Der
heutige Sonntag ist der „Weiße Sonntag“. In vielen Pfarren wird
Erstkommunion gefeiert. Der Name kommt aber nicht von den weiß
gekleideten Kindern. Der Name kommt aus der Taufpraxis der alten
Kirche. Die in der Osternacht Getauften haben acht Tage lang bis
zum heutigen Sonntag in den Gottesdiensten sichtbar und erlebbar
für alle ihr Taufkleid getragen. Mit dem heutigen Sonntag legen
sie es ab: Sonntag der abgelegten weißen Kleider. Jetzt beginnt
der Alltag der Bewährung als Christ.
Nach der
erfolgten Taufe hatte man sie weiß eingekleidet. Wir tun das bis
heute. Der Taufspender spricht dabei: „In der Taufe bist du eine
neue Schöpfung geworden und hast – wie die Schrift sagt -
Christus angezogen. Das weiße Gewand sei dir ein Zeichen für
diese Würde. Bewahre sie für das ewige Leben.“ Bei der Taufe von
Erwachsenen in einem Sonntagsgottesdienst ist das Anlegen des
Taufkleides besonders beeindruckend. Sehr berührt hat mich auch,
dass Familien ein Taufkleid haben, das über Generationen hinweg
weitergegeben wird.
„Kleider
machen Leute“, heißt es. Es ist nicht ganz so ohne, was wir
anziehen, wie wir uns kleiden. Das drückt schon etwas aus. Das
Taufkleid macht uns unsere Würde als Kinder Gottes sichtbar. Das
dürfen wir uns schon dann und wann vor Augen führen.
Montag, 16.04.2012
Manches Mal braucht es nur ein Wort,
einen kurzen Satz vielleicht, und alles sieht anders aus. Dann
geht jemand wieder aufrecht durch das Leben. Er geht wieder mit
Zuversicht und Hoffnung. Das Schulerlebnis eines Freundes gehört
seit Jahrzehnten in das Gepäck meiner Erlebnisse, in denen
Kleinigkeiten die Welt für jemand positiv verändern.
Mein Freund hat beim Schulwechsel in
eine höhere Schule, ohne genau sagen zu können, was genau in ihm
und um ihn herum vor sich geht, Schwierigkeiten gehabt. Er hat
sich nicht zurechtgefunden. Er wusste nicht so recht, wie er mit
sich und den anderen dran war. Seine Mutter hat dann einmal die
Sprechstunde des Klassenvorstandes besucht. Das einzige Mal in
seinem Leben, dass sie das getan hat. Gespannt hat er sie danach
gefragt, was der Lehrer gemeint hat. Ihre Auskunft war kurz und
prägnant. Er hat gesagt: „In dem steckt viel mehr drinnen als er
bisher gezeigt hat.“
Ein Wort
des Vertrauens und des Zutrauens. Das hat es gebraucht, um ihn
aus seiner Verunsicherung heraus zu holen. Er konnte dann
tatsächlich mehr zeigen, sich einbringen. Wer ständig nur hört
oder in sich fühlt, dass da gemeint wird „Aus dir wird nichts“,
aus dem wird auch leicht nichts. Die Gabe des rechten Wortes zur
rechten Zeit, eines Wortes, das aufrichtet und befreit, ist wie
ein kleines Fest der Auferstehung, ist wie eine Vorahnung des
großen Festes.
Dienstag, 17.04.2012
Mir bleibt eine Begegnung in Lourdes
unvergessen. Freunde haben mich auf meiner Urlaubsrückreise von
Spanien dorthin eingeladen. Neugierig bin ich allem begegnet.
Die Ansammlung von viel Kitsch hat mich verstört. Aber über
Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Dann ist mir etwas widerfahren, mit dem ich nicht gerechnet
habe. Ich bin ganz tief beeindruckt gewesen vom Heiligen Bezirk,
der von jedem Andenkenladen frei war. Besonders berührt hat mich
die Begegnung mit viel menschlichem Leid und den jungen
Menschen, die sich um die auf den Rollstuhl Angewiesenen
gekümmert haben. Mit einer Frau, das Gesicht ernst, gezeichnet
vom unausweichlich nahen Tod, hat es einen Blickkontakt gegeben.
Es war ein Moment einer kurzen, intensiven Wahrnehmung. Dann und
wann gibt es das: ein Blick genügt und man weiß tief drinnen,
wir verstehen uns.
Ich bin dieser Frau dann noch einmal begegnet, als sie den
Heiligen Bezirk verlassen hat. Das heißt, sie muss mich gesehen
haben und den Fahrer ihres Rollstuhles hin zu mir dirigiert
haben. Sie hat mich im An-mir-vorbeigeschoben-werden angestupst.
Und ich habe wieder in ihr Gesicht gesehen, gezeichnet vom
unausweichlich nahen Tod, aber mit einem Strahlen von innen
heraus, innerlich versöhnt aus dem Bereich des Glaubens kommend.
Das war eine Begegnung mit der verwandelnden Kraft des Glaubens.
Sie hat sich fest in mein Gedächtnis eingeprägt.
Mittwoch, 18.04.2012
Ein paar Worte seiner Mutter hat ein
Bekannter immer wieder im Ohr. „Immer“, so hat er erzählt, „wenn
ich für längere Zeit von daheim weg war oder wenn es um etwas
Wichtiges gegangen ist, hat sie mich verabschiedet mit dem Satz:
‚Mach‘s gut, und pass auf dich auf‘.“
„Das hat es in sich“, hat er gemeint.
Da war also jemand, der mit Sorge auf ihn geschaut hat, ihn
begleitet hat mit dem Wunsch, dass es gut wird. Je nachdem, was
anstand, war dieses „dass es gut wird“ und das „pass auf dich
auf“ mit anderem Inhalt gefüllt. Anders bei einem Besuch bei
Freunden mit Übernachtung, anders bei einer Bergtour. Und wieder
anders, wenn es um Beziehungen ging, wenn er jemand
kennengelernt hatte.
Schau darauf, dass dir nichts
passiert. Tu das deine dazu.
Ein Wort, beiläufig gesprochen. Dann
und wann hat er es sogar als lästig empfunden. „Mütter eben. Die
machen sich viele Sorgen und sind ständig in Angst. Brauchen sie
doch nicht zu haben. Weiß doch selber, worauf es ankommt.“
Und dann, später: Er ist dankbar
dafür, für dieses „Mach‘s gut, und pass auf dich auf!“
Dürfen wir das nicht auch von unserem
Gott denken, dass wir ihm wichtig sind und er möchte, dass unser
Leben gelingt? Und er deshalb zu uns sagt: „Mach‘s gut, und pass
auf dich auf. Es wäre schade, wenn du das, worauf es ankommt, wo
es auf dich ankommt, übersehen würdest. Mach‘s gut, und pass auf
dich auf!“
Donnerstag, 19.04.2012
Die letzten Worte eines Menschen
bleiben im Gedächtnis, bewegen Gedanken, Erinnerungen. Zwei
Worte eines Abschieds klingen in mir schon lange nach.
Die ganze Familie ist um den Mann und
Vater versammelt. Ich gebe ihm die Hand, sage ihm, dass ich da
bin. Er öffnet die Augen. “Wie geht‘s?“ frage ich. Seine
Antwort: „Das werden wir schon schaukeln.“
Und dann, einige Minuten später, in
das Ohr seiner Frau, noch einmal es dann wiederholend, für uns
alle gerade noch zu hören: „Das Leben ist ein Augenblick.“
Ja, das Leben ist ein Augenblick, wenn
man merkt, wie einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, wie
Jahre, Jahrzehnte entschwinden, wie viel getan und durchgeführt,
in die Hand genommen, aber auch wie viel offen und unvollendet,
einem aus den Händen gleitend. Das Wort vom Augenblick hat mich
und die Angehörigen begleitet. Es ist ihnen wichtig geworden,
weil sie aus ihrer Beziehung zu ihm dankbar gesagt haben: Ja,
ein Augenblick, aber ein erfüllter.
Und dann noch: „Das werden wir schon
schaukeln.“ Ein Wort, im Leben oft gesagt in den
Herausforderungen des Alltags. Jetzt, in der Stunde des
Abschieds, erhält es einen Klang der Zuversicht über diese Zeit
hinaus trotz und im Abschied von allen aus der Hand genommenen
menschlichen Möglichkeiten. Seit Ostern dürfen wir solche Worte
so trostvoll verstehen.
Freitag, 20.04.2012
„Sie werden auf den schauen, den sie
durchbohrt haben.“ Mit diesen Worten beschließt der Evangelist
Johannes seine Darstellung der Passion des Herrn.
Es ist ein eindrucksvolles Bild: vor
dem Kreuz stehen und zum Gekreuzigten aufschauen.
Aus den Verfilmungen der Romane von
Giovannino Guareschi kennen viele Don Camillo und Peppone. Don
Camillo tritt immer wieder in lebendigen Kontakt zum
Gekreuzigten. Im Blick auf den Gekreuzigten hört er Bestätigung.
Er bekommt aber auch Kritik zu hören. Das Schauen auf den
Gekreuzigten, das Reden mit ihm, das angesprochen Werden, das
Hören auf ihn, wird immer wieder deutlich in Szene gesetzt. Aber
das ist Film, nicht unser Leben.
Dieses Bild findet sich aber auch im
Leben. In der Geschichte des Franz von Assisi nimmt es einen
ganz besonderen Platz ein. Franziskus hört vom Kreuz in San
Damiano das Wort, das für ihn lebensbestimmend sein wird: „Baue
meine Kirche wieder auf.“
Franziskus hat selber dann eine Zeit
lang gebraucht, um für sich zu erkennen, was in ihm da
angesprochen werden soll.
Ich freue
mich, dass es in unserem Land so viele gibt, junge und ältere,
die für sich sagen: Ich möchte der Botschaft, dass wir im Blick
auf den Gekreuzigten und Auferstandenen zum Leben finden, mein
konkretes Gesicht geben. Ich engagiere mich in der Kirche. Das
ist ein Hoffnungszeichen.
Samstag, 21.04.2012
Dann und wann führe ich selber im Dom
St. Jakob in Innsbruck. Dabei lade ich, wenn alle sich auf das
weltberühmte Mariahilfbild auf dem barocken Hochaltar konzentrieren,
gerne ein, den Blick in die andere Richtung zu wenden und die Orgel
anzusehen. Ich selber wende meine Aufmerksamkeit dann allerdings -
ich gestehe es - nicht zur Orgel, sondern hin zu den Betrachtern.
Ganz spontan höre ich da oft Worte der freudigen Überraschung. Sie
würden bei manchen noch deutlicher ausfallen, wenn nicht der Respekt
vor dem heiligen Raum etwas Zurückhaltung gebieten würde. Der
prachtvolle Orgelprospekt von Johann Caspar Humpel ist wirklich ein
Genuss für die Augen. Was ich fachlich nicht so kann, das kann unser
Domorganist. Er erschließt begeistert das Innenleben der
Pirchner-Orgel mit ihren 3729 Pfeifen und der rein mechanischen
Spiel- und Registertraktur mit 57 klingenden Registern.
Immer wieder höre ich von Organisten
aus verschiedenen europäischen Ländern, dass wir auf unsere Orgel
mit Recht stolz sein dürfen. Sie kann sich nicht nur sehen, sondern
vor allem auch hören lassen.
Musik geht zu
Herzen. Sie ist Trost in schweren Stunden und schenkt Freude in den
Hoch-zeiten des Lebens. Die österliche Botschaft ohne Musik im Ohr,
da würde etwas Wesentliches fehlen. Es fehlt zum Glück nicht.