Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 


von Msgr. Ernst Pöschl (Eisenstadt)

 

 

Sonntag, 14.8.2011

Wer vom Fußball begeistert ist, kann sich folgende Situation vorstellen: Für die eigene Mannschaft geht es um ein Entscheidungsspiel. Und nun führt sie fünf Minuten vor Schluss mit einem Vorsprung von 10 Toren. Dieses Spiel ist auf jeden Fall gewonnen. So viele Tore sind in der kurzen Zeit nicht mehr aufzuholen. Ein Jubel bricht unter den Anhängern der siegreichen Mannschaft aus.

Eine solche Situation erinnerte mich an einen Satz aus dem Römerbrief (12,12): Seid fröhlich in der Hoffnung. Natürlich ist das Spiel noch nicht beendet. Die Hoffnung wird aber mit jeder Sekunde mehr zur Gewissheit, dass das Spiel entschieden ist.

Am Beginn eines Tages, der so manche Probleme bringen konnte, habe ich mir diese Worte des Apostels Paulus gesagt. Ich darf hoffen, weil durch die Auferstehung Jesu alles entschieden ist. Der Tag, der vor mir liegt, kann so manche Schwierigkeiten bringen. Wenn ich den Vergleich vom Fußballspiel noch einmal aufgreife: Es kann auch noch den einen oder den anderen Gegentreffer geben. Entscheidend ist aber: Das Spiel ist bereits gelaufen. In dieser Hoffnung dürfen wir leben. Das ist der Grund meiner Freude, auch im Leid.

 

 

 

Montag, 15.8.2011

Gleich nach meiner Kaplanszeit war ich Pfarrer in Eberau im südlichen Burgenland. Im Garten des Pfarrhofes gab es einen offenen Brunnen, aus dem ich für mich und andere immer wieder köstlich frisches Wasser geschöpft habe. Der Eimer war an einer Kette befestigt und wurde an einer Rolle langsam in die Tiefe gelassen. Dort füllte er sich, und man kurbelte ihn behutsam wieder herauf.

An diesen Brunnen hat mich der Satz erinnert, den ich auf einer Spruchkarte gelesen habe: Nimm das Gefäß des Vertrauens und schöpfe aus der Quelle des Lebens, nicht nur für dich, sondern für alle, denk auch dabei an alle anderen Menschen, besonders an jene, die der Güte Gottes misstrauen.

Da habe ich an das Rosenkranzgebet denken müssen. Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich als Jugendseelsorger Jugendlichen begegne, die mit Freude dieses Gebet beten.

Wenn ich das „Vater unser“ und das „Gegrüßet seist du Maria“ immer wiederholend bete, dann ist das für mich wie mit dem Eimer, den ich in die Tiefe hinunterlasse, um Wasser zu schöpfen. Wenn nun der Eimer durch meine Unachtsamkeit einmal nur viertelvoll zu mir gelangt ist, dann habe ich doch nicht aufgegeben. Beim nächsten Mal habe ich ihn halb gefüllt wieder bei mir gehabt.

So ist meine Freude über das wiederholende Gebet immer größer geworden.

 

 

 

Dienstag, 16.8.2011

Ein Konzert von etwa 200 jungen Menschen im Rahmen eines Musikwettbewerbs hat mich tief beeindruckt. Ich selbst hatte vor Jahren in einer Jugendkapelle Klarinette gespielt. So habe ich beim Zuhören die Augen geschlossen und versucht, genau dieses Instrument herauszuhören. Etwas schwieriger war es bei anderen Instrumenten. Ich habe den Dirigenten bewundert, der aus dem Dröhnen den Ton der zarten Flöte heraushörte. Er gab ein Zeichen, etwas lauter zu spielen, oder er gab zu verstehen, dass die Trompete etwas mehr im Hintergrund bleiben sollte.

Da habe ich an ein Wort aus einem Brief des Hl. Ignatius von Antiochien denken müssen: „Nehmt Gottes Melodie in euch auf!“

Mir ist bewusst geworden: Gott hat auch für mich eine Melodie. Sie ist aber sehr zart und leise, vor allem dann, wenn meine Ohren noch ungeübt sind, sie zu hören. So wie jemand zuerst lernen muss, seine Aufmerksamkeit auf die Flöte zu lenken, damit er sie aus dem Orchester heraushören kann.

Oft schon habe ich mir schon gedacht: So vieles in meinem habe ich geübt und erlernt.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, im Schweigen die Stimme Gottes hören zu lernen, damit ich sie auch während des Tages - aus dem Lärm heraus – hören kann.

 

 

 

Mittwoch, 17.8.2011

Ein Psychologe hat eine Liste unserer Sorgen zusammengestellt. An der Spitze stehen mit 40 Prozent Angst vor Ereignissen, die überhaupt nicht eintreffen. Furcht vor Dingen, die gar nicht passieren oder die ihren Schrecken verlieren, wenn man sie aus der Nähe betrachtet.

An zweiter Stelle stehen mit 30 Prozent Sorgen um lange zurückliegende Ereignisse. Man kann nichts mehr ändern daran, aber sie belasten uns sehr.

Es folgen noch etliche Prozentpunkte mit Sorgen von geringerer Bedeutung, aber wir machen sie nur noch viel größer.

Schließlich bleiben noch 8 Prozent. Die wirklich berechtigten Sorgen. Ich behaupte, nicht diese 8 Prozent bedrücken uns am meisten, sondern jene 92 Prozent, die unberechtigt sind. Sie nehmen uns die Lebensfreude. Vielleicht schon heute, jetzt am frühen Morgen. Wenn Sie an Dinge denken, mit denen Sie nicht fertig werden. Kein Wunder, dass wir da nicht die schönsten Ereignisse des Tages bemerken. Ich habe mich selber schon oft beobachtet, wenn mich meine Sorgen ganz beschäftigt haben. Ich habe dann das Lächeln, einen freundlichen Gruß von Menschen, die mir begegnet sind, gar nicht wahrgenommen. Eben weil ich so sehr mit mir beschäftigt war.

Im 1. Brief des Apostels Petrus werden wir eingeladen: „Werft alle Sorgen auf den Herrn, denn er kümmert sich um euch.“

 

 

 

Donnerstag, 18.8.2011

In einem Hafen am Meer liegen zwei Schiffe vor Anker. Beide bereit zur Ausfahrt.

Ich sehe darin ein Gleichnis für unser Leben. Für das eine Schiff sind viele Angebote versprochen worden. Auf mehreren Inseln wird man landen, viele Sehenswürdigkeiten wird man besuchen. An Bord des Schiffes wird es unterhaltsam sein. Die das Schiff besteigen, glauben aber, dass es am Ende der Reise untergeht. Dann ist alles zu Ende, dann wartet das Nichts. „Mit dem Tod ist alles aus“, sagen diese Menschen.

Die das andere Schiff besteigen, glauben auch daran, dass sie unterwegs viel Schönes erleben werden. Viele Überraschungen wird es geben. Am Ende der Fahrt aber werden sie ein neues Land erreichen, eine Heimat, nach der sie sich sehnen, in der sie ewig glücklich leben werden.

Für jene, die an ein versprochenes Land glauben, spielt der Unterschied, um welches Schiff es sich handelt, nur eine Nebenrolle. Als einer von ihnen sagt der Apostel Petrus. „Das Ziel eures Vertrauens ist eure Rettung. Wenn ihr euer Ziel erreicht habt, werdet ihr jubeln mit einer Freude, die niemand in Worte fassen kann.“ (1.Petr. 1/7)

Für welches Schiff entscheiden Sie sich? 

 

 

 

 

Freitag, 19.8.2011

Vom Ufer des Neusiedlersees aus habe ich in diesen Tagen Surfer beobachtet. Sie sind auf ihrem Brett gestanden – vor sich das Segel, das sie durch geschickte Bewegungen immer wieder vom Wind ergreifen lassen. Anfänger in dieser Sportart erkennt man daran, dass sie leicht das Gleichgewicht verlieren und ins Wasser fallen. Es scheint einleuchtend: Wenn der Wind rückwärts ordentlich in das Segel greifen kann, kommt man gut voran. Was aber, wenn Gegenwind herrscht? Mein Neffe, ein begeisterter Surfer, hat mir erklärt: „Das spielt auch keine Rolle! Das Segel muss in diesem Fall etwa im Winkel von 45 Grad dem Gegenwind entgegengehalten werden, und man kommt herrlich weiter.“

Der Surfer kann auch bei Gegenwind weiterkommen. Er muss sich nur darauf einstellen. Der Apostel Paulus, der in seinem Leben viel Schweres zu ertragen hatte, sagt aus seiner großen Erfahrung im Thessalonicherbrief: „Seid immer fröhlich. Lasst im Beten nicht nach. Dankt Gott in jeder Lebenslage.“

Es ist ja auch sonst im Leben so, wenn man etwas lernen will, muss man sich anstrengen und üben. Die kleinen Erfolge bringen Freude zum Weitermachen. Wenn es das erste Mal nicht recht gelingen will, erinnern wir uns an die Surfer, die auch immer wieder ins Wasser fallen, wenn sie das Gleichgewicht verlieren. Sie geben trotzdem nicht auf.

 

 

 

Samstag, 20.8.2011

An einem sternklaren Abend nütze ich die Gelegenheit zu einem Spaziergang. Ich versuche, die Sternbilder – soweit ich sie kenne – einander zuzuordnen. In der Helligkeit, im Funkeln – das weiß ich – unterscheiden sich die Sterne voneinander. Ich beginne zu zählen, verliere aber ganz schnell die Übersicht. Da erinnere ich mich daran, dass mit freiem Auge einige tausende Sterne zu zählen sind. Was bedeutet das aber, wenn allein unsere Milchstraße etwa 10 Milliarden Sonnen umfasst? Das aber ist erst der Anfang. Eine Milchstraße wie unsere ist als kleiner Nebel im Firmament auszunehmen. Milchstraßen wie diese gibt es aber, so sagen die Fachleute, etwa 10 Millionen. Und manche von ihnen sind viele Billionen Kilometer von uns entfernt. Das sind Zahlen, die uns beeindrucken.

Im Weitergehen kommt mir der Gedanke: Was ist eigentlich wirklich groß? Was bin ich – ein kleiner Mensch?

Im Psalm staunt der Beter: „Was ist der Mensch, dass Du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass Du dich seiner annimmst?“

Dieser Spaziergang hat mir ein wenig die Größe Gottes ahnen lassen. Milliarden von Sternen senden ihr Licht aus, seit Millionen von Jahren. Ganz gleich, ob wir kleinen Menschen dies zur Kenntnis nehmen oder nicht.