Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 


von Pfarrer Janez Tratar, Eberndorf, Kärnten

 

 

Sonntag, 29. Mai 2011

Eine meiner Standardfragen bei der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe oder Taufe lautet: “Wer ist für dich die wichtigste Person auf dieser Welt? Wen musst du zuerst achten?“  Junge Eltern sagen: „Natürlich unser Baby.“ Verlobte meinen: “Mein Schatz.“ Andere sagen: „Meine Freundin – mein Vater – Gott.“

Sie sind sehr erstaunt, wenn ich ihnen als Priester sage: „Die wichtigste Person bist du selbst. Denn nur dann, wenn du dich achtest und liebst, bist du fähig, andere  oder Gott zu achten. Wenn du zu dir gut bist, wirst du gut zum Partner und zum Kind sein.  Zuerst sollst du dich als Geschenk Gottes annehmen, der dich durch die Eltern zur Welt gebracht hat.“ Sonst ist man versucht, sich die Liebe der Menschen oder die Liebe Gottes durch Bravsein und Hilfsbereitschaft zu erkaufen. Dahinter aber steckt nicht Güte, sondern Angst vor Ablehnung oder andere zu enttäuschen.  Deshalb sagt Jesus: „Was nützt es, wenn du alles hast, aber dich selbst liebst du nicht?“ Es gibt Menschen, die lieben ihren Reichtum, ihr Aussehen, ihren Erfolg, ihre Gesundheit, ihr Ansehen, aber nicht sich selbst. Sobald sie etwas davon verlieren, sind sie verloren. Deshalb sagt Jesus zu uns: „Ich lass euch nicht als Waisen zurück. Ihr seid für mich sehr wertvoll. Ich gebe euch meinen Heiligen und heilenden Geist, damit ihr euren Wert, euer Ziel und eure Berufung erkennt.“

 

 

 

Montag, 30. Mai 2011

Die Arbeit soll den Menschen entfalten und erfüllen. Und viele freuen sich an der Arbeit und sind dafür dankbar. Es gibt aber auch Menschen, die mit Angst zur Firma und mit Magengeschwüren nach Hause fahren. Manchmal ist die Ursache dafür der Leistungsdruck und die Anforderungen, nicht selten aber ist es das unmenschliche Klima, das dort die Menschen krank macht.

Ich habe von einem Unternehmer selbst gehört, der 2x mit seiner Firma erfolgreich gescheitert ist, das heißt, er ist dadurch gescheiter geworden. Daraus hat er gelernt. Nicht das schnelle Geld und nicht der Profit stehen im Mittelpunkt der Arbeit, sondern der Mensch als Arbeiter. Der Mitarbeiter ist der Mittelpunkt der Firma – und nicht das Mittel. Punkt.

Seine Firma entwickelte sich danach deshalb gut, weil der Arbeiter als Mensch so behandelt wurde, wie der beste Kunde. Der respektierte und glückliche Mitarbeiter ist die beste Werbung der Firma. Er gibt an die Kunden das weiter, was er vom Chef bekommt: Respekt. Diese Mitarbeiter setzen sich gerne für die Firma ein. Ein positiver Effekt: Es gibt weniger Krankenstand. Ich lade sie ein, wenn sie jetzt als Chef zur Arbeit fahren, dass sie in Gedanken mit mir mitbeten: „Gott, du hast mir in meiner Firma Menschen anvertraut. Lass mich die Arbeiter gut behandeln und menschlich korrigieren.“ Und als Arbeiter können sie beten: „Gott! Danke für meinen Job. Hilf mir, gute Arbeit zu leisten und menschlich miteinander umzugehen. Segne meinen Arbeitsplatz.“

 

 

 

Dienstag, 31. Mai 2011

Ein Kind ist der größte Schatz der Menschheit. Das Kind ist ein Beweis, dass Gott existiert. Ein Kind ist völlig hilflos, es ist gänzlich von der Sorge und Liebe der Eltern abhängig. Gerade deshalb hat es eine große Anziehungskraft. Es braucht zu Essen, es braucht Kleider. Später nimmt es ganz selbstverständlich das Brot von deinem Tisch, nimmt Kleider aus dem Schrank, verlangt von dir Geld, und wohnt im Haus mietfrei. Noch später wird das Kind Erbe deines Vermögens sein.

Sieht man die Sache richtig, ist das Kind für die Eltern ein Segen, aber auch für die Verwandten und Freunde. Von schwangeren Frauen sagt man: „Sie sind in gesegnetem Zustand.“ Bei der Geburt sind Eltern tief ergriffen von dem neuen Leben. Das Leben dreht sich um das zarte Wesen, das Liebe und Zärtlichkeit braucht, aber auch zurückgibt. Ein Lächeln, die Liebkosung eines Kindes, lässt sich mit nichts in der Welt bezahlen. Das Kind kann dich umarmen, es läuft dir entgegen, wenn du nach Hause kommst, es schaut dir tief in die Augen und stellt Fragen. Es macht dir Geschenke, lernt deine Sprache, und kann dich in schweren Stunden vor falschen Schritten bewahren. Schön, wenn du erkennst, dass es von Anfang an ein ganzer Mensch ist, weil es eine Seele hat, die Gott ihm gab. Und du bist der Gärtner dieser Seele.

Das Schönste ist, wenn du erkennen darfst, dass Gott selbst durch dein Kind zu dir ins Haus kam. Du bewirtest, pflegst und liebst Gott im Kind.

 


 

Mittwoch, 01. Juni 2011

Es gab Zeiten, da wollte ich leben wie Franz von Assisi, musizieren wie Slavko Avsenik und Fußballspielen, wie Johann Cryff. Ich versuchte diese Größen zu kopieren – es ging daneben. Schmerzlich musste ich lernen, ich selbst zu werden. Natürlich kann man von anderen Menschen viel lernen, aber sie sind Vorbilder, die motivieren und nicht Idole, die man bis in die Kleidung hinein nachahmt.

Jeder Mensch ist einzigartig. Mein Leben ist keine Wiederholung eines anderen und auch keine Reinkarnation. Gott der Schöpfer ist unendlich kreativ. Meine Aufgabe besteht darin, das zu werden, was ich seit meiner Zeugung bin, bis zum letzten Atemzug. Ich bin kein Zufall, sondern  eine von Gott bewusst gewählte Person, mit eigener Identität, mit eigener Begabung und eigenem Ziel. Niemand hat mein Aussehen, meine Augen, meine Stimme und meinen Fingerabdruck, mein Genom. Niemand denkt, fühlt, freut und arbeitet so wie ich. Ich bin ein Original.

Ein Original zu werden heißt aber auch, den eigenen Weg zu gehen, Leid und Kampf zu bestehen. Während der eine leicht zum Erfolg kommt, muss sich der andere täglich quälen. Während der eine gesund ist, wird der andere von einer Krankheit geplagt. Dem einen geht alles von der Hand, der andere lebt von der Hand in den Mund. Wichtig ist zu wissen: Ein Original wird man nicht durch das, was man besitzt, sondern durch das, was mich zum Menschen macht. Haben wir also den Mut, das zu werden, was wir schon sind: Ein Original Gottes. 

 

 

 

Donnerstag,  02. Juni 2011

Ich kenne einen sympathischen jungen Mann, der eine  hübsche, liebevolle Freundin hatte. Nach einigen Monaten war die Beziehung beendet. Ich fragte ihn nach dem Grund der Trennung, und er gab mir zur Antwort: „Sie war sehr nett, aber sie hat geklammert. Ständig sollte ich bei ihr sein. Wenn ich fortging, fragte sie am Handy: ‚Wo bleibst du so lange?‘ Ich konnte das nicht mehr ertragen.“

Einer der Gründe, warum heute die Partnerschaften zerreißen, ist die Tatsache, dass junge Menschen zu früh, zu wenig selbstständig und zu wenig ausgereift, in Beziehungen gehen. Sie sind mit ihrem Leben nicht zufrieden und erwarten das Glück  vom anderen. Sie haben Idealvorstellungen und hohe Erwartungen an den Partner. Wie kann man sich an jemanden anlehnen, der selber schwächer ist, als man selbst? Wenn es nicht klappt, kommt man zum Schluss: Es war nicht der – oder die Richtige. In Wirklichkeit ist nur die Schwäche und Unreife sichtbar geworden.

In die Ehe geht man nicht deshalb, um glücklich zu werden, umgekehrt: WEIL man mit dem eigenen Leben glücklich ist, bindet man sich freiwillig an die geliebte Person. Deshalb ist die Ehe ein Bund zweier eigenständiger Menschen. Beide sind stark und können auch allein gut leben. Sie schließen die Ehe, damit sie einander bereichern und ergänzen. Und diesen Segen, dieses Glück teilen sie auch mit den Kindern.

Deshalb sagt ein Sprichwort: Eheleute können zusammen Kaffee trinken, aber jeder trinkt aus seiner Schale.

 

 

 

Freitag, 03. Juni 2011

Es war vor 15 Jahren. Mir versagte die Stimme. Ich war in medizinischer Behandlung und danach war ich für sechs Monate in einem Kloster zur Genesung. Der Abt des Klosters hat mir gezeigt, dass es tiefere Ursachen für meine Krankheit gab. Nicht nur die Stimme war geschwächt, auch in meinem Leben war manches nicht stimmig. Ich war innerlich mutlos, enttäuscht und verletzt. Pater Johannes sagte mir ein Wort fürs Leben: “Wenn Du im Inneren Ruhe findest, wird auch mit den Menschen draußen alles in Ordnung kommen.“ So lebte ich in der Stille des Klosters, half bei der Arbeit.  Es kam, wie der Pater gesagt hatte: Die Konflikte wurden beigelegt. Meine Stimme kehrte zurück, wie man hört. Gott sei Dank. Daraus habe ich wichtige Erkenntnisse gewonnen.

Triff keine Entscheidungen, wenn du selber keinen Frieden hast. Ich kann nicht Frieden stiften, wenn ich zerrissen bin. Und hier ist mir das Gebet eine große Hilfe, weil Gott Raum bekommt. An zweiter Stelle sind jene Menschen, mit denen ich das Leben täglich teile. Für die Eheleute ist dies der Partner. Ihnen gilt zuerst meine Dankbarkeit, Wertschätzung, Zeit und die Offenheit. Ich kann eine Pfarre nicht leiten, wenn im Pfarrhof Krieg ist, ebenso stärken Eltern am meisten ihr Kind, wenn sie die Einheit leben. Erst an dritter Stelle sind die Kinder. Natürlich gibt man den Kindern viel Zeit und Zuwendung. Aber sie dürfen den Partner nicht von seinem Platz verdrängen. Kinder werden das Haus verlassen und ihr eigenes Leben gestalten, der Partner wird und soll bleiben. An vierter Stelle der Prioritäten ist die Arbeit. Und zuletzt das Hobby.

Wird diese wertvolle Ordnung nicht eingehalten, entsteht großer Schaden in der Familie oder Gemeinschaft, oft über Generationen. Ich wünsche ihnen: Leben sie ihr Leben, das Gott ihnen ans Herz gelegt hat. 

 


 

Samstag, 04. Juni 2011

In der Genesis steht der Satz: “Gott nahm aus der Seite des Mannes eine Rippe,

verschloss sie mit Fleisch und führte sie dem Mann als Gehilfin (Ergänzung) zu.

Diese symbolische Handlung Gottes hat eine tiefe Aussage für das Verständnis von Mann und Frau. Gott nahm die Frau nicht aus dem Fuß und nicht aus dem Kopf, denn sie ist weder seine Sklavin, noch seine Herrin. Er nahm sie aus der Seite des Mannes, wo sein Herz schlägt. Sie ist Teil seines Herzens, gleich wert. Das heißt aber auch für den Mann, dass er die größte Entfaltung und Erfüllung  seiner  Menschlichkeit nicht in der Arbeit, Geld, Leistung oder  Erfolg findet, sondern in der Beziehung zur Frau.

Mehrere Männer haben mir nach einer zerbrochen Ehe gesagt: „Ich habe nur die Arbeit gesehen und hatte für die Frau und Familie keine Zeit.“ 

Der biblische Name für den Mann heißt Adam und bedeutet „rote Erde“. Das will sagen: Der Mann hat eine Vorliebe für das Irdische, für die reale Welt, für die Arbeit und Leistung. 

Das Wort Eva bedeutet Leben. Ihre Kraft liegt darin, Leben zu empfangen, Leben zu schenken und zu behüten. Das ist ihre Stärke. Man sagt, dass die seelische Konstitution der Frau mehr auf ihr Persönliches, auf ihr Inneres, auf das geistige Leben ausgerichtet ist, während der Mann mehr für das Äußere, reale Umfeld  Interesse zeigt. Deshalb sagt man: Der Mann sieht das Leben durch den Verstand, die Frau mehr durch das Herz. Dieser Satz ist etwas einseitig, will aber sagen: Wie Herz und Vernunft zusammengehören – so sollen Mann und Frau in der Ehe einander ergänzen:  EINS –WERDEN.