Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Prälat Horst-Michael Rauter, Klagenfurt

 

 

Sonntag, 05.02.2012

Der Dom von Maria Saal ist seit Jahrhunderten Ziel vieler Pilger. Sie kommen zum Heiligen Modestus oder zur Muttergottes und treten ein in einen Raum der Stille und der Kraft. Als Priester darf ich an diesem Ort Gottesdienste feiern und ob im Dom oder heiligen Bezirk bin ich dann umgeben von den Spuren der Jahrhunderte und unhörbar auch von den Gebeten, die hier gesprochen werden und gesprochen wurden.

Der Kirchenbesuch am Sonntag ist nicht mehr für alle Christen der Mittelpunkt, der diesen Tag heraushebt aus der Woche. Es gibt, neben Maria Saal in Kärnten eine große Anzahl anderer Kirchen, die von kunsthistorischer Bedeutung sind, es gibt Kirchen, die klein und unscheinbar sind – und doch können auch diese Gotteshäuser „Kirchenheimat“ sein! Ort, an dem man beten kann, Ort, an dem man zusammenkommt, um gemeinsam diesen Tag zu feiern.

Die Wörter Hirt und Herde hören wir oft in den Texten des Neuen Testamentes – bedenken wir immer, dass wir auch in den Wandlungsworten nicht in der Einzahl, sondern in der Mehrzahl zum Mahl geladen werden? Bedenken wir, dass wir diese „alle“ sind, die kommen können, mühselig und beladen, damit sie getröstet werden? Diese Gemeinschaft ist ein Geschenk, ist wie Wasser, das den Durst unserer Seele stillt.

Ich wünsche Ihnen einen Sonntag, an dem Sie die Nähe und Liebe Gottes in Gemeinschaft erleben können.

 

 

 

Montag, 06.02.2012

Für mich ist die Morgenfrühe die schönste aller Tageszeiten: Da liegt noch alles offen, da können wir, wenn wir uns ein oder zwei Minuten gönnen, uns in der Form frei fühlen, dass gerade diese frühe Stunde noch nicht eingeteilt ist in tausenderlei Beschäftigungen, Pflichten und Arbeit. Jeder kann sich „ganz bei sich selbst“ fühlen und zugleich offen sein für alle die Begegnungen mit den Menschen, die er heute treffen wird. Es ist diese frühe Morgenstunde, die uns auch allen Zeit schenkt, an den zu denken, der uns geschaffen hat, der uns begleitet und niemals aufhören wird, uns zu lieben: Jeden von uns hat Gott erlöst und bei seinem Namen gerufen.

Gehen Sie getrost hinein in den neuen Tag, holen Sie sich die Kraft dafür im Gebet zu dem, aus dessen Hand keiner von uns fallen wird. Für Sie und für alle bete ich: „Herr, allmächtiger Gott, du hast uns zum Beginn eines neuen Tages geleitet, begleite uns weiter durch deine Kraft. Lass uns an diesem Tag so leben, dass unser Denken und Tun ausgerichtet ist auf dich, mit dir seinen Anfang nimmt und geführt von dir vollendet werde.“

 

 

 

Dienstag, 07.02.2012

Ob am Arbeitsplatz, beim Einkaufen, im Wartezimmer eines Arztes, auf der Straße – immer begegnet uns einer, den wir kennen: flüchtig, besser oder manchmal sogar gut. Machen wir einen Unterschied in den Begrüßungsworten oder leiern wir stets die gleiche Frage herunter: „Wie geht es Ihnen?“ Und bekommen wir nicht immer die gleiche Antwort: „Danke, es geht mir gut.“

Ich muss eingestehen, dass auch ich oft diese gleichsam automatische Frage verwende, wenn ich jemandem begegne. Erst beim Weitergehen bedenke ich, dass eine so kurze Frage und so kurze Antwort zwar Zeit erspart, aber die Begegnung mit einem anderen Menschen verhindert haben!

Sollten wir uns nicht die Zeit nehmen, jemanden, den wir lange Zeit nicht gesehen haben, nach dem Warum zu fragen? Sollten wir nicht bei einem Zusammentreffen mit uns gut bekannten oder vertrauten Leuten auch sagen, dass wir uns über diese zufällige Begegnung freuen? Haben wir wirklich diese fünf Minuten nicht, die eine uns bekannte Person braucht, um die immer gleichen Klagen, manchmal sind es Jammerlitaneien, vorzubringen? Kann man dieses schnelle und floskelhafte Ritual nicht ändern, um damit dem anderen wirklich zu begegnen?

Gerade in unserer Zeit, man kann sie ruhig als eine „eilige“ nennen, brauchen wir Menschen Begegnungen!  

 

 

 

Mittwoch, 08.02.2012

Kärnten ist das Land der Lieder und auch das der Chöre und im lokalen Fernseh- und Radioprogramm können wir sie hören.  Jeder von uns hat eine Melodie im Ohr, die sein Inneres bewegt oder eine Textzeile, die er nicht vergessen kann.

Wer nachfragt, warum es gerade dieses Lied ist, weshalb gerade diese Zeile, kann keine schlüssige Antwort bekommen. Warum? Ganz einfach deshalb, weil wir mit Liedern Erinnerungen verbinden, solche an die Kinderzeit, an den Menschen, mit dem gemeinsam wir gerade dieses Lied gesungen haben und manchmal müssen wir selber nachdenken, was uns dieses Lied bedeutet und es für uns persönlich  bedeutsam macht.

Im „Gotteslob“ sind mehr als tausend Lieder und Antwortgesänge aufgezeichnet. Alle kennt und kann keiner, aber als Pfarrer bemerke ich doch, dass es „Lieblingslieder“ gibt, deren Text die Gemeinde kennt, gerne singt und ich spüre, dass dieses Lied für alle den Gottesdienst Mitfeierenden einfach dazugehört, sozusagen als „Kennmelodie“ für diese Zeit oder diesen Festtag.

Auch ich habe mein Lieblingslied, es ist die Nummer 520 aus dem „Gotteslob“.   Seine letzte Strophe möchte ich für Sie an den Anfang dieses  Tages stellen: „Unser Bitten, Flehn und Singen, lass,  Herr Jesus, wohl gelingen“.

 

 

 

Donnerstag, 09.02.2012

Wenn wir von einem Menschen sagen: „ der hat schon seinen eigenen Kopf“ dann drückt das meist aus, dass der nicht abgeht von dem, was er für richtig hält, wovon er überzeugt ist und Widerstand leistet, um sich und seiner Überzeugung treu zu bleiben.

Am 2. August wird die katholische Kirche an Franz Jägerstätter erinnern. Es war der Tag, an dem Jägerstätter in Brandenburg hingerichtet wurde – weil er Widerstand geleistet hat! Jägerstätter war ein Innviertler Bauer, er war Ministrant, Messner, verheiratet und Vater von drei Kindern. Als Soldat hat er im Winter 1940/41 in Russland erfahren, was Krieg bedeutet und diese Erfahrung des Schreckens und  Erschreckens war so groß, dass er den Dienst als Soldat verweigert und seinen Widerstand mit dem Tod bezahlt hat.

Aus welchem Grund hat Jägerstätter Widerstand geleistet? Es war sein christlicher Glaube mit dem und dessen Geboten er das Morden nicht vereinbaren konnte. Jägerstätter ist selig gesprochen worden – die Frage, wie hätte ich mich verhalten, muss sich jeder im Erinnern an ihn stellen – und es ist dies eine sehr aktuelle Frage. In vielen Teilen der Welt ist heute allein schon der Besuch eines Gottesdienstes lebensgefährlich – wer von uns würde im Blick auf diese Gefahr die Sonntagsmesse besuchen?

Denken wir heute dankbar daran, dass wir alle öffentlich unseren Glauben bekennen und nach seinen Geboten leben können.

 

 

 

Freitag, 10.02.2012

Ist der Freitag ein normaler Wochentag oder ist er nicht für viele schon, zumindest sein Nachmittag, der Beginn des Wochenendes? Für Christen sollte der Freitag aber auch ein Tag des Bedenkens und Nachdenkens sein.

Vor Jahren habe ich von der Kärntner Malerin Ilse Mayer ein Bild bekommen, ein Bild, das sie, die evangelische Christin, am Karfreitag 1992 gemalt hat. Es zeigt den gekreuzigten Christus, ist dunkel gehalten und doch sehe ich, gleichsam durchschimmernd durch die dunklen Farben in diesem Bild schon Hoffnung und Befreiung: Das kann nicht das Ende sein!

Wann immer ich dieses Bild betrachte, fühle ich mich getragen, getragen über den Tod hinaus von dem, der den Kreuzestod erlitten hat und dann vorausgegangen ist in den Glanz der Auferstehung. Niemand von uns kennt den Tag und die Stunde seines eigenen Todes – für mich ist dieses Bild aber, trotz des sehr ernsten Themas, das es bildnerisch darstellt, eines der Hoffnung und des Trostes und nicht selten sage ich dann leise: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.

Deshalb wünsche ich Ihnen an diesem Freitag, dass auch Sie heute Augenblicke der Hoffnung und des Trostes erleben: beim Hinschauen auf ein Bild, beim kurzen Besuch einer Kirche oder im Blick auf das Kreuz, das auch in Ihrer Wohnung seinen Platz hat.

 

 

 

Samstag, 11.02.2012

Älteren Leuten wird der Name Otto Mauer, geboren 1907 und 1973 gestorben, noch bekannt sein. Sein Buch „ Ein Leben für Kirche und Kunst“ hat mir, der ich ihn noch persönlich kannte, nicht nur die Tür zur ungeschminkten Sprache, die er von einem Priester einforderte und selbst vorgelebt hat, sondern auch zum Verständnis moderner Kunst geöffnet. Er war, was auf seinem Grabstein steht: „Priester, Mahner und Tröster“.

Jeder von uns wird, gleich ob jung oder alt, jemanden oder etwas finden, das sein Leben nicht nur bereichert, sondern ihm Richtung gegeben hat.

Es kommt nicht darauf an, was es war, es kommt aber darauf an, dass wir Begleitung brauchen, damit wir uns nicht verlieren.

Unser ganzes Leben ist ein Unterwegs-Sein – wer geht immer neben und mit uns? Gott selbst ist es und so wie er in Emmaus die Bitte der Jünger, bei ihnen zu bleiben bis es Abend wird, erfüllt hat, so erfüllt er unsere Bitte, von seiner Liebe geführt unterwegs zu sein – unterwegs in der Liebe, unterwegs zu Gott.