„Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen
findet, hat einen Schatz gefunden:“ (Sir 6,14) – Gedanken über die
Freundschaft
von Mag. Tamara Strohmayer (Graz)
Sonntag, 02.10.2011
In einem bekannten Lied heißt es: „Ein
Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der
Welt.“ Wohl viele von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, kennen
diesen Satz und können ihn auch bestätigen. Von klein auf haben
Freundschaften in unserem Leben einen besonderen Wert. Wie stolz
kommen Kinder oft schon an den ersten Tagen aus Kindergarten oder
Schule nach Hause und berichten uns von ihrer besten Freundin oder
dem besten Freund. Manche dieser Freundschaften halten nur kurz,
manche aber ein Leben lang. Eines haben alle gemeinsam: Freunde kann
man sich selbst nicht geben. Vielmehr werden sie uns geschenkt. In
unerwarteten Augenblicken kreuzen Menschen unseren Weg und werden zu
einem besonderen Teil unseres Lebens. Wer aber ist für Sie Freund
und Freundin? Wer darf Sie so nennen? Vielleicht wäre gerade heute
ein guter Tag, sich bei einem besonderen Menschen für seine
Freundschaft zu bedanken.
Montag, 03.10.2011
Im alttestamentlichen Buch Jesus
Sirach heißt es: „Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer
einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen
Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf.“ Auch in
meinem Leben wird mir immer mehr bewusst: Nicht die Zahl der
Freundschaften macht es aus, als vielmehr deren Qualität. Gerade in
schwierigen Zeiten oder in solchen der Krise zeigt sich, auf wen ich
mich wirklich verlassen kann. Ein gut gemeinter Ratschlag oder
aufmerksames Zuhören, ein befreiendes Miteinander – lachen können
oder das einfache, stille Um – Einander - Wissen geben mir das
Gefühl, nicht allein im Leben unterwegs zu sein. Oft sind es nur ein
oder zwei Menschen, die für mich wie der angesprochene Schatz im
Buch Jesus Sirach sind. Für sie bin ich Gott unendlich dankbar,
denn: Was wäre mein Leben ohne sie?
Dienstag, 04.10.2011
Dem bekannten Physiker und
Nobelpreisträger Albert Einstein wird der folgende Satz
zugeschrieben: „Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines
Herzens kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast.“
Jemandem Freund zu sein heißt, einander einen Blick in unser Herz
werfen zu lassen. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Wir werden
einander nie zu Freunden werden, wenn einer nur gibt und der andere
nur nimmt. In einer Freundschaft sind immer beide gefordert. Dass
wir jemandem persönliche Dinge unseres Lebens erzählen, erfordert
manchmal Mut von uns. Zu groß ist oft unsere Angst verletzt oder
enttäuscht zu werden. Wer sich dem anderen mit-teilt, mit ihm oder
ihr die ganz alltäglichen Freuden oder Sorgen teilt und von dem
erzählt, was ihn ausmacht, merkt oft erst im Nachhinein: Eigentlich
habe ich mehr zurückbekommen, als ich gegeben habe. Für den heutigen
Tag wünsche ich Ihnen so einen Menschen, der sie an die Melodie
ihres Herzens erinnert und ihnen daraus ein Stück vorspielt.
Mittwoch, 05.10.2011
!Ich nenne euch nicht mehr Knechte,
denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich
euch Freunde genannt.“ Mit diesen Worten richtet sich Jesus im 15.
Kapitel des Johannesevangeliums an seine Jünger. Dieses Wort
erstaunt mich immer wieder. Jesus nennt uns seine Freunde. Für mich
schafft das eine Atmosphäre des Vertrauens und der Nähe. Es macht
einen Schritt auf mich zu und mir damit das Glauben leichter. Das
finde ich bemerkenswert an diesem Wort. Auch verlangt oder fordert
Jesus überhaupt nichts von mir. Einfach so bietet er uns seine
Freundschaft an. Wenn Freunde miteinander reden, begegnen sie sich
auf Augenhöhe. Keiner ist dabei größer oder kleiner, wichtiger oder
unwichtiger als der andere. In der Bibel gibt es unzählige Bilder,
die das Miteinander von Gott und Mensch ausdrücken wollen. Das der
Freundschaft ist wohl das Schönste für mich.
Donnerstag, 06.10.2011
Beim Lesen und Durchstöbern von
Briefen und Erinnerungsstücken stoße ich auf folgenden Spruch: „Der
beste Weg einen Freund zu haben ist der, selbst einer zu sein.“
Meine Gedanken gehen hin zu diesem Menschen, der mir diese Zeilen
geschrieben hat. Was wohl aus ihm geworden ist? Mit ihm denke ich
hin zu anderen Freunden und Weggefährten. Von einigen habe ich lange
nichts gehört. Wenn wir uns jedoch wieder sehen, haben wir uns immer
etwas zu sagen, auch wenn inzwischen viel Zeit vergangen ist. Zu
einer anderen Person ist die Freundschaft in die Brüche gegangen.
Meine Schuld oder die des anderen? Wer kann das schon im Nachhinein
sagen? In diesem Moment wird mir bewusst: Die Freundschaft eines
Menschen haben wir nicht ein für alle Mal. Jeder ist gefordert,
seinen Teil beizutragen.
Freitag, 07.10.2011
Was ist ein Freund? Jemand hat es
einmal so gesagt: „Ein Freund ist einer, der alles von dir weiß und
dich trotzdem liebt.“ Wie gut tut es, um Menschen zu wissen, die zu
uns halten? Menschen, die uns nicht verändern wollen, die uns ihre
Freundschaft schenken trotz unserer Ecken und Kanten. Ich habe dabei
das Gesicht einer Freundin vor Augen – immer könnte ich sie anrufen,
auch spät in der Nacht. Im Laufe der Jahre haben wir schon manches
gemeinsam durchgestanden, durchgetragen. Unsere Freundschaft besteht
von Jugend an bis zum heutigen Tag. Unsere geteilte Freude ist oft
doppelte Freude gewesen. Unsere geteilten Sorgen wogen nach einem
Gespräch nur mehr halb so viel. Freundschaft braucht in unserem
Leben ein Gesicht und einen konkreten Namen. Ich bin mir sicher: Im
Leben eines jeden Menschen gibt es sie: Diese Freunde, die alles von
uns wissen und uns gerade deshalb gern haben.
Samstag, 08.10.2011
Im Johannesevangelium lesen wir das
berührende Wort Jesu: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer
sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Das Wort Jesu ist eine große
Herausforderung. Es lässt uns nicht in Ruhe. Es ist Anspruch und
Feststellung zugleich. Aber: meint das auch uns? Sind nicht auch wir
gefordert, unser Leben – um mit dem Wort Jesu zu sprechen - für
unsere Freunde zu geben? Und was kann das meinen? Sich Zeit nehmen
füreinander zum Beispiel, - trotz und gerade weil der Terminkalender
voll gefüllt ist – nicht immer der Stärkere sein wollen, sich selbst
nicht so wichtig nehmen, etwas zu schenken, ohne eine Gegenleistung
dafür zu erwarten – das könnte Ausdruck unserer Freundschaft sein.
Es meint: Ich gebe etwas von mir, etwas Persönliches als Geschenk
für dich. Und auch wenn wir in eine Freundschaft viel investieren,
ich bin überzeugt: Es gibt nur Gewinner auf beiden Seiten.