Evangelischer GottesdienstSonntag, 16. 04. 2006, 09.05 Uhr bis 09.55 Uhr Österreich 1
mit Pfarrerin Dr. Ines Knoll Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der
da kommt. Amen. Liebe Gemeinde, du in Gott geliebter Mensch, Die kleine Julia darf das erste Mal zum Ostergottesdienst mitkommen. In der irrtümlichen Freude von Julia ist ein tiefer Ernst und eine
Wahrheit verborgen, und ausgesagt ist darin, worum es zu Ostern geht:
Es geht um Dich, es geht um Dich: Julia, Klaus, Erika und Uwe, es
geht um Dich, nach welchem Namen Du auch immer benannt seist. Ostern
ist ein extrem persönliches Fest und Ostern hat Gott für Dich
gemacht! Hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches
Wesen ans Licht gebracht. Als ich ein Kind war, da bin ich oft die Bücherwände im Haus meiner
Eltern entlang gegangen, fasziniert war ich immer wieder vor einem
Buch stehen geblieben. Das trug den Titel: „Ich bekenne, ich habe
gelebt“ von Pablo Neruda. Das hatte mir gefallen, dass einer so zu
seinem Leben stehen konnte. Das wollte ich auch. Am Ende sagen können:
„Ich bekenne, ich habe gelebt.“ Als ich eine Frau wurde, da erkannte ich mehr und mehr, wie
schmerzverwoben alles Leben sein und werden kann und dass zum
Lebenswillen so viel Gnade gehört und dass beim besten Bemühen
alles ganz anders kommen kann, als wir das wünschen oder machen oder
planen können. Ja, groß wurde der Tod und die Angst, dass am Ende alles versinkt im
Nichts. Wohin geht das alles, habe ich mich gefragt. Und ist das
alles: geboren werden, leben, sich mühen, sich versagen, lieben,
hassen, verlieren, wieder gewinnen, leiden an Krankheiten, Fehler
machen und sie wieder gut machen – ist das alles: geboren werden,
um zu sterben? „Ich bekenne, ich habe gelebt“, aber wofür und wohin habe ich denn
dann am Ende gelebt? Wofür und wohin lebt man denn überhaupt, was
lebt in uns und durch uns? Ich weiß nicht mehr den Tag, da ist zu ganz gewöhnlicher Zeit mir persönlich
Ostern geworden, und ich habe geglaubt. Wie durch ein Wunder sind mir
die Augen aufgetan worden und die Ohren und ich konnte ein Neues
sehen und hören und glauben und sagen: „Ich bekenne, ich werde
leben“. Manchmal ist da eine Musik oder ein Gedicht oder ein Bild
und es ist ganz da: das Osterwunder mir in der Seele, und in der
Seele gefiederte Freude, meine Osterfreude. Die flatterte in mir, als ich einmal bei Karl Barth las: „Auferstehung
heißt nicht Fortsetzung des Lebens, sondern Lebensvollendung. Zu
diesem Menschen ist ein Ja gesprochen, dem der Schatten des Todes
nicht gewachsen ist. Es geht in der Auferstehung um unser Leben, um
uns Menschen, wie wir sind und dran sind. Wir auferstehen, es tritt
keiner an unsere Stelle. ‚Wir werden verwandelt werden’, das heiß
nicht, es beginnt nun ein ganz anderes Leben, sondern dieses unser
Leben wird vollendet sein.“ Hallo Julia, hallo Klaus, hallo Erika, hallo Uwe, hallo Sie, hallo Du –
es geht um Dich, um Dich persönlich. Ostern hat Gott für Dich
gemacht! Hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches
Wesen ans Licht gebracht. Natürlich schmerzt der Schmerz der Welt, wenn er geschieht, nah oder
ferne. Aber es ist ein
hoffender Schmerz. Natürlich bleibt die Angst, aber vielleicht ist
sie weniger verzweifelt. Natürlich bleibt das Sterben – aber es
steht auf. Alles steht auf, Du stehst auf, ich stehe auf. Das machst nicht Du – da musst Du gar nichts tun. Alles kannst Du lassen. Alle Bilder vom Leben und Müssen und Bezwingen. Dass Du aufstehst, machst Du nicht – das macht Gott für dich. Die tiefste Erfahrung von sich selbst, zu der der Mensch in seiner Natur
und in der Gesellschaft vordringt, lautet nicht Freiheit, sondern
Ohnmacht. Die tiefste Erfahrung vom Gelingen menschlichen Lebens ist
nicht eine Erfahrung von eigener Macht, sondern Gnade. Die tiefste
Erfahrung des Menschen ist nicht der Mensch, sondern Gott. Diese Erfahrung hat der Theologe Helmut Thielicke einmal über einen
seiner Studenten beschrieben: „Als einer meiner liebsten Studenten
im Sterben lag, blieb ich in den letzten Nächten bei ihm in seinem
Klinikzimmer. Er musste durch schreckliche körperliche Qualen und
Atemnot und griff immer wieder verzweifelt nach meiner Hand. Plötzlich
läutete die Sechs Uhr Morgenglocke einer Kirche in der Nähe. Da
strahlte er auf und sagte: ‚Hörst Du die Osterglocken? Jetzt ruft
er mich, siehst Du, jetzt stehe ich auf.’ Als der Herr dieses
Wunder tat, ihn die Osterglocken hören zu lassen, wo es doch nur ein
alltägliches Geläute war, da wusste der Sterbende, dass er auch
seinen qualgeschüttelten und nichtigen Leib verklären und in
gewandelter Gestalt ewig bei sich halten würde. Und er war schon hinübergezogen
in dieses ganz Andere, träumend und aller Erdennot entronnen. In
dieser Stunde habe ich begriffen, was Auferstehung des Fleisches heißt.
Ein Schimmer der Verklärung glitt schon über diese
schmerzentstellten Züge.“ Ostern hat Gott für Dich gemacht! Hat dem Tode die Macht genommen und ein unvergängliches Leben ans Licht
gebracht! Ich habe in diesem Jahr für unsere kleine Kirchenzeitung „Auf ein
Wort“ mein Osterbekenntnis geschrieben und ich freue mich, das
jetzt Ihnen und Dir vorzulesen: „Ich kannte deinen Namen kaum, als du mich riefst aus tiefstem Traum“Wird so mein Ostermorgen sein? Das frage ich mich, hoffe und bete ich.
Glaube ich – traumsicher für Augenblicke wie der Beter seines
Wunsches, Huub Oosterhuis -: „Ich kannte deinen Namen kaum, als du mich riefst aus tiefstem Traum.“Alles wird einmal aus dem Schweigen gehoben in die Helle eines neuen
Morgens: da lösen sich die Alpträume auf und die falschen Wunschträume,
die Illusionen und die Ängste, die Verlassenheiten und der Schmerz
– und Jesus spricht mich an und ich fasse es nicht. Ein Glück wird
sein, immer erhofft und endlich da, und ich anwesend wie nie. Ein
Mensch, der zur Sprache kommt, sich sagt und seine Welt. Und alle
Passionen, die erlitten waren in der Welt, geben einen Sinn, in dem
ist der neue Raum gewonnen – ganz mein, ganz Dein und eigen und
frei. Rückblickend werde ich dann über meinem
Leben sagen und lachen und werde ich mein zutrauliches Osterlachen an
diesem wunderschönen Morgen: So war mein Leben, und dann lache ich
wieder österlich, denn ich habe den Namen plötzlich erkannt und weiß:
Er war es durch
mein ganzes Leben, „der
mich trug auf Adlers Flügeln,
der mich hat
geworfen in die Weite, und als ich
kreischend fiel, mich aufgefangen mit den Schwingen, und wieder hoch
mich warf, bis dass ich
fliegen konnte aus eigner
Kraft“, schreibt Huub
Oosterhuis an anderer Stelle. Und schon freue ich mich tief und weiß:
Dafür habe ich immer gelebt, dass dieser Morgen mir eines Tages
geschieht! Ich wünsche Dir ein gesegnetes Osterfest. Halleluja! Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft bewahre eure
Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. |