von Kräuterpfarrer Benedikt (= Prior Benedikt Felsinger, Stift
Geras, NÖ)
Sonntag, 4.12.2011 / Der Kirschbaum
Am Rande des Weges nach Weihnachten
hin stehen Bäume. Gleich einer Allee möchten sie uns nicht alleine
lassen, sondern die Richtung weisen und unser Denken und Sinnen in
die Tiefe führen, damit wir nicht oberflächlich dahintreiben auf
einem Strom von Stimmungen und Gefühlen. Heute ist es der
Kirschbaum.
Gerade jetzt hat er rein äußerlich
nicht viel zu bieten. Er hat keinen Schmuck. Nur der Raureif schenkt
ihm gelegentlich eine weiße Hülle gleich einer Stickerei. Soll ich
daher weiterziehen?
Nein!
Ich bleibe und schneide mir ein paar
Äste ab. Ich bringe sie in mein Haus und berge sie in einer Vase mit
Wasser. Ich weiß, dass es die Hoffnung ist, die der Kirschbaum in
seinen Knospen trägt. Noch sehe ich die Blüte nicht; doch ich weiß,
dass er seiner Verwandten, der Rose, nacheifern wird, wenn er durch
Wärme stimuliert, zu Weihnachten seine weißen Blumen dem Stern an
der Krippe hinzufügt. In unserem Innern schlummert auch viel Gutes;
vielleicht mehr, als wir uns zutrauen.
Montag, 5.12.2011 / Die Föhre
Auf der Straße in Richtung Weihnachten
steht heute die Föhre, die man auch Kiefer nennt. Wenn ich in
unseren Stiftshof gehe, dann steht da eine wunderschöne
Schwarzföhre. Obwohl sie erst ca. 60 Jahre zählt, ist sie heute
schon ein mächtiger Baum. Sie streckt ihre langnadeligen Äste aus,
als würde sie diese zum Gebet erheben. Von meiner Empfindung her ist
die Föhre ein Baum voll Lebensfreude und Licht.
Dort, wo die Kiefer frei steht, bildet
sie eine charaktervolle Gestalt aus. Im Wald hingegen, in der
Gemeinschaft mit Ihresgleichen oder anderen Bäumen, wächst sie
bescheiden in die Höhe und liefert wertvolles Holz.
Die Kiefer bringt mir Licht und
Freude. Vor der Verwendung der Glühbirne war es der Kienspan, der
half, sich im Finstern zurechtzufinden. Vor Jahrmillionen
ausgeflossenes Föhrenharz wiederum ist heute wertvoller Bernstein,
der schmückt und heilt.
Der harzige Baum sagt mir heute:
Schaffe Bleibendes durch ein Leben, das für andere da ist!
Dienstag, 6.12.2011 / Die Rotbuche
Heute bleibe ich auf meinem Weg nach
Weihnachten hin wieder stehen und schau mir die Rotbuche an.
Edel ist ihre glatte, graue Rinde und
fein und zart die Ästchen, mit denen sie rund um ihre oft mächtige
Krone gleichsam den Himmel ertastet.
Der Frühling macht die Buche mit
zartgrünen Blättern zum Hoffnungsträger für Licht und Wärme. Im
Herbst hingegen zieht der Laubmantel der Buche alle Register von
Gelb-, Rot- und Brauntönen, bevor die Blätter zu Boden fallen und
darauf warten, fruchtbare Erde zu werden.
Jede Lebenszeit hat ihre eigene Farbe.
Alle dunklen und hellen Schattierungen gehören dazu und dürfen sein.
Viele wollen uns weismachen, dass allein die Farbe Rosarot zählt.
Doch die mütterliche Buche lehrt mich
etwas anderes. Im Leben ist jeder Tag wertvoll.
Meine Existenz ist eher wie ein Blatt
am Buchenbaum. Die Tage sind gezählt und irgendwann falle ich mit
einer Fülle von Lebensfarbe zur Erde.
Mittwoch, 7.12.2011 / Der Feigenbaum
Im Heiligen Land, dort wo der Messias
in Betlehem zur Welt kam, wächst und gedeiht ein besonderer Baum.
Seine sonnengereiften Feigen geben ihm den Namen. Sie beinhalten
neben viel Vitamin B1 vor allem Kalium und Kalzium, die das
Denkvermögen unterstützen. Und zum Denken gehört immerhin das
Erinnern.
Wenn ich am Weg nach Weihnachten hin
heute beim Feigenbaum verweile, so fällt mir ein, dass diese alte
Nutzpflanze ein heiliger Baum ist. Laut dem Evangelisten Matthäus
bekam der Feigenbaum die Aufgabe von Jesus persönlich zugeteilt,
Lehrmeister zu sein.
Dort lese ich: „Lernt etwas aus dem
Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden, und
Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.“ Wir werden
also wachgerüttelt, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und
aufmerksam das Leben zu gestalten.
Wenn ich wie der Feigenbaum mein Leben
dem Licht zuwende, dann reift auch an mir manch gute Frucht.
Donnerstag, 8.12.2011 / Die Zypresse
Das Wahrzeichen Barcelonas ist die
Kirche Sagrada Familia. Noch zu Lebzeiten des Architekten Antoni
Gaudi entstand ihre Ostfassade, die sich mit der Geburt Christi
auseinandersetzt.
Im Zentrum dieser Schauseite befindet
sich in der Höhe des Giebels eine aus Stein geformte Zypresse, die
von Tauben umflogen wird.
Wenn die Zypresse gern in den
Mittelmeerländern auf den Friedhöfen ihren Standort hat, so erinnert
die schlank nach oben strebende Konifere an das ewige Leben. Sie
steht zudem zeichenhaft für die Treue, die über den Tod hinausgeht.
So lasse ich mich auf dem Weg nach
Weihnachten hin von der Zypresse inspirieren.
Treue ist nicht unbedingt modern. In
Zeiten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umschwungs muss
man wohl oder übel flexibel bleiben, meinen viele Parolen und
Lebensentwürfe. Doch bleibt bei der so gut gemeinten Flexibilität
nicht oft der Mensch auf der Strecke?
Freitag, 9.12.2011 / Die Lärche
Gleich jetzt in aller Frühe erhebe ich
in meiner Phantasie das Auge auf zu den Bergen unserer Heimat. Egal,
ob dort jetzt Schnee liegt oder nicht, schafft es ein Baum, auf sich
aufmerksam zu machen. Es ist die Lärche, die ihre leuchtend gelben
Nadeln noch einige Zeit behält, bevor sie den Winter über zu Boden
rieseln.
Obwohl es kalt und unwirtlich ist,
behält sie in ihrem strahlenden Gold ihre Heiterkeit.
Wenn ich heute also auf dem Weg nach
Weihnachten hin stehen bleibe, erzählt mir die Lärche Folgendes:
Nimm alles Wandelbare im Leben
gelassen an! Jammere nicht über Unvermeidbares, sondern geh mit dem,
was Du hast, vertrauensvoll der Zukunft entgegen!
So wie die Lärche an den Hängen der
Berge hochwächst, so kann auch mein Leben aus allen Niederungen
aufsteigen, wenn ich mir der inneren Schätze meiner Seele bewusst
werde. Dort hinein hat Gott mir das gelegt, was so dauerhaft werden
kann wie Lärchenholz.
Samstag, 10.12.2011 / Die Tanne
Was ich für Weihnachten unbedingt
brauche, ist ein Tannenbaum.
Kaum eine Tanne wächst krumm.
Geradlinig führt sie im Laufe der Jahre ihren Stamm nach oben, um
daran eine Astreihe nach der anderen auszubilden. Seit alters her
ist sie ein Sinnbild für Schönheit, Stärke und Größe.
Wenn ich also einen makellos
gewachsenen Christbaum oder eine alte Tanne im Wald sehe, dann weckt
es in mir etwas, das ich auch für Weinachten benötige: die
Ehrfurcht.
Vielleicht ist das ein mögliches
Geschenk, das ich Mensch und Tier, Pflanze und Stein entgegenbringen
kann. Ich kann sie mir aneignen, so dass ich die Ehrfurcht auch das
ganze Jahr über parat habe.
Eine mögliche Münze, mit der ich diese
Tugend erwerben kann, ist das Staunen.
Wenn ich bald auf die einfachen Hirten
rund um die Krippe unter dem Christbaum schauen werde, dann kann ich
von ihnen beides lernen: das Staunen und die Ehrfurcht!