Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Mag. Thomas Hennefeld

Landessuperintendent der Evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

 

 

Sonntag, 18.12.2012

Christkind

„Ich kenne eure Tricks schon“, rief mein 8-jähriger Neffe Michael, als man ihm heuer wieder vom Christkind erzählte. „Das ist doch alles erfunden. Das Christkind gibt es doch gar nicht. Das haben sich nur die Eltern ausgedacht.“

Tausende Eltern sind in dieser Situation, wenn die Kinder merken, dass alles nicht so ist, wie man ihnen eingeredet hat. Und was sollen die Erwachsenen sagen: „Ja, du bist sehr gescheit, jetzt gehörst du zu den Großen, gratuliere, dass du draufgekommen bist.“  Ich sagte meinem Neffen etwas Anderes: „Zu Weihnachten feiern wir den Geburtstag von Jesus.“

„Und warum gibt es den ganzen Wirbel in den Einkaufsstraßen und die Weihnachtsmänner und geschmückten Geschäfte? Was hat das alles mit Jesus zu tun?“

Und jetzt könnte ich erzählen von der Werbung und der Wirtschaft, dass alles nur dazu da ist, dass die Leute ihr Geld ausgeben, und es dann angeblich allen besser geht. Bei der Frage, warum Christinnen und Christen denn diesen Geburtstag Jesu feiern, sitzen Kinder und Erwachsene im selben Boot.

Denn nur für diejenigen, die davon überzeugt sind, dass Gott Mensch geworden ist und dass dieser Mensch gewordene Gott die Welt heil machen wird, ist Weihnachten mehr als ein rauschendes Fest.

 

 

 

Montag, 19.12.2011

Jesus

„Wenn es das Christkind nicht gibt, dann hat es vielleicht auch Jesus gar nicht gegeben“, rief mein 8-jähriger Neffe Michael empört. Was sage ich ihm darauf. Ich könnte ihm kindheitsgemäß versuchen zu erklären, was man über Jesus im Theologiestudium lernt, über Quellen, die sich wieder auf andere Quellen berufen, über Spuren des Namens Christus außerhalb der Evangelien, aber zielführend wäre das nicht. Es gibt wahrscheinlich nicht das Christkind, wie wir uns das als Kinder vorgestellt haben, ein kleines Mädchen in weißem Kleid und Flügeln oder so ähnlich, aber es gibt das Christkind in unseren Herzen. Gott ist Mensch geworden, um die ganze Erde zu beglücken. Dieser Mensch ist geboren und aufgewachsen, wie du und ich, und er hat eine besondere Mission gehabt. Die Menschen haben sich in seiner Nähe wohl gefühlt, er hat nicht nur gepredigt und schöne Worte gemacht, sondern er hat Kranke geheilt und Traurige fröhlich gemacht. Das war ganz echt, und diese Geschichten haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Daraus haben Menschen über 2000 Jahre Kraft geschöpft. Dieser Jesus kann in jedem von uns einen Platz haben und seine Liebe kann in uns leben und wirken.

 

 

 

Dienstag, 20.12.2011

Geschenke

„Das Christkind bringt doch nicht die Geschenke, so ein Unsinn. Da schreibe ich lieber einen Brief an die Oma statt ans Christkind, das kommt auf dasselbe heraus.“

Eine weise Entscheidung meines 8-jährigen Neffen Michael. Es macht keinen Unterschied, ob ich dem Christkind oder einem Menschen schreibe. Bei aller Enttäuschung, dass es das Christkind in dieser Form nicht gibt, auf die Geschenke möchte mein Neffe natürlich nicht verzichten. Das hat er gelernt: Zu Weihnachten gibt es Geschenke. Nun kann man über die Geschenkkultur streiten und die Auswüchse sind zum Teil abstoßend. Weihnachten ist zu einem Konsumfest verkommen. Der Kauf- und Verkaufsterror in unserer Gesellschaft wird in dieser Zeit auf die Spitze getrieben. Aber das bedeutet nicht, dass man am besten gar nichts mehr schenken soll. Zu Weihnachten hat uns Gott ein wunderbares Geschenk und damit auch große Freude bereitet. Freude ist ansteckend, und es ist eine gute Gelegenheit durch ein Geschenk oder auch nur eine kleine Aufmerksamkeit einem anderen Menschen zu sagen: Ich mag dich, ich schätze dich, ich bin froh, dass es dich gibt.

 

 

 

Mittwoch, 21.12.2011

Christbaum

Aufgeregt wartete ich im Kinderzimmer, dann bimmelte ein kleines Glöckchen und wir wurden ins Wohnzimmer eingelassen. Da stand der Christbaum voll mit brennenden Kerzen und bunten Kugeln, Sternen und Schokolade. Das Christkind hatte seine Schuldigkeit getan und war schon wieder fort. Dieses Bild ist unvergesslich und hat sich in mir eingeprägt. Heute, 40 Jahre später, bin ich noch immer dankbar für den damaligen Zauber. Wir wurden nicht hinter das Licht geführt, sondern in Staunen versetzt. Das Kind in der Krippe, wenn wir glauben, was damals verkündigt wurde, kann uns auch heute noch in Staunen versetzen, kann uns bewegen und uns zu Taten motivieren, wie das bei den Hirten und den Weisen aus dem Morgenland der Fall war. Wer staunt, der wird demütig vor Gott und wird sich selber nicht zu wichtig nehmen, nicht, dass ich vor Gott auf dem Bauch liegen oder mich im Staub wälzen soll, aber es soll mir bewusst werden: Ich bin zwar nur ein Körnchen im großen Universum, ein Stern, der aufleuchtet und wieder verlöscht, aber Gott hat mich zu seinem Ebenbild gemacht. Und er hat so vieles geschaffen, was mich auch heute noch in Staunen versetzt und so wie damals es die Engeln getan haben, kann ich nicht anders als ihn für seine Wunder zu loben, die ich täglich schauen kann, gerade auch unter dem Christbaum, der ebenso eine Gabe Gottes ist.

 

 

 

Donnerstag, 22.12.2011

Kreuz

Mein 8-jähriger Neffe Michael war enttäuscht, als er erfuhr, dass es das Christkind nicht gibt und gleichzeitig löste diese Nachricht eine Flut von Gedanken und Fragen aus. Warum hat sich Jesus als Erwachsener von seinen Feinden gefangen nehmen und töten lassen? Wenn er Gott ist, hätte er sich doch auch unsichtbar machen können. Warum müssen Menschen leiden?

Wenn wir ehrlich sind, mühen wir uns mit diesen Fragen nach dem Warum genauso ab, wie die Kinder.

Es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass Jesus einen anderen Weg gegangen ist als den, den wir uns für unsere eigenen Kinder wünschen, nämlich den Weg des Glücks, der Zufriedenheit und des Erfolgs. Jesus wollte den Menschen ganz nahe sein, er ist nicht den Weg der Gewalt und nicht den Weg der Rechthaberei gegangen, nicht den Weg der Täuschung und der Lüge, sondern konsequent den Weg der Versöhnung, den Weg mit den Ausgestoßenen und Armen, mit den Zukurzgekommenen und den Unterdrückten. Auf diesem Weg der Liebe und Gewaltfreiheit hat er den Zorn auf sich gezogen, ist er selber unter die Räder gekommen, heute wäre er als Gutmensch beschimpft worden, und gleichzeitig wusste er, dass sein Vater ihn behütet, und auch wir werden, wenn wir fallen, immer wieder von Gott aufgefangen.  

 

 

 

Freitag, 23.12.2011

Überraschung

Na gut, das Christkind gibt es nicht, aber ich möchte mich trotzdem überraschen lassen. Mein kleiner Neffe Michael hat den Entschluss gefasst, für seine Schwester ein Packerl zu machen, aber was er bekommt, das möchte er vorher nicht sehen. Der Wunsch nach Überraschung bleibt also bestehen, selbst, wenn das Christkind, in seinem Fall die Oma und seine Eltern, schon eine lange Liste mit Wünschen bekommen haben, so bleibt ein Rest von Ungewissheit: Werde ich wirklich bekommen, was ich mir gewünscht habe, oder wird da etwas unter dem Christbaum liegen, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet habe? Auch Erwachsene lassen sich gerne überraschen und haben mit Geschenken Freude. Jeder Mensch hat Wünsche: erfüllbare und unerfüllbare. Manchmal ist es besser, wenn unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Manchmal bekommen wir etwas, mit dem wir gerechnet haben, aber Gott ist auch immer wieder für eine Überraschung gut. Es ist immer etwas Besonderes, Menschen zu begegnen, die über das Gute, das sie geschenkt bekommen, sich aus ganzem Herzen freuen und die unangenehmen Überraschungen annehmen aus der Hand Gottes und versuchen, auch daraus das Beste zu machen.

 

 

 

Samstag, 24.12.2011

Heiliger Abend

Millionen von Kinder fiebern dem Heiligen Abend entgegen, so auch mein 8-jähriger Neffe Michael. In zahlreichen Häusern und Wohnungen werden Kerzen an Christbäumen entzündet und Kinderaugen werden leuchten, Geschenke werden ausgepackt, Weihnachtslieder gesungen, an festlich gedeckten Tischen wird gegessen und in den Kirchen wird das Weihnachtsevangelium gelesen. Die Geschäftigkeit hat ein Ende. Aber bald danach ist alles vorbei. Die Weihnachtsstimmung wird von Silvesterknallerei abgelöst. Weihnachten – nur ein Spuk? Eine große Illusion für Kinder und auch für Erwachsene mit grellen Lampen und viel Glitzer?

Selma Lagerlöf beendet ihre Weihnachtserzählung: „Die Heilige Nacht“ mit den Sätzen: „Nicht auf Lichter und Lampen kommt es an, sondern was not tut ist, dass wir Augen haben, die Gottes Herrlichkeit sehen können.“ Dieser göttliche Glanz hat nichts mit Kitsch und Sentimentalität zu tun, sondern mit dem nackten Leben, wie es uns begegnet. Dieser Glanz verklärt nicht, sondern zeigt die Dinge, wie sie sind, das Schöne und das Grausame. Und so kann die Geburt Jesu auch zur Geburt unseres Glaubens werden. Wer glaubt, sucht nicht den Schein sondern die Wahrhaftigkeit, entlarvt Lüge und Täuschung und wird immer auch zweifeln und wird durch manche drängende Kinderfragen selber ins Nachdenken kommen. Und doch wird er spüren, dass sich da etwas Besonders ereignet und die Welt sich verwandelt.