Mir geht es manchmal so: Ich habe ein Problem, sehe absolut keine
Lösung und möchte daher eine neutrale Meinung einholen. Aber mit
wem soll ich mich besprechen? Wer sieht die Sache unbeeinflusst und
kann einen Rat geben? Das ist die Frage, denn auch die Meinung
nahestehender Menschen, auch der besten Freunde ist zumeist
subjektiv gefärbt, das geht gar nicht anders. Jeder sieht die Sache
aus seinem persönlichen Blickwinkel. Mir persönlich hilft es, wenn
ich mich an einen Ort zurückziehe, wo ich in der Stille mein Herz
öffnen und in mich hineinhorchen kann. Man kann dies meditieren,
oder auch beten nennen. Plötzlich zeichnet sich ein Weg, oder sogar
eine Lösung ab, die mir vorher nicht bewusst wurde. Hildegard
Burjan, die im Jänner dieses Jahres vom Papst selig gesprochen
wurde, hat aus ihrer Erfahrung dazu gemeint: „Wirklich beraten kann
man sich nur mit Gott.“
Montag, 11.6.2012
Ich habe den Eindruck, die zwischenmenschlichen Beziehungen sind
sehr oft mit Vorurteilen behaftet. Man ist misstrauisch gegenüber
jedem, der von seiner Herkunft, seinem Denken, seinem Aussehen nicht
so ist wie man selbst. Ich nehme mich davon nicht aus. Ich bin
überhaupt ein sehr kritischer Mensch und mein Urteil über meine
Mitmenschen fälle ich oft zu rasch. Manchmal habe ich mir schon
gedacht, dass ich damit meinem Gegenüber eigentlich gar keine Chance
biete, sich in einem anderen Licht zu präsentieren. Es kann viele
Gründe haben, warum sich Menschen anders geben als sie wirklich
sind. Hinter manch äußerlicher Arroganz, oder Zynismus kann auch
Verletztheit stecken. Vielleicht sollte ich einen Satz der neuen
Seligen der römisch-katholischen Kirche Hildegard Burjan in Zukunft
mehr beachten: „Man muss überzeugt sein, dass in jedem Menschen eine
gute Seite ist und man muss sich bemühen, sie herauszufinden um
daran anzuknüpfen.“
Dienstag, 12.6.2012
Parteipolitik genießt derzeit kein hohes Ansehen und Politiker und
Politikerinnen aller Couleurs leiden unter Imageverlust. Korruption,
Freunderlwirtschaft, Tatenlosigkeit und noch vieles mehr wirft man
den Herren und auch Damen auf der politischen Ebene vor. Aber
herumnörgeln an allem was „die da oben“ tun, oder nicht tun, ist
wesentlich leichter als sich selbst für das allgemeine Wohl
einzusetzen. Früher - und in manchen Ländern auch noch heute - haben
Menschen für das öffentliche Eintreten für Werte, Rechte und Ideale,
Haft, Verfolgung, sogar den Tod auf sich genommen. Doch heute, wo
man im Vergleich zu früher kaum etwas zu befürchten hat, scheinen
viele dieses öffentliche Eintreten zu scheuen. Aber kann man sich so
absentieren von der Verantwortung, die jeder Bürger, jede Bürgerin
für das Gemeinwohl hat? Auch zu dieser Situation passt ein Satz der
neuen Seligen der römisch-katholischen Kirche in Österreich,
Hildegard Burjan, die selbst politisch tätig war: „Volles Interesse
für die Politik gehört zum praktischen Christentum.“
Mittwoch, 13.6.2012
Es gibt Zeiten, da scheint alles, was man beginnt oder unternehmen
will, daneben zu gehen. Misserfolge und Missgeschicke reihen sich
aneinander. Ich glaube, jeder ist oder war schon einmal davon
betroffen. Viele geben es nur nicht zu. Manchmal habe ich mir schon
gedacht, es hatte genau gesehen doch auch sein Gutes, wenn nicht
alles so ablief wie ich es erwartet hatte. Es hat mich zwar viel an
Nerven und Kraft gekostet, hat aber auch neue Erkenntnisse gebracht.
Ich war herausgefordert, habe Ängste überwunden und in mir neue
Kräfte entdeckt. Ein glatter Ablauf ohne Anstrengung hätte dies
alles nicht bewirkt und für die Zukunft habe ich außerdem eine
Lektion erhalten: Nur nicht aufgeben. Auch Hildegard Burjan, die
neue Selige in der römisch-katholischen Kirche in Österreich, kam
aus Erfahrung zu dieser Erkenntnis: „Es wäre für uns gar nicht gut,
wenn immer alles glatt ginge und eitel Erfolg wäre. Der Misserfolg
ist unser bester Lehrer.“
Donnerstag, 14.6.2012
Um diese Tageszeit sind viele Menschen gerade auf dem Weg zur
Arbeit. Einige werden sich vielleicht fragen: Bin ich eigentlich
zufrieden mit und in meinem Job? Die Identifikation mit der
jeweiligen Tätigkeit ist heute bisweilen sehr ambivalent. Die einen
leiden darunter, dass sie kaum Möglichkeiten haben, ihre kreativen
Fähigkeiten einzubringen, um dadurch der Arbeit ihren persönlichen
Stempel aufzudrücken. Sie sehen sich dann nur als kleines Rädchen in
einem unüberschaubaren Gesamtgetriebe, das jederzeit austauschbar
ist. Andere identifizieren sich wieder so mit ihrer beruflichen
Position, dass sie den Boden unter den Füßen verlieren, wenn das
Pensionsalter naht. Sie glauben nur Ansehen und Anerkennung zu
haben, wenn sie auf eine Karriere verweisen können. Auch dazu passt
wieder ein Satz der neuen katholischenSeligen, der Sozialpionierin Hildegard Burjan: „Nicht die
Arbeit bestimmt die Qualität des Menschen, sondern die Qualität des
Menschen bestimmt die Arbeit.“
Freitag, 15.6.2012
Manches Mal passiert es mir, dass ich die Zeitung durchblättere und
nur von Schrecklichem auf der ganzen Welt lese. Ich drehe den
Fernseher oder das Radio auf und höre von Gewalt, Not, Armutsfallen.
Ich mache meinen Postkasten auf und finde eine Unmenge an
Bettelbriefen verschiedenster Organisationen. Manchmal habe ich das
Gefühl, angesichts dieser Flut stumpft man irgendwie ab. Was soll
man schließlich auch tun? Mein Reagieren besteht meist darin, dass
ich einen Erlagschein für eine Spende ausfülle. Aber ist das
wirklich genug? Bin ich in Verantwortung für den Nächsten nicht zu
mehr gefordert? Ein bewusstes Einkaufen, der Schutz der Umwelt,
einen Blick haben für die Not im unmittelbaren Umfeld wäre auch ein
zusätzlicher Beitrag. Wie sagte doch die Gründerin der
Schwesterngemeinschaft CARITAS SOCIALIS Hildegard Burjan: „Irgendwie
fühle ich mich jeden Augenblick für das viele Traurige, das auf der
Welt geschieht verantwortlich.“
Samstag, 16.6.2012
Wenn man die jährlich veröffentlichten Austrittszahlen aus der
römisch-katholischen Kirche betrachtet, gewinnt man den Eindruck:
Immer mehr Menschen wenden sich von dieser Kirche ab und suchen sich
einen eigenen Weg. Diese Menschen deshalb einfach als „glaubenslos“
zu bezeichnen, wäre zu vereinfacht. Vielleicht wollen sie nur nichts
mit der Institution Kirche zu tun haben weil sie sich aus sehr
persönlichen Gründen nicht angenommen, bzw. ausgeschlossen vom
kirchlichen Leben fühlen. Andere glauben zwar an Gott, wollen aber
nicht an kirchlich vorgegebene Regeln gebunden sein. Wie auch immer,
niemandem steht das Recht zu, sie als Glaubenslose abzustempeln. Die
Erfahrung hat mich gelehrt, dass das Handeln von Menschen, die der
Kirche distanziert gegenüber stehen, oft mehr von der Bergpredigt
geprägt war, als das der sogenannten Kirchentreuen. Ihre
individuelle Frömmigkeit, ihr Christsein zeigte sich im konkreten
Tun. Sehr mutig meinte dazu die neue Selige der römisch-katholischen
Kirche in Österreich, Hildegard Burjan: „Die Menschen müssen ihre
Frömmigkeit so gestalten können, wie es ihrem innersten Wesen
entspricht.“