Seit jeher verkleiden sich
Menschen und schlüpfen in andere Rollen. Bereits im alten Ägypten
finden sich Belege dafür. Diese Woche ist die Faschingswoche, und
tausende Menschen feiern beim Gschnas. Sie verkleiden sich als
Ritter, Prinzessinnen oder anderes, was sie schon immer sein
wollten. Warum tun die Menschen das? Ich vermute, weil sie aus ihrem
Alltag ausbrechen wollen und nicht tun wollen, was sie immer tun
müssen. Immer dasselbe: einkaufen, saubermachen, arbeiten gehen, die
Kinder erziehen und so weiter und so weiter. Da kann eine andere
Rolle ganz schön verlockend sein. Wenigstens für ein paar Tage,
wenigstens für ein Gschnas aus der Rolle fallen und eine andere
Identität übernehmen.
Das geht natürlich besser in
einer Verkleidung. Zu sagen, all diese Prinzessinnen und Ritter
flüchten aus ihrem Leben und flüchten in ein anderes, ist vermutlich
zu viel des Guten. Aber dennoch ist es wahrscheinlich so, dass sie
sich danach sehnen, einmal jemand ganz anderer zu sein. Das ist gut
so, denn nur wenn man hin und wieder aus sich heraustritt, aus der
Rolle fällt und ein ganz anderer oder eine ganz andere wird, dann
weiß man zu schätzen, was das eigentliche Leben für einen
bereithält. Vielleicht fällt es dann auch ein wenig leichter, mit
der Rolle umzugehen, die Gott für einen zugedacht hat. Sei es, dass
ich sie besser akzeptieren kann oder dass ich sie verändere.
Und immer Ritter oder
Prinzessin sein ist auch langweilig.
Montag, 13. Februar 2012
Ordnung muss sein, aber nicht
im Fasching. Denn die "fünfte Jahreszeit" hat nicht nur mit
Verkleiden zu tun. Fasching ist auch politisch. In Bregenz
beispielsweise wird die Stadtgewalt den Narren übergeben, im
Villacher Fasching rufen die Narren in die Welt hinein, was sie von
ihren Politikern und den allgemeinen Verhältnissen so halten. Ganz
zu schweigen vom Karneval in Mainz oder in Köln, wo die Herrschenden
in Büttenreden ordentlich ihr Fett abbekommen. Das alles geht nur im
Fasching. Die herrschenden Verhältnisse werden umgekehrt, der brave
Steuerzahler, der das ganze Jahr über funktionieren muss, hebelt die
öffentliche Ordnung in den Tagen vor Aschermittwoch aus. Und das
nicht zu knapp, denn die, die den Rest des Jahres brav geduckt
bleiben, übernehmen jetzt die Macht.
Eigentlich geht es dann recht
harmlos zu, die Menschen feiern und singen und freuen sich des
Lebens. Das kann natürlich kein Dauerzustand sein, denn dann würde
die öffentliche Ordnung ja zusammenbrechen. Im Fasching dagegen
macht sie nur eine Pause. Und endlich dürfen die Menschen den
Mächtigen einmal sagen, was sie das ganze Jahr über nicht zu hören
bekommen. Die Mächtigen werden schwach, und die Kleinen werden
stark.
Das kommt mir bekannt vor:
Ähnliches hat Jesus Christus auch den Menschen angeboten – aber
nicht als Pausenfüller, sondern als Vorschlag für das ganze Leben.
Dienstag, 14. Februar 2012
Kinder lieben Fasching. Sie
schlüpfen in die Rollen ihrer Helden und Heldinnen und werden zu
Spiderman, Batman oder zur Prinzessin. Der Fasching gibt ihnen die
Möglichkeit, das zu sein, was sie nicht sind: übermächtig oder
grenzenlos schön. Scheinbar etwas, das sie in ihrem richtigen Leben
nicht sind. Sie haben die Gabe, ganz in ihre neue Rolle zu schlüpfen
und sie mit großem Ernst zu spielen. Mich faszinieren ihre
Ernsthaftigkeit und ihre Selbstvergessenheit.
Kinder schaffen es, sich ganz
darauf einzulassen und sich ganz hinzugeben an das, was sie
verkörpern. Erwachsene sind niemals selbstvergessen. Sie können sich
das nicht leisten, nicht einmal im Fasching. Ich bin überzeugt, dass
auch die Erwachsenen davon träumen, etwa übermächtig zu sein wie
Batman oder beispielsweise grenzenlos schön wie eine Prinzessin.
Oder frei wie ein Indianer oder Cowboy, um die Klassiker zu nennen.
Vielleicht liegt nämlich genau hier die Begründung für die
Aufforderung Jesu: Werdet wie die Kinder.
Spielerisch und selbstvergessen
dem Leben zu begegnen, löst vielleicht so manche verfahrene
Situation. Und das nicht nur im Fasching.
Mittwoch, 15. Februar 2012
Faschingsfeste gab es im
Mittelalter in vielen christlichen Ländern Europas. Bei diesen
"Narrenfesten" haben Kinder und Jugendliche kirchliche Zeremonien
übertrieben dargestellt und lächerlich gemacht. Die Kirche damals
hat diese Feste und den Spott geduldet, damit das Volk den Rest des
Jahres friedlich bleibt. Menschen weiter Fasching. Allmählich
veränderten sich die Adressaten dieser Feste: Es waren nicht mehr
die Kirchenleute, die Ziel des Spottes waren, sondern die Politiker.
Schon immer diente der Fasching als Ventil gegen die Oberen und
gegen Autoritäten. In Zeiten von Zensur und Einschränkung der
Pressefreiheit hörte man nicht gern die "Wahrheit, die der Narr
spricht".
Das alles zeigt, dass der
Umgang mit Autoritäten nicht immer einfach ist. Zweifellos ist es
gut, dass es sie gibt, mir fallen da Lehrer und Lehrerinnen ein,
Eltern oder etwa Verkehrsregeln. Autoritäten sind so lange sinnvoll,
solange sie den Menschen und der Gesellschaft dienen. Dann erfüllen
sie eine wichtige Aufgabe. Aber es geschieht leicht, dass sie sich
verselbständigen und nur noch um ihrer selbst willen da sind. Nicht
umsonst hat Christus gezeigt, dass Autoritäten immer auch zu
hinterfragen sind. Ich denke an die Geschichte, als Jesus das
Sabbatgebot in Frage gestellt hat: Der Sabbat ist um des Menschen
willen da und nicht der Mensch für den Sabbat.
Wo das geschieht, wo
Autoritäten sich selbstherrlich gebärden, ist Spott angesagt.
Donnerstag, 16. Februar 2012
Im Fasching kann man ordentlich
über die Stränge schlagen und so richtig Spaß haben. Seinen Ursprung
hat das ja, weil am Aschermittwoch alles vorbei ist. Dann beginnt
die Fastenzeit, in der, zumindest früher, kein Fleisch und kein
Alkohol auf den Tisch kam. Hier finden wir sogar den Ursprung des
Wortes Fasching, stammt es doch vom "Fastenschank" ab, das den
letzten Alkoholausschank vor der Fastenzeit bezeichnet. Also wurde
vorher noch einmal so richtig gevöllert und getrunken.
Offensichtlich brauchen Menschen das, denn sonst würden sie die 40
Tage Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern nicht als so schlimm
empfinden.
Das ist ja heute nicht mehr
unbedingt so, denn jeder kann ja heutzutage essen, was er oder sie
will, beziehungsweise verträgt. Das Feiern allerdings im Fasching
ist geblieben. Und nicht zu knapp. Das zeigt einmal mehr, dass
Menschen nicht nur gerne feiern, sondern dass das auch irgendwie zum
Menschsein dazugehört. Und dass eine Auszeit davon in der Fastenzeit
darauf hinweist, dass es nicht immer was zu feiern gibt. Die Grenze
vom Aschermittwoch kümmert heute allerdings kaum noch jemanden. Die
Balance zwischen feiern und fasten, zwischen ausgelassen sein und
sich besinnen, ist aufgehoben. Das ist schade. Vielleicht gelingt es
ja, sich selbst darauf zu besinnen, dass es eine Zeit gibt, um auch
einmal über die Stränge zu schlagen und dass es eine Zeit gibt,
innezuhalten und sich zu besinnen.
Vielleicht auch auf den, der
diese Ordnung von Fasching und Fasten begründet, Jesus Christus.
Freitag, 17. Februar 2012
Im Fasching verkleiden sich die
Menschen. So wirken sie geheimnisvoller. Das Wichtigste dabei sind
Masken. Im normalen Leben aber sind Masken nicht so gut angesehen.
Wir sprechen dann davon, dass der Eine oder die Andere eine Maske
trägt, also nicht echt ist. Ich finde, manchmal ist es gar nicht
schlecht, eine Maske zu tragen. Die Maske erlaubt es, etwas von sich
zu verbergen. Das erscheint mir zunehmend wichtig in Zeiten, in
denen Menschen im Fernsehen beispielsweise alles von sich
preisgeben. Da schauen Millionen Zuschauer gnadenlos auch hinter die
letzte Maske.
Auch im normalen Leben kann die
Maske helfen. Es gibt dann so etwas wie die Würde vor dem Geheimnis
des Anderen. Ich muss nicht alles preisgeben und kann auch etwas für
mich behalten. Das aber zählt in Zeiten, wo alle immer authentisch
sein sollen und nur das Echte zählt, nicht zu den größten Tugenden.
Kann es nicht sein, dass eine Maske erlaubt, viel echter und
authentischer zu sein? Vielleicht mögen so viele Menschen gerade
deshalb den Fasching, denn jetzt dürfen sie sich maskieren. Jesus
Christus ging es immer um die Würde des Menschen. Die Bibel ist voll
von Geschichten, in denen er Menschen ihre Würde wiedergibt. Und
dabei war es ganz egal, ob sie krank waren, aussätzig waren oder auf
andere Weise Ausgestoßene, wie etwa der Zöllner.
Masken können durchaus dabei
helfen, die eigene Würde und damit das Gesicht zu wahren.
Samstag, 18. Februar 2012
Wer feiert, der lebt im
Augenblick. Alles rundherum ist vergessen, was zählt, ist die Musik,
das Essen und Trinken und die gute Laune. Was für normale Feste
gilt, gilt umso mehr für Gschnas, Fasching und Karneval. Denn hier
kommt noch eine gehörige Portion Humor dazu. Und die Verkleidungen.
Beides erlaubt den Feiernden, sich lustig zu machen und zu lachen
über all die Dinge, die sonst das Leben so schwer machen. Feiern und
Lachen erleichtert, und wenn viele Menschen gemeinsam feiern, dann
ist das wie eine kleine Verbrüderung: Die Menschen werden zu
Geschwistern, die den Problemen ins Gesicht lachen.
Und so wird in der
Faschingszeit für ein paar Tage alles anders, und alles kann anders
sein. Selbstverständlich ist das Leben kein Fest, und wer nicht
vorausschauend lebt, der ist einfach unvernünftig. Aber das Leben im
Augenblick kann auch sehr befreiend sein und den Kopf frei machen.
Nichts anderes hat Jesus gemeint, als er seinen Jüngern die Lilien
auf dem Feld und die Vögel am Himmel gezeigt hat: Sie säen nicht,
und sie ernten nicht, und dennoch erhält sie Gott.
Der Fasching kann dabei helfen,
diesem Leben im Augenblick nachzuspüren. Mit allem, was dazugehört:
Kostüme, Musik und Lachen.