Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Morgengedanken
von Berufsschuldirektor Johannes Fenz (Eisenstadt)

 

 

Sonntag, 22. Mai 2011

Frieden leben

Gegenwärtig sehnt man sich an vielen Orten der Welt nach Frieden. Ich stelle mir aber die Frage: „Wie kann man Frieden lernen?“ Ich meine, am ehesten in den Familien, denn dort, wo mehrere Menschen in mehreren Generationen zusammenleben, gibt es fast schon von Natur aus Konflikte. Es sind die Konflikte, so sich junge Menschen gegen die Eltern auflehnen, weil die Werthaltungen, Normen und Regeln der Eltern mit denen der Jugend nicht zusammenpassen. Solche Konflikte müssen ausgetragen werden, so dass es keine Sieger und keine Besiegten gibt. Frieden kann sicher nicht funktionieren, wenn sich ein Teil immer alles gefallen lässt und sich dem anderen Teil anzupassen hat. Das schafft eher Aggression und vertieft die Konflikte, da die eigene Persönlichkeit unterdrückt wird. Frieden braucht Auseinandersetzung und Frieden braucht Konsens. Das erfordert ein gegenseitiges Zugehen und das Zurückdrängen der persönlichen Emotionen. Wenn das gelingt, dann bin ich überzeugt, dass wir einen Beitrag zum heutigen Friedenssonntag leisten.

 

 

 

Montag, 23. Mai 2011

Kann ich „Glück“ lernen?

Der Unterrichtsgegenstand „Glück“ findet in das österreichische Schulsystem immer mehr Einzug. Der Gegenpol zum Glück ist bekanntlich das Pech. Sind wir alle so vom Pech verfolgt, dass wir Glück lernen müssen? Aristoteles sagt schon: „Glück sei das, was der Mensch um seiner selbst willen anstrebt, und nicht um etwas anderes damit zu erreichen“. Es sind also nicht die erhofften Gewinne. Glücksforscher widmen sich schon seit Jahren der Erforschung der Bedingungen von Menschen, die notwendig sind, um sich als glücklich zu bezeichnen.

Was macht mich glücklich?

Freude am Leben, Freude an der eigenen Leistung, Anerkennung, Bewegung, Gesundheit, soziales Engagement und nicht zuletzt die Familie. Das alles sind auch Inhalte des Unterrichtsgegenstandes „Glück“. Ich meine, Glück kann man nicht lernen, Glück lebt und erlebt man. Um das erleben zu können, versuche ich in allem das Positive zu sehen, erfreue mich an Kleinigkeiten, erarbeite ich mir Anerkennung und freue mich über alles Erledigte. So wird „Glück“ für mich erlebbar.

 

 

 

Dienstag, 24. Mai 2011

Verlorene Freude

Freude kommt von froh sein. Es gibt wahrscheinlich kein Wort, das derart oft in Sprüchen, Zitaten, Aufsätzen und Büchern abgehandelt wird. Dennoch versteckt sich die Freude in unserem Leben immer mehr. Freude braucht Gemeinschaft. Sich alleine freuen ist die halbe Freude. „Wahre Freude will mitgeteilt werden, das vermehrt sie“, sagt Martin Walser.

Aber können wir uns in unserer übersättigten Gesellschaft noch an einfachen Dingen erfreuen oder diese anderen mitteilen? Ich erinnere mich, wie meine Tochter in jungen Jahren mit Freude erzählt hat, dass sie auf der Wiese eine „Vergiss mein nicht“- Blume gesehen hat, auf der eine Biene gesessen ist. Ihre Augen funkelten dabei, die Freude sprang auf mich über. Es sind Kleinigkeiten, die uns erfreuen können. Um Freude zu erleben, gehe ich mit offenen Augen durch die Welt, sehe alles Erfreuliche und teile es anderen mit. Das braucht Ruhe und Gelassenheit, das braucht Zeit zum Genießen. Die Hektik, das funktionieren Müssen oder Arbeit als Last sehen, sind Hemmschuhe um Freude erleben zu können. Auch wenn wir nicht immer alles selbst in der Hand haben, Freude genießen und leben zu können hängt weitgehend von uns ab.  

 

 

 

 

Mittwoch, 25. Mai 2011

Wo finde ich mein „Ideal“?

Es braucht Vorbilder und Ideale, damit wir ein Ziel anstreben, das wir uns setzen und erreichen wollen. Wenn ich mit meinen Schülerinnen und Schülern diskutiere, frage ich mich, ob ihre Vorbilder, ihre Ideale wert sind als solche bezeichnet zu werden?

Es sind abgemagerte Models, gepiercte, tätowierte, Lärm trällernde Musiker, besoffene Schauspieler, die sie sich oftmals als Vorbild nehmen und als Ideal hinstellen. Als Pädagoge fragt man sich natürlich, warum ziehen derartige Personen junge Menschen an? Versagen wir als Eltern mit unserer Vorbildfunktion? Brauchen sie derartiges Verhalten, um in unserer Scheuklappengesellschaft wahrgenommen zu werden? Ist der Weg dessen, was wir als „normal“ bezeichnen, abgerutscht oder im Schlamm versunken? Fragen, auf die es keine Patentantworten gibt. Die Gründe sind wahrscheinlich vielschichtig. Dennoch will ich mich nicht zufrieden geben und selbst beharrlich Vorbild im Positiven sein. Ich will andere Ideale aufzeigen, solche bei denen Lebensfreude, Zufriedenheit, Kompetenz, Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit im Mittelpunkt stehen.


 

Donnerstag, 26. Mai 2011 

Loben heißt Lieben

An unserer Berufsschule haben wir zu jedem Lehrgangsende eine Abschlussmesse. Zum Ritual am Ende der Messe gehört, dass der Pfarrer fragt, ob sie - die Schülerinnen und Schüler - heute schon jemand gelobt hat? Ich zucke immer zusammen, wenn sich niemand meldet. Ich denke mir, sind wir alle schon so abgebrüht, dass wir nichts Positives mehr sehen? Bei intensiverem Nachdenken tun sich mir viele Fragen auf: Soll ich loben, wenn die erwartete Arbeit erledigt wird? Bin ich selbst bereit, Lob anzunehmen? Ist Lob nicht auch aufdringlich? Gleich zu welchem Ergebnis ich komme, ich versuche immer beschwichtigende Ausreden zu finden, es nicht zu tun. Das geht mir nicht nur in der Schule so, sondern auch in der Familie. Es wird alles zur Selbstverständlichkeit. Ich empfange viel Gutes, das mir andere Menschen geben und bedanke das selten mit einem Lob. Es gäbe vieles, was ich loben könnte, wenn ich es mir nur bewusst mache. Ich nehme mir vor, es bewusster und öfter zu tun. „Loben heißt Lieben“ und es gibt viele Menschen in meinem Umfeld, die Liebe und somit Lob verdienen.

 

 

 

Freitag, 27. Mai 2011

Egoistische Solidarität?

Das Wort Solidarität hat nicht nur im Kleinen, wie z.B. in der Familie seine Bedeutung, sondern spielt in der Politik und auch in den Glaubensgemeinschaften eine große Rolle. Unter dem Begriff „Solidarität“ hat sich in der Welt sicher vieles zum Besseren gewandelt. Sozial- und Krankenversicherungen oder die Aufforderung, in den christlichen Kirchen mit dem Nächsten „solidarisch“ zu sein, sind Beweise dafür. In letzter Zeit beobachte ich allerdings, dass dieser Begriff immer mehr missbraucht wird. Vor allem dann, wenn es darum geht bei Fehlverhalten „Solidarität“ einzufordern. Auch wenn das Solidaritätsprinzip besagt, auf andere Rücksicht zu nehmen, heißt das nicht zu schweigen, wo Ungerechtigkeit an das Tageslicht rückt. Ich sehe es als nicht solidarisch an, wenn Kinder mutwillig öffentliche Dinge ruinieren und diese von Eltern noch gedeckt werden. Ich sehe es nicht als solidarisch an, wenn Politik- und Kirchenvertreter schändliches Verhalten mit dem Begriff „da muss man ja jetzt solidarisch sein“ rechtfertigen wollen. Solidarität verdienen die Menschen, die im positiven Sinn füreinander eintreten, sich gegenseitig helfen und dabei nicht nur sich sondern auch die Gesamtheit der Menschen sehen.

 

 

 

Samstag, 28. Mai 2011

Kompetent Leben

Im Schulbereich erlebe ich gerade die Entdeckung des kompetenzorientierten Lernens. Das, was in den letzten 100 Jahren an Bildung verloren gegangen ist, wird wieder gesucht. Nicht bloßer Wissenserwerb, sondern die Anwendung von dem Wissen, um in realen Lebens- und Berufssituationen handlungsfähig zu sein, ist wieder gefragt. Das finde ich gut, da das Lernen wieder lebensnäher wird. Die Diskussion verläuft leider sehr berufsbezogen und man meint weitläufig das Handeln im Beruf. Mir kommt die „Lebenskompetenz“ zu kurz. Damit meine ich, dass man sich selbst kennt und mag, dass man sich in andere Menschen einfühlen kann, dass man kritisch und kreativ denkt, durchdachte Entscheidungen trifft, erfolgreich im privaten Bereich Probleme löst und Gefühle und Stress bewältigen kann. Das klingt vielleicht nach Überforderung. Ich will aber nicht nur im beruflichen Bereich kompetent sein, sondern auch im privaten Leben. Das gelingt mir, wenn ich das Leben lebe - indem ich ausspanne, mich gehen lasse, mich zurücklehne und in Ruhe ein Buch lese, mich ganz einfach den Dingen widme, die mir Freude machen. Meine berufliche Kompetenz kommt dann am besten zum Tragen, wenn meine Batterie mit Lebenskompetenz gefüllt ist und ich dort meine Energie in kleinen Mengen abgeben kann.