von P .Mag.
Amadeus Hörschläger OCist, Stadtpfarrer v. Baden St. Stephan
Sonntag, 20.5.2012
Der heilige Benedikt, dessen Ordensregel sich interessanterweise in
der heutigen modernen Zeit zunehmenden Interesses vor allem von
Managern erfreut, legt großen Wert auf Ausgeglichenheit von Gebet
und Arbeit – „Ora et labora“ in der lateinischen Sprache. Im 43.
Kapitel lesen wir: “Es werde dem Gottesdienst nichts vorgezogen“.
Ist nicht gerade unsere Zeit zu sehr geprägt von der alltäglichen
Last des Wirtschaftens, ist Stress nicht längst zu unserem täglichen
Begleiter geworden und kommt nicht dabei die Seele zu kurz? Ist
nicht die Zunahme der seelischen Erkrankungen ein Alarmzeichen
dafür, dass wir in unserem Leben etwas verändern sollten? Bei
Benedikt hat der Gottesdienst eindeutig Vorrang. Natürlich werden
Sie denken, wir können doch nicht alle Nonnen und Mönche werden.
Vollkommen richtig, aber wir können und sollten uns mehr um die
seelische Gesundheit kümmern und das Gebet, die stille Zwiesprache
mit Gott, das Innehalten und Ruhigwerden ist ein durch Jahrhunderte
hindurch erprobtes Mittel zur Heilung unserer seelischen
Stresssituation heute. „Herr, lehre uns beten“ haben schon die
Apostel gesagt, „Herr lehre mich wieder erkennen, was in meinem
Leben heute das Wichtigste ist“, sollte wohl die Bitte von uns
modernen Menschen sein.
Montag, 21.5.2012
Im 48. Kapitel der Benediktsregel heißt es: „Der Müßiggang ist ein
Feind der Seele, deshalb sollen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten
mit Handarbeit beschäftigen.“ Es ergibt sich ja immer wieder die
bekannte Fragestellung: „Leben wir, um zu arbeiten?“ oder „Arbeiten
wir, um zu leben?“ - Jesus hat seinerzeit bei den beiden Schwestern
des Lazarus in Bethanien die Martha etwas getadelt, weil sie zu
geschäftig war, ist das aber eine Rechtfertigung dafür, dass wir die
Hände in den Schoss legen sollen? Benedikt betont immer wieder, dass
eine Ausgeglichenheit bestehen muss: Nur fromm sein, ist eindeutig
nicht in Ordnung und nur arbeiten ebenso wenig. Ich glaube, wir
müssen in unserer Gegenwart für unser alltägliches Leben so etwas
wie eine Gewissenserforschung betreiben. Wie schaut denn so mein
Tagesablauf aus – besteht hier eine Einseitigkeit oder gibt es doch,
vielleicht auch über einen längeren Zeitraum gesehen, eine
Ausgewogenheit? Komme ich vor lauter Arbeit zu keiner Freizeit mehr
oder vor lauter Nichtstun zu keiner Arbeit? Wie oft stoßen wir heute
gerade bei jungen Leuten auf dieses schreckliche Phänomen, dass sie
aus lauter Langeweile zu Gesetzesbrechern werden. „Der Müßiggang ist
ein Feind der Seele“, sagt der heilige Benedikt schon vor ca. 1500
Jahren.
Dienstag, 22.5.2012
Im 48. Kapitel der Benediktsregel heißt es: „Für die Tage der
Fastenzeit erhalte jeder aus der Bibliothek ein Buch, das er von
Anfang bis zum Ende ganz lesen soll“. Eigentlich ist ja die
Kurzfassung der Benediktsregel nicht beschränkt auf das bekannte
„Ora et labora – Bete und Arbeite“, sondern ganz wesentlich gehört
auch das „Legere“, das Lesen, dazu. Es ist doch merkwürdig, dass in
unserer Zeit, auf der einen Seite doch der Buchmarkt nicht schlecht
dasteht, andererseits ihm die elektronischen Medien scheinbar den
Rang ablaufen. Benedikt legt hohen Wert darauf, dass die Mönche
regelmäßig sich der Lesung widmen. Vielleicht haben wir heutzutage
manchmal das Gefühl: Lesen bedeutet Nichtstun. Wir haben keine
Hemmungen oft stundenlang im Internet zu surfen, scheuen uns aber,
ein Buch in die Hand zu nehmen. Hier wäre ein Umdenken wohl auch
dringend nötig und das nicht nur bei uns Erwachsenen, sondern vor
allem bei den Kindern und Jugendlichen. Für mich bleibt die Frage:
Welches Beispiel lebe ich vor – die früheren Mönche mussten
wenigstens in der Fastenzeit ein Buch lesen – vielleicht auch ein
Vorsatz für uns?
Mittwoch, 23.5.2012
Sehr oft schreibt der hl. Benedikt in seiner Ordensregel vom
Gehorsam und legt diesen den Brüdern ganz besonders ans Herz. Was
aber bedeutet Gehorsam? Sein eigenes Ich aufgeben und unterwürfig
werden? Keine Eigenverantwortung mehr übernehmen? Gehorsam Sein
verbinden wir mit willenlosem Soldatendrill, der jedes Hinterfragen
verbietet. Benedikt kann das wirklich nicht so gemeint haben, dass
einer den Ton angibt und alle anderen haben sich dem willenlos zu
fügen. Dabei kann uns das Wort „Gehorsam“ als solches schon
weiterhelfen. Gehorchen hat etwas mit Hören zu tun, mit Hinhören,
genauer gesagt. Darum beginnt die Benediktsregel mit diesem Wort:
„Höre, mein Sohn, auf die Lehren des Meisters…“
“Mir hört ja doch keiner zu!“, klagen viele Menschen heute und wie
oft entschuldigen wir uns mit dem Satz: „Das muss ich wohl überhört
haben“, wenn wir eine Aufgabe schlecht erfüllen. Hinhören und danach
handeln, das ist Gehorsam im tiefsten Sinn, vor allem aber auch
Hinhören auf unsere innere Stimme, die leider so oft nicht mehr zu
Wort kommt, weil es um und in uns zu laut geworden ist im modernen
Alltag.
Donnerstag, 24.5.2012
Das ganze 6. Kapitel der Ordensregel des heiligen Benedikt handelt
von der Schweigsamkeit. Sie wird als Tugend der Mönche hochgepriesen
und die Klöster legen großen Wert darauf, dass es in ihren
Räumlichkeiten Orte der Stille gibt und selbstverständlich sind im
Tagesablauf fixe Zeiten für das Schweigen vorgesehen. Auch bei
diesem Thema geht es Benedikt um die Ausgewogenheit zwischen dem
Reden und dem Schweigen. Wir alle wissen, dass in unserer heutigen
Zeit viel zu viel ge- und damit auch zerredet wird. „Reden ist
Silber, Schweigen ist Gold“, lehrt uns ein bekanntes Sprichwort.
Viele unserer Klöster werden daher zunehmend um der Stille willen
von Stress geplagten Menschen heute aufgesucht, weil man einige Tage
dort in der Abgeschiedenheit vom Alltagslärm verbringen will. Raus
aus dem Trubel, raus aus dem Lärm des Alltags und Eintauchen in eine
andere Welt. Manchmal ist die Lärmberieselung ja wirklich nicht mehr
auszuhalten und dabei sind wir sehr oft selber schuld, dass die
Stille zu kurz kommt. Hat „Lärmschutz“ nur die Bedeutung, dass wir
uns vor dem Lärm schützen oder müssten wir nicht eher das Schweigen
unter Schutz stellen.
Freitag, 25.5.2012
Das gesamte 7. Kapitel der Ordensregel des heiligen Benedikt handelt
von der Demut. Benedikt spricht genau gesagt von 12 Stufen der
Demut, die der Mönch anstreben und wie bei einer Leiter erklimmen
soll. Es ist ein ständiges Ringen mit dem Eigenwillen, vor allem
aber mit dem Stolz, der nur allzu leicht die Macht über uns gewinnt.
Die heutige Welt hört dieses Wort von der Demut nicht gern, es hat
so den Beigeschmack der Unterwürfigkeit und Schwäche, ja letztlich
einer gewissen Hilflosigkeit und dabei kann man doch nur erfolgreich
in dieser Welt bestehen, wer es versteht, sich durchzusetzen, auch
wenn man dazu seinen Ellbogen kräftig benützen muss. Man kann sich
ja schließlich nicht alles bieten und gefallen lassen! Nur der
Kräftigere hat das Sagen, wenn auch mit einer Portion
Rücksichtslosigkeit. Benedikt ist hier einer ganz anderen Meinung
und beruft sich auf die Worte Jesu: „Jeder, der sich erhöht wird
erniedrigt und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden.“ Es bedarf
schon eines gewissen Mutes, um demütig zu sein, aber aufs Ganze hin
gesehen, lohnt es sich, diese Stufen, von denen Benedikt spricht, zu
erklimmen, auch wenn man dabei gegen den Strom der Zeit schwimmen
muss.
Samstag, 26.5.2012
„Einem jeden werde zugeteilt, wie er es braucht“, heißt es bei
Benedikt im 34. Kapitel und gleichzeitig schreibt er, dass „alles
allen gemeinsam sei“. Eine ganz individuelle Aufteilung der
gemeinsamen Güter im Kloster, denn „keiner nenne etwas sein Eigen“,
mahnt er die Mönche. Eine besondere Mahnung geht daher dahin, dass
man mit den anvertrauten Gütern gut und sorgsam umzugehen hat. Was
an und für sich so einsichtig klingt, hat leider in unserer modernen
Welt von heute an gewaltiger Bedeutung verloren. Immer wieder hören
und lesen wir, dass mit dem Allgemeingut alles andere als sorgsam
und gewissenhaft umgegangen wird. Zerstörungswut auf der einen
Seite, Korruption auf der anderen. “Es ist ja nicht meins!“, lautet
die Devise und dadurch scheint ein gewisser Freibrief für den Umgang
damit gegeben zu sein. Ich denke, dass es einer großen gemeinsamen
Anstrengung bedarf, hier wieder das rechte Maß zu finden und den
Wert der uns anvertrauten Dinge zu entdecken und zu schützen.
Vielleicht liegt gerade darin eine geheimnisvolle Faszination der
1500 Jahre alten Ordensregel des heiligen Benedikt als
richtungsweisende Anleitung in unserer modernen, schnelllebigen
Zeit.