Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Mag.Gabi Treschnitzer (Salzburg)

 

 

Sonntag, 4.9.2011

Ich liebe den Morgen. Ich liebe die Zeit so ganz allein in der Früh. Mein sonntägliches Morgenritual unterscheidet sich ein wenig vom Rest der Woche. Ich lese mir die Tageslesungen durch, um mich auf die Messe vorzubereiten. Mit diesen Worten im Kopf und vor allem im Herzen richte ich alles für das Frühstück her, das wir nach der Messe so richtig ausgiebig genießen werden. Ich freue mich auf unsere Dorfkirche, auf die treue Gottesdienstgemeinde, auf das gemeinsame Beten und Singen und das Hinhören auf das Wort Gottes, das heute sehr herausfordernd ist: Es klingt so einfach, wenn es da heißt, wie wir miteinander umgehen sollen, wenn einer schuldig wird: Zuerst allein mit ihm reden, wenn das nicht hilft, die Gemeinde und erst dann, wenn alles versucht ist, darf sich die Gemeinde auch von ihm distanzieren. Wenn wir das nur immer so täten und nicht so oft mit anderen über den anderen reden würden, statt mit ihm!

Damit ich dieses Wort Gottes befolgen kann brauche ich Wandlung, täglich, immer und immer wieder…

 

 

 

Montag, 5.9.2011

Ich liebe den Morgen. Ich beginne mein Werktagsritual, in dem ich nach Osten aus dem Fenster schaue und Christus und auch diesen Tag mit einem Hymnus begrüße. Nach Körperübungen zünde ich eine Kerze an und meditiere die Schriftstellen des Tages.

Heute stellt Jesus einen Mann in die Mitte und heilt ihn. Er tut es verbotenerweise an einem Sabbat. Ich denke nach, wie oft ich mich traue, für einen Menschen Partei zu ergreifen, wenn ich mir dadurch Ärger einhandle. Dabei sind die Konsequenzen meines Handelns ja gar nicht so dramatisch wie bei Jesus, dem dieses Tun den Todesbeschluss bringt. Und ich denke nach, wovon ich geheilt werden möchte und was es mir bedeutet, wenn mich jemand in die Mitte stellt und mir somit Aufmerksamkeit und Heilsames schenkt. Ein halbe Stunde verweile ich beim Wort Gottes. Heute schöpfe ich daraus Kraft für meinen ersten Arbeitstag nach dem Urlaub. Schließlich versuche ich ja in meinem Beruf das Reich Gottes zu verkünden.

 

 

 

Dienstag, 6.9.2011

Ich liebe den Morgen. In der heutigen Tageslesung wählt Jesus seine Jünger aus. In meiner Morgenstille denke ich an meine Arbeitskolleginnen und –kollegen und merke, wie sehr ich mich auf sie freue. Am Beginn des Arbeitsjahres werden wir wieder vieles gemeinsam entwickeln, vor allem die Aktionswoche Offener Himmel. Wir werden uns um berührende Wege der Verkündigung mühen, uns austauschen, einander Mut machen und uns gegenseitig fordern.

Ich freue mich, dass ich so eine schöne Arbeit habe. Ich denke an Menschen, die mit ihrer Arbeit unzufrieden sind, ausgepowert oder gar arbeitslos.. Arbeit ist für mich etwas ganz Zentrales: Sie fordert mich von außen, sie gibt meinem Tag Struktur, ich erlebe Erfolg und Misserfolg. Ich spüre mich als Teil eines großen Ganzen, zu dem ich meinen Beitrag leisten kann. Ich erlebe, wie Menschen sich verändern, wenn sie gute Arbeit finden oder überhaupt wieder Arbeit. Den Morgen mit Arbeit beginnen zu dürfen ist natürlich auch manchmal mühsam, aber viel öfter ein echtes Geschenk.

 

 

 

Mittwoch, 7.9.2011

Ich liebe den Morgen. Manchmal beendet er eine Nacht, die schlecht war. Es ist unangenehm, wenn der Schlaf nicht kommen will, oder unterbrochen wird. Dann beginnen die Gedanken zu kreisen, vieles scheint grau und schwierig, manches unlösbar. Der Morgen erlöst von dieser oft so fruchtlosen Sorge. Er bietet in aller Frische an, es einfach anzupacken und manches, das sich in der Nacht so dunkel angefühlt hat, ist bei Tag besehen durchaus bewältigbar. Heute gibt mir die Hl. Schrift wohl das Herzstück unseres Glaubens als Geschenk und Aufgabe mit. Die Seligpreisungen. Dass die selig sind, die arm, hungrig, vertrieben, verfolgt…Was für eine Herausforderung angesichts der Schreckensbilder und Berichte an einen Gott zu glauben, der genau diese Menschen seligpreist. Dann fallen mir alle Lebenskünstlerinnen und -künstler ein, die mir in meiner Arbeit täglich begegnen und die das Leben oft viel mehr genießen können, als wir so genannten Erfolgreichen. Dann weiß ich wieder, dass ich mich nicht so viel sorgen muss, sondern dem Leben trauen darf.

 

 

 

Donnerstag, 8.9.2011

Ich liebe den Morgen. Ich freue mich auf die Menschen, die ich seelsorglich begleiten darf. Da sind auch Marias darunter, die heute Namenstag feiern. Ich freue mich, wenn sie von ihrem Leben erzählen, den Höhen und Tiefen. Ich denke mit ihnen nach, wie sie ihr Leben gestalten können, damit sie ihr Leben als Leben in Fülle erleben. Viele suchen einen Rahmen für den Tag, Zeiten und Orte der Stille, in denen sie ganz bei sich sein können. Da braucht jeder etwas anderes für die jeweilige Lebenssituation. Pensionisten haben einen anderen Spielraum als Menschen mit kleinen Kindern. Diese Suche nach einem guten Leben zu begleiten berührt mich sehr. Menschen, die sich darauf einlassen, spüren plötzlich, dass die tägliche Pflege ihres Glaubens zum täglichen Brot werden kann. So bekommt die Vater-unser-Bitte etwas ganz gut Erfahrbares.

Manche sind dann zutiefst erstaunt, dass das „Glauben“ tatsächlich etwas bewirkt.

Staunend stehen sie dann oft vor dem langsamen Wandel ihres Lebens zu neuer Lebensfreude, Selbstliebe und Zuversicht.

 

 

 

Freitag, 9.9.2011

Ich liebe den Morgen. Heute darf ich Menschen kennen lernen, die in einem Lehrgang mehr über ihre Spiritualität erfahren wollen. Ich gehe in einem dieser Module mit ihnen der Frage nach, wie die Erfahrung des Leidens mit dem Glauben an einen guten Gott zusammengeht.

Dabei wird uns die alttestamentliche Gestalt des Hiob begleiten. Ein Mann, der sehr gläubig war, den aber furchtbare Schicksalsschläge so getroffen haben, dass ihn sein bisheriger Glaube nicht mehr trägt. Die Erklärungen: Leiden ist Strafe Gottes, Leid ist Prüfung, Gott ist eben unergründlich, genügen ihm nicht. Er findet sich nicht ab mit einem Gott als Richter, Lehrer oder willkürlichem Tyrannen. Er flucht und fleht so lange zu seinem Gott, den er immer als gut für ihn geglaubt hat, bis er Gott endlich selber erfahren kann, ein Gott, der ihm in seinem Elend begegnet. Keine rationale Erklärung wird ihm zur Antwort, keine geistige Erklärung, sondern ein Spüren: Gott ist da. Diesem Geheimnis unseres Glaubens darf ich mit diesen so engagierten Christen und Christinnen nachspüren.

 

 

 

Samstag, 10.9.2011

Ich liebe den Morgen. Heute habe ich ritualfrei. Ich begrüße Jesus mit einem flotten Danke und Guten Morgen. Ich breche bewusst ein Mal in der Woche mit meinem Ritual, damit es mir kostbar bleibt. Ich widme mich den sogenannten weltlichen Dingen des Lebens. Ich freue mich, ausführlich für meine Familie, und noch lieber, auch noch für Gäste kochen zu dürfen. Ich beginne zu rühren und schneiden. Der Umgang mit Lebensmitteln ist für mich so heilig wie tägliche Stille. Ich löse immer viel Gelächter aus, wenn ich von der Spiritualität des Gulaschkochens rede. Dabei ist das sinnlich und meditativ. Es braucht Zeit, duftet, es bestimmt selbst, wie lange es braucht,  es nährt und stärkt und ist ein Genuss für die Sinne. Mir fallen die Gleichnisse ein, in denen Gott uns wie ein guter Gastgeber zu einem himmlischen Gastmahl einlädt. Ich bin sicher, dass meine ökumenische Kollegin recht hat, wenn sie sagt: Gott kocht. An freien Tagen kann ich spüren, wie viel Himmel auf Erden im Bereiten und Teilen von Essen liegt.