Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Christian Herret (Dreikönigsaktion d. kath. Jungschar, Wien)

 

 

Sonntag, 1.1.2012 

Einen Stein ins Rollen bringen 

Vor der malerischen Kulisse des Himalaya habe ich einen Neujahrsvorsatz gefasst: Ich möchte gerne einen Stein ins Rollen bringen.

Malerisch ist im Bergland von Nepal allerdings nur die Kulisse. Denn das Leben der Menschen ist hart und entbehrungsreich. Wenn du vom Sonnenaufgang bis weit in die Nacht hinein arbeiten musst um zu überleben, dann bleibt dir kaum Zeit, dass du dir Gedanken über deine Zukunft machst.

Vor einem Jahr ist Madhina, eine junge Sozialarbeiterin in die abgelegene Gegend gekommen und hat begonnen, mit den Bäuerinnen zu arbeiten. Sie haben über ihre Probleme geredet, was sie brauchen und was ihnen fehlt. Dann haben sie eine Kooperative gegründet – einfacher gesagt einen Sparverein. Jede von den Frauen zahlt einen monatlichen Beitrag ein und gemeinsam diskutieren und bestimmen sie, was mit dem Geld geschieht. Wer eine gute Idee hat bekommt einen Kredit aus dem Topf als Starthilfe.

Madina hat uns Gärtnereien, Felder, Schweineställe und Chilifelder gezeigt – all das haben die Bäuerinnen aus eigener Kraft im letzten Jahr auf die Beine gestellt. „Wir sagen den Menschen nicht, was sie zu tun haben. Wir säen den Wunsch nach einer besseren Zukunft und bringen auf diese Weise den Stein ins Rollen.“  So hat uns Madhina das Geheimnis des Erfolges erklärt.

Oft braucht es nicht viel mehr als einen solchen Anstoß, um Leben zu verändern.  Man muss nur einen Stein ins Rollen bringen und kann dann zuschauen, was alles in Bewegung kommt. 

 

 

 

Montag, 2.1.2012
Ich will die Welt nicht retten

Wenn man bei einem Hilfswerk arbeitet, das Projekte in Entwicklungsländern unterstützt, dann kennt man eine Frage zur Genüge: Bringt das überhaupt was, eure Unterstützung ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ändern tut sich sowieso nichts.

Objektiv betrachtet haben die Skeptiker nicht ganz unrecht: All die vielen Menschen, die sich engagieren, verhindern sicher nicht die nächste Hungerkatastrophe, stoppen nicht Klimawandel und schon gar nicht die zahlreichen Naturkatastrophen. Aber wer kann angesichts der Not so vieler Menschen schon objektiv bleiben. Meine subjektive Antwort lautet: Ich will die Welt gar nicht retten! Ich bin weder so überheblich noch so wahnsinnig, dass ich mir das zutraue. Da sind schon ganz andere gescheitert. Aber ich – und mit mir viele andere –  wir haben etwas anderes, eigentlich etwas viel Größeres im Sinn.

Jeder Mensch, der mit Unterstützung von Initiativen wie der Sternsingeraktion, der Caritas, Nachbar in Not, dem Roten Kreuz oder wie immer sie alle heißen, sein Leben zum Besseren wendet, hat seiner persönlichen kleinen Welt schon ein viel freundlicheres Gesicht verliehen.

Ich weiß schon, das wird zwar nicht die Welt retten, aber Millionen von kleinen Welten! Und damit sind wir mehr als zufrieden.

 

 

 

Dienstag, 3.1.2012

Die Drei Weisen

Die Welt kann sich anscheinend an dem Bild der drei Weisen gar nicht satt sehen. Zuletzt wurde es von den Medien bei der Griechenlandkrise heraufbeschworen.

Bestehend aus Vertretern der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfond sind die modernen Wirtschaftsweisen nach Athen gezogen. Bethlehem haben sie verschont. Obwohl der Vergleich wie jeder hinkt, ganz von der Hand zu weisen ist er nicht.

Auch die modernen Heiligen Drei haben sich auf die Suche gemacht, um ihrem Gott zu huldigen und ihm Gaben zu bringen. Sie nennen ihn Weltwirtschaftssystem und er ist einer der mächtigsten und grausamsten Götter, die jemals angebetet wurden. Er duldet keinen Widerspruch und verlangt bedingungslosen Gehorsam. Um ihn zu gütig zu stimmen werden ihm derzeit in ganz Europa mächtige Opfergaben dargebracht: Wir opfern ihm Teile unseres Gesundheits- und Bildungssystems und sollte das noch nicht ausreichen, um ihn zu besänftigen, würden uns die Weisen raten, dieser modernen Gottheit unseren ganzen über Jahrhunderte mühsam erkämpften Sozialstaat zu opfern. Mit diesen Gaben bauen sie dem neuen Allmächtigen riesige Tempelburgen, die man auch als Banken oder als Ratingagenturen kennt.

 

Zweitausend Jahre liegen zwischen den beiden Gottesbildern. Während der eine schutzlos im Stall als neugeborenes Kind Mensch wird, hat sich sein moderner Konterpart mit aller Kraft jeglicher menschlicher Züge entledigt.

 

 

 

Mittwoch, 4.1.2012

Friede den Menschen auf Erden

In Chimaltenango, in Guatemala – einem Land, wo Gewalt Alltag ist und laut Statistik auch nach dem Bürgerkrieg täglich 17 Menschen eines gewaltsamen Todes sterben - lebt die 14jährige Jennifer. Auf die Frage nach ihrem sehnlichsten Wunsch lautet ihre Antwort: Wenn sie in der Früh aus dem Haus geht, will sie keine Angst mehr haben müssen, ob sie ihre Mutter und ihre Schwester am Abend lebend wiedersieht.  Jennifer träumt von Sicherheit, von einem Leben in Frieden.

“Friede den Menschen auf Erden”, singen die Engel aus der Geburtsgeschichte Jesu im Lukasevangelium. Dieser „Friede auf Erden” ist kein Wunsch, sondern eine Zusage Gottes. Er ist sozusagen das Weihnachtsgeschenk an die Menschen zur Geburt von Jesus. Der Friede, von dem der Engel spricht, ist mehr als eine schriftliche Erklärung, ein Vertrag oder ein Friedensabkommen. Er zielt nicht einfach auf Ruhe, Harmonie und die Abwesenheit von Konflikt und Streit ab. Die Bibel hat eine umfassende Vorstellung vom Frieden. Dort geht es um ein Leben in Würde und Gerechtigkeit, um das Wohlergehen aller. Es herrscht Friede, wenn und vor allem auch weil es nach Gottes Willen - für alle genug gibt von dem, was zum Leben notwendig ist.

Das Evangelium ist die Einladung zu einem solchen Leben, mehr noch – eine Kampfansage, sich für eine solche Welt stark zu machen, damit Jennifers Wunsch eines Tages in Erfüllung geht.

 


 

 

Donnerstag, 5.1.2012

Do they know it’s christmas time

Do they know it’s christmas time? Ich weiß nicht, wie oft ich in der Vorweihnachtszeit diesen Gassenhauer gehört habe. Mit diesem Lied haben Mitte der 1980er-Jahre 40 internationale Popstars einen der größten Weihnachtshits  aller Zeiten geschaffen.  Da geht es um arme Menschen in Afrika, die nichts zu essen haben und deren „Welt voller Angst und Schrecken ist“. Do they know it’s christmas time? Wissen die überhaupt, dass Weihnachten ist?  Wir, die wir hier im Überfluss leben, sollen ihnen das doch bitte erklären.

Jedes Jahr denke ich mir, dass da bezüglich Weihnachten ein gröberes Missverständnis vorliegt. Zu Weihnachten feiern wir, dass Gott Mensch geworden ist. Aber er ist nicht zu den Reichen und Mächtigen gekommen, sondern inmitten der Armen und Ausgestoßenen – als einer von ihnen – geboren worden.

 

Die ersten, denen seine Geburt verkündet wird und die zu ihm kommen, sind die Hirten – die Outlaws, die kein Zuhause haben, die auf der untersten Stufe der Gesellschaft stehen. Das hat mich an diesem Jesus immer besonders fasziniert: dass er sich klar positioniert, deutlich macht, wessen Heiland er ist. Die Reichen und Mächtigen machen ihm erst zwei Wochen später ihre Aufwartung: Die Sterndeuter aus dem Osten, die später zu den Heiligen Drei Königen werden. Und wie alle Reichen und Mächtigen müssen sie einen weiten Weg auf sich nehmen um zum Gotteskind zu finden.

 

 

 

Freitag, 6.1.2012

Sternsinger

Wer arm ist, sei meistens auch faul und damit selber schuld, denkt fast die Hälfte der Jugendlichen in unserem Lande. Nur jeder fünfte glaubt, dass Armut auf Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zurückzuführen ist. Viele Jugendliche sind demnach stark auf sich selber und den eigenen Erfolg konzentriert. Dieses Ergebnis einer Studie der Jugendkulturforschung ist nicht besonders beruhigend. Aber wundert uns das wirklich? „Leistung muss sich wieder auszahlen.“ Ohne über den tieferen Inhalt und die Wirkungen einer solchen Botschaft nachzudenken, wurde dieser Slogan über viele Jahre hinweg von unzähligen Politikerinnen und Politikern gebetsmühlenartig wiederholt. Mit zweifelhaftem Erfolg: Das so oft geforderte Leistungsdenken dürfte bei vielen Jugendlichen stärker angekommen sein als beabsichtigt.

Rund um den heutigen Dreikönigstag ziehen Kinder und Jugendliche mit einer ganz anderen Botschaft von Haus zu Haus: Unsere Sternsinger singen und werben für anscheinend überholte Werte wie Solidarität und Nächstenliebe. Beim Sternsingen machen sie die Erfahrung, dass es im Leben einen Wert darstellt, sich für etwas einzusetzen, wofür sie nicht materiell belohnt werden. In unserer leistungsorientierten Welt stellt dies für junge Menschen eine oft bereits „exotische“ Erfahrung dar. Aber oft sind es gerade diese exotischen Erfahrungen, die  ein Leben bereichern.

 

 

 

Samstag, 7.1.2012

Kanada vs Tharu

Kurz nach dem Ende der Weltklimakonferenz in Durban hat Kanada als erstes Land seinen Austritt aus dem Kyoto-Protokoll erklärt. Die anstehenden „Strafzahlungen“ in der Höhe von 10,5 Milliarden Euro waren dem Klimasünder zu viel.

An der Grenze zwischen Indien und Nepal lebt das Volk der Tharu. Die Tharu leben von dem, was sie auf ihren Feldern anbauen, und was ihnen die Natur bietet. Sie betreiben untereinander Tauschhandel und werfen nichts weg. Alles wird verwertet. Würde unsere Erde nur von Tharu bevölkert sein, bräuchten wir keinen einzigen Gedanken an den Klimawandel verschwenden. Aber es ist – mit unseren westlichen Augen betrachtet - kein angenehmes, kein erstrebenswertes Leben. Null Komfort, schlafen gehen, wenn’s dunkel wird, und ein paar Stunden mit dem Ochsenkarren in die Stadt. Mit dem Auto würde man nur eine Viertelstunde brauchen. Für ihre Entbehrungen bekommen sie aber weder Lohn noch Dank. Im Gegenteil, immer öfter sind sie von den Folgen des Klimawandels selbst betroffen, immer öfter tritt der nahe Fluss über die Ufer und überschwemmt die Dörfer. Was das für Menschen heißt, deren Häuser und Reisspeicher aus Ton gebaut sind, braucht man nicht erklären.

Ich bin mir sicher, die Tharu würden – wenn das nur irgendwie möglich wäre - gerne ganz einfach aus den Folgen der Klimaveränderung „aussteigen“, die sie Ländern wie Kanada oder auch Österreich zu verdanken haben.