Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Propst Florian Huber

 

 

Sonntag, 15.04.2012

Der heutige Sonntag ist der „Weiße Sonntag“. In vielen Pfarren wird Erstkommunion gefeiert. Der Name kommt aber nicht von den weiß gekleideten Kindern. Der Name kommt aus der Taufpraxis der alten Kirche. Die in der Osternacht Getauften haben acht Tage lang bis zum heutigen Sonntag in den Gottesdiensten sichtbar und erlebbar für alle ihr Taufkleid getragen. Mit dem heutigen Sonntag legen sie es ab:  Sonntag der abgelegten weißen Kleider. Jetzt beginnt der Alltag der Bewährung als Christ.

Nach der erfolgten Taufe hatte man sie weiß eingekleidet. Wir tun das bis heute. Der Taufspender spricht dabei: „In der Taufe bist du eine neue Schöpfung geworden und hast – wie die Schrift sagt - Christus angezogen. Das weiße Gewand sei dir ein Zeichen für diese Würde. Bewahre sie für das ewige Leben.“ Bei der Taufe von Erwachsenen in einem Sonntagsgottesdienst ist das Anlegen des Taufkleides besonders beeindruckend. Sehr berührt hat mich auch, dass Familien ein Taufkleid haben, das über Generationen hinweg weitergegeben wird.  

„Kleider machen Leute“, heißt es. Es ist nicht ganz so ohne, was wir anziehen, wie wir uns kleiden. Das drückt schon etwas aus. Das Taufkleid macht uns unsere Würde als Kinder Gottes sichtbar. Das dürfen wir uns schon dann und wann vor Augen führen.

 

 

 

Montag, 16.04.2012

Manches Mal braucht es nur ein Wort, einen kurzen Satz vielleicht, und alles sieht anders aus. Dann geht jemand wieder aufrecht durch das Leben. Er geht wieder mit Zuversicht und Hoffnung. Das Schulerlebnis eines Freundes gehört seit Jahrzehnten in das Gepäck meiner Erlebnisse, in denen Kleinigkeiten die Welt für jemand positiv verändern.

Mein Freund hat beim Schulwechsel in eine höhere Schule, ohne genau sagen zu können, was genau in ihm und um ihn herum vor sich geht, Schwierigkeiten gehabt. Er hat sich nicht zurechtgefunden. Er wusste nicht so recht, wie er mit sich und den anderen dran war. Seine Mutter hat dann einmal die Sprechstunde des Klassenvorstandes besucht. Das einzige Mal in seinem Leben, dass sie das getan hat. Gespannt hat er sie danach gefragt, was der Lehrer gemeint hat. Ihre Auskunft war kurz und prägnant. Er hat gesagt: „In dem steckt viel mehr drinnen als er bisher gezeigt hat.“

Ein Wort des Vertrauens und des Zutrauens. Das hat es gebraucht, um ihn aus seiner Verunsicherung heraus zu holen. Er konnte dann tatsächlich mehr zeigen,   sich einbringen. Wer ständig nur hört oder in sich fühlt, dass da gemeint wird „Aus dir wird nichts“, aus dem wird auch leicht nichts. Die Gabe des rechten Wortes zur rechten Zeit, eines Wortes, das aufrichtet und befreit, ist wie ein kleines Fest der Auferstehung, ist wie eine Vorahnung des großen Festes.

 

 

 

Dienstag, 17.04.2012

Mir bleibt eine Begegnung in Lourdes unvergessen. Freunde haben mich auf meiner Urlaubsrückreise von Spanien dorthin eingeladen. Neugierig bin ich allem begegnet.

Die Ansammlung von viel Kitsch hat mich verstört. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Dann ist mir etwas widerfahren, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich bin ganz tief beeindruckt gewesen vom Heiligen Bezirk, der von jedem Andenkenladen frei war. Besonders berührt hat mich die Begegnung mit viel menschlichem Leid und den jungen Menschen, die sich um die auf den Rollstuhl Angewiesenen gekümmert haben. Mit einer Frau, das Gesicht ernst, gezeichnet vom unausweichlich nahen Tod, hat es einen Blickkontakt gegeben. Es war ein Moment einer kurzen, intensiven Wahrnehmung. Dann und wann gibt es das: ein Blick genügt und man weiß tief drinnen, wir verstehen uns.

Ich bin dieser Frau dann noch einmal begegnet, als sie den Heiligen Bezirk verlassen hat. Das heißt, sie muss mich gesehen haben und den Fahrer ihres Rollstuhles hin zu mir dirigiert haben. Sie hat mich im An-mir-vorbeigeschoben-werden angestupst. Und ich habe wieder in ihr Gesicht gesehen, gezeichnet vom unausweichlich nahen Tod, aber mit einem Strahlen von innen heraus, innerlich versöhnt aus dem Bereich des Glaubens kommend. Das war eine Begegnung mit der verwandelnden Kraft des Glaubens. Sie hat sich fest in mein Gedächtnis eingeprägt.

 

 

 

 

Mittwoch, 18.04.2012

Ein paar Worte seiner Mutter hat ein Bekannter immer wieder im Ohr. „Immer“, so hat er erzählt, „wenn ich für längere Zeit von daheim weg war oder wenn es um etwas Wichtiges gegangen ist, hat sie mich verabschiedet mit dem Satz: ‚Mach‘s gut, und pass auf dich auf‘.“

„Das hat es in sich“, hat er gemeint. Da war also jemand, der mit Sorge auf ihn geschaut hat, ihn begleitet hat mit dem Wunsch, dass es gut wird. Je nachdem, was anstand, war dieses „dass es gut wird“ und das „pass auf dich auf“ mit anderem Inhalt gefüllt. Anders bei einem Besuch bei Freunden mit Übernachtung, anders bei einer Bergtour. Und wieder anders, wenn es um Beziehungen ging, wenn er jemand kennengelernt hatte.

Schau darauf, dass dir nichts passiert. Tu das deine dazu.  

Ein Wort, beiläufig gesprochen.  Dann und wann hat er es sogar als lästig empfunden. „Mütter eben. Die machen sich viele Sorgen und sind ständig in Angst. Brauchen sie doch nicht zu haben. Weiß doch selber, worauf es ankommt.“

Und dann, später: Er ist dankbar dafür, für dieses „Mach‘s gut, und pass auf dich auf!“

Dürfen wir das nicht auch von unserem Gott denken, dass wir ihm wichtig sind und er möchte, dass unser Leben gelingt? Und er deshalb zu uns sagt: „Mach‘s gut, und pass auf dich auf. Es wäre schade, wenn du das, worauf es ankommt, wo es auf dich ankommt, übersehen würdest. Mach‘s gut, und pass auf dich auf!“

 

 

 

Donnerstag, 19.04.2012

Die letzten Worte eines Menschen bleiben im Gedächtnis, bewegen Gedanken, Erinnerungen. Zwei Worte eines Abschieds klingen in mir schon lange nach.

Die ganze Familie ist um den Mann und Vater versammelt. Ich gebe ihm die Hand, sage ihm, dass ich da bin. Er öffnet die Augen. “Wie geht‘s?“ frage ich. Seine Antwort: „Das werden wir schon schaukeln.“

Und dann, einige Minuten später, in das Ohr seiner Frau, noch einmal es dann wiederholend, für uns alle gerade noch zu hören: „Das Leben ist ein Augenblick.“

Ja, das Leben ist ein Augenblick, wenn man merkt, wie einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, wie Jahre, Jahrzehnte entschwinden, wie viel getan und durchgeführt, in die Hand genommen, aber auch wie viel offen und unvollendet, einem aus den Händen gleitend. Das Wort vom Augenblick hat mich und die Angehörigen begleitet. Es ist ihnen wichtig geworden, weil sie aus ihrer Beziehung zu ihm dankbar gesagt haben: Ja, ein Augenblick, aber ein erfüllter.

Und dann noch: „Das werden wir schon schaukeln.“ Ein Wort, im Leben oft gesagt in den Herausforderungen des Alltags. Jetzt, in der Stunde des Abschieds, erhält es einen Klang der Zuversicht über diese Zeit hinaus trotz und im Abschied von allen aus der Hand genommenen menschlichen Möglichkeiten. Seit Ostern dürfen wir solche Worte so trostvoll verstehen.

 

 

 

Freitag, 20.04.2012

„Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben.“ Mit diesen Worten beschließt der Evangelist Johannes seine Darstellung der Passion des Herrn.

Es ist ein eindrucksvolles Bild: vor dem Kreuz stehen und zum Gekreuzigten aufschauen.

Aus den Verfilmungen der Romane von Giovannino Guareschi kennen viele Don Camillo und Peppone. Don Camillo tritt immer wieder in lebendigen Kontakt zum Gekreuzigten. Im Blick auf den Gekreuzigten hört er Bestätigung. Er bekommt aber auch Kritik zu hören. Das Schauen auf den Gekreuzigten, das Reden mit ihm, das angesprochen Werden, das Hören auf ihn, wird immer wieder deutlich in Szene gesetzt. Aber das ist Film, nicht unser Leben.

Dieses Bild findet sich aber auch im Leben. In der Geschichte des Franz von Assisi nimmt es einen ganz besonderen Platz ein. Franziskus hört vom Kreuz in San Damiano das Wort, das für ihn lebensbestimmend sein wird: „Baue meine Kirche wieder auf.“

Franziskus hat selber dann eine Zeit lang gebraucht, um für sich zu erkennen, was in ihm da angesprochen werden soll.

Ich freue mich, dass es in unserem Land so viele gibt, junge und ältere, die für sich sagen: Ich möchte der Botschaft, dass wir im Blick auf den Gekreuzigten und Auferstandenen zum Leben finden, mein konkretes Gesicht geben. Ich engagiere mich in der Kirche. Das ist ein Hoffnungszeichen.

 

 

 

 

Samstag, 21.04.2012

Dann und wann führe ich selber im Dom St. Jakob in Innsbruck. Dabei lade ich, wenn alle sich auf das weltberühmte Mariahilfbild auf dem barocken Hochaltar konzentrieren, gerne ein, den Blick in die andere Richtung zu wenden und die Orgel anzusehen. Ich selber wende meine Aufmerksamkeit dann allerdings - ich gestehe es - nicht zur Orgel, sondern hin zu den Betrachtern. Ganz spontan höre ich da oft Worte der freudigen Überraschung. Sie würden bei manchen noch deutlicher ausfallen, wenn nicht der Respekt vor dem heiligen Raum etwas Zurückhaltung gebieten würde. Der prachtvolle Orgelprospekt von Johann Caspar Humpel ist wirklich ein Genuss für die Augen. Was ich fachlich nicht so kann, das kann unser Domorganist. Er erschließt begeistert das Innenleben der Pirchner-Orgel mit ihren 3729 Pfeifen und der rein mechanischen Spiel- und Registertraktur mit 57 klingenden Registern.

Immer wieder höre ich von Organisten aus verschiedenen europäischen Ländern, dass wir auf unsere Orgel mit Recht stolz sein dürfen. Sie kann sich nicht nur sehen, sondern vor allem auch hören lassen.

Musik geht zu Herzen. Sie ist Trost in schweren Stunden und schenkt Freude in den Hoch-zeiten des Lebens. Die österliche Botschaft ohne Musik im Ohr, da würde etwas Wesentliches fehlen. Es fehlt zum Glück nicht.