Vieles erscheint einem vertraut, wenn
man in der Bibel die Geschichten liest, die sich um Kinder drehen:
Es gibt die freudige Geburt eines Sohnes nach langem Hoffen und
Sehnen, Brüder streiten sich, dass es nur so kracht, da steht einer
im Mittelpunkt als Liebling seiner Eltern, es muss ein Kind vor
seinen Verfolgern gerettet werden, ein Kleiner wird gewählt und alle
Großen nicht, ein Mädchen kommt in ein schwieriges Alter und will
nur noch sterben. Themen, die auch wir kennen, werden berührt.
Extra Kindergeschichten kommen aber in
der Bibel nicht vor – nur die eine ist überliefert: Eltern bringen
ihre Kinder zu Jesus, einem bekannten Mann. Die Freunde Jesu wollen
das nicht erlauben – Kinder haben keinen Zutritt zur
Erwachsenenwelt! Aber Jesus zeigt Emotion, wie ganz selten
beschrieben. Er wird zornig, weist seine Freunde zurecht und umarmt
die Kinder, spricht ihnen Gottes Gegenwart zu. Die rechtlosen und
abhängigen Kinder werden besonders gewürdigt.
Gott sei Dank, dass heute Kinder
Rechte haben!
Montag, 2.7.2012
In den Zeiten der Bibel garantierten
Kinder das Überleben einer Familie. Kinderlosigkeit war auch bei uns
bis vor kurzem wirtschaftlich und sozial eine Katastrophe. Frauen,
die nicht geboren haben, wurden diskriminiert, verstoßen und
verachtet. Durchwegs wurde eine kinderlos gebliebene Ehe als Fehler
der Frau angesehen.
Die Bibel erzählt: Dem Abraham wurde
von Gott eine große Nachkommenschaft versprochen. Nur – das ersehnte
Kind blieb aus, wie soll das mit der Familie und dem großen Segen
weitergehen? Wie erfüllt sich das Versprechen Gottes? Schon zu alt
fürs Kinderkriegen wird Abraham und seiner Frau Sara wirklich ein
Sohn angekündigt. „Das ist doch zum Lachen!“, denkt Sara – aber
wirklich, ein Jahr später lacht sie vor Freude: ihr Sohn Isaak wurde
geboren. „Bei Gott ist nichts unmöglich“, heißt es in der Bibel
dazu.
Das sollen auch alle hören, die heute
nicht wissen, wie es weitergehen soll. Womit werden sie überrascht
werden? Vielleicht bringt sie Gott auch zum Lachen.
Dienstag, 3.7.2012
Dass aus zwei Brüdern Feinde werden
können, kommt vor und ist ein beliebtes Motiv für Geschichten, vor
allem für Krimis. Zuletzt berichtet ein Buch aus Afghanistan davon:
„Wir sind Brüder und Feinde“. Der eine Bruder ist Polizist, der
andere Anhänger der regierungsfeindlichen Taliban.
Auch die Bibel schildert in einem
langen Erzählreigen von einem verfeindetem Brüderpaar: Jakob und
Esau. Vom Mutterleibe an: Betrügereien, Gaunereien, Lügen an der
Tagesordnung. Am Ende langer Trennungsjahre steht der eine Bruder
samt Sippe dem anderen samt 400 Männern gegenüber. In Afghanistan
würden wir dazu sagen: zwei „warlords“ treffen aufeinander. In der
Bibel versöhnen sich die Brüder und Familien. Sie können nun in
einem Land in Frieden leben.
In Afghanistan ist der Riss in der
ganzen Gesellschaft nicht gekittet. Nach wie vor verläuft er sogar
durch ein- und dieselbe Familie. Können sich die zahllosen Clans und
warlords versöhnen und ihr Land in gegenseitigem Respekt und Frieden
aufbauen?
Wir wünschen es diesem Land, wir
wünschen es allen verfeindeten Brüdern und Familien. Aber niemand
kann sagen, wie viel Krisen es noch braucht zur Versöhnung. Und wie
viele innere Kämpfe – wie bei Jakob und Esau.
Mittwoch, 4.7.2012
Ein Vater hat viele Söhne, aber nur
einer ist sein Liebling. Ihm schenkt er Besonderes. Er wird
bevorzugt, ihn liebt er am meisten. Das erzählt die Bibel vom Vater
Jakob und von seinen 12 Söhnen, darunter von seinem Lieblingssohn
Josef. Die Brüder beginnen Josef zu hassen, kein freundliches Wort
gibt es mehr untereinander. Und einmal, weit weg von zu Hause,
lassen sie ihre Wut an Josef aus: sie werfen ihn in eine leere
Zisterne und dann verkaufen sie ihn als Sklaven nach Ägypten. Am
Ende einer langen Geschichte kann Josef zu seinen Brüdern sagen:
„Ihr hattet Böses mit mir vor; aber Gott hat es zum Guten gewendet!“
Das ist nicht nur eine alte
Geschichte, sie passiert auch täglich bei uns: im Kinderzimmer, am
Küchentisch, in den Kanzleien der Rechtsanwälte. Wut aufeinander ist
ein starkes und anhaltendes Gefühl; sie verschwindet nicht, wenn man
sie nicht zeigt. Und plötzlich bricht sie hervor, beim Autofahren,
vor den Kindern, bei der Aufteilung des Erbes.
Nichts zu fühlen ist keine Alternative - allein die destruktive Wut
in schöpferische Leidenschaft zu verwandeln; umwandeln in die
kreative Leidenschaft der Liebe, die einen Neubeginn und Gutes
bedeuten kann.
Donnerstag, 5.7.2012
Ein ganz kleiner Bub wird versteckt.
Sein Leben ist in Gefahr. Er wird in ein Körbchen aus Schilf gelegt
und dem Wasser des Nilflusses anvertraut. Die Tochter des Königs
findet den Kleinen und gibt ihm den Namen Mose. Das heißt: ich habe
ihn aus dem Wasser gezogen. So erzählt die Bibel die Geschichte von
der Rettung des Mose. Er dürfte nach grausamen Regeln nicht leben –
und wird im Zuge der Geschichte zum Retter seines Volkes.
Die den Kindern ans Leben wollen, sind
Menschen, die sich in ihrem Herrschaftsanspruch bedroht fühlen und
künftige Konkurrenten beseitigen wollen. Solche Retter-Kinder finden
sich in verschiedenen Religionen. Wir treffen sie in Mesopotamien,
sie heißen Zarathustra und Krishna, Zeus und Dionysos, sowie Romulus
und Remus, nicht zuletzt Jesus.
Heute heißen sie Luke Skywalker, der
Hobbit Frodo Beutlin und Harry Potter. Es scheint so, dass wir auch
in unserer hochtechnisierten und durchrationalisierten Welt die
Erzählung von Retter- und Erlöserkindern brauchen.
Gott sei Dank haben alle Retterkinder
gute Freunde und Helferinnen; sie müssen nicht alleine auf der Erde
sein. Das kann auch uns zu Nachfolgerinnen und Nachfolgern von
Rettern machen.
Freitag, 6.7.2012
Wenn ein Kind geboren wird, ist es
eine wichtige Aufgabe der Eltern, einen Namen für das Kind
festzulegen. Bis heute ist die Namensgebung von großer Bedeutung.
Ganze Familiengenerationen sind im gleichen Vornamen vereint. Man
vergibt die Vornamen aber auch nach anderen Kriterien.
Seit 20 Jahren ist „David“ unter den
fünf häufigsten Vornamen für die neugeborenen Buben in Österreich zu
finden. Ungebrochen scheint die Attraktivität dieses Namens, der auf
den jüdischen König David zurückgeht.
Auch von ihm finden wir eine
Kindheitsgeschichte in der Bibel: Der Prophet Samuel ist von Gott
beauftragt, einen neuen König für Israel zu salben. Er wird dazu zum
Bauern Isai nach Bethlehem beordert. Der stellt ihm von seinen acht
Söhnen sieben vor: alle groß gewachsen, stark und stattlich. Keinen
von ihnen hat Gott als König auserwählt. Isai muss seinen Jüngsten
von der Schafherde holen. Dieser David wird zum zukünftigen König
gesalbt.
„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist.
Gott aber sieht das Herz an.“ So lautet die Begründung für diese
ungewöhnliche Wahl. Ist sie auch die Begründung für die Beliebtheit
des Namens „David“? Für Eltern, die ihre Kinder mit Herz wahrnehmen?
Samstag, 7.7.2012
In der antiken Welt, aus der auch
unsere Bibel kommt, waren die männlichen Kinder als Erben und Träger
der Familientradition wichtiger als die Mädchen. So haben wir ganz
wenige Kindergeschichten über Mädchen aus dieser Zeit. Und wenn,
dann haben sie nicht einmal einen Namen.
So wie die Geschichte über das
„Töchterlein des Jairus“, einem Synagogenvorsteher. Diese liegt und
scheint gestorben. Jesus, der dazu gerufen wird, nimmt sie bei der
Hand, ruft: „Talitha kumi“: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Und das
Mädchen steht wieder auf.
Wir erfahren aus der Geschichte, dass
das Mädchen 12 Jahre alt war. Ein Alter, in dem man damals eine
erwachsene, heiratsfähige Frau wurde. Die Verzärtelung und
Verkleinerung ihrer Person scheint mit ihrem Hinlegen zum Sterben
zusammenzuhängen. Das „Töchterlein“ musste sterben, damit eine
erwachsene Frau auferstehen kann.
Was richten Erziehung und
Vorstellungen der Eltern, Erzieher und Lehrerinnen mit den Kindern
und Jugendlichen an? Antworten müssen alle Generationen dazu finden.
Kinder sollen nach den biblischen
Geboten ihre Eltern ehren, Väter ihre Kinder nicht zornig machen
oder kränken. Grundlage jeder Begegnung zwischen den Generationen
ist gegenseitiger Respekt, gleichgültig wie jung oder alt das
Gegenüber ist.