, weil die Werthaltungen, Normen und Regeln der
Eltern mit denen der Jugend nicht zusammenpassen. Solche Konflikte
müssen ausgetragen werden, so dass es keine Sieger und keine
Besiegten gibt. Frieden kann sicher nicht funktionieren, wenn sich
ein Teil immer alles gefallen lässt und sich dem anderen Teil
anzupassen hat. Das schafft eher Aggression und vertieft die
Konflikte, da die eigene Persönlichkeit unterdrückt wird. Frieden
braucht Auseinandersetzung und Frieden braucht Konsens. Das
erfordert ein gegenseitiges Zugehen und das Zurückdrängen der
persönlichen Emotionen. Wenn das gelingt, dann bin ich überzeugt,
dass wir einen Beitrag zum heutigen Friedenssonntag leisten.
Montag, 23. Mai 2011
Kann ich „Glück“ lernen?
Der Unterrichtsgegenstand „Glück“ findet in das österreichische
Schulsystem immer mehr Einzug. Der Gegenpol zum Glück ist
bekanntlich das Pech. Sind wir alle so vom Pech verfolgt, dass wir
Glück lernen müssen? Aristoteles sagt schon: „Glück sei das, was der
Mensch um seiner selbst willen anstrebt, und nicht um etwas anderes
damit zu erreichen“. Es sind also nicht die erhofften Gewinne.
Glücksforscher widmen sich schon seit Jahren der Erforschung der
Bedingungen von Menschen, die notwendig sind, um sich als glücklich
zu bezeichnen.
Was macht mich glücklich?
Freude am Leben, Freude an der eigenen Leistung, Anerkennung,
Bewegung, Gesundheit, soziales Engagement und nicht zuletzt die
Familie. Das alles sind auch Inhalte des Unterrichtsgegenstandes
„Glück“. Ich meine, Glück kann man nicht lernen, Glück lebt und
erlebt man. Um das erleben zu können, versuche ich in allem das
Positive zu sehen, erfreue mich an Kleinigkeiten, erarbeite ich mir
Anerkennung und freue mich über alles Erledigte. So wird „Glück“ für
mich erlebbar.
Dienstag, 24. Mai 2011
Verlorene Freude
Freude kommt von froh sein. Es gibt wahrscheinlich kein Wort, das
derart oft in Sprüchen, Zitaten, Aufsätzen und Büchern abgehandelt
wird. Dennoch versteckt sich die Freude in unserem Leben immer mehr.
Freude braucht Gemeinschaft. Sich alleine freuen ist die halbe
Freude. „Wahre Freude will mitgeteilt werden, das vermehrt sie“,
sagt Martin Walser.
Aber können wir uns in unserer übersättigten Gesellschaft noch an
einfachen Dingen erfreuen oder diese anderen mitteilen? Ich erinnere
mich, wie meine Tochter in jungen Jahren mit Freude erzählt hat,
dass sie auf der Wiese eine „Vergiss mein nicht“- Blume gesehen hat,
auf der eine Biene gesessen ist. Ihre Augen funkelten dabei, die
Freude sprang auf mich über. Es sind Kleinigkeiten, die uns erfreuen
können. Um Freude zu erleben, gehe ich mit offenen Augen durch die
Welt, sehe alles Erfreuliche und teile es anderen mit. Das braucht
Ruhe und Gelassenheit, das braucht Zeit zum Genießen. Die Hektik,
das funktionieren Müssen oder Arbeit als Last sehen, sind Hemmschuhe
um Freude erleben zu können. Auch wenn wir nicht immer alles selbst
in der Hand haben, Freude genießen und leben zu können hängt
weitgehend von uns ab.
Mittwoch, 25. Mai 2011
Wo finde ich mein „Ideal“?
Es braucht Vorbilder und Ideale, damit wir ein Ziel anstreben, das
wir uns setzen und erreichen wollen. Wenn ich mit meinen
Schülerinnen und Schülern diskutiere, frage ich mich, ob ihre
Vorbilder, ihre Ideale wert sind als solche bezeichnet zu werden?
Es sind abgemagerte Models, gepiercte, tätowierte, Lärm trällernde
Musiker, besoffene Schauspieler, die sie sich oftmals als Vorbild
nehmen und als Ideal hinstellen. Als Pädagoge fragt man sich
natürlich, warum ziehen derartige Personen junge Menschen an?
Versagen wir als Eltern mit unserer Vorbildfunktion? Brauchen sie
derartiges Verhalten, um in unserer Scheuklappengesellschaft
wahrgenommen zu werden? Ist der Weg dessen, was wir als „normal“
bezeichnen, abgerutscht oder im Schlamm versunken? Fragen, auf die
es keine Patentantworten gibt. Die Gründe sind wahrscheinlich
vielschichtig. Dennoch will ich mich nicht zufrieden geben und
selbst beharrlich Vorbild im Positiven sein. Ich will andere Ideale
aufzeigen, solche bei denen Lebensfreude, Zufriedenheit, Kompetenz,
Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit im Mittelpunkt stehen.
Donnerstag, 26. Mai 2011
Loben heißt Lieben
An unserer Berufsschule haben wir zu jedem Lehrgangsende eine
Abschlussmesse. Zum Ritual am Ende der Messe gehört, dass der
Pfarrer fragt, ob sie - die Schülerinnen und Schüler - heute schon
jemand gelobt hat? Ich zucke immer zusammen, wenn sich niemand
meldet. Ich denke mir, sind wir alle schon so abgebrüht, dass wir
nichts Positives mehr sehen? Bei intensiverem Nachdenken tun sich
mir viele Fragen auf: Soll ich loben, wenn die erwartete Arbeit
erledigt wird? Bin ich selbst bereit, Lob anzunehmen? Ist Lob nicht
auch aufdringlich? Gleich zu welchem Ergebnis ich komme, ich
versuche immer beschwichtigende Ausreden zu finden, es nicht zu tun.
Das geht mir nicht nur in der Schule so, sondern auch in der
Familie. Es wird alles zur Selbstverständlichkeit. Ich empfange viel
Gutes, das mir andere Menschen geben und bedanke das selten mit
einem Lob. Es gäbe vieles, was ich loben könnte, wenn ich es mir nur
bewusst mache. Ich nehme mir vor, es bewusster und öfter zu tun.
„Loben heißt Lieben“ und es gibt viele Menschen in meinem Umfeld,
die Liebe und somit Lob verdienen.
Freitag, 27. Mai 2011
Egoistische Solidarität?
Das Wort Solidarität hat nicht nur im Kleinen, wie z.B. in der
Familie seine Bedeutung, sondern spielt in der Politik und auch in
den Glaubensgemeinschaften eine große Rolle. Unter dem Begriff
„Solidarität“ hat sich in der Welt sicher vieles zum Besseren
gewandelt. Sozial- und Krankenversicherungen oder die Aufforderung,
in den christlichen Kirchen mit dem Nächsten „solidarisch“ zu sein,
sind Beweise dafür. In letzter Zeit beobachte ich allerdings, dass
dieser Begriff immer mehr missbraucht wird. Vor allem dann, wenn es
darum geht bei Fehlverhalten „Solidarität“ einzufordern. Auch wenn
das Solidaritätsprinzip besagt, auf andere Rücksicht zu nehmen,
heißt das nicht zu schweigen, wo Ungerechtigkeit an das Tageslicht
rückt. Ich sehe es als nicht solidarisch an, wenn Kinder mutwillig
öffentliche Dinge ruinieren und diese von Eltern noch gedeckt
werden. Ich sehe es nicht als solidarisch an, wenn Politik- und
Kirchenvertreter schändliches Verhalten mit dem Begriff „da muss man
ja jetzt solidarisch sein“ rechtfertigen wollen. Solidarität
verdienen die Menschen, die im positiven Sinn füreinander eintreten,
sich gegenseitig helfen und dabei nicht nur sich sondern auch die
Gesamtheit der Menschen sehen.
Samstag, 28. Mai 2011
Kompetent Leben
Im Schulbereich erlebe ich gerade die Entdeckung des
kompetenzorientierten Lernens. Das, was in den letzten 100 Jahren an
Bildung verloren gegangen ist, wird wieder gesucht. Nicht bloßer
Wissenserwerb, sondern die Anwendung von dem Wissen, um in realen
Lebens- und Berufssituationen handlungsfähig zu sein, ist wieder
gefragt. Das finde ich gut, da das Lernen wieder lebensnäher wird.
Die Diskussion verläuft leider sehr berufsbezogen und man meint
weitläufig das Handeln im Beruf. Mir kommt die „Lebenskompetenz“ zu
kurz. Damit meine ich, dass man sich selbst kennt und mag, dass man
sich in andere Menschen einfühlen kann, dass man kritisch und
kreativ denkt, durchdachte Entscheidungen trifft, erfolgreich im
privaten Bereich Probleme löst und Gefühle und Stress bewältigen
kann. Das klingt vielleicht nach Überforderung. Ich will aber nicht
nur im beruflichen Bereich kompetent sein, sondern auch im privaten
Leben. Das gelingt mir, wenn ich das Leben lebe - indem ich
ausspanne, mich gehen lasse, mich zurücklehne und in Ruhe ein Buch
lese, mich ganz einfach den Dingen widme, die mir Freude machen.
Meine berufliche Kompetenz kommt dann am besten zum Tragen, wenn
meine Batterie mit Lebenskompetenz gefüllt ist und ich dort meine
Energie in kleinen Mengen abgeben kann.