von Pfarrer Wilfried M. Blum (Rankweil, Vorarlberg)
Sonntag, 4. März 2012
Immer noch hat der Sonntag etwas Besonderes an sich. Viele schätzen
vor allem das Zusammensein mit der Familie, den Freunden oder auch
den gemeinsamen Freizeitspaß. Für manche ist es einfach auch
Arbeitstag, damit andere frei haben können, am Morgen frisches Brot
kaufen, am Mittag im Gasthaus einkehren oder notfalls Hilfsdienste
beanspruchen können.
Immer noch kommen hunderttausende Christen am Sonntag zu einem
Gottesdienst zusammen, „um den Tag des Herrn zu heiligen“. Gott zu
danken und aus der Feier Hoffnung zu schöpfen, gibt diesem ersten
Tag der Woche, aber auch den Werktagen einen etwas anderen Glanz.
Manchmal erahnt man erst nach einer langen Lebensschule, was dem
Sonntag seine Tiefe geben kann. Der weise und kritische
Schriftsteller Martin Walser buchstabierte es in einem Interview mit
der Hamburger „Zeit“ (2011) einmal so:
„Ich bin an den Sonntag gebunden / Wie an eine Melodie /
Ich habe keine andere gefunden / Ich glaube nicht, aber ich knie.“
Vielleicht können diese Worte anregen, der eigenen Spur
nachzufolgen, welche Sonntagsmelodie ihr Leben ausmacht?
Montag, 5. März 2012
Immer noch ist die Fastenzeit für Viele eine besondere Zeit. Mancher
Vorsatz hat sich inzwischen schon ein wenig verdunstet. Wer kennt
das nicht!
Schade ist, dass Fasten heutzutage fast ausschließlich mit Abnehmen
von Kilos oder Entschlackungskuren verbunden wird. Manche verzichten
auf Alkohol oder Schokolade. Andere drehen öfters den Fernseher ab
oder lassen bewusst das Auto stehen.
Fasten bedeutet nicht zuerst abnehmen. Seit dem Aschermittwoch sind
wir vielmehr ermutigt zuzunehmen: in unserer Gottes-Beziehung,
unserer Nähe zum Nächsten, in unserer Liebe zum Partner/zur
Partnerin und den Kindern oder in unserem Gespür für die Schöpfung.
Diese Zunahme soll dem Leben mehr innere und äußere Freiheit
eröffnen.
Der Prophet Jesaia setzt noch etwas nach: „Das ist ein Fasten, wie
ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, … an die Hungrigen
dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen …
und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.“ (Jes58,6f)
Vielleicht fasten Sie ab heute bewusst anders – Kilo hin oder her?
Vielleicht nehmen sie nun durch Fasten zu an Gerechtigkeit,
Solidarität, Versöhnung …?
Dienstag, 6. März 2012
Immer noch erinnere ich mich gerne an die Seligsprechung von
Provikar Karl Lampert im November 2011. Ob selig oder nicht, mich
hat dieser Glaubenszeuge immer beeindruckt. Mich berührt auch,
welche Kraft der Geradlinigkeit und der Versöhnung er aus dem
Glauben schöpfen konnte. Ein ständiger Stachel in meinem Alltag!
Magnus Koschig, Pfarrer in Halle an der Saale, wo Lampert als
Naziopfer hingerichtet wurde, beschreibt ihn so: „Sich nicht beugen
unter die Mächtigen, die Freiheit nicht aufgeben, um zu überleben,
sich nicht einzureihen in die graue Masse und standzuhalten, wie es
das Evangelium wünscht, das sind für mich Eigenschaften, die ihn für
uns zum Vorbild machen. Auch er hat bestimmt die gut gemeinten
Ratschläge gehört: „Verbrenn dir nicht den Mund“ und „Du musst mit
Wölfen heulen, wenn du unter Wölfen lebst“. Aber er hat sich nicht
daran gehalten. Er war und blieb sperrig und wurde so für die
Mächtigen zum roten Tuch. Er zeigte ihnen die Grenzen jeder Macht:
die Kraft des Gewissens, das Rückgrat des Glaubens und den Mut einer
Hoffnung, die auch im Tod am Leben festhält“.
Vielleicht kann es gerade heute nötig sein, an dem Platz, wo ich
hingestellt bin, sich nicht zu beugen und eine klare Haltung
einzunehmen?
Mittwoch, 7. März 2012
Immer noch finde ich, dass Kinder unsere großen Lehrmeister im
Glauben sein können. Ihre meist offene Art, die Welt und das Leben
zu sehen, ist wohltuend, aber bringt uns manchmal auch ins Wanken
und Grübeln.
Was antworten Sie zum Beispiel einem Kind, wenn es fragt: Wo hat
sich der liebe Gott versteckt? Oder: Wenn Gott im Himmel wohnt,
wieso fällt sein Haus nicht herunter? Oder: Wie kommt meine Oma
wieder aus dem Grab? Es sind keine erfundenen, sondern echte Fragen
von Kindern aus Südtirol. Solche Fragen haben das dortige
Pastoralamt veranlasst, ein kleines Buch herauszugeben. Darin wird
versucht, Eltern wertvolle Impulse zu geben, immer neu über ihren
Glauben nachzudenken.
Wenn wir als Erwachsene uns den Glaubensfragen stellen und für uns
im Herzen nach ehrlichen Antworten suchen, dann bekommen Kinder auch
jene Antworten, die sie zu nachdenklichen Menschen und zu gläubigen
Christen heranreifen lassen.
Vielleicht lohnt es sich, mehr auf die Fragen unserer Kinder zu
hören und von ihnen zu lernen, neugierig das Leben und den Glauben
zu entdecken?
Donnerstag, 8. März 2012
Immer noch staune ich, wie Menschen in schrecklichsten Situationen
nicht verzweifeln, sondern trotz allem hoffen und kleine Schritte
für eine bessere Zukunft setzen.
Die Lage der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland ist
bekanntlich dramatisch. Nicht nur Seelen, auch Orte sind in Brüche
gegangen. Zahllose Scherben zerbrochener Fenster und Schutt
zerbombter Häuser bedecken das Land. Die Not ist seit damals groß
geblieben.
Samar, eine christliche Palästinenserin, begann in einer
Kunstwerkstätte in Bethlehem aus herumliegenden Glasscherben kleine
Engel zu gestalten und zu verkaufen. Seither sind diese Engel zur
Lebensgrundlage für Viele geworden. Aus Scherbenengel wurden
Hoffnungsengel. Wo immer diese kleinen Engel in Häusern und
Wohnungen an einem dünnen Faden hängen, künden sie die Botschaft
Gottes: Ich bin mit dir! Ich lasse dich nicht im Stich! Gib nicht
auf! Ich bringe dir auch in die dunkelsten Nächte deines Lebens
einen ersten Lichtstrahl der Hoffnung.
Vielleicht tut es gut nachzudenken, ob die eigenen Engel aus der
Kitschkiste oder dem Aberglauben-Kübel kommen oder doch
Hoffnungsengel Gottes sind?
Freitag, 9. März 2012
Immer noch freue ich mich auf Taufgespräche. Ich empfinde es
spannend, mit meist jungen Eltern und Paten den Schatz der Taufe zu
entdecken. Heute sind Viele ein gutes Stück von Glaubenspraxis und
Glaubenswissen entfernt. Aber durch die Geburt eines Kindes bricht
oft verstärkt eine Sehnsucht nach mehr Nähe zu einem christlichen
Leben und zur Kirche auf. Unsere Zeit macht es ihnen aber nicht
leicht. Manches geht im Alltagstrubel unter oder wird nicht mehr
wahrgenommen.
Vor einiger Zeit fragte ich einmal Eltern – eher ganz spontan -, ob
sie wissen, warum am Freitag um 15 Uhr die Glocken läuten. Sie
waren verwundert und mehr als erstaunt, dass überhaupt Glocken
läuten. Daraus ergab sich ein spannendes Gespräch mit einer
Erkenntnis: Vieles geschieht um uns herum, ohne dass wir es noch
wahrnehmen, sehen oder hören.
Jesus begründet einmal seinen Jüngern, warum er in Gleichnissen
redet, „weil sie – die Menschen - sehen und doch nicht sehen, weil
sie hören und doch nicht hören…“ (Mt13,13)
Vielleicht sehen und hören Sie gerade heute einmal genauer auf
Dinge, die gerne übersehen und überhört werden?
Samstag, 10. März 2012
Immer noch treffe ich gerne Jugendliche, die nach außen nicht viel
mit Kirche und Glaube am Hut haben. Fragt man aber genauer nach,
dann tun sich erstaunliche Welten auf.
Die Jugendlichen in unserer Pfarre werden mit 17 gefirmt. Eine Säule
der Vorbereitung sind unsere Hauskreise. Dort tauschen sie unter
Begleitung von Erwachsenen ihre Erfahrungen mit Gott und der Welt
aus. Bei meinen Besuchen ergeben sich manchmal ganz spannende
Gespräche.
Werden diese Jugendlichen nach ihrer Einstellung zur Kirche gefragt
oder danach, wie wichtig ihnen Glaube ist, dann kommen nicht selten
bemerkenswerte Gedanken zutage wie: Mein Glaube hilft mir, ein
eigenständiger Mensch zu sein und er steht mir in wichtigen
Entscheidungen in meinen Leben bei. Oder: Mein Glaube ist mir immer
ein Rückhalt, auch ein Rückzugsort für Gespräche. Ohne ihn fühle ich
mich in manchen Situationen leer. Oder: Egal in welcher Lage ich
mich befinde, er gibt mir Kraft und Hoffnung. Ich habe eher eine
kritische Einstellung zur Kirche, wobei ich sie trotzdem akzeptiere.
– Soweit Jugendliche.
Vielleicht lohnt es sich, mit jungen Menschen ihre offenen Fragen zu
besprechen? Beginnen könnte alles einfach mit Zuhören.