Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

Österliche Wege: Gedanken über Wege, Wege vom Tod zum Leben, Lebenswege, biblische Wege, Wege, die Menschen verwandeln.

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

 

 

Ostersonntag, 8. April 2012

Der Weg der Frauen zum Grab

Es ist schon dämmrig, die Morgenröte zieht herauf. Da machen sich ein paar Frauen auf den Weg zum Grab eines gewissen Jesus von Nazareth. Drei Tage ist es bereits her, dass er gestorben ist. Und trotzdem kommen die Frauen mit wohlriechenden Ölen, um dem Toten diese letzte Ehre zu erweisen. Und was sehen sie? Ein leeres Grab. Statt des Toten sind Engel da und versuchen die Frauen zu beruhigen. Voll Furcht und Freude verlassen sie dann das Grab. So ist in knappen Worten die Auferstehungsgeschichte überliefert.

Am Ende des Weges wartet also nicht der Tod, sondern das Leben. Heute feiert die westliche Christenheit das Osterfest und damit feiert sie den Sieg des Lebens über den Tod und das ist Grund zur überschäumenden Freude.
Es gibt auf unseren Lebenswegen Höhen und Tiefen, Gewohntes und Überraschendes. Gelegentlich halten wir inne, und es kann auch passieren, dass wir überwältigt werden, wenn wir dem unfassbaren Geheimnis Gottes begegnen, wenn das scheinbar Unmögliche wahr wird. So jemand geht als Verwandelter weiter seines Weges. Es kann auch heute geschehen: Auferstehung mitten auf dem Weg. Auferstehung mitten im Leben!

 

 

 

Ostermontag, 9. April 2012

Petrus auf dem Weg zum Grab

Die Frauen waren die ersten am Grab Jesu. Ein leeres Grab. Sie gingen von dort weg, verwirrt und aufgewühlt und erzählten den anderen von dem Unfassbaren. Der Apostel Petrus war einer von ihnen, er hat sich gewundert, geglaubt hat er es nicht wirklich, dass Jesus auferstanden ist. Er läuft zum Grab mit einem merkwürdigen Gefühl. Er weiß nicht so recht, ob er die Nachricht der Frauen für dummes Geschwätz halten soll oder ob da etwas dran ist. Er geht den Weg zum Grab mit vagen Vorstellungen und inneren Bildern.
Auch wir machen uns Vorstellungen von dem, was wir glauben. Bilder und Gedanken begleiten uns auf unseren Wegen. Wenn wir durch irgendeinen Vorfall aus unseren Gedanken gerissen werden, da kann sich auch schon Enttäuschung breit machen oder auch das Gegenteil, Staunen und Überraschung. Aber ist das nicht gerade der Augenblick, unsere selbstentworfenen Bilder hinter uns zu lassen?
Unsere Vorstellungen sollten der Realität nicht im Wege stehen sondern es gilt uns der Wirklichkeit ohne Vorurteil und mit aller Achtsamkeit und Hingabe zu stellen. Und manchmal sehen wir nichts, es bleibt beim Gespür oder bei einer Ahnung, dass da etwas Besonderes, nicht Fassbares vor sich gegangen ist. Aber wer mit allen Sinnen wahrnimmt, was um ihn geschieht, der wird tiefer in das Geheimnis des Glaubens eindringen.

 

 

 

Dienstag, 10. April 2012

Zwischen Galiläa und Jerusalem

Jesus hat das Wort Gottes verkündigt, anfangs in Galiläa, in der Provinz, Fischer und Bauern waren seine Zuhörer. Er hat Kranke geheilt, Blinde hat er sehend gemacht und vom Reich Gottes hat er gesprochen. Nach der Auferstehung geht er dorthin zurück, wo er angefangen hat, wo er seine Jüngerinnen und Jünger in die Nachfolge rief. Er geht nicht ins Zentrum der Macht, nicht in den heiligen Tempel, sondern buchstäblich an den Rand. Am Rande erscheint Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern, dort wo alles begonnen hat, wo die Zukurzgekommenen und Benachteiligten leben, wo Arbeit und Leben härter und mühseliger sind als anderswo.
Wer heute den Auferstandenen sucht, der wird ihn ebenfalls am Rande finden, nicht in den Salons und Villen der Begüterten, sondern bei den Obdachlosen und Gefangenen, den Arbeitslosen und Lebensüberdrüssigen, den Einsamen und den nach Liebe und Brot Hungernden. Wer den Auferstandenen finden will, muss sich aufmachen aus dem Zentrum an den Rand, der muss über Mauern springen und willkürlich gezogene Grenzen überwinden. Wer an diese Grenzen stößt, wird vielleicht mit Furcht und Zittern unterwegs sein, aber er wird den Atem Gottes und damit auch das eigene Leben noch kräftiger spüren.

 

 

 

Mittwoch, 11. April 2012

Der Weg der Jünger nach Emmaus

Geht ein Mensch
die lange Straße
Findet einen Bruder
sieht mit neuen Augen, andere Farben
sieht durch manches hindurch
in eine große Weite.

So schreibt die Schweizer Schriftstellerin Elisabeth Bernet in ihrem Gedicht: Geht ein Mensch. Das Gedicht erinnert mich an den Weg nach Emmaus.
Zwei Anhänger Jesu befinden sich auf dem Heimweg, enttäuscht und niedergeschlagen sind sie, nach allem, was geschehen ist. Sie haben die Wege Jesu verfolgt, den Leidensweg, den Weg vom Gericht hinauf nach Golgatha. Gekreuzigt wurde der Mann, in den sie ihre ganze Hoffnung setzten. Da gesellt sich jemand zu ihnen, erzählt ihnen vom Leben Jesu, von seiner Mission, von Tod und Auferstehung. Erst ganz am Ende merken sie, dass es Jesus selbst war.
Manchmal begegnen uns Menschen auf unserem Lebensweg, die uns faszinieren, die eine besondere Ausstrahlung haben. Wir können nicht sagen, was es ist, aber, wie bei den Jüngern Jesu, brennt unser Herz. Es kann Momente geben, da ist der Auferstandene ganz nahe. Und auch jedem von uns kann das Antlitz Christi in einem anderen Menschen begegnen. Aber in dem Augenblick, in dem uns das klar wird, ist er schon wieder fort.
Und doch sind diese Momente in unserem Leben unvergesslich, brennen sich in unser Herz ein, können uns beflügeln zu großen Taten, zu Taten der Liebe und Barmherzigkeit.

 

 

 

Donnerstag, 12. April 2012

Wege durch geschlossene Türen

Die Jünger Jesu waren voll Angst. Wenn Jesus auf so grausame Art getötet wurde, könnte das seinen Anhängern genauso passieren. Sie verbarrikadieren sich. Und da steht der Auferstandene plötzlich mitten im Raum. Er hat sich den Weg gebahnt durch undurchdringliche Wände und geschlossene Türen. Und er spricht: Habt keine Angst. Fürchtet euch nicht.
Manfred Haustein beschreibt das in seinem Gedicht: Der Auferstandene:

Kam aber,
unvermutet wie einst,
durch mehr als Granit und Stein,
durch mein Verschlossensein.
Kam aber mit diesem Friedensgruß.

So wie der Auferstandene durch geschlossene Türen kam, so bahnt sich auch der lebendige Gott den Weg in unser Herz, auch dann, wenn wir uns verschlossen haben, wenn wir uns von IHM abwenden. Plötzlich kann es sein, dass er mitten in uns Wohnung genommen hat und wir von seinem Geist erfüllt werden. Dann fällt von uns ab Angst und Sorge. Diese neu gewonnene Freiheit macht uns auch offen für andere Menschen, denen wir begegnen und denen wir Frieden wünschen, nicht nur Zufriedenheit, sondern Shalom, also einen umfassenden Frieden für alle. Wo das ehrlich gemeint ist, da bröckeln Mauern und öffnen sich scheinbar undurchdringbare Wände. Auch das ist Auferstehung.

 

 

 

Freitag, 13. April 2012

Auf dem Weg in den Himmel

Seltsame Dinge geschehen. Zuerst wird Jesus auferweckt von den Toten. Er steht auf, wie wir in der Früh aus dem Schlaf aufwachen und aufstehen. Er zeigt sich seinen Jüngerinnen und Jüngern. Er spricht mit ihnen, als wäre er noch unter den Lebenden. Aber er bleibt nicht lange auf der Erde. Er entschwebt. Er fährt auf gen Himmel. Davon gibt es keine detaillierten Berichte, nur Geschichten und Bilder, wie sich das die Menschen vorgestellt haben. Ein Bild stammt von Albrecht Dürer. Da sind nur Füße und der Saum eines Mantels zu sehen, die in eine riesige Wolke gehüllt sind. Die Jüngerinnen und Jünger starren in den Himmel, unten auf der Erde die Fußabdrücke des in der Wolke Entschwindenden. 
Die Botschaft für mich ist: Nicht verklärt in den Himmel starren, dem entschwebenden Christus nicht verzückt und andächtig nachschauen, sondern auf dieser Erde die Fußabdrücke Jesu wahrnehmen und in seinen Spuren gehen. Sie führen hin  zu den Menschen, zu denen auch Jesus gegangen ist, zu den Armen, den Gescheiterten, den Kranken, zu denen die keine Fürsprecher und keine Stimme haben.

 

 

 

Samstag, 14. April 2012

Auf dem Weg von Jerusalem in die Welt

Jerusalem, die heilige und zerrissene Stadt. Menschen pilgern nach Jerusalem, Millionen von Touristen aus allen Ländern und allen Kontinenten wandeln ehrfürchtig auf den Spuren Jesu ohne zu verstehen, was ihr Auftrag sein sollte, hier und heute. Die Jünger haben nun verstanden, haben sich in dieser Stadt von neuem versammelt und sind aufgebrochen in die Welt, den Menschen die Frohe Botschaft zu bringen.

Wenn nicht durch Christinnen und Christen als Werkzeuge und Boten Gottes die Auferstehung erlebbar wird, ist alles umsonst gewesen. Wenn sie nicht dort versuchen Frieden zu stiften und Brücken zu bauen, wo Hass und Feindseligkeit herrschen, ist der Auferstehungsglaube ein Popanz. Für die Jünger wurde der neue Weg oft einer voll mit Dornen und Disteln. Aber es war kein einsamer Weg. Der Weg in die Welt, der Weg zu anderen Menschen ist kein Weg, den wir allein beschreiten müssen. Die schönsten Wege sind die, wo wir wissen, dass wir nicht allein sind, dass einer mit uns geht ohne Zweck und ohne Hintergedanken. Für mich bringen das Zeilen von Bertolt Brecht wunderbar zum Ausdruck:

Ich will mit dem gehen, den ich liebe.
Ich will nicht ausrechnen, was es kostet.
Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist.
Ich will mit ihm gehen, den ich liebe.