Heute mute ich Ihnen in aller Früh starken Tobak zu. Seit einiger
Zeit denke ich über „Alt-Vaterisches“ nach, über die Sieben
Todsünden. Und das am Faschingssonntag, an dem viele doch sehr gerne
in die Verrücktheiten des Lebens eintauchen und es so richtig
krachen lassen.
Aber ich meine, es kann nicht verkehrt sein, gerade in diesen Tagen
der Ausgelassenheit zu überlegen, wann fühle ich mich so richtig
lebendig. Und wann gerate ich in den Sog des Todes. Ich meine nicht
den biologischen Tod, sondern den Tod der Menschlichkeit, der
Großherzigkeit, der Güte. Die Sieben Todsünden bezeichnen
Einstellungen und Haltungen, die wider das Leben stehen, wider die
Lebendigkeit, die Entfremdung vom Menschsein.
Habgier und Neid, Stolz und Wollust, Zorn und Trägheit, und als
quasi roter Faden, der sie alle verbindet, die Maßlosigkeit.
Alle Sieben kreisen in unterschiedlicher Weise nur um sich und
führen in die Leere der Lieblosigkeit.
Für heute wünsch ich Ihnen einen Tag voll Lebendigkeit und
Liebenswürdigkeit.
Montag, 20. Februar 2012
Schon einen Blick in den Spiegel gewagt? Geschminkt für den
Rosenmontag oder ganz Sie selber? Vielleicht hat Sie der Blick in
den Spiegel sogar ein bisschen stolz gemacht. Weil Sie zufrieden mit
sich sind, um Ihre Begrenztheiten wissen; und vor allem Ihre Augen
wieder von sich abwenden und Ihren Mitmenschen zuwenden können.
Ganz anders ist der Stolz im Katalog der Todsünden.
Der maßlos stolze Mensch ist sich selbst der Nächste; er ist
besessen von sich. Er ist aufgeplustert wie ein Pfauenrad, kreist
nur um sich selber, sonnt sich im eigenen Glanz und scheinbarer
Großartigkeit. Der Stolze ist randvoll mit dem Begehren, sich und
seine Taten zu idealisieren und verachtet die anderen.
Aber er hat ein kaltes Herz, so kalt, wie der Spiegel, der sein
einziges Quasi-Gegenüber ist. Er ist wie tot, weil er alleine ist in
seinem Universum, wie eine Sonne, die niemanden wärmt und keinen
Schatten zulässt.
Für heute wünsche ich Ihnen wärmende Begegnungen, heitere Stunden,
die den Alltag erhellen und die freundlichen Augen eines
Mitmenschen, die mit Ihnen lachen und weinen.
Dienstag, 21. Februar 2012
Haben Sie sich schon gelöst aus der Geborgenheit des Bettes, aus den
sanften Armen der nächtlichen Ruhe? Oder fühlen Sie sich ungehalten,
zornig, weil die Sorgen des Alltages wieder Besitz von Ihnen
ergreifen?
Wer ungehalten ist, ist haltlos, und wer haltlos ist, wird
ungehalten. Und je ungehaltener ich werde, desto zorniger bin ich.
Und das macht meinen Blick eng und starr. In der christlichen
Tradition ist damit wohl die Todsünde Zorn gemeint.
Nicht der heilige Zorn, auch nicht der kurz aufflammende Jähzorn
oder der zuweilen reinigende Wutausbruch. Nein, dieser Zorn ist
form- und grenzenlos; und deshalb vernichtend. Ihm begegnen wir im
Fanatismus, egal ob religiös, politisch oder sonst wie begründet.
Dieser Zorn brennt in lichterlohen Flammen, aber sie wärmen nicht,
sondern zerstören. Der Zornige hat ein verbrennendes Herz, er
verbrennt sich und die anderen. Er verzehrt sich und die anderen.
Symbolisch gesehen, eine Form des Kannibalismus.
Wie spüren Sie Ihren Zorn? Befreiend oder verbissen? Aufzehrend oder
als Quelle für Begegnung? Einen leidenschaftlichen Tag wünsche ich
Ihnen.
Mittwoch, 22. Februar 2012
Alles hat seine Zeit, alles ist begrenzt. Auch die Tage des
Faschings sind zu Ende. Aschermittwoch, gedenke Mensch, dass du
sterblich bist, Grenzen hast und begrenzt bist.
In
der Reihe der sieben Todsünden finde ich heute eine weitere
menschliche Grenzen- und Maßlosigkeit: Die Habgier. Sie ist wie ein
Besessen-Sein, wie eine Sucht, und das Suchtmittel ist der Besitz.
Der Habgierige meint, er könne alles in Besitz nehmen, alles. Aber
Leben und Lebendiges lässt sich nicht besitzen. Und schon gar nicht
die Liebe. Deshalb ist Habgier lebens- und liebesfeindlich, sie
tötet. Und so hat der Habgierige ein erstarrtes Herz. Er ist
hartherzig.
Aber: Wie gerne schimpfen wir selber über habgierige
Investmentbanker, Börsen-Zocker, über die Reichen und die, die es
sich gerichtet haben – in ihrer Gier nach mehr Besitz. – Doch gieren
wir nicht selber auch – nach mehr Glück, mehr Fitness, mehr Geld,
mehr Schönheit, mehr Ansehen?
Heute ist Aschermittwoch, Asche auf unser Haupt, ein Zeichen der
Reue, der Buße, des Neubeginns, jenseits von Habgier und Habsucht.
Das wünsch ich Ihnen von Herzen.
Donnerstag, 23. 2. 2012
Sind Sie schon angekommen in der Fastenzeit, den vierzig Tagen vor
Ostern, mit der Absicht, sich zu beschränken und der Aussicht,
freier und menschlicher zu werden? Also gegen den Tod zu sein!
Wachsen mit Werden einzutauschen? Dann sind Sie auf einem guten Weg.
Aber auf diesem Weg des Werdens gibt es – nach
christlicher Tradition – eine besondere Verführung: Die Wollust. Ein
echt altes Wort!
Schrecken Sie sich nicht! Denn ich meine nicht die kreuzbraven,
autoerotischen Unternehmungen von Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen. Ich meine auch nicht Pornographie oder
Missbrauchsgeschichten. Ich frage nur: Wie gehen Sie mit Ihrem
eigenen, sinnlichem Begehren um?
Der wollüstige Mensch hat sein Herz – im wahrsten Sinn des Wortes –
in der Hose. Und wer sein Herz in der Hose hat, hat Angst. Angst vor
echter Nähe, vor Beziehung. Wollust kann nicht wirklich befriedigen
und satt machen, weil sie das Gegenüber ebenso wenig sieht, wie den
nahen und so verletzlichen Raum der Intimität.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Tag genießen können, mit allen
Sinnen. Und mit lieben Menschen.
Freitag, 24. Februar 2012
Kennen Sie das? Sagen wir, ein Bekannter von Ihnen fährt mitten
unterm Jahr, im bitterkalten Winter, einfach drei Wochen weg in die
Südsee, in die Tropen, wo es warm und herrlich ist. Da kriecht bei
Ihnen ein nagendes Gefühl über das Herz, und Sie merken – ein wenig
beschämt – dass Sie neidisch sind. Vielleicht beschließen Sie,
nächstes Jahr hab ich Geld gespart und ich gönne mir auch etwas
Feines. Dann sind Sie gut mit der Todsünde Neid umgegangen.
Doch nur allzu oft bringt uns der Neid eben nicht dazu, eigene
Bedürfnisse achtsam wahrzunehmen, großherzig mit uns und dem
Mitmenschen zu sein. Nein, er lässt uns wie hypnotisiert auf den
anderen starren, weil er angeblich mehr hat, mehr ist, mehr kann. Je
mehr er starrt, desto mehr zieht sich sein Herz zusammen. Der
neiderfüllte Mensch hat ein schwindsüchtiges Herz.
Das Markenzeichen des Neides ist die „Kleinherzigkeit“, verwandt mit
dem Geiz und der Habgier. Der Neid steht gegen die Großherzigkeit
der Menschlichkeit und führt in den Tod.
Ein weites, offenes Herz wünsche ich Ihnen für den heutigen Tag.
Samstag, 25. Februar 2012
Sind Sie heute früh leichtfüßig aus dem Bett gestiegen, oder noch
schwer vom Schlaf und ein wenig „mieselsüchtig“? Ist es Ihnen egal,
dass ein neuer Tag durchs Fenster schaut, weil dieser genauso
verlaufen wird wie alle anderen? Aber Sie gehen sich einen Ruck,
genießen den heißen Kaffee und plötzlich fällt Ihnen ein, welch
interessante neue Erfahrungen Sie heute machen könnten.
Dann haben Sie gewonnen im Kampf gegen die Todsünde der Trägheit.Diese ist nämlich außerordentlich raffiniert. Während die
anderen Todsünden die Maßlosigkeit im Begehren aufweisen, ist die
Trägheit gekennzeichnet vom Nicht-Begehren.
Teilnahmslosigkeit, für nichts und niemand eintreten, blindes
Geschehen-lassen, Lähmung – das ist die Trägheit des Herzens. Der
Träge besitzt ein stummes Herz.
Der Träge verweigert die Unterschrift zu sich selber, zu seiner
Persönlichkeit, seinem Leben. Weil er nicht zu sich steht, kann er
für nichts gerade stehen, er kann auch nicht zu anderen stehen, oder
ihnen beistehen. Stillstand.
Ich wünsche Ihnen für den heutigen Tag innere Beweglichkeit und
Neugier auf das Leben.