Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Fragen stellen...“

von P. Gerwig Romirer, Benediktinerstift St. Lambrecht, zum steirischen Festival für zeitgenössische Kunst und Kultur REGIONALE12 in der Region Murau

 

 

 

Sonntag, 17. Juni 2012

Wo gehöre ich hin?

 

Zu den wesentlichen Fähigkeiten des Menschen gehört es, Fragen stellen zu können. Und es ist ein großes Geschenk, dass wir nicht alles, was uns vorgegeben ist, gedankenlos akzeptieren müssen. Wir dürfen fragen. – Wir müssen fragen!

 

Eine der großen Fragen, die uns ein Leben lang begleitet, lautet: Wo gehöre ich hin? Wo ist mein Platz? Wo kann ich leben und mein Leben mit anderen teilen?

 

Ein künstlerisches Projekt in St. Lambrecht beleuchtet ab kommenden Samstag diese Fragestellungen. „NISTEN ZIEHEN IRREN“ – drei Worte, die aufzeigen wollen, was Menschen mit ihrer Heimat verbinden, die hörbar machen wollen, was bleibt, wenn Menschen weggezogen sind aus ihren Wohnungen und Häusern, die sich damit beschäftigen, wie Um- und Irrwege nicht nur verlorene Zeit, sondern auch Entdeckungsreisen zu neuen Erfahrungen sein können.

 

Wo gehöre ich hin? – Bleibt auch die Frage ein Leben lang die gleiche, die Antwort wird sich wandeln und verändern.

 

Wie auch immer sie ausfällt: wichtig ist es nicht aufzuhören, um eine Antwort auf diese Frage zu ringen: offen und geduldig, vertrauensvoll und aufmerksam, jeden Tag neu.

 

 

 

 

Montag, 18. Juni 2012

Wo gehöre ich dazu?

 

„Keiner ist eine Insel“ lautet der Titel eines Buches des Trappistenmönchs und Mystikers Thomas Merton. Keiner von uns Menschen kann auf Dauer allein leben, völlig isoliert und abgeschottet, wir sind auf Gemeinschaft hin angelegt.

 

Doch manchmal ist es für jeden Menschen notwendig, sich zurückzuziehen, um Bezugslinien neu und besser sehen zu können, manchmal braucht es den Rückzug und die Konzentration in der Einsamkeit, wo Menschen oft stärker mit den Sorgen dieser Welt verbunden sind als im Getriebe der Schaltzentralen des politischen und wirtschaftlichen Entscheidens.

 

Am kommenden Wochenende wird die kleine obersteirische Stadt Oberwölz für 40 Stunden ihre Tore schließen. Sie tut das in der Absicht, den Blick zu schärfen für die wesentlichen Aspekte sozialen Lebens und sich feiernd und diskutierend, singend und betend, spielerisch und kreativ der Frage zu stellen: Wo gehöre ich dazu und warum? Was heißt es drinnen zu sein, und was draußen? Wie viel Verbundenheit brauche ich und wie viel Freiheit?

 

Jede und jeder von uns braucht ein Netzwerk, das trägt – jede und jeder kann zugleich ein Knoten sein im tragenden Netzwerk für andere.

 

 

 

 

Dienstag, 19. Juni 2012

Wie viel Erde braucht der Mensch?

 

Lange bevor vom ökologischen Fußabdruck die Rede war hat Leo Tolstoi 1885 in einer seiner Novellen eine Frage gestellt, die an Aktualität nicht nur nichts verloren hat, sondern nur noch brisanter geworden ist: Wie viel Erde braucht der Mensch?

 

Der vom Virus der Gier und der Unzufriedenheit infizierte Bauer Pachom darf darin soviel Land kaufen, wie er während eines Tages zu Fuß umrunden kann. Weil er in seiner Maßlosigkeit seine Kräfte überschätzt, bricht er kurz vor Sonnenuntergang auf den letzten Metern erschöpft zusammen und stirbt.

 

Wie viel Erde braucht der Mensch? – diese Frage trifft den wunden Punkt: Will ich nach dem Motto leben „Immer mehr, immer weiter, immer höher“ oder stimmt nicht doch die Aussage eines meiner Freunde „Was genug ist, ist zu viel“.

 

Das Marschgepäck für die Lebensreise ist für viele von uns zu groß, doch häufig merken wir es nicht, weil andere für uns – meist ungefragt – als Gepäcksträger eingespannt sind.

Nachhaltigkeit ist vor allem eine Frage der Verantwortung – für mich selber – für die Menschen um mich – für die Schöpfung – für die Zukunft auf dieser Welt.

 

 

 

 

Mittwoch, 20. Juni 2012

Wofür bin ich Feuer und Flamme?

 

Eines der stärksten Bilder für den Heiligen Geist ist das Bild des lebendigen Feuers. Geist – Heiliger Geist – Begeisterung – Esprit: Was wäre das Leben ohne dieses innere Feuer, ohne die Erfahrung der brennenden Begeisterung für eine Idee, für ein Projekt, für einen Menschen?

 

Wofür brenne ich? Wofür bin ich Feuer und Flamme?

 

Wir Menschen brauchen den Kontakt zu unserem inneren Feuer, damit unser Leben einen Sinn erhält, wir sind gefordert, die Glut diese Feuers zu hüten und nicht ausgehen zu lassen und wir haben den Auftrag, mit der Lebendigkeit dieses Feuers andere Menschen anzustecken. Auch wir brauchen immer wieder andere Menschen, an deren Begeisterung wir Feuer fangen können.

 

Gegenseitige Ansteckung mit dem inneren Feuer der Begeisterung – ein schönes Projekt, das ohne Impfschutz und ohne Vorsichtsmaßnahmen auskommt.

 

Jedes Feuer beginnt mit einem kleinen Funken. Gewiss ergibt sich heute die Gelegenheit, ein wenig Esprit zu versprühen oder selber einen Feuerfunken aufzufangen. Wäre doch einen Versuch wert.

 

 

 

 

Donnerstag, 21. Juni 2012

Wofür bin ich empfänglich?

 

Von früh bis spät prasseln Töne, Geräusche, Klänge, Worte und Musik an unsere Ohren. Wir sind ihnen ausgeliefert, weil wir unsere Ohren nicht verschließen können und werden als Gegenstrategie unweigerlich abgestumpft, oberflächlich, mehrfach taub. Dabei bestimmt gerade die Frage „Wofür bin ich empfänglich?“ sehr viel in unserem Leben.

 

Mehr Achtsamkeit auf das, was wir an Signalen von außen bekommen, ist dazu unerlässlich. Noch wichtiger aber ist es, auch auf die Botschaften zu hören, die in uns da sind – meistens leise, behutsam und zart.

 

Seit einigen Jahren werden durch die Initiative „Beschallungsfrei“, Orte ausgezeichnet, die auf die Berieselung mit Hintergrundmusik zu verzichten. Anfangs ist das vielleicht irritierend, letztlich aber wohltutend – nicht nur für die Ohren: Was hören Sie, wenn Sie nichts hören? Probieren Sie’s doch heute einmal aus und suchen Sie sich einen Ort, wo 10 Sekunden Stille möglich sind. Ein lohnendes kleines Experiment. Sie werden es hören!

 

 

 

 

Freitag, 22. Juni 2012

Wo will ich hin?

 

In acht  Meter hohen Buchstaben steht es hoch über der Stadt Murau geschrieben, das Wort ZUKUNFT. Ohne Fragezeichen, ohne Rufzeichen, ohne Zusatz – einfach so: Zukunft. Zeichenhaft stehen die Buchstaben während des steirischen Kulturfestivals REGIONALE12, das in den nächsten vier Wochen in der Region Murau stattfinden wird. Wo will ich hin? Welches Ziel habe ich vor Augen? Worauf möchte ich zugehen, wohin wachsen? Entwicklung braucht genaues Hinschauen, gewissenhaftes Prüfen der Motive, geduldiges Gehen Schritt für Schritt.

 

Die Beschäftigung mit Kunst bietet dazu oft eine gute Gelegenheit: Kunst hinterfragt, Kunst inspiriert, Kunst kritisiert, Kunst regt die Phantasie an, Kunst fordert heraus.

 

Kunst bietet die Gelegenheit, Neues an mich heranzulassen, an Experimenten teilzunehmen, Überraschungen zu erleben. Vielleicht erscheint sogar das eine oder andere zuerst verrückt, erweist sich dann aber als Anfang eines tragfähigen Weges – eines Weges in eine gute Zukunft.

 

 

 

 

Samstag, 23. Juni 2012

Was kann ich da schon tun?

 

Mangelndes Selbstvertrauen ist eine weitverbreitete Haltung. Viele Ursachen können dafür aufgezählt werden: Schlechte Pädagogen, ein unterdrückerisches Umfeld, hierarchische Strukturen und und und ... So transportiert allein die Frage: Was kann ich da schon tun? einen Gutteil der Antwort schon mit: Nichts oder zumindest nicht viel.

 

Doch niemand von uns Menschen hat gar keine Talente, jede und jeder hat Fähigkeiten, alle haben wir unsere starken Seiten – es kommt nur darauf an, dass sie entdeckt werden und dann auch zum Einsatz kommen können.

 

Wir dürfen nicht immer auf andere warten, sondern müssen selber anfangen, aktiv zu werden und unser Leben in die Hand nehmen auch wenn oft nur kleine Schritte möglich sind.

 

Wenn Sie sich heute vielleicht fragen: Was kann ich da schon tun? Antworten Sie sich doch nicht gleich selbst: Nichts oder nicht viel. Versuchen Sie doch, einen mutigen kleinen Anfang zu machen und damit ein Stück Selbstvertrauen zurückgewinnen in die eigene Macht zur Veränderung.