Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Christine Sommer, Wien

 

 

Sonntag, 25.3.2012

Der Garten Gottes

Wenn ich am Morgen in meinen Garten gehe, das fröhliche Zwitschern der Vögel höre, dann strecke ich mich dem Himmel entgegen und danke Gott für seine Schöpfung. Denn wie die Bibel bezeugt, ist Er es, der den Lebensraum der Menschen als Garten geschaffen hat und ihn diesen überließ, um ihn zu hegen und zu pflegen.

Im Buch Genesis (2, 8 - 10) heißt es: „Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“.

Gerade weil dieser erste Garten, das Paradies, uns Menschen verloren gegangen ist, bleibt er die Sehnsucht und das Ziel unseres Lebens. Und wir halten an der Hoffnung fest, dass Gott das Neuwerden seiner Schöpfung will und die Menschen, die daran mitwirken, dorthin zurückkehren dürfen.

So lautet die Offenbarung des Johannes: „Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, stehen Bäume des Lebens. Zwölf mal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal; und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker… Es wird keine Nacht mehr geben. Und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“

 

 

 

Montag, 26.3.2012

Der Garten der Könige

Wenn ich die Gartentüre hinter mir schließe, fühle ich mich als Königin in meinem Reich. Denn der Garten ist im Gegensatz zur wilden Natur ein abgegrenzter Raum, den ich nach eigenen Wünschen zu einer Umgebung gestalten kann, die mir entspricht und mir Geborgenheit schenkt.

Ein Blick in das Alte Testament macht deutlich, dass ein Garten ursprünglich der Ort der Könige war. Er wurde angelegt, nicht nur zur Erbauung und Erholung für die königliche Familie, sondern insbesondere um die Fruchtbarkeit des Landes zu symbolisieren. Zugleich galt er als Sinnbild für die Aufgabe des Königs, den Lebensraum der Menschen zu schützen und zu bewahren.

Ein wichtiges Element in altorientalischen Gärten waren große Bäume. Ezechiel beschreibt die Zeder auf dem Libanon so: „Die Pracht ihrer Äste gab reichlichen Schatten…Alle Vögel des Himmels hatten ihr Nest in den Zweigen. Alle wilden Tiere brachten unter den Ästen ihre Jungen zur Welt.“ (Ez 31,3.6.)

Auch in meinem Garten stehen Bäume, die mich mit ihren Blüten und Früchten erfreuen, die Schatten spenden, die jubilierenden Vögeln Nistplatz bieten und deren vielfältiges Grün Augen und Seele beruhigt.

 

 

 

Dienstag, 27.3.2012

Der Garten der Liebe

Das Hohelied der Liebe aus dem Alten Testament ist eng mit dem Symbol Garten verbunden. So heißt es z.B.: „Ein verschlossener Garten (bist Du), meine Schwester, Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell!“ (Hld 4,12)

Wenn ich in meinem Garten lieben Besuch erwarte, dann bleibt die Gartentüre offen. Ich bin voller Vorfreude auf die kommende Begegnung.

Im Hohelied wird dieses Gefühl so ausgedrückt: „Lasst strömen die Balsamdüfte! Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse von den köstlichen Früchten“(Hld 4,16)

Solche und andere starke Bilder stehen für die Erfahrung mit einem anderen Menschen und auch mit Gott. Im geschützten Raum eines Gartens kann man ohne Störung von außen die Intimität einer Begegnung erleben. Im Schatten der Bäume, im weichen Gras, an einer Wasserquelle ist nicht mehr das Müssen und Sollen wichtig, sondern das absichtslose Miteinander Sein. Und der andere wird dabei für mich „eine Quelle, ein Brunnen lebendigen Wassers“(Hld 4,15)

Wie auch immer diese Bilder aus dem Hohelied gemeint sind, sie lösen, wenn man sich auf sie einlässt,  ganz persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse aus und helfen, das Lebendige einer Beziehung besser zu verstehen und auszudrücken.

 


 

Mittwoch, 28.3.2012

Der Garten der Arbeit

In meinem Garten gibt es viel zu tun. Da gehört gesät und gepflanzt, gejätet und geschnitten, bewässert und gedüngt, gepflückt und geerntet. Der Kreislauf der Natur gibt mir die Arbeit vor. Und doch ist der Erfolg meines Tuns nicht gewiss.  

So heißt es etwa im Alten Testament bei Jesaja: „Mein Freund hatte einen Weinberg auf fruchtbarer Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit edelsten Reben. Dann hoffte er, dass der Weinberg süße Trauben brächte, doch er brachte nur saure Beeren.“(Jes 5, 1 - 2)

Äußere und innere Bedingungen beeinflussen, ob das Gesäte, die getane Arbeit, keimt, wächst und Frucht bringt.

Auch im Gleichnis von Jesus als Sämann der Worte trägt die Aussaat die Möglichkeit des Misslingens in sich. Denn: „Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf  felsigen Boden, wo sie verdorrten, weil sie keine Wurzeln hatten. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte reiche Frucht“ (Mt 13.4 - 8).

Ich erkenne also, dass es nicht von mir allein abhängt, ob etwas aufgeht oder nicht.  Oft muss etwas vergehen, damit Neues aufbrechen kann.

 

 

 

Donnerstag, 29.3.2012

Der Garten des Rückzugs

Manchmal bin ich müde und erschöpft. Vieles ist im Laufe des Tages auf mich eingestürmt und hat mich gefordert. Ich sehne mich nach Ruhe und Erholung. Ich möchte mit mir allein sein - und mit Gott. Dann ziehe ich mich in meinen Garten zurück. Hier kann ich Abstand gewinnen, Atem holen und meine Mitte wieder finden.

Auch von Jesus hört man, dass er sich immer wieder von den Anstrengungen zurückzog. Im Evangelium nach Markus heißt es z.B.: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten“  (Mk 1, 35)

Der bedeutendste Rückzug Jesu war jener in den Garten Getsemani auf dem Ölberg.   Dort ahnt Jesus sein Schicksal: wie die Frucht des Ölbaums wird er in die Mühle geraten: „Und er kniete nieder und betete… Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm neue Kraft“, wie es bei Lukas heißt.( Lk 22.39.41. 43.)

Der Garten ist ein Ort der Gotteserfahrung. Der Kopf wird frei, das Herz leicht.

Alles rückt ins rechte Maß und ich erkenne „der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser … und im Haus des Herrn darf ich wohnen lange Zeit“ (Ps 23.1.6)

Wie schön ist es, einen solchen Ort des Rückzugs zu haben und wie viel Kraft gibt er für den Alltag.

 

 

 

Freitag, 30.3.2012

Der Garten der Verheißung

Wie schön ist mein Garten im Frühling. Aber es bleibt nicht so, es wird auch wieder Herbst.  Wenn dann die Blätter fallen und die Rosen verblühen, stellt sich ein Gefühl des Verlustes ein. Schmerzvoll ist die Erfahrung, das Verwelken, das Zugrunde Gehen, das Absterben annehmen zu müssen.  

Auch im Buch Kohelet zeigt sich der ewige Kreislauf: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen… (Koh 3,1.2.11)

Im winterlichen Abschied liegt das Versprechen für den Frühling, im kleinen verrunzelten Samenkorn, das ich aufbewahre, liegt die Verheißung für die Zukunft.

Die schönste Verheißung in der Bibel aber ist die Verwandlung der Wüste in einen Garten. Und weiter ist uns zugesagt: “Die vom Herrn Befreiten kehren zurück. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzer entfliehen.“

Wie Gott also durch sein Kommen die Wüste zu einem Garten verwandelt, so wird er auch den müden, trostbedürftigen Menschen zur ewigen Freude heimführen.

 

 

 

Samstag, 31.3.2012

Der Garten der Erlösung

„In einem Garten ging die Welt verloren, in einem Garten wurde sie erlöst“. In diesem Ausspruch von Blaise Pascal, einem französischen Philosophen, kommt die ganze Spanne zum Ausdruck: vom paradiesischen Garten Eden bis zum Garten der  Erlösung als Ort der Begegnung mit dem Auferstandenen.

Das Grab Jesu befand sich in einem Garten. Als Maria von Magdala am frühen Morgen zum Grab kam, war es leer. Da begegnete sie Jesus und hielt ihn zunächst für den Gärtner. Zufall oder  tiefere Bedeutung?

Hatte Jesus ihr nicht den Samen des Glaubens ins Herz gelegt, war er nicht gleichsam ihr geistlicher Gärtner? Im liebenden Erkennen  erfährt sie: Er wurde dem Tod entrissen und würde zurückkehren, hinauf zu seinem Vater und zu unserem Vater, zu seinem Gott und zu unserem Gott.  

Der Garten war somit nicht länger Ort des Todes, sondern das Tor zum neuen Leben. Mit Jesus hat die neue Schöpfung unwiderruflich begonnen. Durch seine Auferweckung hat uns Gott vermittelt, dass er den Garten Eden, die ursprüngliche Heimat der Menschen, wieder herstellen wird, als Ort des Lebens in Fülle.