Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Dr. Christoph Weist (Wien)

 

 

Sonntag, 11.3.2012

Auf Jesus von Nazareth beruht der christliche Glaube. Was er für gut oder schlecht gehalten hat, welche „Werte“ er gelehrt hat, geht aus der Bibel hervor. Manchmal nur bei genaueren Hinschauen. Und was er wollte, wirkt mitunter richtig hart. Aber bald wird klar: Er hat alle damals und heute geltenden Maßstäbe umgekehrt. Für ihn war Gott nicht erst am St. Nimmerleinstag oder nach dem Tode eines Menschen, sondern jetzt schon am Werk. Danach soll sich das ganze Leben gestalten.

Und so hat Jesus seine Werte beschrieben: „Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.“ (Lk 6,20a-21)

Diese verkehrte Welt hat Jesus das „Reich Gottes“ genannt, die Gottesherrschaft. Alles was er für gut oder schlecht gehalten hat, hat damit zu tun. Der Sonntag, der am Beginn einer Woche steht, ist ein Signal dafür, dass die Erniedrigten, die Hungernden und die Weinenden an jeden Wochentag unter dem besonderen Schutz Gottes stehen.

 

 

 

Montag, 12.3.2012

Dass Jesus von Nazareth der Steuerverweigerung, konkret der an den römischen Staat, eine Absage erteilt hat, ist bis heute nur schwer zu verstehen. Seine Aufforderung „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Mk 12,17) ist schon in der Bibel auf Verwunderung gestoßen. Er, der sonst radikal alles umgekehrt hat, sollte plötzlich zur Bravheit aufrufen?

Der Satz wird dementsprechend immer wieder missverstanden. Nein, hier wird nicht unkritisch für den Staat Partei ergriffen. Hier wird auch nicht behauptet, Politik und Glaube seien zwei gänzlich verschiedene Kapitel, die nichts miteinander zu tun haben oder haben dürfen. Hier ist an eine andere Instanz gedacht, von der Menschen ihr Tun und Lassen abhängig machen sollen: an die Herrschaft Gottes.

 

Sie war das große Thema des Wanderpredigers aus Galiläa. Und sie besagt: Es geht darum, dem Staat und der gesamten Gesellschaft ihr Recht zu lassen - und gleichzeitig peinlich darauf zu achten, dass alles, was in Staat und Gesellschaft geschieht, in Verantwortung vor Gott geschieht. Vor dem Gott, der die Menschen geschaffen hat und der sie liebt. Und der will, dass ihr Zusammenleben in seinem Sinn gelingt. Und das ist, denke ich, gut zu verstehen.

 

 

 

Dienstag, 13.3.2012

Wie Jesus von Nazareth zu den Frauen stand, darauf deutet vieles in den Berichten der Bibel. Obwohl aus ihnen nicht herauszulesen ist, ob er verheiratet war oder nicht. Frauen haben ihn begleitet, sie waren in der Gruppe seiner Schüler willkommen. Schon im ältesten Bericht über seine Kreuzigung heißt es: „Und es waren auch Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria von Magdala und Maria, die Mutter Jakobus' des Kleinen und des Joses, und Salome, die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren.“ (Mk 15,40f).

Das war nicht selbstverständlich, sondern fast schon gegen die guten Sitten, es stellte alte Werte auf den Kopf .Und Frauen haben ihm gewiss nicht nur „gedient“, sondern waren auch unter den ersten, die nach seinem Tod erkannt hatten: Er lebt! Er ist auferstanden und auf ganz unbeschreibliche Art und Weise noch immer bei denen, die sich im verbunden fühlen, die ihm glauben. Wer sich Gedanken darüber macht, was Jesus für gut oder schlecht gehalten hat, wird an seiner Hochschätzung für die Frauen nicht vorbeikommen. Es lohnt sich, in den Wochen, die die Kirche die „Passionszeit“ nennt und die auf das Osterfest zugehen, auch an sie zu denken.

 

 

 

Mittwoch, 14.3.2012

„Und die Schwiegermutter Simons lag darnieder und hatte das Fieber; und alsbald sagten sie ihm von ihr.“ (Mk 1,30) So beginnt im Neuen Testament eine Erzählung über ein Heilungswunder, das Jesus  an der Schwiegermutter seines Schülers Simon Petrus vollbracht hat.

Dass Jesus von Nazareth heilende Kräfte gehabt hat, wird heute auch von sehr kritischen Historikern nicht mehr bestritten. Interessant ist nur, für wen er sie angewendet hat. Die biblischen Berichte sagen: Nicht selten für Frauen. Wie selbstverständlich hat er damit das damalige Wertesystem auf den Kopf gestellt. Nur das damalige?

Die Hauptüberschrift über alles, was Jesus für richtig oder falsch gehalten hat, war die Herrschaft Gottes unter den Menschen. Mit  seinem Reden und Tun hat sie begonnen Und in diesen guten Wirkungsbereich  gehören selbstverständlich Männer wie Frauen gleichermaßen. In der Gesellschaft scheint sich das langsam durchzusetzen, langsamer noch – leider -  unter vielen Christinnen und Christen. Obwohl den Frauen in der Verkündigung der christlichen Botschaft sehr vieles zu verdanken ist. Aber vielleicht geschieht auch hier noch einmal ein Heilungswunder. 

 

 

 

Donnerstag, 15.3.2012

Weit unten in der gesellschaftlichen Skala zur Zeit des Jesus von Nazareth standen die Witwen. Nach dem Tod des Mannes fielen Frauen fast regelmäßig in ein schwarzes Loch. Soziale Absicherung außerhalb der Familie war unbekannt. Für Jesus standen diese Frauen aber auch für die vielen anderen Menschen, die um ihre Existenz zu kämpfen haben. Scharf kritisiert er fromme Gruppen in seinem damaligen Umfeld:„Sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.“ (Mk 12,40) Das heißt: Das Gottesreich, das Jesus verkündet, wird für sie ungemütlich werden.

Die Kirchen haben sich das hinter die Ohren geschrieben. Es ist der Grund, aus dem bei ihnen so viel von Asylanten, Verfolgten und vom Hunger im eigenen Land und in der Welt die Rede ist, also von denen, deren „Häuser gefressen“ wurden. Und zwar mehr als mache hören mögen. Und es ist der Grund, aus dem Christinnen und Christen versuchen, etwas dagegen zu tun. Das kann Diakonie, Caritas oder anders heißen, wichtig ist, zu tun, was Jesus für richtig gehalten hat. Weil es richtig für die Menschen ist. Die hat Gott geschaffen, Frauen und Männer, und es ist die Verantwortung aller Einwohner des Gottesreiches, für sie da zu sein.

 

 

 

 

Freitag, 16.3.2012

 Was Jesus von Nazareth für gut oder schlecht gehalten hat, kann manchmal recht hart sein. Über die Ehescheidung zum Beispiel hat er gesagt: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ ( Mk 10,9)

Immer im Blick hat Jesus die Herrschaft Gottes, die sich auf Menschen erstreckt. Die jedoch sind  niemals unfehlbar, und so macht er eine Ausnahme: „Es sei denn wegen Ehebruchs“ (Mt  5,32; 19,9). Zwei Mal sind diese einschränkenden Worte im Neuen Testament überliefert, und auch der Apostel Paulus hat sich in ähnlichem Sinn geäußert.

Nicht nur der eheliche Betrug steckt in diesen kurzen Worten. Sondern auch das ganze Wissen um die inneren und äußeren Folgen des Scheiterns, gleich aus welchen Gründen es geschieht. Es ist die Erfahrung, dass die Gemeinsamkeit zwischen den Ehepartnern unaufhebbar zerstört sein kann, und die Barmherzigkeit, die sagt: Ein Mensch ist nicht um des Gesetzes willen gemacht (Mk 2,27). Eine Ehe, von der nur eine ausgehölte Fassade übrig ist, ist auch im Sinn Jesu keine Ehe mehr. 

Dennoch: Bestehen bleibt für Christinnen und Christen die Überzeugung von der Unauflöslichkeit der Ehe nach Gottes Willen. Sie wissen aber: Das Leben der Menschen unter der Herrschaft Gottes ist von Brüchen bedroht. Und Gott weiß das auch.

 

 

 

Samstag, 17.3.2012

Mit reichen Leuten dürfte sich Jesus von Nazareth schwergetan haben. Zumindest zeigen die alten Berichte, dass er zu Besitz und Reichtum deutliche Distanz gewahrt hat. Sicher haben er und die Gruppe seiner Jüngerinnen und Jünger auch irgendwie mit Geld umgehen müssen, und er hat nicht völlig geldlos gelebt, wie manche schon gemeint haben. Aber seiner Haltung war klar: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6,24)

„Mammon“ bedeutet Vermögen oder Besitz, und das ist keine Instanz, der man sich unterordnen sollte. In Herrschaftsbereich Gottes, den Jesus verkündet hat, gelten andere Werte. Nicht dass der, der Geld hat, von vornherein gleich schlecht wäre. Es geht aber um mein Verhältnis zum Geld und darum, wie ich es verwende. Das Geld sollte einfach möglichst vielen nützen, vor allem denen, die keines haben. Gott dienen heißt, den Mammon für viele zu verwenden – und ihn nicht etwa, wie oft üblich, für sich selbst arbeiten zu lassen. Das ist die Ökonomie des Gottesreiches, und sie bringt mehr Rendite als viele es sich vorstellen können.