Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Auf Spurensuche im Alltag“

von Pfarrer Wilfried M. Blum (Rankweil, Vorarlberg)

 

 

Sonntag, 4. März 2012

Immer noch hat der Sonntag etwas Besonderes an sich. Viele schätzen vor allem das Zusammensein mit der Familie, den Freunden oder auch den gemeinsamen Freizeitspaß. Für manche ist es einfach auch Arbeitstag, damit andere frei haben können, am Morgen frisches Brot kaufen, am Mittag im Gasthaus einkehren oder notfalls Hilfsdienste beanspruchen können.

 

Immer noch kommen hunderttausende Christen am Sonntag zu einem Gottesdienst zusammen, „um den Tag des Herrn zu heiligen“. Gott zu danken und aus der Feier Hoffnung zu schöpfen, gibt diesem ersten Tag der Woche, aber auch den Werktagen einen etwas anderen Glanz.

 

Manchmal erahnt man erst nach einer langen Lebensschule, was dem Sonntag seine Tiefe geben kann.  Der weise und kritische Schriftsteller Martin Walser buchstabierte es in einem Interview mit der Hamburger „Zeit“ (2011) einmal so:

„Ich bin an den Sonntag gebunden / Wie an eine Melodie /

Ich habe keine andere gefunden / Ich glaube nicht, aber ich knie.“

 

Vielleicht können diese Worte anregen, der eigenen Spur nachzufolgen, welche Sonntagsmelodie ihr Leben ausmacht?

 

 

 

Montag, 5. März 2012

Immer noch ist die Fastenzeit für Viele eine besondere Zeit. Mancher Vorsatz hat sich inzwischen schon ein wenig verdunstet. Wer kennt das nicht!

Schade ist, dass Fasten heutzutage fast ausschließlich mit Abnehmen von Kilos oder Entschlackungskuren verbunden wird. Manche verzichten auf Alkohol oder Schokolade. Andere drehen öfters den Fernseher ab oder lassen bewusst das Auto stehen.

 

Fasten bedeutet nicht zuerst abnehmen. Seit dem Aschermittwoch sind wir vielmehr  ermutigt zuzunehmen: in unserer Gottes-Beziehung, unserer Nähe zum Nächsten, in unserer Liebe zum Partner/zur Partnerin und den Kindern oder in unserem Gespür für die Schöpfung. Diese Zunahme soll dem Leben mehr innere und äußere Freiheit eröffnen.

 

Der Prophet Jesaia setzt noch etwas nach: „Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, … an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen … und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.“ (Jes58,6f)

 

Vielleicht fasten Sie ab heute bewusst anders – Kilo hin oder her? Vielleicht nehmen sie nun durch Fasten zu an Gerechtigkeit, Solidarität, Versöhnung …?

 

 

 

Dienstag, 6. März 2012

Immer noch erinnere ich mich gerne an die Seligsprechung von Provikar Karl Lampert im November 2011. Ob selig oder nicht, mich hat dieser Glaubenszeuge immer beeindruckt. Mich berührt auch, welche Kraft der Geradlinigkeit und der Versöhnung er aus dem Glauben schöpfen konnte. Ein ständiger Stachel in meinem Alltag!

 

Magnus Koschig, Pfarrer in Halle an der Saale, wo Lampert als Naziopfer hingerichtet wurde, beschreibt ihn so: „Sich nicht beugen unter die Mächtigen, die Freiheit nicht aufgeben, um zu überleben, sich nicht einzureihen in die graue Masse und standzuhalten, wie es das Evangelium wünscht, das sind für mich Eigenschaften, die ihn für uns zum Vorbild machen. Auch er hat bestimmt die gut gemeinten Ratschläge gehört: „Verbrenn dir nicht den Mund“ und „Du musst mit Wölfen heulen, wenn du unter Wölfen lebst“. Aber er hat sich nicht daran gehalten. Er war und blieb sperrig und wurde so für die Mächtigen zum roten Tuch. Er zeigte ihnen die Grenzen jeder Macht: die Kraft des Gewissens, das Rückgrat des Glaubens und den Mut einer Hoffnung, die auch im Tod am Leben festhält“.

 

Vielleicht kann es gerade heute nötig sein, an dem Platz, wo ich hingestellt bin, sich nicht zu beugen und eine klare Haltung einzunehmen?

 

 

 

Mittwoch, 7. März 2012

Immer noch finde ich, dass Kinder unsere großen Lehrmeister im Glauben sein können. Ihre meist offene Art, die Welt und das Leben zu sehen, ist wohltuend, aber bringt uns manchmal auch ins Wanken und Grübeln.

Was antworten Sie zum Beispiel einem Kind, wenn es fragt: Wo hat sich der liebe Gott versteckt? Oder: Wenn Gott im Himmel wohnt, wieso fällt sein Haus nicht herunter? Oder: Wie kommt meine Oma wieder aus dem Grab? Es sind keine erfundenen, sondern echte Fragen von Kindern aus Südtirol. Solche Fragen haben das dortige Pastoralamt veranlasst, ein kleines Buch herauszugeben. Darin wird versucht, Eltern wertvolle Impulse zu geben, immer neu über ihren Glauben nachzudenken.

 

Wenn wir als Erwachsene uns den Glaubensfragen stellen und für uns im Herzen nach ehrlichen Antworten suchen, dann bekommen Kinder auch jene Antworten, die sie zu nachdenklichen Menschen und zu gläubigen Christen heranreifen lassen.

 

Vielleicht lohnt es sich, mehr auf die Fragen unserer Kinder zu hören und von ihnen zu lernen, neugierig das Leben und den Glauben zu entdecken?

 

 

 

Donnerstag, 8. März 2012

Immer noch staune ich, wie Menschen in schrecklichsten Situationen nicht verzweifeln, sondern trotz allem hoffen und kleine Schritte für eine bessere Zukunft setzen.

Die Lage der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland ist bekanntlich dramatisch. Nicht nur Seelen, auch Orte sind in Brüche gegangen. Zahllose Scherben zerbrochener Fenster und Schutt zerbombter Häuser bedecken das Land. Die Not ist seit damals groß geblieben.

 

Samar, eine christliche Palästinenserin, begann in einer Kunstwerkstätte in Bethlehem aus herumliegenden Glasscherben kleine Engel zu gestalten und zu verkaufen. Seither sind diese Engel zur Lebensgrundlage für Viele geworden. Aus Scherbenengel wurden Hoffnungsengel. Wo immer diese  kleinen Engel in Häusern und Wohnungen an einem dünnen Faden hängen, künden sie die Botschaft Gottes: Ich bin mit dir! Ich lasse dich nicht im Stich! Gib nicht auf! Ich bringe dir auch in die dunkelsten Nächte deines Lebens einen ersten Lichtstrahl der Hoffnung.

 

Vielleicht tut es gut nachzudenken, ob die eigenen Engel aus der Kitschkiste oder dem Aberglauben-Kübel kommen oder doch Hoffnungsengel Gottes sind?

 

 

 

Freitag, 9. März 2012

Immer noch freue ich mich auf Taufgespräche. Ich empfinde es spannend, mit meist jungen Eltern und Paten den Schatz der Taufe zu entdecken. Heute sind Viele ein gutes Stück von Glaubenspraxis und Glaubenswissen entfernt. Aber durch die Geburt eines Kindes bricht oft verstärkt eine Sehnsucht nach mehr Nähe zu einem christlichen Leben und zur Kirche auf. Unsere Zeit macht es ihnen aber nicht leicht. Manches geht im Alltagstrubel unter oder wird nicht mehr wahrgenommen.

 

Vor einiger Zeit fragte ich einmal Eltern – eher ganz spontan -, ob sie wissen, warum   am Freitag um 15 Uhr die Glocken läuten. Sie waren verwundert und mehr als erstaunt, dass überhaupt Glocken läuten. Daraus ergab sich ein spannendes Gespräch mit einer Erkenntnis: Vieles geschieht um uns herum, ohne dass wir es noch wahrnehmen, sehen oder hören.

 

Jesus begründet einmal seinen Jüngern, warum er in Gleichnissen redet, „weil sie – die Menschen - sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören…“ (Mt13,13)

 

Vielleicht sehen und hören Sie gerade heute einmal genauer auf Dinge, die gerne übersehen und überhört werden?

 

   

 

 

Samstag, 10. März 2012

Immer noch treffe ich gerne Jugendliche, die nach außen nicht viel mit Kirche und Glaube am Hut haben. Fragt man aber genauer nach, dann tun sich erstaunliche Welten auf.

Die Jugendlichen in unserer Pfarre werden mit 17 gefirmt. Eine Säule der Vorbereitung sind unsere Hauskreise. Dort tauschen sie unter Begleitung von Erwachsenen ihre Erfahrungen mit Gott und der Welt aus. Bei meinen Besuchen ergeben sich manchmal ganz spannende Gespräche.

 

Werden diese Jugendlichen nach ihrer Einstellung zur Kirche gefragt oder danach, wie wichtig ihnen Glaube ist, dann kommen nicht selten bemerkenswerte Gedanken zutage wie: Mein Glaube hilft mir, ein eigenständiger Mensch zu sein und er steht mir in wichtigen Entscheidungen in meinen Leben bei. Oder: Mein Glaube ist mir immer ein Rückhalt, auch ein Rückzugsort für Gespräche. Ohne ihn fühle ich mich in manchen Situationen leer. Oder: Egal in welcher Lage ich mich befinde, er gibt mir Kraft und Hoffnung. Ich habe eher eine kritische Einstellung zur Kirche, wobei ich sie trotzdem akzeptiere. – Soweit Jugendliche.

 

Vielleicht lohnt es sich, mit jungen Menschen ihre offenen Fragen zu besprechen? Beginnen könnte alles einfach mit Zuhören.