Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 


von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

 

 

 

Sonntag, 12. Februar 2012

 

Seit jeher verkleiden sich Menschen und schlüpfen in andere Rollen. Bereits im alten Ägypten finden sich Belege dafür. Diese Woche ist die Faschingswoche, und tausende Menschen feiern beim Gschnas. Sie verkleiden sich als Ritter, Prinzessinnen oder anderes, was sie schon immer sein wollten. Warum tun die Menschen das? Ich vermute, weil sie aus ihrem Alltag ausbrechen wollen und nicht tun wollen, was sie immer tun müssen. Immer dasselbe: einkaufen, saubermachen, arbeiten gehen, die Kinder erziehen und so weiter und so weiter. Da kann eine andere Rolle ganz schön verlockend sein. Wenigstens für ein paar Tage, wenigstens für ein Gschnas aus der Rolle fallen und eine andere Identität übernehmen.

 

Das geht natürlich besser in einer Verkleidung. Zu sagen, all diese Prinzessinnen und Ritter flüchten aus ihrem Leben und flüchten in ein anderes, ist vermutlich zu viel des Guten. Aber dennoch ist es wahrscheinlich so, dass sie sich danach sehnen, einmal jemand ganz anderer zu sein. Das ist gut so, denn nur wenn man hin und wieder aus sich heraustritt, aus der Rolle fällt und ein ganz anderer oder eine ganz andere wird, dann weiß man zu schätzen, was das eigentliche Leben für einen bereithält. Vielleicht fällt es dann auch ein wenig leichter, mit der Rolle umzugehen, die Gott für einen zugedacht hat. Sei es, dass ich sie besser akzeptieren kann oder dass ich sie verändere.

Und immer Ritter oder Prinzessin sein ist auch langweilig.

 


 

 

Montag, 13. Februar 2012

 

Ordnung muss sein, aber nicht im Fasching. Denn die "fünfte Jahreszeit" hat nicht nur mit Verkleiden zu tun. Fasching ist auch politisch. In Bregenz beispielsweise wird die Stadtgewalt den Narren übergeben, im Villacher Fasching rufen die Narren in die Welt hinein, was sie von ihren Politikern und den allgemeinen Verhältnissen so halten. Ganz zu schweigen vom Karneval in Mainz oder in Köln, wo die Herrschenden in Büttenreden ordentlich ihr Fett abbekommen. Das alles geht nur im Fasching. Die herrschenden Verhältnisse werden umgekehrt, der brave Steuerzahler, der das ganze Jahr über funktionieren muss, hebelt die öffentliche Ordnung in den Tagen vor Aschermittwoch aus. Und das nicht zu knapp, denn die, die den Rest des Jahres brav geduckt bleiben, übernehmen jetzt die Macht.

 

Eigentlich geht es dann recht harmlos zu, die Menschen feiern und singen und freuen sich des Lebens. Das kann natürlich kein Dauerzustand sein, denn dann würde die öffentliche Ordnung ja zusammenbrechen. Im Fasching dagegen macht sie nur eine Pause. Und endlich dürfen die Menschen den Mächtigen einmal sagen, was sie das ganze Jahr über nicht zu hören bekommen. Die Mächtigen werden schwach, und die Kleinen werden stark.

 

Das kommt mir bekannt vor: Ähnliches hat Jesus Christus auch den Menschen angeboten – aber nicht als Pausenfüller, sondern als Vorschlag für das ganze Leben.

 

 


Dienstag, 14. Februar 2012

Kinder lieben Fasching. Sie schlüpfen in die Rollen ihrer Helden und Heldinnen und werden zu Spiderman, Batman oder zur Prinzessin. Der Fasching gibt ihnen die Möglichkeit, das zu sein, was sie nicht sind: übermächtig oder grenzenlos schön. Scheinbar etwas, das sie in ihrem richtigen Leben nicht sind. Sie haben die Gabe, ganz in ihre neue Rolle zu schlüpfen und sie mit großem Ernst zu spielen. Mich faszinieren ihre Ernsthaftigkeit und ihre Selbstvergessenheit.

 

Kinder schaffen es, sich ganz darauf einzulassen und sich ganz hinzugeben an das, was sie verkörpern. Erwachsene sind niemals selbstvergessen. Sie können sich das nicht leisten, nicht einmal im Fasching. Ich bin überzeugt, dass auch die Erwachsenen davon träumen, etwa übermächtig zu sein wie Batman oder beispielsweise grenzenlos schön wie eine Prinzessin. Oder frei wie ein Indianer oder Cowboy, um die Klassiker zu nennen. Vielleicht liegt nämlich genau hier die Begründung für die Aufforderung Jesu: Werdet wie die Kinder.

 

Spielerisch und selbstvergessen dem Leben zu begegnen, löst vielleicht so manche verfahrene Situation. Und das nicht nur im Fasching.



 

 

Mittwoch, 15. Februar 2012

Faschingsfeste gab es im Mittelalter in vielen christlichen Ländern Europas. Bei diesen "Narrenfesten" haben Kinder und Jugendliche kirchliche Zeremonien übertrieben dargestellt und lächerlich gemacht. Die Kirche damals hat diese Feste und den Spott geduldet, damit das Volk den Rest des Jahres friedlich bleibt. Menschen weiter Fasching. Allmählich veränderten sich die Adressaten dieser Feste: Es waren nicht mehr die Kirchenleute, die Ziel des Spottes waren, sondern die Politiker. Schon immer diente der Fasching als Ventil gegen die Oberen und gegen Autoritäten. In Zeiten von Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit hörte man nicht gern die "Wahrheit, die der Narr spricht".

 

Das alles zeigt, dass der Umgang mit Autoritäten nicht immer einfach ist. Zweifellos ist es gut, dass es sie gibt, mir fallen da Lehrer und Lehrerinnen ein, Eltern oder etwa Verkehrsregeln. Autoritäten sind so lange sinnvoll, solange sie den Menschen und der Gesellschaft dienen. Dann erfüllen sie eine wichtige Aufgabe. Aber es geschieht leicht, dass sie sich verselbständigen und nur noch um ihrer selbst willen da sind. Nicht umsonst hat Christus gezeigt, dass Autoritäten immer auch zu hinterfragen sind. Ich denke an die Geschichte, als Jesus das Sabbatgebot in Frage gestellt hat: Der Sabbat ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch für den Sabbat.

 

Wo das geschieht, wo Autoritäten sich selbstherrlich gebärden, ist Spott angesagt.

 

 

 

Donnerstag, 16. Februar 2012

Im Fasching kann man ordentlich über die Stränge schlagen und so richtig Spaß haben. Seinen Ursprung hat das ja, weil am Aschermittwoch alles vorbei ist. Dann beginnt die Fastenzeit, in der, zumindest früher, kein Fleisch und kein Alkohol auf den Tisch kam. Hier finden wir sogar den Ursprung des Wortes Fasching, stammt es doch vom "Fastenschank" ab, das den letzten Alkoholausschank vor der Fastenzeit bezeichnet. Also wurde vorher noch einmal so richtig gevöllert und getrunken. Offensichtlich brauchen Menschen das, denn sonst würden sie die 40 Tage Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern nicht als so schlimm empfinden.

 

Das ist ja heute nicht mehr unbedingt so, denn jeder kann ja heutzutage essen, was er oder sie will, beziehungsweise verträgt. Das Feiern allerdings im Fasching ist geblieben. Und nicht zu knapp. Das zeigt einmal mehr, dass Menschen nicht nur gerne feiern, sondern dass das auch irgendwie zum Menschsein dazugehört. Und dass eine Auszeit davon in der Fastenzeit darauf hinweist, dass es nicht immer was zu feiern gibt. Die Grenze vom Aschermittwoch kümmert heute allerdings kaum noch jemanden. Die Balance zwischen feiern und fasten, zwischen ausgelassen sein und sich besinnen, ist aufgehoben. Das ist schade. Vielleicht gelingt es ja, sich selbst darauf zu besinnen, dass es eine Zeit gibt, um auch einmal über die Stränge zu schlagen und dass es eine Zeit gibt, innezuhalten und sich zu besinnen.

 

Vielleicht auch auf den, der diese Ordnung von Fasching und Fasten begründet, Jesus Christus.

 

 

 

Freitag, 17. Februar 2012

Im Fasching verkleiden sich die Menschen. So wirken sie geheimnisvoller. Das Wichtigste dabei sind Masken. Im normalen Leben aber sind Masken nicht so gut angesehen. Wir sprechen dann davon, dass der Eine oder die Andere eine Maske trägt, also nicht echt ist. Ich finde, manchmal ist es gar nicht schlecht, eine Maske zu tragen. Die Maske erlaubt es, etwas von sich zu verbergen. Das erscheint mir zunehmend wichtig in Zeiten, in denen Menschen im Fernsehen beispielsweise alles von sich preisgeben. Da schauen Millionen Zuschauer gnadenlos auch hinter die letzte Maske.

 

Auch im normalen Leben kann die Maske helfen. Es gibt dann so etwas wie die Würde vor dem Geheimnis des Anderen. Ich muss nicht alles preisgeben und kann auch etwas für mich behalten. Das aber zählt in Zeiten, wo alle immer authentisch sein sollen und nur das Echte zählt, nicht zu den größten Tugenden. Kann es nicht sein, dass eine Maske erlaubt, viel echter und authentischer zu sein? Vielleicht mögen so viele Menschen gerade deshalb den Fasching, denn jetzt dürfen sie sich maskieren. Jesus Christus ging es immer um die Würde des Menschen. Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen er Menschen ihre Würde wiedergibt. Und dabei war es ganz egal, ob sie krank waren, aussätzig waren oder auf andere Weise Ausgestoßene, wie etwa der Zöllner.

 

Masken können durchaus dabei helfen, die eigene Würde und damit das Gesicht zu wahren.

 

 


Samstag, 18. Februar 2012

Wer feiert, der lebt im Augenblick. Alles rundherum ist vergessen, was zählt, ist die Musik, das Essen und Trinken und die gute Laune. Was für normale Feste gilt, gilt umso mehr für Gschnas, Fasching und Karneval. Denn hier kommt noch eine gehörige Portion Humor dazu. Und die Verkleidungen. Beides erlaubt den Feiernden, sich lustig zu machen und zu lachen über all die Dinge, die sonst das Leben so schwer machen. Feiern und Lachen erleichtert, und wenn viele Menschen gemeinsam feiern, dann ist das wie eine kleine Verbrüderung: Die Menschen werden zu Geschwistern, die den Problemen ins Gesicht lachen.

 

Und so wird in der Faschingszeit für ein paar Tage alles anders, und alles kann anders sein. Selbstverständlich ist das Leben kein Fest, und wer nicht vorausschauend lebt, der ist einfach unvernünftig. Aber das Leben im Augenblick kann auch sehr befreiend sein und den Kopf frei machen. Nichts anderes hat Jesus gemeint, als er seinen Jüngern die Lilien auf dem Feld und die Vögel am Himmel gezeigt hat: Sie säen nicht, und sie ernten nicht, und dennoch erhält sie Gott.

 

Der Fasching kann dabei helfen, diesem Leben im Augenblick nachzuspüren. Mit allem, was dazugehört: Kostüme, Musik und Lachen.