Motive - Aus dem Evangelischen Leben

Sonntag, 24. 10. 2010, 19.04 Uhr bis 19.30 Uhr Österreich 1

 

 

 

„Heimatsuche“ – Kulturelle Identität in einer pluralen Gesellschaft

 

 

Migration ist – nicht nur in Zeiten eines Wahlkampfes – ein omnipräsentes Thema. Dass Migranten, so sie zur Mehrheitsgesellschaft gehören wollen, ihre heimischen Bräuche  vergessen und die Identität der „größeren Menge“ annehmen sollten, ist eine Forderung, die, meint der Sozialphilosoph Hans Joas, nicht einlösbar ist. Denn „die konventionelle Vorstellung, dass religiöse und ethnische Werte und Identitäten von Immigranten Anachronismen seien, die im Prozess der Modernisierung und durch Assimilation verschwinden, ist falsch“, meint Joas und verweist auf die Jahrhunderte alte europäische Tradition von religiösem und kulturellem Pluralismus: „Europa war nicht einheitlich christlich, da es immer auch eine jüdische Geschichte hatte. Auch der Islam muss – man denke an seine Präsenz auf der iberischen Halbinsel und dem Balkan – als europäische Religion bezeichnet werden.“  Der Soziologe betont, dass die Auswirkungen der Migration auf die religiöse Situation der aufnehmenden Staaten immer wieder positiv waren und fügt hinzu: „Integration kann nicht erzwungen werden. Zwar spricht nichts dagegen, Voraussetzungen für Integration etwa sprachlicher Art festzulegen und Lock- und Druckmittel zu gebrauchen, um diese zu verwirklichen. Aber entscheidend ist, dass Einwanderer als Individuen, als Familien, als Religionsgemeinschaften nicht zu biographischen Brüchen genötigt werden, die noch schärfer ausfallen, als es die Herausforderung durch die Migration schon an sich erfordert. Integration muss selber pluralistischen Charakter haben und nicht durch Anpassung an eine falsche Homogenität erzwungen werden.“

Gestaltung: Martin Gross