„Ohne Gott und Sonnenschein, holen wir die Ernte ein.“ Mit Slogans
dieser Art wollte man in der ehemaligen DDR Menschen von der
Absurdität des Glaubens überzeugen. Man wollte deutlich machen: Wenn
etwas Gutes geschieht, dann braucht es weder Beten noch Glauben oder
einen Herrgott. Da reichen Tatkraft, Maschinen und gute
Organisation.
Ein einzelner Pfarrer wollte die Propaganda zum Atheismus nicht
unwidersprochen lassen. Als die riesigen Kolchosemaschinen auf den
Feldern ausgefahren sind, um die Ernte einzubringen, ließ er auf
seinem Pferdefuhrwerk ein großes Schild anbringen mit den Worten:
„Ohne Regen, ohne Gott, geht die ganze Welt bankrott.“ Ein mutiger
Protest gegen autoritäre Meinungsmache von oben.
In der Zwischenzeit sind über 30 Jahre vergangen. Die riesigen
Kolchosemaschinen sind längst verrostet, die alten Slogans
verbraucht und die heutigen Landkarten kennen keinen Staat DDR mehr.
Heute wissen wir, wie zerbrechlich wirtschaftliche Konjunktur und
Wohlstand sein können.
In diesen Wochen werden landauf landab in den Kirchen
Erntedankgottesdienste gefeiert. Sie erinnern uns daran, aus wessen
Hand alle guten Gaben kommen. Sie erinnern uns, dass bei aller
Tatkraft nichts im Leben selbstverständlich ist und wem wir danken
dürfen.
Montag, 24. Oktober 2011
Eigentlich war Englisch Franziskas Lieblingsfach. Wie Sprachen
überhaupt. Sie konnte sich ausdrücken und hatte Spaß daran. Aber in
der ersten Stunde war überraschend ein Diktat angesagt und die
meisten Mitschüler, wie sie, wurden unsicher und kleinlaut. Ist es
richtig, was ich denke, ist es falsch? Hab ich recht hingehört?
Seltsam: in wenigen Augenblicken war das Selbstbewusstsein dahin.
Die Seiten waren von roten Korrekturen und Fehlerzeichen nur so
übersät, die Noten wurden schlechter und schlechter und Franziska
hat die Lust an Englisch nach und nach verloren.
Bis eine neue Lehrerin kam und in der ersten Stunde spielerisch die
lustigsten Lautmalereien veranstaltete. Richtig oder falsch war kein
Thema – es musste nur wie Englisch klingen. In Franziska wurde die
alte Lust an der Sprache wieder wach. Und als die Lehrerin sagte:
„Ihr dürft Fehler machen! Man lernt eine Sprache nur, wenn man sich
getraut und ausprobiert.“ Da war das Selbstbewusstsein wieder da und
mit ihm der Spaß, sich in der Sprache auszudrücken und zu versuchen.
Und welche Fortschritte die Schülerinnen in dieser Atmosphäre
plötzlich gemacht haben!
„Du darfst Fehler machen!“ Wie ermutigend kann so ein Satz doch
sein. Nicht nur in der Schule. Im Leben überhaupt. Und im Glauben.
Weil ich immer weiß, dass ich von Gott gehalten bin.
Dienstag, 25. Oktober 2011
Der schulische Alltag ist oft ziemlich anstrengend. Für Lehrpersonen
und Schüler gleichermaßen. Die ewigen Konflikte um Disziplin und
Verhalten, immer neue Vorgaben von der Schulbehörde, Notendruck und
Leistungsdenken. Dass gutes Lernen wesentlich mit Beziehung und
Vertrauen zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen zu tun
hat, das wird oft unterschätzt. Aber manchmal leuchtet es unvermutet
auf.
Ein Lehrerkollege erzählt mir letzthin von einer kleinen,
überraschenden Erfahrung in der ersten Schulstunde nach den Ferien.
Er war wegen eines Sonderprojekts zwei Jahre von der Schule
karrenziert gewesen. Und die kleinen Schülerinnen waren inzwischen
junge Damen geworden. Wie er die Klasse am ersten Schultag betritt,
stehen alle auf – und ein Mädchen sagt: „Herr Lehrer, sie wurden
erwartet!“ Eine schönere Begrüßung hat er sich nicht vorstellen
können.
Es freut sich jemand, wenn ich komme. Wo ich bin, werde ich
gebraucht. Und wenn ich nicht da bin, gehe ich irgendwie ab. „Sie
wurden erwartet!“
Wie sehr eine schöne Botschaft der Wertschätzung mitten im Alltag
doch anspornt und Mut geben kann.
Mittwoch, 26. Oktober 2011
Es war ein begeisterndes Konzert und ein begeisterndes Duo. Ein
virtuoser Umgang mit den Instrumenten, eine natürliche Stimme, die
Freude und Leidenschaft zugleich ausdrückt und eine Leichtigkeit,
die das Publikum mit nimmt auf eine Reise in faszinierende
Klangwelten der Stimmen und der Instrumente. Leise und berührend,
stark und mitreißend – ein Wechselbad der Begeisterung.
Und dann erzählen sie mitten drin, warum ihnen die Musik von Kind an
so viel bedeutet. „Singen und beten haben wir daheim gelernt“, sagen
sie und das Publikum ist ganz Ohr. „Das haben unsere Eltern mit uns
gemacht, noch bevor wir richtig sprechen konnten.“
Und es klingt zwischen den Zeilen so, als würden sie ihren Eltern
danke sagen für das, was sie an Liebe und Begeisterung in sie hinein
gepflanzt haben.
Es trägt Früchte, wenn wir Eltern auf natürliche Weise unseren
Kindern das weitergeben und vorleben, was uns wichtig ist. Ob Musik,
Lesen, Beten, Handwerken, Zeichnen – der Same wird gelegt und die
Saat geht auf.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Eine Gruppe beeinträchtigter Jugendlicher mit ihren Betreuern auf
dem Weg nach Wien. Freude und ausgelassene Stimmung, denn auf das
Konzert haben sie sich schon Monate lang gefreut, und auf die Reise
und die vielen neuen Eindrücke…
Aber wie sie dann in der Jugendherberge übernachten und am nächsten
Tag aufwachen, passiert etwas Trauriges: Sie kommen drauf, dass sie
bestohlen wurden. Alles Geld ist fort, Ausweise und das Wichtigste –
die Eintrittskarten zum ausverkauften Konzert. Man kann sich die
Enttäuschung der beeinträchtigten Jugendlichen kaum vorstellen.
Tränen ohne Ende.
Aber die Geschichte nimmt eine bewegende, glückliche Wendung. Als
die Betreuer den Diebstahl bei der Polizei melden, finden sie einen
echten Helfer, der ihnen zum Engel wird. Der Polizist nimmt die
Diebstahlsmeldung nicht nur auf und tut seine Pflicht, er sucht
Kontakt mit dem Veranstalter des Konzerts, schildert die Traurigkeit
der Jugendlichen und organisiert – zur überschwänglichen Freude für
alle - Ersatzkarten. Das Geld bleibt gestohlen, aber das Konzert
können sie besuchen und die Freude ist unbeschreibbar.
Es kann viel bewegen, wenn Menschen nicht nur ihre Pflicht tun,
sondern im Geist christlicher Nächstenliebe Gutes tun.
Freitag, 28. Oktober 2011
In Berlin hat man sich darüber köstlich amüsiert: Zwei Diebe sind in
ein Elektrowarengeschäft der Stadt eingebrochen und wurden auf
frischer Tat ertappt. Auf der Flucht haben sie alles getan, um ihren
Verfolgern möglichst schnell zu entkommen. Selbst eine drei Meter
hohe Mauer in einen Innenhof haben sie überwunden, und die Verfolger
hatten das Nachsehen. Das Problem war nur: Die Mauer, die sie
überwunden haben, war die Mauer zum Innenhof eines Gefängnisses. Als
die Häftlinge mit ihren Wärtern dort die Situation erkannt und die
Flüchtenden die ausweglose Lage begriffen haben, gab es im Gefängnis
schadenfrohes Gelächter und lange Beifallskundgebungen. Die
Einbrecher waren in ihrer kopflosen Hatz dort angekommen, wo sie
ihre Verfolger eigentlich haben wollten.
Für mich ist diese Geschichte irgendwie beispielhaft. Im
Wirtschaftleben sagt man uns, ohne Wachstum können wir unseren
Wohlstand nicht erhalten. Wir wachsen grenzenlos. Wir betonieren
Grünflächen zu, verbauen unberührte Natur, die unser Erholungsraum
sein sollte. Handys und Computer befreien uns zu unbegrenzter
Verfügbarkeit und unser Lebenstempo wird so rasant, dass sich manche
vorkommen wie die Diebe in der Geschichte: auf der Flucht – fragt
sich nur wovor und wohin.
Wer nicht am Ende im Gefängnis ankommen will, sollte auf das Wort
der Bibel achten: „Selig ist, wer Gott vertraut und sich bescheidet
mit dem, was er hat.“ (1.Tim 6,6)
Samstag, 29. Oktober 2011
Manche technischen Entwicklungen sind ja durchaus ein Segen und
erleichtern das Leben. GPS-Navigationssysteme zum Beispiel. Sie
helfen Ziele zu finden, wo man noch nie zuvor war. Durchaus
hilfreich, aber trotzdem sollte man den Hausverstand auch bei guten
technischen Hilfsmitteln nie ganz auf der Seite lassen.
Irgendwo in Tirol soll es passiert sein: Da hat ein Autofahrer ganz
der freundlichen Stimme seines Navigationssystems vertraut. Sie
wissen schon, das kluge Gerät, das exakt den kürzesten Weg
beschreibt, wenn man das Ziel eingibt.
Eben das hat unser Autofahrer getan und ist exakt dorthin gefahren,
wo das GPS es ihm angesagt hat. Zuerst war der Weg ja ganz
einleuchtend, aber dann war da ein Schild „Sackgasse“ und die Straße
wurde immer enger und enger. Und zu guter Letzt war die Straße so
eng, dass es weder ein Vor, noch ein Zurück gab. Das Auto war
stecken geblieben und musste von der Feuerwehr mühsam herausgezogen
werden.
In der Bibel findet sich das Psalmwort: „Der Herr ist meines Fußes
Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.“ Auch im Leben brauchen wir
manchmal Orientierungshilfen. Aber den Wegweisungen Gottes kann man
sich immer anvertrauen, sie führen nie in die Sackgasse.