Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Dr. Angelika Pressler (Salzburg)

 

 

Sonntag, 19. Februar  2012

Heute mute ich Ihnen in aller Früh starken Tobak zu. Seit einiger Zeit denke ich über „Alt-Vaterisches“ nach, über die Sieben Todsünden. Und das am Faschingssonntag, an dem viele doch sehr gerne in die Verrücktheiten des Lebens eintauchen und es so richtig krachen lassen.

Aber ich meine, es kann nicht verkehrt sein, gerade in diesen Tagen der Ausgelassenheit zu überlegen, wann fühle ich mich so richtig lebendig. Und wann gerate ich in den Sog des Todes. Ich meine nicht den biologischen Tod, sondern den Tod der Menschlichkeit, der Großherzigkeit, der Güte. Die Sieben Todsünden bezeichnen Einstellungen und Haltungen, die wider das Leben stehen, wider die Lebendigkeit, die Entfremdung vom Menschsein.

Habgier und Neid, Stolz und Wollust, Zorn und Trägheit, und als quasi roter Faden, der sie alle verbindet, die Maßlosigkeit.

Alle Sieben kreisen in unterschiedlicher Weise nur um sich und führen in die Leere der Lieblosigkeit.

Für heute wünsch ich Ihnen einen Tag voll Lebendigkeit und Liebenswürdigkeit.

 

 

 

Montag, 20. Februar 2012

Schon einen Blick in den Spiegel gewagt? Geschminkt für den Rosenmontag oder ganz Sie selber? Vielleicht hat Sie der Blick in den Spiegel sogar ein bisschen stolz gemacht. Weil Sie zufrieden mit sich sind, um Ihre Begrenztheiten wissen; und vor allem Ihre Augen wieder von sich abwenden und Ihren Mitmenschen zuwenden können.

Ganz anders ist der Stolz im Katalog der Todsünden.

Der maßlos stolze Mensch ist sich selbst der Nächste; er ist besessen von sich. Er ist aufgeplustert wie ein Pfauenrad, kreist nur um sich selber, sonnt sich im eigenen Glanz und scheinbarer Großartigkeit. Der Stolze ist randvoll mit dem Begehren, sich und seine Taten zu idealisieren und verachtet die anderen.

Aber er hat ein kaltes Herz, so kalt, wie der Spiegel, der sein einziges Quasi-Gegenüber ist. Er ist wie tot, weil er alleine ist in seinem Universum, wie eine Sonne, die niemanden wärmt und keinen Schatten zulässt.

Für heute wünsche ich Ihnen wärmende Begegnungen, heitere Stunden, die den Alltag erhellen und die freundlichen Augen eines Mitmenschen, die mit Ihnen lachen und weinen.

 

 

 

Dienstag, 21. Februar 2012

Haben Sie sich schon gelöst aus der Geborgenheit des Bettes, aus den sanften Armen der nächtlichen Ruhe? Oder fühlen Sie sich ungehalten, zornig, weil die Sorgen des Alltages wieder Besitz von Ihnen ergreifen?

Wer ungehalten ist, ist haltlos, und wer haltlos ist, wird ungehalten. Und je ungehaltener ich werde, desto zorniger bin ich. Und das macht meinen Blick eng und starr. In der christlichen Tradition ist damit wohl die Todsünde Zorn gemeint.

Nicht der heilige Zorn, auch nicht der kurz aufflammende Jähzorn oder der zuweilen reinigende Wutausbruch. Nein, dieser Zorn ist form- und grenzenlos; und deshalb vernichtend. Ihm begegnen wir im Fanatismus, egal ob religiös, politisch oder sonst wie begründet. Dieser Zorn brennt in lichterlohen Flammen, aber sie wärmen nicht, sondern zerstören. Der Zornige hat ein verbrennendes Herz, er verbrennt sich und die anderen. Er verzehrt sich und die anderen. Symbolisch gesehen, eine Form des Kannibalismus.

Wie spüren Sie Ihren Zorn? Befreiend oder verbissen? Aufzehrend oder als Quelle für Begegnung? Einen leidenschaftlichen Tag wünsche ich Ihnen.

 

 

 

Mittwoch, 22. Februar 2012

Alles hat seine Zeit, alles ist begrenzt. Auch die Tage des Faschings sind zu Ende. Aschermittwoch, gedenke Mensch, dass du sterblich bist, Grenzen hast und begrenzt bist.

In der Reihe der sieben Todsünden finde ich heute eine weitere menschliche Grenzen- und Maßlosigkeit: Die Habgier. Sie ist wie ein Besessen-Sein, wie eine Sucht, und das Suchtmittel ist der Besitz.

Der Habgierige meint, er könne alles in Besitz nehmen, alles. Aber Leben und Lebendiges lässt sich nicht besitzen. Und schon gar nicht die Liebe. Deshalb ist Habgier lebens- und liebesfeindlich, sie tötet. Und so hat der Habgierige ein erstarrtes Herz. Er ist hartherzig.

Aber: Wie gerne schimpfen wir selber über habgierige Investmentbanker, Börsen-Zocker, über die Reichen und die, die es sich gerichtet haben – in ihrer Gier nach mehr Besitz. – Doch gieren wir nicht selber auch – nach mehr Glück, mehr Fitness, mehr Geld, mehr Schönheit, mehr Ansehen?

Heute ist Aschermittwoch, Asche auf unser Haupt, ein Zeichen der Reue, der Buße, des Neubeginns, jenseits von Habgier und Habsucht. Das wünsch ich Ihnen von Herzen.

 

 

 

Donnerstag, 23. 2. 2012

Sind Sie schon angekommen in der Fastenzeit, den vierzig Tagen vor Ostern, mit der Absicht, sich zu beschränken und der Aussicht, freier und menschlicher zu werden? Also gegen den Tod zu sein! Wachsen mit Werden einzutauschen? Dann sind Sie auf einem guten Weg.

Aber auf diesem Weg des Werdens gibt es – nach christlicher Tradition – eine besondere Verführung: Die Wollust. Ein echt altes Wort!

 

Schrecken Sie sich nicht! Denn ich meine nicht die kreuzbraven, autoerotischen Unternehmungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Ich meine auch nicht Pornographie oder Missbrauchsgeschichten. Ich frage nur: Wie gehen Sie mit Ihrem eigenen, sinnlichem Begehren um?

Der wollüstige Mensch hat sein Herz – im wahrsten Sinn des Wortes – in der Hose. Und wer sein Herz in der Hose hat, hat Angst. Angst vor echter Nähe, vor Beziehung. Wollust kann nicht wirklich befriedigen und satt machen, weil sie das Gegenüber ebenso wenig sieht, wie den nahen und so verletzlichen Raum der Intimität.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Tag genießen können, mit allen Sinnen. Und mit lieben Menschen.

 

 

 

Freitag, 24. Februar 2012

Kennen Sie das? Sagen wir, ein Bekannter von Ihnen fährt mitten unterm Jahr, im bitterkalten Winter, einfach drei Wochen weg in die Südsee, in die Tropen, wo es warm und herrlich ist. Da kriecht bei Ihnen ein nagendes Gefühl über das Herz, und Sie merken – ein wenig beschämt – dass Sie neidisch sind. Vielleicht beschließen Sie, nächstes Jahr hab ich Geld gespart und ich gönne mir auch etwas Feines. Dann sind Sie gut mit der Todsünde Neid umgegangen.

Doch nur allzu oft bringt uns der Neid eben nicht dazu, eigene Bedürfnisse achtsam wahrzunehmen, großherzig mit uns und dem Mitmenschen zu sein. Nein, er lässt uns wie hypnotisiert auf den anderen starren, weil er angeblich mehr hat, mehr ist, mehr kann. Je mehr er starrt, desto mehr zieht sich sein Herz zusammen. Der neiderfüllte Mensch hat ein schwindsüchtiges Herz.

Das Markenzeichen des Neides ist die „Kleinherzigkeit“, verwandt mit dem Geiz und der Habgier. Der Neid steht gegen die Großherzigkeit der Menschlichkeit und führt in den Tod.

Ein weites, offenes Herz wünsche ich Ihnen für den heutigen Tag.

 

 

 

Samstag, 25. Februar 2012

Sind Sie heute früh leichtfüßig aus dem Bett gestiegen, oder noch schwer vom Schlaf und ein wenig „mieselsüchtig“? Ist es Ihnen egal, dass ein neuer Tag durchs Fenster schaut, weil dieser genauso verlaufen wird wie alle anderen? Aber Sie gehen sich einen Ruck, genießen den heißen Kaffee und plötzlich fällt Ihnen ein, welch interessante neue Erfahrungen Sie heute machen könnten.

Dann haben Sie gewonnen im Kampf gegen die Todsünde der Trägheit. Diese ist nämlich außerordentlich raffiniert. Während die anderen Todsünden die Maßlosigkeit im Begehren aufweisen, ist die Trägheit gekennzeichnet vom Nicht-Begehren.

Teilnahmslosigkeit, für nichts und niemand eintreten, blindes Geschehen-lassen, Lähmung – das ist die Trägheit des Herzens. Der Träge besitzt ein stummes Herz.

Der Träge verweigert die Unterschrift zu sich selber, zu seiner Persönlichkeit, seinem Leben. Weil er nicht zu sich steht, kann er für nichts gerade stehen, er kann auch nicht zu anderen stehen, oder ihnen beistehen. Stillstand.

Ich wünsche Ihnen für den heutigen Tag innere Beweglichkeit und Neugier auf das Leben.