Evangelischer Gottesdienst

Sonntag, 04. 04. 2010, 19.05 Uhr bis 19.30 Uhr Österreich 1

 

 

 

Predigt vom Ostersonntag

Johanneskirche Klagenfurt

von Pfarrerin Lydia Burchhardt

 

 

Gnade sei mit euch, von dem, der da war, der da ist und der da kommt!

 

Der Predigttext steht im 1. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth am Anfang:

 

Predigttext: 1. Kor. 15,1-11

Ich erinnere euch, Ihr Lieben, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet…

 

Als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

 

Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, (einige aber sind entschlafen.) Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

 

Zuletzt von allen ist er auch von mir (als einer unzeitigen Geburt) gesehen worden.

(Denn) Ich bin der geringste unter den Aposteln, er ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene: So predigen wir und so habt ihr geglaubt.

 

Predigt

Ja, liebe Gemeinde, so predigen und so bekennen wir das: Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben. Hinab gestiegen in das Reich des Todes. Am dritten Tage auferstanden von den Toten – und so weiter…

 

Gestorben, begraben, auferstanden – und: dass er gesehen worden ist! Dass er gesehen worden ist – ist das nicht unglaublich?

 

Christus gestorben. Jesus tot. Sie hatten seinen Leichnam gesehen. Sie waren zu seinem Grab gegangen.

 

In diesem Augenblick versammelt sich alle Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit, Trauer und Wut.

 

Doch dann haben sie ihn gesehen: Petrus, die Zwölf, mehr als 500 andere, auch Paulus selbst. Maria und Maria aus Magdala nennen die Evangelien (schade, dass Paulus sie nicht erwähnt). Eine Wolke von Zeugen und Zeuginnen!

 

Das „leere Grab“ ist also nicht die Phantasie einer Verschwörung gewesen. Ostern - keine Verschwörungstheorie, erst recht keine Geheimbotschaft. Sondern: leibhaftige Erfahrung.

 

Das leere Grab selbst hat keinerlei Bedeutung. Aber dass derart viele Menschen bezeugen: „Der Herr ist auferstanden“ und zwar mit ihrem Leben bezeugen, das ist entscheidend. Da haben Menschen aufgrund einer Erscheinung ihr Leben verändert, alles hingeworfen und neu angefangen. Stehenden Fußes machen viele kehrt. Wer ihn gesehen hat, wer ihm begegnet ist, – wie auch immer es jeweils gewesen sein mag – wurde im Innersten ergriffen, in Bewegung versetzt, verwandelt.

 

Nicht das leere Grab ist die Botschaft, sondern der Glaube der ersten Zeugen und Zeuginnen. Ihr Bekenntnis: Der Herr ist auferstanden.

 

Sie haben es in die Welt posaunt und dieser Schall ist nicht verstummt. Der Ruf wird noch heute wiederholt, heute erst recht: Jesus ist auferstanden. Ja, der Herr ist wahrhaftig auferstanden – und wir haben ihn gesehen. Er ist nicht tot. Er lebt.

 

Gestorben, begraben, auferstanden. Das ist seit dem unser Glaubensbekenntnis.

 

Aber Glauben heißt nicht einfach, einem historischen Bericht glauben. Nur weil da diese Menschen etwas gesehen haben, verstehen wir’s nicht. Es muss sich für uns wiederholen, sonst glauben wir’s nicht, sonst werden wir’s nicht bestätigen und Sonntag für Sonntag als Gemeinde bekennen.

 

Wo aber begegnen wir dem Auferstandenen? Den lebendigen Christus finden wir nur bei Menschen, die ihn bezeugen. Durch ihr Handeln, durch ihr Bekenntnis, durch ihr Leben. Gott sei Dank, dass wir uns dabei nicht nur auf die Berichte der Augenzeugen, die Paulus aufzählt, verlassen müssen.

 

Nein, bis in unser 21. Jahrhundert finden sich Zeugen und Zeuginnen für die Wahrheit der Osterbotschaft. Es sind bedeutende Männer und Frauen wie:

Augustinus,

Meister Eckhart,

Martin Luther,

Paul Gerhardt,

Gerhard Tersteegen,

Jochen Klepper,

Dietrich Bonhoeffer,

Edith Stein,

Elisabeth von Thüringen,

Mutter Teresa,

Margot Käßmann

und viele mehr, die alle vom lebendigen Sohn Gottes ergriffen wurden.

 

Sie alle bezeugten auf ihre individuelle Weise, dass der Gekreuzigte der Lebendige Herr der Welt ist.

 

Es sind große Glaubenszeugen gewiss - aber auch wir, denen Christus auf die eine oder andere Art begegnet, sind aufgerufen, uns hier einzureihen!

 

Als „Beweis“ für das Osterereignis kann jeder, jede von uns nur das anführen, was wir selbst mit Jesus, dem Auferstandenen erlebt haben und erleben!

Ich glaube, weil ich ergriffen bin von dem Sohn Gottes, weil er mich angerührt hat. Ich glaube, weil ich erlebt habe, wie mir vergeben wurde und ich immer wieder die

Chance habe, neu anzufangen. Ich glaube, weil ich Menschen erlebe, die ihre Kraft, ihre Hoffnung, Mut und Fröhlichkeit aus ihrem Glauben schöpfen.

 

Ich glaube, weil ich Gott zutraue, jede Grenze – auch die von Zeit und Raum - zu überwinden. Und ich glaube, weil ich seine Liebe spüre, - stärker als der Tod und die Quelle ewigen Lebens, weil ich mit ihm an meiner Seite über Mauern, ja, manchmal sogar über meinen eigenen Schatten springen kann.

 

Der Tod bedroht zwar noch immer unser Leben, aber er hat nicht das letzte Wort. Durch die Auferstehung Jesu hat er die Macht verloren. Tod ist mitten in unserem Leben zu finden. Täglich sterben Hoffnungen, Erwartungen, Pläne und Beziehungen. Doch täglich erweist sich auch Auferstehung. Trotzdem – unglaublich! Überwindung, Mut, Hoffnung! Neues Leben! Verwandlung!

 

Das Ereignis am Ostermorgen lässt etwas geschehen, das sämtliche Erwartungen übertrifft: Menschen finden neue Wege und neue Lebensziele. Ängstliche Menschen, wie die fliehenden Jünger und die aufbrechenden Frauen, verwandeln sich in kraftvolle Zeugen und Zeuginnen - und das seit nun mehr schon Jahrtausenden! Menschen haben plötzlich Mut neue Wege zu gehen, ungeahnte Ziele anzupeilen.

 

Durch die Auferstehung Jesu kann Gottes Gegenwart - Orts unabhängig - von jedem Menschen erfahren werden. Ob im Gebet, im Lesen der Bibel, dort, wo ein Wort ergriffen wird oder in der Natur, ob allein oder in der Gemeinschaft der Glaubenden.

 

Und dann treten da Zeugen auf und können den Menschen diese freudige Erfahrung erzählen: Jesus Christus lebt, er ist mir nahe, er ist wahrhaftig auferstanden! Im Erzählen, im Bekennen, im Aussprechen liegt eine große Kraft. Gott sprach: Es werde – und es wurde.

 

Gott schuf uns – nach seinem Bilde: Und immer wenn wir erzählen, bekennen, die Osterbotschaft verkünden, wird seine Gegenwart ganz lebendig, werden wir selbst zum Zeugnis der Auferstehung, und werden selbst im Glauben wachsen.

 

Paulus nennt das „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“

Ja, wir sind reichlich beschenkt. Und Gottes Geist ermöglicht es uns auch immer wieder: "Von neuem sehen, hören und fühlen" zu können. Trotz all unserer Grenzen, allem Versagen, trotz aller Schuld können wir aufstehen und uns für das unendlich freie Leben in der Nähe Gottes entscheiden. Diese Freiheit ist Ostern! Ostern ist ohne Karfreitag nicht zu haben, nicht einmal zu denken. Wer den Tod versucht, auszublenden braucht auch kein Osterereignis, wird es nicht begreifen und nicht davon ergriffen. Erst dort, wo wir die schwarzen Flecken in unserem Leben, in unserem Umfeld, in der Welt auch wirklich wahr und ernst nehmen, bricht die freudige Nachricht über uns herein, dass alles anders sein kann.

 

Hier und jetzt - in diesem Leben - gilt es „...von der Auferstehung Christi einen neuen, reinigenden Wind in die gegenwärtige Welt wehen zu lassen“. Hier und jetzt! Den Todesmief des Jämmerlichen zu vertreiben! Der Liebe die Augen zu öffnen! Dann wird vieles anders werden. Dann ereignet sich die Auferstehung mitten in unserem Leben, in unserer Gemeinde, in der Welt - und wir können das bezeugen. Vielleicht geschieht all dies dann auch, weil wir Gottes trotzige Liebe bezeugen.