Wenn ich am Morgen in meinen Garten
gehe, das fröhliche Zwitschern der Vögel höre, dann strecke ich mich
dem Himmel entgegen und danke Gott für seine Schöpfung. Denn wie die
Bibel bezeugt, ist Er es, der den Lebensraum der Menschen als Garten
geschaffen hat und ihn diesen überließ, um ihn zu hegen und zu
pflegen.
Im Buch Genesis (2, 8 - 10) heißt es:
„Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und
setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte, in der Mitte des
Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut
und Böse“.
Gerade weil dieser erste Garten, das
Paradies, uns Menschen verloren gegangen ist, bleibt er die
Sehnsucht und das Ziel unseres Lebens. Und wir halten an der
Hoffnung fest, dass Gott das Neuwerden seiner Schöpfung will und die
Menschen, die daran mitwirken, dorthin zurückkehren dürfen.
So lautet die Offenbarung des
Johannes: „Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, stehen Bäume
des Lebens. Zwölf mal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal; und
die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker… Es wird keine
Nacht mehr geben. Und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch
das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen
leuchten, und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“
Montag, 26.3.2012
Der Garten der Könige
Wenn ich die Gartentüre hinter mir
schließe, fühle ich mich als Königin in meinem Reich. Denn der
Garten ist im Gegensatz zur wilden Natur ein abgegrenzter Raum, den
ich nach eigenen Wünschen zu einer Umgebung gestalten kann, die mir
entspricht und mir Geborgenheit schenkt.
Ein Blick in das Alte Testament macht
deutlich, dass ein Garten ursprünglich der Ort der Könige war. Er
wurde angelegt, nicht nur zur Erbauung und Erholung für die
königliche Familie, sondern insbesondere um die Fruchtbarkeit des
Landes zu symbolisieren. Zugleich galt er als Sinnbild für die
Aufgabe des Königs, den Lebensraum der Menschen zu schützen und zu
bewahren.
Ein wichtiges Element in
altorientalischen Gärten waren große Bäume. Ezechiel beschreibt die
Zeder auf dem Libanon so: „Die Pracht ihrer Äste gab reichlichen
Schatten…Alle Vögel des Himmels hatten ihr Nest in den Zweigen. Alle
wilden Tiere brachten unter den Ästen ihre Jungen zur Welt.“ (Ez
31,3.6.)
Auch in meinem Garten stehen Bäume,
die mich mit ihren Blüten und Früchten erfreuen, die Schatten
spenden, die jubilierenden Vögeln Nistplatz bieten und deren
vielfältiges Grün Augen und Seele beruhigt.
Dienstag, 27.3.2012
Der Garten der Liebe
Das Hohelied der Liebe aus dem Alten
Testament ist eng mit dem Symbol Garten verbunden. So heißt es z.B.:
„Ein verschlossener Garten (bist Du), meine Schwester, Braut, ein
verschlossener Garten, ein versiegelter Quell!“ (Hld 4,12)
Wenn ich in meinem Garten lieben
Besuch erwarte, dann bleibt die Gartentüre offen. Ich bin voller
Vorfreude auf die kommende Begegnung.
Im Hohelied wird dieses Gefühl so
ausgedrückt: „Lasst strömen die Balsamdüfte! Mein Geliebter komme in
seinen Garten und esse von den köstlichen Früchten“(Hld 4,16)
Solche und andere starke Bilder stehen
für die Erfahrung mit einem anderen Menschen und auch mit Gott. Im
geschützten Raum eines Gartens kann man ohne Störung von außen die
Intimität einer Begegnung erleben. Im Schatten der Bäume, im weichen
Gras, an einer Wasserquelle ist nicht mehr das Müssen und Sollen
wichtig, sondern das absichtslose Miteinander Sein. Und der andere
wird dabei für mich „eine Quelle, ein Brunnen lebendigen
Wassers“(Hld 4,15)
Wie auch immer diese Bilder aus dem
Hohelied gemeint sind, sie lösen, wenn man sich auf sie einlässt,
ganz persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse aus und helfen, das
Lebendige einer Beziehung besser zu verstehen und auszudrücken.
Mittwoch, 28.3.2012
Der Garten der Arbeit
In meinem Garten gibt es viel zu tun.
Da gehört gesät und gepflanzt, gejätet und geschnitten, bewässert
und gedüngt, gepflückt und geerntet. Der Kreislauf der Natur gibt
mir die Arbeit vor. Und doch ist der Erfolg meines Tuns nicht
gewiss.
So heißt es etwa im Alten Testament
bei Jesaja: „Mein Freund hatte einen Weinberg auf fruchtbarer Höhe.
Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit
edelsten Reben. Dann hoffte er, dass der Weinberg süße Trauben
brächte, doch er brachte nur saure Beeren.“(Jes 5, 1 - 2)
Äußere und innere Bedingungen
beeinflussen, ob das Gesäte, die getane Arbeit, keimt, wächst und
Frucht bringt.
Auch im Gleichnis von Jesus als Sämann
der Worte trägt die Aussaat die Möglichkeit des Misslingens in sich.
Denn: „Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf felsigen Boden, wo
sie verdorrten, weil sie keine Wurzeln hatten. Wieder ein anderer
Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die
Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte
reiche Frucht“ (Mt 13.4 - 8).
Ich erkenne also, dass es nicht von
mir allein abhängt, ob etwas aufgeht oder nicht. Oft muss etwas
vergehen, damit Neues aufbrechen kann.
Donnerstag, 29.3.2012
Der Garten des Rückzugs
Manchmal bin ich müde und erschöpft.
Vieles ist im Laufe des Tages auf mich eingestürmt und hat mich
gefordert. Ich sehne mich nach Ruhe und Erholung. Ich möchte mit mir
allein sein - und mit Gott. Dann ziehe ich mich in meinen Garten
zurück. Hier kann ich Abstand gewinnen, Atem holen und meine Mitte
wieder finden.
Auch von Jesus hört man, dass er sich
immer wieder von den Anstrengungen zurückzog. Im Evangelium nach
Markus heißt es z.B.: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand
er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten“ (Mk 1, 35)
Der bedeutendste Rückzug Jesu war
jener in den Garten Getsemani auf dem Ölberg. Dort ahnt Jesus sein
Schicksal: wie die Frucht des Ölbaums wird er in die Mühle geraten:
„Und er kniete nieder und betete… Da erschien ihm ein Engel vom
Himmel und gab ihm neue Kraft“, wie es bei Lukas heißt.( Lk
22.39.41. 43.)
Der Garten ist ein Ort der
Gotteserfahrung. Der Kopf wird frei, das Herz leicht.
Alles rückt ins rechte Maß und ich
erkenne „der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt
mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser …
und im Haus des Herrn darf ich wohnen lange Zeit“ (Ps 23.1.6)
Wie schön ist es, einen solchen Ort
des Rückzugs zu haben und wie viel Kraft gibt er für den Alltag.
Freitag, 30.3.2012
Der Garten der Verheißung
Wie schön ist mein Garten im Frühling.
Aber es bleibt nicht so, es wird auch wieder Herbst. Wenn dann die
Blätter fallen und die Rosen verblühen, stellt sich ein Gefühl des
Verlustes ein. Schmerzvoll ist die Erfahrung, das Verwelken, das
Zugrunde Gehen, das Absterben annehmen zu müssen.
Auch im Buch Kohelet zeigt sich der
ewige Kreislauf: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter
dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und
eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum
Abernten der Pflanzen… (Koh 3,1.2.11)
Im winterlichen Abschied liegt das
Versprechen für den Frühling, im kleinen verrunzelten Samenkorn, das
ich aufbewahre, liegt die Verheißung für die Zukunft.
Die schönste Verheißung in der Bibel
aber ist die Verwandlung der Wüste in einen Garten. Und weiter ist
uns zugesagt: “Die vom Herrn Befreiten kehren zurück. Wonne und
Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzer entfliehen.“
Wie Gott also durch sein Kommen die
Wüste zu einem Garten verwandelt, so wird er auch den müden,
trostbedürftigen Menschen zur ewigen Freude heimführen.
Samstag, 31.3.2012
Der Garten der Erlösung
„In einem Garten ging die Welt
verloren, in einem Garten wurde sie erlöst“. In diesem Ausspruch von
Blaise Pascal, einem französischen Philosophen, kommt die ganze
Spanne zum Ausdruck: vom paradiesischen Garten Eden bis zum Garten
der Erlösung als Ort der Begegnung mit dem Auferstandenen.
Das Grab Jesu befand sich in einem
Garten. Als Maria von Magdala am frühen Morgen zum Grab kam, war es
leer. Da begegnete sie Jesus und hielt ihn zunächst für den Gärtner.
Zufall oder tiefere Bedeutung?
Hatte Jesus ihr nicht den Samen des
Glaubens ins Herz gelegt, war er nicht gleichsam ihr geistlicher
Gärtner? Im liebenden Erkennen erfährt sie: Er wurde dem Tod
entrissen und würde zurückkehren, hinauf zu seinem Vater und zu
unserem Vater, zu seinem Gott und zu unserem Gott.
Der Garten war somit nicht länger Ort
des Todes, sondern das Tor zum neuen Leben. Mit Jesus hat die neue
Schöpfung unwiderruflich begonnen. Durch seine Auferweckung hat uns
Gott vermittelt, dass er den Garten Eden, die ursprüngliche Heimat
der Menschen, wieder herstellen wird, als Ort des Lebens in Fülle.