Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden:“ (Sir 6,14) – Gedanken über die Freundschaft

von Mag. Tamara Strohmayer (Graz)

 

 

Sonntag, 02.10.2011

In einem bekannten Lied heißt es: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“ Wohl viele von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, kennen diesen Satz und können ihn auch bestätigen. Von klein auf haben Freundschaften in unserem Leben einen besonderen Wert. Wie stolz kommen Kinder oft schon an den ersten Tagen aus Kindergarten oder Schule nach Hause und berichten uns von ihrer besten Freundin oder dem besten Freund. Manche dieser Freundschaften halten nur kurz, manche aber ein Leben lang. Eines haben alle gemeinsam: Freunde kann man sich selbst nicht geben. Vielmehr werden sie uns geschenkt. In unerwarteten Augenblicken kreuzen Menschen unseren Weg und werden zu einem besonderen Teil unseres Lebens. Wer aber ist für Sie Freund und Freundin? Wer darf Sie so nennen? Vielleicht wäre gerade heute ein guter Tag, sich bei einem besonderen Menschen für seine Freundschaft zu bedanken.

 

 

 

Montag, 03.10.2011

Im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach heißt es: „Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf.“ Auch in meinem Leben wird mir immer mehr bewusst: Nicht die Zahl der Freundschaften macht es aus, als vielmehr deren Qualität. Gerade in schwierigen Zeiten oder in solchen der Krise zeigt sich, auf wen ich mich wirklich verlassen kann. Ein gut gemeinter Ratschlag oder aufmerksames Zuhören, ein befreiendes Miteinander – lachen können oder das einfache, stille Um – Einander - Wissen geben mir das Gefühl, nicht allein im Leben unterwegs zu sein. Oft sind es nur ein oder zwei Menschen, die für mich wie der angesprochene Schatz im Buch Jesus Sirach sind. Für sie bin ich Gott unendlich dankbar, denn: Was wäre mein Leben ohne sie?

 

 

 

Dienstag, 04.10.2011

Dem bekannten Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein wird der folgende Satz zugeschrieben: „Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzens kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast.“ Jemandem Freund zu sein heißt, einander einen Blick in unser Herz werfen zu lassen. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Wir werden einander nie zu Freunden werden, wenn einer nur gibt und der andere nur nimmt. In einer Freundschaft sind immer beide gefordert. Dass wir jemandem persönliche Dinge unseres Lebens erzählen, erfordert manchmal Mut von uns. Zu groß ist oft unsere Angst verletzt oder enttäuscht zu werden. Wer sich dem anderen mit-teilt, mit ihm oder ihr die ganz alltäglichen Freuden oder Sorgen teilt und von dem erzählt, was ihn ausmacht, merkt oft erst im Nachhinein: Eigentlich habe ich mehr zurückbekommen, als ich gegeben habe. Für den heutigen Tag wünsche ich Ihnen so einen Menschen, der sie an die Melodie ihres Herzens erinnert und ihnen daraus ein Stück vorspielt.

 

 

 

Mittwoch, 05.10.2011

!Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“ Mit diesen Worten richtet sich Jesus im 15. Kapitel des Johannesevangeliums an seine Jünger. Dieses Wort erstaunt mich immer wieder. Jesus nennt uns seine Freunde. Für mich schafft das eine Atmosphäre des Vertrauens und der Nähe. Es macht einen Schritt auf mich zu und mir damit das Glauben leichter. Das finde ich bemerkenswert an diesem Wort. Auch verlangt oder fordert Jesus überhaupt nichts von mir. Einfach so bietet er uns seine Freundschaft an. Wenn Freunde miteinander reden, begegnen sie sich auf Augenhöhe. Keiner ist dabei größer oder kleiner, wichtiger oder unwichtiger als der andere. In der Bibel gibt es unzählige Bilder, die das Miteinander von Gott und Mensch ausdrücken wollen. Das der Freundschaft ist wohl das Schönste für mich.

 

 

 

Donnerstag, 06.10.2011

Beim Lesen und Durchstöbern von Briefen und Erinnerungsstücken stoße ich auf folgenden Spruch: „Der beste Weg einen Freund zu haben ist der, selbst einer zu sein.“ Meine Gedanken gehen hin zu diesem Menschen, der mir diese Zeilen geschrieben hat. Was wohl aus ihm geworden ist? Mit ihm denke ich hin zu anderen Freunden und Weggefährten. Von einigen habe ich lange nichts gehört. Wenn wir uns jedoch wieder sehen, haben wir uns immer etwas zu sagen, auch wenn inzwischen viel Zeit vergangen ist. Zu einer anderen Person ist die Freundschaft in die Brüche gegangen. Meine Schuld oder die des anderen? Wer kann das schon im Nachhinein sagen? In diesem Moment wird mir bewusst: Die Freundschaft eines Menschen haben wir nicht ein für alle Mal. Jeder ist gefordert, seinen Teil beizutragen.

 

 

 

Freitag, 07.10.2011

Was ist ein Freund? Jemand hat es einmal so gesagt: „Ein Freund ist einer, der alles von dir weiß und dich trotzdem liebt.“ Wie gut tut es, um Menschen zu wissen, die zu uns halten? Menschen, die uns nicht verändern wollen, die uns ihre Freundschaft schenken trotz unserer Ecken und Kanten. Ich habe dabei das Gesicht einer Freundin vor Augen – immer könnte ich sie anrufen, auch spät in der Nacht. Im Laufe der Jahre haben wir schon manches gemeinsam durchgestanden, durchgetragen. Unsere Freundschaft besteht von Jugend an bis zum heutigen Tag. Unsere geteilte Freude ist oft doppelte Freude gewesen. Unsere geteilten Sorgen wogen nach einem Gespräch nur mehr halb so viel. Freundschaft braucht in unserem Leben ein Gesicht und einen konkreten Namen. Ich bin mir sicher: Im Leben eines jeden Menschen gibt es sie: Diese Freunde, die alles von uns wissen und uns gerade deshalb gern haben.

 

 

 

Samstag, 08.10.2011

Im Johannesevangelium lesen wir das berührende Wort Jesu: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Das Wort Jesu ist eine große Herausforderung.  Es lässt uns nicht in Ruhe. Es ist Anspruch und Feststellung zugleich. Aber: meint das auch uns? Sind nicht auch wir gefordert, unser Leben –  um mit dem Wort Jesu zu sprechen - für unsere Freunde zu geben? Und was kann das meinen? Sich Zeit nehmen füreinander zum Beispiel, - trotz und gerade weil der Terminkalender voll gefüllt ist – nicht immer der Stärkere sein wollen, sich selbst nicht so wichtig nehmen, etwas zu schenken, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten – das könnte Ausdruck unserer Freundschaft sein. Es meint: Ich gebe etwas von mir, etwas Persönliches als Geschenk für dich. Und auch wenn wir in eine Freundschaft viel investieren, ich bin überzeugt: Es gibt nur Gewinner auf beiden Seiten.