Ich liebe den Morgen. Ich liebe die
Zeit so ganz allein in der Früh. Mein sonntägliches Morgenritual
unterscheidet sich ein wenig vom Rest der Woche. Ich lese mir die
Tageslesungen durch, um mich auf die Messe vorzubereiten. Mit diesen
Worten im Kopf und vor allem im Herzen richte ich alles für das
Frühstück her, das wir nach der Messe so richtig ausgiebig genießen
werden. Ich freue mich auf unsere Dorfkirche, auf die treue
Gottesdienstgemeinde, auf das gemeinsame Beten und Singen und das
Hinhören auf das Wort Gottes, das heute sehr herausfordernd ist: Es
klingt so einfach, wenn es da heißt, wie wir miteinander umgehen
sollen, wenn einer schuldig wird: Zuerst allein mit ihm reden, wenn
das nicht hilft, die Gemeinde und erst dann, wenn alles versucht
ist, darf sich die Gemeinde auch von ihm distanzieren. Wenn wir das
nur immer so täten und nicht so oft mit anderen über den anderen
reden würden, statt mit ihm!
Damit ich dieses Wort Gottes befolgen
kann brauche ich Wandlung, täglich, immer und immer wieder…
Montag, 5.9.2011
Ich liebe den Morgen. Ich beginne mein
Werktagsritual, in dem ich nach Osten aus dem Fenster schaue und
Christus und auch diesen Tag mit einem Hymnus begrüße. Nach
Körperübungen zünde ich eine Kerze an und meditiere die
Schriftstellen des Tages.
Heute stellt Jesus einen Mann in die
Mitte und heilt ihn. Er tut es verbotenerweise an einem Sabbat. Ich
denke nach, wie oft ich mich traue, für einen Menschen Partei zu
ergreifen, wenn ich mir dadurch Ärger einhandle. Dabei sind die
Konsequenzen meines Handelns ja gar nicht so dramatisch wie bei
Jesus, dem dieses Tun den Todesbeschluss bringt. Und ich denke nach,
wovon ich geheilt werden möchte und was es mir bedeutet, wenn mich
jemand in die Mitte stellt und mir somit Aufmerksamkeit und
Heilsames schenkt. Ein halbe Stunde verweile ich beim Wort Gottes.
Heute schöpfe ich daraus Kraft für meinen ersten Arbeitstag nach dem
Urlaub. Schließlich versuche ich ja in meinem Beruf das Reich Gottes
zu verkünden.
Dienstag, 6.9.2011
Ich liebe den Morgen. In der heutigen
Tageslesung wählt Jesus seine Jünger aus. In meiner Morgenstille
denke ich an meine Arbeitskolleginnen und –kollegen und merke, wie
sehr ich mich auf sie freue. Am Beginn des Arbeitsjahres werden wir
wieder vieles gemeinsam entwickeln, vor allem die Aktionswoche
Offener Himmel. Wir werden uns um berührende Wege der Verkündigung
mühen, uns austauschen, einander Mut machen und uns gegenseitig
fordern.
Ich freue mich, dass ich so eine
schöne Arbeit habe. Ich denke an Menschen, die mit ihrer Arbeit
unzufrieden sind, ausgepowert oder gar arbeitslos.. Arbeit ist für
mich etwas ganz Zentrales: Sie fordert mich von außen, sie gibt
meinem Tag Struktur, ich erlebe Erfolg und Misserfolg. Ich spüre
mich als Teil eines großen Ganzen, zu dem ich meinen Beitrag leisten
kann. Ich erlebe, wie Menschen sich verändern, wenn sie gute Arbeit
finden oder überhaupt wieder Arbeit. Den Morgen mit Arbeit beginnen
zu dürfen ist natürlich auch manchmal mühsam, aber viel öfter ein
echtes Geschenk.
Mittwoch, 7.9.2011
Ich liebe den Morgen. Manchmal beendet
er eine Nacht, die schlecht war. Es ist unangenehm, wenn der Schlaf
nicht kommen will, oder unterbrochen wird. Dann beginnen die
Gedanken zu kreisen, vieles scheint grau und schwierig, manches
unlösbar. Der Morgen erlöst von dieser oft so fruchtlosen Sorge. Er
bietet in aller Frische an, es einfach anzupacken und manches, das
sich in der Nacht so dunkel angefühlt hat, ist bei Tag besehen
durchaus bewältigbar. Heute gibt mir die Hl. Schrift wohl das
Herzstück unseres Glaubens als Geschenk und Aufgabe mit. Die
Seligpreisungen. Dass die selig sind, die arm, hungrig, vertrieben,
verfolgt…Was für eine Herausforderung angesichts der
Schreckensbilder und Berichte an einen Gott zu glauben, der genau
diese Menschen seligpreist. Dann fallen mir alle Lebenskünstlerinnen
und -künstler ein, die mir in meiner Arbeit täglich begegnen und die
das Leben oft viel mehr genießen können, als wir so genannten
Erfolgreichen. Dann weiß ich wieder, dass ich mich nicht so viel
sorgen muss, sondern dem Leben trauen darf.
Donnerstag, 8.9.2011
Ich liebe den Morgen. Ich freue mich
auf die Menschen, die ich seelsorglich begleiten darf. Da sind auch
Marias darunter, die heute Namenstag feiern. Ich freue mich, wenn
sie von ihrem Leben erzählen, den Höhen und Tiefen. Ich denke mit
ihnen nach, wie sie ihr Leben gestalten können, damit sie ihr Leben
als Leben in Fülle erleben. Viele suchen einen Rahmen für den Tag,
Zeiten und Orte der Stille, in denen sie ganz bei sich sein können.
Da braucht jeder etwas anderes für die jeweilige Lebenssituation.
Pensionisten haben einen anderen Spielraum als Menschen mit kleinen
Kindern. Diese Suche nach einem guten Leben zu begleiten berührt
mich sehr. Menschen, die sich darauf einlassen, spüren plötzlich,
dass die tägliche Pflege ihres Glaubens zum täglichen Brot werden
kann. So bekommt die Vater-unser-Bitte etwas ganz gut Erfahrbares.
Manche sind dann zutiefst erstaunt,
dass das „Glauben“ tatsächlich etwas bewirkt.
Staunend stehen sie dann oft vor dem
langsamen Wandel ihres Lebens zu neuer Lebensfreude, Selbstliebe und
Zuversicht.
Freitag, 9.9.2011
Ich liebe den Morgen. Heute darf ich
Menschen kennen lernen, die in einem Lehrgang mehr über ihre
Spiritualität erfahren wollen. Ich gehe in einem dieser Module mit
ihnen der Frage nach, wie die Erfahrung des Leidens mit dem Glauben
an einen guten Gott zusammengeht.
Dabei wird uns die alttestamentliche
Gestalt des Hiob begleiten. Ein Mann, der sehr gläubig war, den aber
furchtbare Schicksalsschläge so getroffen haben, dass ihn sein
bisheriger Glaube nicht mehr trägt. Die Erklärungen: Leiden ist
Strafe Gottes, Leid ist Prüfung, Gott ist eben unergründlich,
genügen ihm nicht. Er findet sich nicht ab mit einem Gott als
Richter, Lehrer oder willkürlichem Tyrannen. Er flucht und fleht so
lange zu seinem Gott, den er immer als gut für ihn geglaubt hat, bis
er Gott endlich selber erfahren kann, ein Gott, der ihm in seinem
Elend begegnet. Keine rationale Erklärung wird ihm zur Antwort,
keine geistige Erklärung, sondern ein Spüren: Gott ist da. Diesem
Geheimnis unseres Glaubens darf ich mit diesen so engagierten
Christen und Christinnen nachspüren.
Samstag, 10.9.2011
Ich liebe den Morgen. Heute habe ich
ritualfrei. Ich begrüße Jesus mit einem flotten Danke und Guten
Morgen. Ich breche bewusst ein Mal in der Woche mit meinem Ritual,
damit es mir kostbar bleibt. Ich widme mich den sogenannten
weltlichen Dingen des Lebens. Ich freue mich, ausführlich für meine
Familie, und noch lieber, auch noch für Gäste kochen zu dürfen. Ich
beginne zu rühren und schneiden. Der Umgang mit Lebensmitteln ist
für mich so heilig wie tägliche Stille. Ich löse immer viel
Gelächter aus, wenn ich von der Spiritualität des Gulaschkochens
rede. Dabei ist das sinnlich und meditativ. Es braucht Zeit, duftet,
es bestimmt selbst, wie lange es braucht, es nährt und stärkt und
ist ein Genuss für die Sinne. Mir fallen die Gleichnisse ein, in
denen Gott uns wie ein guter Gastgeber zu einem himmlischen Gastmahl
einlädt. Ich bin sicher, dass meine ökumenische Kollegin recht hat,
wenn sie sagt: Gott kocht. An freien Tagen kann ich spüren, wie viel
Himmel auf Erden im Bereiten und Teilen von Essen liegt.